Der Elefant und der Hahn
(Aus Äquatoria)
Eines Tages forderten der Elefant und der Hahn einander zum
Wettstreit auf, wer von
ihnen ein beharrlicherer Fresser wäre. Als sie an dem
vereinbarten Orte sich getroffen
hatten, machten sie sich sofort ans Werk. Gegen Mittag legte
sich der Elefant gesättigt
nieder und versank im Schlaf. Nach einigen Stunden wachte er
auf und bemerkte zu
seinem großen Verwundern den Hahn, wie er immer noch unter
dem Grase scharrte und
pickte. Auch er begann zu fressen, und, neuerdings
gesättigt, zog er sich zurück, indem
er mit stets wachsendem Staunen den Hahn Nahrung zu sich
nehmen sah. Als sich die
Sonne zum Untergang wendete, beeilte sich der Hahn, sich auf
den Rücken des Elefanten
zu setzen, der sich mittlerweile gelegt hatte. Kurze Zeit
verstrich, da fühlte der Elefant
Stiche auf seinem Rücken. "Was machst du da?" rief er halb
erschreckt. "Nichts; ich
nähre mich von den Insekten, die ich in den Borsten deiner
Haut finde." Entsetzt über
eine derartige ausdauernde Gefräßigkeit, erhob sich der
Elefant und suchte wie ein Narr
das Weite.
Und seit diesem Tage flieht der Elefant stets, wenn er das
Krähen des Hahnes hört.
Der tote Mann und der Mond
(Geschichtchen aus Äquatoria)
Ein alter Mann sah einen Toten, auf welchen der Schein des
Mondes fiel. Er rief eine große
Anzahl Tiere zusammen und redete sie also an: "Wer von euch
als tapferen Leuten will es
auf sich nehmen, diese Leiche auf das entgegengesetzte
Flußufer zu tragen, und wer den toten Mond?"
Zwei Arten von
Kröten meldeten sich; die eine mit den langen Beinen
übernahm den Mond, die andere mit den kurzen Beinen den
toten Menschen. Der Trägerin
des Mondes gelang ihr Unternehmen; diejenige des Menschen
aber ertrank infolge der Kürze
ihrer Beine.
Und das ist der Grund, weshalb der tote oder untergegangne
Mond immer wieder erscheint,
der Mensch dagegen, wenn er einmal tot ist, nicht mehr
zurückkehrt.
Der Ursprung des Todes
(Hottentotten-Mythos)
Einst sandte der Mond den Hasen auf die Erde nieder, um den
Menschen zu verkünden,
daß wie er (nämlich der Mond) hinstürbe und wieder lebendig
würde, so sollte auch ein
jedes Menschenkind sterben und wieder lebendig werden.
Anstatt aber nun die Botschaft genau auszurichten, sagte der
Hase, sei es nun aus
Vergeßlichkeit oder aus Böswilligkeit, den Menschen, daß,
wie der Mond erschiene und
hinstürbe, so sollten auch die Menschen sterben und nicht
wieder lebendig werden.
Als der Hase dann zum Monde zurückgekehrt war, wurde er von
demselben befragt, ob er
seine Botschaft ausgerichtet habe. Wie nun der Mond erfuhr,
was jener getan, ward er so
zornig, daß er ein Beil ergriff, um dem Hasen den Kopf zu
spalten. Da der Schlag aber zu
kurz geführt wurde, so fiel das Beil auf die Oberlippe des
Hasen nieder und verletzte dieselbe
nicht unbedeutend. Daher stammt nun die sogenannte
Hasenscharte, welche noch jetzt zu
sehen ist.
Da der Hase nun über eine solche Behandlung höchst empört
war, so nahm er seine Nägel
zu Hilfe und zerkratzte damit des Mondes Antlitz. Die
dunkeln Partien nun, die wir noch jetzt
an der Oberfläche des Mondes wahrnehmen, sind die Schrammen,
die er bei dieser
Gelegenheit erhielt.
Warum hat
der Schakal einen langen schwarzen Streifen auf dem
Rücken?
(Hottentotten-Geschichtchen)
Die Sonne, so erzählt man, befand sich einst auf der Erde.
Die Menschen waren damals
gerade im Umzug begriffen und sahen sie wohl am Wege sitzen,
gingen aber, ohne sie zu
beachten, vorüber.
Der Schakal aber, der hinter ihnen herkam und die Sonne auch
dasitzen sah, ging zu ihr
heran und sprach: "Solch ein hübsches Kindlein lassen die
Menschen zurück?" Er hob die
Sonne dann auf und steckte sie in das Awafell, das er auf
dem Rücken trug. Da es ihn aber
brannte, so sprach er: "Komm herab!" und schüttelte sich;
die Sonne klebte aber auf seinem
Rücken fest und brannte von dem Tag an des Schakals Rücken
schwarz.
Der Leopard und der
Widder
(Hottentotten-Fabel)
Als der Leopard einst von der Jagd heimkehrte, kam er
zufällig an den Kraal eines Widders.
Nun hatte der Leopard nie zuvor einen Widder gesehen und
näherte sich deshalb in sehr
unterwürfiger Weise, während er sprach: "Guten Tag, mein
Freund! Wie magst du wohl
heißen?" Der Widder erwiderte mit rauher Stimme, indem er
sich mit dem Vorderfuß auf die
Brust schlug: "Ich bin ein Widder, und wer bist du?" "Ein
Leopard", versetzte er mehr tot als
lebendig, dann nahm er Abschied und eilte nach Hause, so
schnell er konnte.
Nun lebte mit dem Leoparden zusammen ein Schakal, zu dem
sagte er: "Freund Schakal!
Ich bin ganz außer Atem und halbtot vor Schrecken, denn ich
habe einen fürchterlichen
Burschen mit großem, dicken Kopf gesehen, der mir auf die
Frage nach seinem Namen ganz
groß erwidert hat: Ich bin ein Widder!"
"Was bist du doch für ein närrischer Kerl," rief der
Schakal, "du hast ein schönes Stück
Fleisch fahren lassen! Wie konntest du das nur tun? Aber wir
wollen uns gleich morgen auf
dem Weg machen und es gemeinsam verzehren!"
Am folgenden Tag machten sich die beiden nach dem Kraale des
Widders auf. Als sie nun
auf diesen von der Höhe eines Hügels hinabsahen, erblickte
sie der Widder, der ausgegangen
war, um frische Luft zu schöpfen, und der eben überlegte, wo
er sich wohl heute den
zartesten Salat suchen könnte. Da eilte er denn sofort zu
seiner Frau und rief ihr zu:
"Ich fürchte, daß unser letztes Stündlein geschlagen hat!
Der Leopard und der Schakal
kommen beide auf uns zu, was sollen wir anfangen?"
"Sei nur nicht bange", meinte sein Weib, "sondern nimm das
Kind hier auf den Arm, gehe
damit hinaus und kneife es recht tüchtig, so daß es schreit,
als sei es hungrig."
Der Widder gehorchte und ging so den gegen ihn Verbündeten
entgegen. Sobald der
Leopard den Widder erblickte, bemächtigte Furcht sich
abermals seiner, und er wollte wieder
umkehren. Der Schakal hatte für diesen Fall schon Vorsorge
getroffen, er hatte nämlich den
Leoparden mit einem ledernen Riemen an sich festgebunden. So
sagte er nun:
"So komm doch!" Da kniff der Widder sein Kind tüchtig und
rief dabei laut: "Das ist recht,
Freund Schakal, daß du uns den Leoparden zum Essen bringst,
hörst du, wie mein Kind
nach Nahrung schreit?"
Als der Leopard diese schrecklichen Worte hörte, stürzte er,
trotz der Bitten des Schakals,
ihn doch los zu lassen, in der größten Angst davon, indem er
zugleich den Schakal über Berg
und Tal, durch Büsche und über Felsen mit sich fortschleppte
und erst dann still hielt und
scheu um sich blickte, als er sich selbst und den halbtoten
Schakal wieder nach Hause
gebracht hatte.
So entkam der Widder.
Der Schakal und der
Leopard
(Aus Äquatoria)
Der Leopard hatte eine Gazelle gefangen und verzehrt. Das
sah der Schakal. "Du bist
allerdings gefräßig unter den Tieren", sagte er zu ihm,
"allein es wird dir nicht gelingen,
mich an Gefräßigkeit zu übertreffen." Der Leopard lachte.
"Nun zur Probe!" antwortete er.
Der Schakal begab sich in ein weites Feld von weißlichen
Kürbissen, und, nachdem er sie
von den Blättern gereinigt hatte, ließ er sich in der Mitte
nieder, nachdem er sich den
Kopf rot gefärbt hatte. Der Leopard kam hinzu und versuchte,
sich ihm zu nähern; da er
aber die Kürbisse wahrnahm und glaubte, es seien Schädel
verzehrter Tiere, schritt er,
von Schrecken ergriffen, zurück. "Warum kommst du nicht
näher?" rief ihm der Schakal zu.
"Ach, ich fürchte mich", versetzte der Leopard, seinen Weg
weiter nehmend, "ich erkenne,
daß du wilder und blutdürstiger bist als ich."
Der kranke Löwe
(Hottentotten-Fabel)
Der Löwe, sagt man, war krank; da gingen sie alle, ihn in
seinen Leiden zu besuchen;
der Schakal aber ging nicht hin, weil die Spuren der Leute,
die hingingen, um ihn zu
besuchen, nicht wieder zurückkehrten. Da wurde er von der
Hyäne bei dem Löwen
verklagt. "Obschon ich gekommen bin, dich zu besuchen, will
doch der Schakal nicht
kommen, dich in deinen Leiden zu besuchen." Da schickte der
Löwe die Hyäne, um den
Schakal zu fangen. Das tat sie und brachte ihn vor den
Löwen. Der Löwe fragte den
Schakal: "Warum kamst du denn nicht, nach mir zu sehen?"
Der Schakal gab zur Antwort: "Bitte, lieber Onkel; als ich
hörte, daß du so schwer krank
seiest, ging ich zum Zauberdoktor, um Rat zu holen und ihn
zu fragen, was für eine
Arznei meinem Onkel von seinen Schmerzen helfen würde. Der
Doktor aber sagte so zu mir
'Geh und sage deinem Onkel, er möge die Hyäne ergreifen, ihr
das Fell abziehen, und, wenn
es noch warm wäre, es anlegen; dann werde es besser werden.'
Die Hyäne ist so
nichtsnutzig, daß sie sich gar nicht um die Leiden meines
Onkels kümmert."
Der Löwe folgte diesem Rat, ergriff die Hyäne, zog ihr,
während sie aus Leibeskräften heulte,
das Fell über die Ohren und legte es an.
Das Chamäleon und
der Elefant
(Aus Äquatoria)
Eines Tages lud das Chamäleon den Elefanten zum Laufen ein.
Der Elefant nahm die
Herausforderung an, deren Entscheidung auf den folgenden
Morgen verlegt wurde.
Während der Nacht verteilte das Chamäleon viele seiner
Brüder in kurzer Entfernung den
Weg entlang, der zu durchlaufen war. Als der folgende Tag
graute, kam der Elefant und
fing ohne weiteres zu laufen an. Das Chamäleon stieg hurtig
dem Elefanten auf den
Schwanz. Bei jeder Begegnung mit einem Chamäleon fragte der
Elefant: "Bist du nicht
müde?" - "Nein!" antwortete das gefragte Tier, das sich
jetzt erst anschickte, den kleinen
ihm angewiesenen Teil zu durchlaufen. Zuletzt blieb der
Elefant atemlos und müde stehen,
indem er sich für besiegt bekannte.
Die Schlange
(Hottentotten-Fabel)
Es war einmal ein Weißer, so erzählt man, der traf eine
Schlange, auf die ein großer Stein
gefallen war, so daß sie sich nicht aufrichten konnte. Da
hob der Weiße den Stein von
der Schlange auf. Als er ihn aber aufgehoben hatte, wollte
die Schlange ihn beißen.
Der Weiße sagte jedoch: "Halt! Laß uns beide erst zu klugen
Leuten gehen!" So gingen sie
denn und kamen zur Hyäne. Die fragte der Weiße. "Ist es auch
wohl recht, daß die
Schlange mich nun beißen will, obwohl ich ihr half, da sie
hilflos unter dem Steine lag?"
Die Hyäne erwiderte: "Nun, was wäre das denn Großes, wenn du
gebissen würdest?"
Da wollte ihn die Schlange beißen, aber der Weiße sprach
wieder: "Warte erst und laß uns
zu andern klugen Leuten gehen, damit ich höre, ob es auch
recht ist!"
Als sie weitergingen, trafen sie den Schakal. Da redete der
Weiße den Schakal an:
"Ist's
auch wohl recht, daß die Schlange mich beißen will, obschon
ich den Stein aufhob,
der auf ihr lastete?" Der Schakal erwiderte: "Ich kann es
mir gar nicht vorstellen, daß die
Schlange so vom Stein bedeckt sein konnte, daß sie nicht
imstande war aufzustehen.
Nur wenn ich's mit meinen eignen Augen sähe, würde ich's
glauben. Kommt, wir wollen
uns auf den Weg machen und zusehen, ob's möglich ist."
So machten sie sich denn alle auf und gingen nach der
Stelle, wo es geschehen war.
Dort angekommen sprach der Schakal: "Schlange, lege dich
nieder und laß dich mit dem
Stein bedecken." Da legte der Weiße den Stein auf sie, und,
obschon sie sich sehr
anstrengte, konnte sie doch nicht aufstehen. Der weiße Mann
wollte den Stein wieder
aufheben, aber der Schakal sprach: "Laß sie nur liegen, sie
wollte dich ja beißen;
sie mag allein aufstehen!"
Und beide gingen davon.
Hase und Affe
(Woloffen-Fabel aus dem Sudan)
Der Affe warf dem Hasen vor, er blicke sich fortwährend um,
der Hase erwiderte, der Affe
kratze sich fortwährend. Beide kamen überein, einen Tag
hindurch vom Sonnenaufgang
bis zum Sonnenuntergang beieinander zu sitzen. Der Hase
versprach, sich nicht
umzuschauen, der Affe gelobte, sich nicht zu kratzen.
Der festgesetzte Tag kam heran, mit Sonnenaufgang fanden
sich beide an dem bestimmten
Platz ein. Regungslos hielt der Hase seinen Blick auf den
Erdboden geheftet, ruhig und
unbeweglich ruhten die Hände des Affen auf seinem Schoß.
Es wurde Mittag, da sagte der Affe, der es vor Pein kaum
noch aushalten vermochte:
"Als ich im Kriege war, trafen mich die Kugeln hier - und
hier - und dort – und dort!"
Wohin er mit dem Finger wies, um die Stellen zu bezeichnen,
wo er getroffen worden war,
kratzte er sich schnell.
Auch der Hase, der es kaum noch vermochte, seine Augen auf
dem Fußboden vor ihm
ruhen zu lassen, begann eine Erzählung: "Als ich im Kriege
war," sagte er, "verfolgten mich
auch die Feinde. Vor Entsetzen sprang ich bald hierhin, bald
dorthin - bald links,
bald rechts." Mit Blitzesschnelle folgten dabei seine Augen,
die so lange starr auf den Boden
geheftet gewesen waren, den Bewegungen seiner Glieder.
Der Fischdiebstahl
(Hottentotten-Fabel)
Einst sah der Schakal, der an der Grenze der Kolonie lebte,
einen Wagen von der Küste
kommen, der mit Fischen beladen war. Er machte den Versuch,
auf den Wagen von hinten
aufzusteigen, aber es war ihm nicht möglich. Da eilte er
demselben voraus und legte sich
auf den Weg nieder, als wenn er tot wäre.
Als der Wagen im nahe kam, rief der Leiter des Gespanns dem
Kutscher zu: "Da liegt ein
schöner Pelz für deine Frau!" - "Wirf's ihn in den Wagen!"
rief der Kutscher.
So wurde der Schakal in den Wagen geworfen.
Während der Wagen in der mondhellen Nacht dahinfuhr, warf
der Schakal die Fische auf die
Straße, sprang dann selbst hinunter und brachte einen guten
Teil in Sicherheit. Aber eine
einfältige alte Hyäne, die hinzukam, verzehrte mehr als
ihren Anteil, was der Schakal ihr
zu gedenken beschloß. So sagte er dann zu ihr: "Du kannst
auch Fische genug bekommen,
wenn du dich vor einen Wagen legst und, was auch geschehen
mag, dich ganz still
verhältst." - "Jawohl," brummte die Hyäne; darauf streckte
sie sich, so bald wieder ein
Wagen von der Küste herkam, auf den Weg hin.
"Was für ein garstiges Geschöpf ist das?" rief der Leiter
und stieß die Hyäne mit dem Fuß
an. Dann nahm er einen Stock und schlug sie halbtot. Die
Hyäne tat, wie ihr der Schakal
gesagt hatte, und lag still, solange sie es aushalten
konnte. Dann stand sie auf und
humpelte davon, um dem Schakal ihr Leid zu klagen, der sie
zum Schein tröstete.
"Wie schade," rief die Hyäne, "daß ich kein so hübsches Fell
habe wie du!"
Der stolze
Schmetterling
(Woloffen-Fabel)
Ein wunderschöner Schmetterling umflatterte eine duftende
Blume; da bemerkte er eine
häßliche Raupe, die im Staube dahinkroch. Verächtlich rief
der Schmetterling ihr zu:
"Wie darfst du es wagen, dich in meiner Nähe sehen zu
lassen? Fort mit dir! Sieh, ich bin
schön und strahlend wie die Sonne, und meine Schwingen
tragen mich hoch in die Lüfte,
während du auf der Erde umherkriechst. Fort, wir haben
nichts miteinander zu schaffen!"
"Dein Stolz, du bunter Schmetterling, steht dir schlecht
an", erwiderte die Raupe ruhig.
"All deine Farbenpracht gibt dir nicht das Recht, mich zu
verachten. Wir sind und bleiben
Verwandte, so schmähst du dich also selbst. Bist du nicht
früher eine Raupe gewesen?
Und werden deine Kinder nicht Raupen sein wie du und ich?!"
Die Erde und der Hase
(Aus Äquatoria)
Eines Tages sagte der Hase zur Erde: "Du rührst dich nicht,
du stehst beständig fest;
warum das?" - "Du täuschest dich," erwiderte die Erde; "ich
laufe mehr als du." - "Es soll auf
den Beweis ankommen!" rief der Hase und fing zu laufen an.
Nachdem er eine lange Strecke durcheilt hatte, hielt er, des
Sieges versichert, inne. Aber zu
seiner großen Überraschung sah er die Erde noch immer unter
seinen Füßen. Öfter noch
wiederholte er die Probe, bis er, durch die langen
Anstrengungen ermüdet, zu Boden sank
und starb.
Das Haselhuhn
und die Schildkröte
(Aus Äquatoria)
"Ich bin besser daran, als du," sagte das Haselhuhn zur
Schildkröte. "Ich kann rasch gehen
und noch mehr - ich kann fliegen." - "Du Glückliche",
antwortete die Schildkröte,
"ich schleppe mich fort, und, so gut es geht, mache ich
meine Geschäfte ab."
Nun traf es sich, daß die Menschen, um zu jagen, das Gras
der Wiese anbrannten;
das wachsende Feuer engte den Kreis immer mehr ein, die
Gefahr für beide Tiere war
offenkundig und sicher. Die Schildkröte schleppte sich in
eine kleine Grube, die durch den
Fußtritt eines Elefanten ausgehöhlt war, und rettete sich
so. Das Haselhuhn dagegen
versuchte den Flug; aber Rauch und Feuer ließen es
herabfallen, und es starb.
Wer sich allzusehr rühmt, bleibt bei der Probe zurück.
Hasenlist
(Woloffen-Fabel)
Einst nahte sich der Hase, der das allerboshafteste Geschöpf
auf Erden ist, dem Throne des
Schöpfers und bat, der Herr möge ihn noch ein wenig
geriebener machen. "Geh, geh!"
rief der Schöpfer, um sich des zudringlichen Bettlers zu
entledigen; "erst fülle deine
Kalebasse einmal mit lebendigen Sperlingen."
Der Hase ging und setzte sich sinnend am Ufer einer Quelle
nieder. Der Tag neigte sich
seinem Ende zu, die Sonne ging unter; siehe, da kamen alle
die Vögel herbei, um sich nach
der großen Hitze, die am Tage geherrscht, und während der
sie sich verborgen gehalten
hatten, zu erfrischen. Die Sperlinge waren hauptsächlich
munter, sangen und sprangen und
löschten ihren Durst mit dem frischen Quellwasser.
Der Hase denkt bei sich: 'Nun ist's Zeit!' springt auf und
murmelt halblaut vor sich hin:
'Ja – nein – nein – und doch – o nein, verzeiht – nie und
nimmer – es geht nicht –es ist
unmöglich – und doch? – o!'
Verwundert fragen ihn die Sperlinge, was er denn meine? Er
gibt zur Antwort er wolle gar zu
gern wissen, ob alle Sperlinge in seiner Kalebasse Platz
hätten. "Gewiß," war die Antwort der
Vögel, "wir sind ja so klein!" Damit schlüpfte eins nach dem
andern in die Kalebasse des
Hasen. Schnell setzt dieser den Deckel auf und eilt mit
seiner Beute zum Thron des
Schöpfers. Der aber sagte: "Wollte ich deinen Verstand noch
vermehren, so würdest du ja
die Welt umkehren. Geh!"
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