Der Neidische und der Geizige
Jupiter sendet, der Menschen beweglichen Sinn zu erkunden,
Von des Olympus Burg Phöbus herab auf die Welt.
Sieh, da erflehten Zwei mit verschiedenen Wünschen sich
Gaben:
Dieser wurde vom Geiz, jener vom Neide geplagt.
Titan stellte sich mitten hinein, und wie er sie Beide
Fragt, so sprach er: "Es sei, was ihr verlangt, gewährt!
Denn was der Andere nur von euch sich immer erflehn wird,
Das wird plötzlich von mir doppelt dem Einen zu Teil."
Aber der Geizige, den nie satt ließ werden die Habgier,
Schob auf neuen Gewinn immer das Bitten hinaus;
Immer der Hoffnung, er werde durch Bitten des Andern
gewinnen,
Immer der Meinung, es sei doppeltes Glück ihm gewährt.
Doch als Jener bemerkt, daß nach dem Gewinn der Genosse
Hasche, so fleht er für sich jubelnd ein Übel herab.
Nämlich ein einziges Aug' erfleht er sich zu verlieren,
Nur daß Jener alsdann lebe der beiden beraubt.
Also verlachte der Sterblichen Treiben der weise Apollo,
Und welch Übel der Neid, kündet er Jupiter an.
Während der Neid sich erfreut ob Anderer mißlichem
Schicksal,
Fleht er mit Freuden sich selbst eigenen Schaden herab.
Der Bildhauer
Einst stellt einer des Bacchus Gestalt aus Marmor gehauen
Aus auf dem Markt, denn er wünscht sie zu verkaufen als
Gott.
Siehe da kommt ein Reicher, der an die Stätte des Grabmals
Sie zu setzen begehrt, und zu erhandeln von ihm.
Jener doch wünschte das Bild viel lieber in duftenden
Tempeln,
Daß es, wie er gelobt, prange an heiligem Ort.
Ihm entgegnet der Gott: Dich kümmert meine Bestimmung,
Während der Kaufpreis nur schwankend die Seele dir macht:
Ob du weihen mich willst den Unsterblichen oder den Toten,
Ob ich ein Gott soll sein, oder an Gräbern ein Schmuck?
Untergeordnet ist Scheu vor höheren Mächten dem Frevler,
Und mich zu retten vom Grab steht in deiner Gewalt.
[Das ist Denen gesagt, in deren Gewalt es gelegt ist,
Anderen Schaden zu tun, oder auch nützlich zu sein.]
Der Jäger und der Löwe
Wettstreit wurde geführt, und lang schon währte der Hader,
Welchen der Jäger erhub mit dem gewaltigen Leun.
Beide begehrten daher das Gezänk auf immer zu enden,
Als sie gewahrten vor sich eben ein offenes Grab.
Dort war künstlich gemacht ein niedergeworfener Löwe,
Welcher gehorsam den Hals hielt in dem Schoße des Mannes.
Denn, wie das Bild es bezeuge, behauptete Jener, sich
rühmend.
Er sei stärker: der Leu habe verloren den Streit.
Jener, entrüsteten Blicks und die eitlen Bilder
verschmähend,
Brüllt, und aus zorniger Brust sprach er die Worte zu ihm:
Nichtiger Dünkel zu deinem Geschlecht ist's, der dich
verleitet,
Daß du das Bild aufrufst, gütiger Zeuge zu sein.
Findet Geschmack einst unser Talent an solcherlei Künsten,
Daß ein Löwe den Stein formt mit künstlicher Hand:
Dann erblickst du den Menschen erdrückt und jämmerlich
ächzend,
Wie er den Geist aushaucht unter dem scharfen Gebiß.
Der Knabe und der Dieb
Einst saß weinend ein Kind am äußersten Rande des Brunnens,
Wie es mit eitlem Geschluchz eitel die Mienen verzog.
Dieses erblickt ein Dieb, und listig mit Tränen im Auge
Fragt er den Knaben, was wohl wäre der Kümmernis Grund.
Jener besann sich, und log, es sei sein Seil ihm zerrissen,
Klagend, der Eimer von Gold sei in den Brunnen gestürzt.
Ohne Verzug auszog er das Kleid voll frevler Begierde,
Und ließ nackend behend sich in den Brunnen hinab.
Siehe, da schlang sich der Knabe das Kleid um den niedlichen
Nacken,
Und zum sichern Versteck dient ihm das dicke Gebüsch.
Aber betrübt, daß er durch Lügen bewogen, Gefahren
Hätte bestanden, und selbst säße des Kleides beraubt.
Ließ sich vernehmen der listige Mann in klagenden Worten
(Und die Unsterblichen selbst wurden mit Seufzen bestürmt):
Mög' ein Anderer wohl forthin dir vertrauen die Kleider,
Meinend, ein golden Gefäß schwimm' in den Fluten des Quells!
[Niemand sehne sich allzu begierig nach einem Besitztum:
Sonst, weil mehr er sich wünscht, geht zu Grund, was er
hat.]
Der Löwe und die Ziege
Hoch sah weiden ein Leu auf ragendem Felsen die Ziege,
Wie er von Hunger geplagt zog in der Nähe vorbei.
Auf, sprach jener zuerst, und verlass' abschüssige Felsen,
Such' auf struppigen Höhn dürftige Weide nicht mehr;
Sondern auf grünenden Auen des Cytisus goldene Blüte,
Graulicher Weiden Geschoß oder des Thymus Gedüft.
Jene begann mit Seufzen darauf: Laß, trügrischer Weise,
Die ich hier sorglos bin, mich zu umstricken mit List.
Magst du vor großer und wahrer Gefahr auch wirklich mich
warnen,
Schweige nur: solches gerade schafft Vertrauen dir nicht.
Wären auch noch so fein und richtig die Worte des Rates,
Macht sie der reißende Ratgeber verdächtig mir doch.
[Glaube nicht allzu schnell dem Worte des schmeichelnden
Frevlers
Sondern bedenke zuvor, ob er es treu mit dir meint.]
Die Krähe und der Krug
Einen gewaltigen Krug erblickte die durstige Krähe,
Der tief unten im Grund einiges Wasser enthielt.
Dieses bestrebt sie sich lang zur ebenen Erde zu gießen,
Um den brennenden Durst sich zu vertreiben damit.
Doch da Gewalt nicht führte zum Ziel, so ergriff sie,
entrüstet,
Wie es die List eingab, sonst nicht gesehene Kunst.
Steinchen warf sie um Steinchen hinein; und das niedrige
Wasser
Hob sich steigend, und bot leicht sich zum Trinken ihr dar.
[Dieses bewies, wie viel edler die Klugheit ist denn die
Stärke.
Nämlich die Klugheit nur führte die Krähe zum Ziel.]
Der Bauer und der Stier
Einem zu mutigen Rind, das Joch und Fesseln verschmähte,
Und mit unbändigem Hals drückendem Joch sich entzog,
Schnitt ein Bauer entzwei mit gebogener Säge die Hörner,
Glaubend, es werde nun bald jenem genommen der Trotz.
Und am gewaltigen Pflug vorsichtig trug es den Nacken
(Denn sonst war's mit dem Horn rüstiger, als mit dem Fuß),
Daß ablenkte von ihm die ragende Deichsel die Schläge,
Und die Geisel es nicht träfe mit grausamem Hieb.
Aber sobald es entzog den zornigen Nacken den Fesseln,
Und unschuldigen Staub stampft mit den Füßen umsonst;
Wühlt es sofort in dem Sand, und zerstreut mit den Füßen ihn
wieder,
Den es dem folgenden Herrn schleudert vor Wut ins Gesicht.
Dann, als dieser, die Haare besudelt mit häßlichem Staube,
Sich ausschüttelt, so sprach drauf der betroffene Mann:
Bisher konntest du nur dein tückisches Wesen nicht zeigen,
Um mit allem Bedacht Anderen schädlich zu sein.
Der Satyr und der
Wanderer
Einstmals herrscht mit gehäuftem Reif der starrende Winter,
Und mit gehärtetem Eis hält er gefesselt die Flur,
Als ratlos ein Wanderer irrt im täuschenden Nebel:
Denn der verlorene Pfad hemmt ihn, zu fördern den Schritt.
Seiner erbarmte sich ein Satyr, welcher die Wälder
Schützt, und nahm voll Huld ihn in die Höhle zu sich.
Doch der Bewohner der Fluren verwundert sich viel und
erstaunt
Über der seltsamen Kraft, die er bei diesem bemerkt.
Denn in die frierenden Glieder das Leben sich wieder zu
rufen,
Blies er mit wärmendem Mund sich in die starrende Hand.
Aber nachdem er erheitert, da Frost und Kälte vergangen,
Seines besorglichen Wirts sich zu erfreuen begann
(Denn um die fröhliche Seite des ländlichen Lebens zu
zeigen,
Trug er das beste Gewächs ihm aus den Wäldern herbei:
Setzt auch duftenden Glühwein vor in gefülltem Mischkrug,
Daß ihm das heiße Getränk stärke den frierenden Leib) —
Als nun jener den siedenden Napf an die Lippen zu setzen
Scheu trug, blies er vom Mund kühlenden Atem hervor.
Über das doppelte Wunder erstaunt und entsetzt sich der
Gastwirt,
Stieß in den Wald ihn, und hieß weiter des Weges ihn ziehn.
Niemand möge forthin mehr unsere Höhle betreten,
Der so verschiedene Zwei trägt in dem Munde zugleich.
[Welcher den Andern lobt ins Gesicht und später verleumdet,
Der ist verhaßt; denn er fuhrt zweierlei Reden im Mund.]
Der Bauer und das
Schwein
Saaten verwüstet ein Schwein, und zerstört fettgrünendes
Bauland,
Als es der Bauer erhascht und ihm verstümmelt das Ohr,
Daß es ein Denkmal trüge der früher empfangenen Strafe,
Und für die folgende Zeit schonte zartes Getreid.
Wiederum ward es ergriffen bei gleichem Vergehen im Felde:
Ähnlicher Züchtigung war nimmermehr würdig das Tier.
Endlich fing er's, und gab's an der Herrschaft prangende
Tafel,
Und zu verschiednem Gericht ward es in Stücke zerlegt.
Doch als suchte der Herr das Herz des geschlachteten Ebers,
Hatte, wie man erzählt, schon es entwendet der Koch.
Darüber, wie billig, verdrossen, besänftigt der Bauer sich
also:
Keines, behauptet er klug, hatte das törichte Schwein.
Weshalb hätte man ihm die Glieder also verstümmelt?
Weshalb hätt' es erhascht immer der nämliche Feind?
[Das ist Denen gesagt, die oft und nach mancherlei Wagnis
Doch von frevlem Tun halten die Hände nicht rein.]
Die Maus und der Stier
Einen gewaltigen Stier wagt einst ein winziges Mäuschen
Anzunagen, und kam gegen denselben gerannt.
Als es jedoch mit dem beißigem Maul sich Wunden bereitet,
Barg es sich sicher darauf in dem gewundenen Gang.
Mochte nun der grauenhaft mit gewaltigem Nacken ihm drohen
Zürnend, so sah er den Feind, ihn zu erhaschen, doch nicht.
Siehe da spottet die Maus dem Erzürnten mit folgender Rede,
Da sie durch List sein Dräuen hatte zunichte gemacht:
Nicht, weil mächtige Glieder die Eltern dir haben gegeben,
Haben sie guten Erfolg darum auch den Kräften verliehn.
[Lerne an dem Wenigen hier, wie des Körpers Kraft man
vertraun darf,
Um zu erreichen, was nur kleinlicher Pöbel begehrt.]
Der Bauer und Herkules
Einst blieb stecken ein Bauer im sumpfigen Pfuhl mit dem
Wagen,
Und mit den Stieren im Joch ließ er ihn stehen, und ging.
Aber umsonst mit eitlen Gelübden vertraut er, die Götter,
Während er müßig saß, würden ihm Hilfe verleihn.
Doch vom erhabenen Himmel begann der Tirynthische Herrscher
(Dies war nämlich der Gott, den er zu Hilfe sich rief):
Treibe nur fürder auch an mit dem Stachel ermattete Stiere,
Und mit der lässigen Hand lerne bewegen das Rad.
Wenn du auch selbst angreifst, und mehr anstrengest die
Kräfte,
Darfst du zu deinem Geschäft rufen die Götter herbei.
[Nur durch faules Gebet wird nimmer erweicht die Gottheit;
Handelst du aber, so sind helfende Götter dir nah.]
Die Gans und der Bauer
Einer besaß ein Gänschen, begabt mit kostbarem Eistock,
Und ein goldenes Ei legt es ihm oft in das Nest.
Aber es war von Natur dem köstlichen Vogel verordnet,
Daß er zugleich nicht zwei brächte der Gaben ans Licht.
Siehe, da meint der Besitzer, es möchte die Quelle
versiegen,
Und er ertrug nicht mehr seines Gewinnes Verzug.
Groß sei, wähnt er, der Wert, der ihm vom Schlachten
erwachse,
Weil er zuvor ja schon erntete reichen Gewinn.
Als er den blinkenden Stahl ihm grausam stieß in die Kehle,
Und kein goldenes Ei war zu bemerken in ihm,
Seufzt der Tor laut auf bei solcherlei Schaden und
Täuschung:
Denn ihm ward nach Verdienst also die Strafe zuteil.
[Also versagen die Götter dem Mann, der zu vieles erfleht,
Auch für gewöhnliches selbst einen gerechteren Wunsch.]
Die Ameise und die
Grille
Wer in gemächlicher Ruhe die Tage der Jugend vorbeiläßt,
Und für sein Leben nicht schon sorgt bedächtig zuvor,
Wird, vom Alter erschlafft, wenn drückende Jahre herannahn,
Oft umsonst in der Not Hilfe von Andern erflehn.
Einst kroch emsig im Sommer die Ameise um für den Winter
Futter zu sammeln, und barg solches im tiefen Gebäu.
Doch als blinkender Reif ringsum die Erde verhüllte,
Und von dem starrenden Eis lagen die Saaten bedeckt,
War ihr das Sammeln gehemmt und erschlafft vom Frost ihr der
Körper:
Nur in dem eigenen Haus nagt sie das feuchte Getreid.
Flehentlich bat die Grille, verschmachtend, die Töne der
Klage
In dem Gefild einst sang, Nahrung zu reichen ihr doch.
Ihr auch habe, so lange auf der Tenne das reiche Getreide
Wurde gedroschen, Gesang Tage des Sommers verkürzt.
Da sprach lachend darauf also zur Zikade die Kleine
(Denn an dem nämlichen Ort nährten zusammen sie sich):
Siehe, dieweil ich mit äußerster Mühe mir Speise bereitet,
Kann ich mitten im Frost lange noch pflegen der Ruh.
Aber benützt du nun zum Tanzen die übrigen Tage,
Da du mit deinem Gesang hattest die Zeit dir verkürzt.
Die Affenmutter
und ihre Jungen
Einstens gebar, wie die Fabel erzählt, zwei Junge die Äffin:
Aber sie teilt ungleich unter den Kindern die Gunst.
Während die Mutter das Eine besorgt mit zärtlicher Liebe,
Schwoll sie von grausamem Haß gegen das Andere an.
Als einst starkes Geräusch anfing die Mutter zu schrecken,
Schleppte sie beide mit sich, aber auf zweierlei Art.
Denn in den Armen an freundlicher Brust hing ihr das
Geliebte,
Und das Verachtete ward nur auf den Rücken gesetzt.
Aber es trugen sie bald nicht mehr die ermüdeten Beine,
Und die vordere Last muß sie verlieren im Fliehn.
Siehe, das Andere schlingt um den struppigen Nacken die
Arme,
Hält sich, und gegen den Wunsch flieht's mit der Mutter
davon.
Bald auch ward es gesetzt in die Gunst des geliebteren
Bruders,
Alternden Ahnen nunmehr einzig zum Erben bewahrt.
[So nützt Vielen Verachtung, und wenn sich verändert der
Glückslauf,
Kehrt des Niedrigen Los wieder zum Besseren um.]
Das Rind und der
Pflugstier
Prahlend erblickt ein stattliches Rind, vom Joch nicht
gebändigt,
Einstens den Stier, der am Pflug emsig die Furchen zerteilt.
Schämst du dich nicht, so sprach es, zu tragen auf alterndem
Nacken
Fesseln, und daß du des Joches ledige Stunden nicht kennst?
Ich darf frei mich ergehn ringsum in Kräutern und Fluren;
Oder auch, wenn es beliebt, wieder im Schatten des Waldes.
Aber der Alte, durch solcherlei Rede zum Zorn nicht
getrieben,
Ackert, gespannt an den Pflug, träge den Acker wie sonst;
Bis auf den Wiesen man ihn ausspannt von dem Pflug, wo ihm
sanftes
Ausruhn wurde vergönnt über dem Pfühle von Gras.
Bald erschaut er das Rind an Götteraltären gefesselt
Stehen: und schon war auch eben das Messer gezückt.
Dir bringt solcherlei Tod, sprach Jener, die leidige Ruhe,
Die dich vom Joche befreit, das ich geduldig ertrug.
Drum ist's nützlicher mir, selbst drückende Mühe zu tragen,
Als in Muße, die bald flieht, ein Weichling zu sein.
Das ist der Menschen Geschick. Es ereilt den Glücklichen
immer
Schneller der Tod, doch lang dauert der Leidenden Not.
Der Hund und der Löwe
Einstens begegnet der fettere Hund dem mageren Löwen,
Und mit Scherzen vermischt sprach er die Worte zu ihm:
Siehst du, wie fett am doppelten Rücken die Hüften mir
schwellen,
Und wie die Muskeln umher strotzen an edler Brust?
Hab' ich geruht, dann ruft man mich zu den Tischen der
Menschen:
Reichlich nährende Kost hab' ich mit ihnen gemein.
Nichts auch schadet's, damit ich die Wacht nicht verlasse
des Hauses,
Daß mir ein eisernes Band fesselt den kräftigen Hals.
Aber in Angst vor dem Tod durchirrst du die mächtige
Wildbahn
Lang, bis ein Raub im Wald endlich entgegen dir kommt.
Also wohlan, und beuge den Hals in unsere Ketten;
Und so bist du dann leicht Kost zu verdienen im stand.
Plötzlich erwidert der Leu, schwer seufzend in heftigem
Zorn,
Und voll mutigen Grimmes brüllt ihm der Edle zu:
Geh und trage sofort um den schuldigen Nacken die Bande.
Mögen die Fesseln dir nur stillen den Hunger zugleich.
Wird mir die Freiheit aber in ärmlicher Höhle gelassen,
Ist es vergönnt mir nur alles Gefild zu durchziehn.
Solcherlei Mahl nur loben, das laß dir auf immer gesagt
sein,
Welchen nicht Freiheit steht höher als leckere Kost.
Der Fluß- und der
Meerfisch
Aus dem süßen Gewässer durch brandende Strömung vertrieben,
Zog in die Fluten des Meeres jählings ein Fischchen hinab.
Als der Frevler daselbst den schuppigen Haufen verachtet,
Brüstet er sich, vom Geschlecht edlerer Eltern, zu sein.
Dieses erduldet die Phuke zu Haus nicht von dem Vertriebnen,
Und zu dem beißenden Wort fügte sie Schmähungen bei:
Laß doch eitle Lügen, in künstliche Worte gekleidet,
Die durch dein eigenes Wort nichtig erscheinen von selbst.
Welcher vortrefflicher sei, wird sich in den Augen des
Volkes
Dar tun, wenn uns das Garn Beide gefangen umschlingt,
Denn es verkauft mich um höheren Preis ein edlerer Käufer:
Aber für schlechteres Geld handelt der Pöbel dich ein.
[Wer erst neuerlich kam von entlegenen Küsten als Fremder,
Soll Einheimische nicht niedriger schätzen, als sich.]
Der Soldat und die
Zinke
Einstens gelobt ein alter Soldat und von Schlachten
ermattet,
Daß er den Flammen zumal weihe sein Waffengeschmeid:
Sei's nun, was ihm als Sieger die sterbenden Feinde
gewähret,
Oder die Fliehenden ihm ließen als Beute zurück.
Endlich erfüllt ihm den Wunsch das Geschick. Des Gelübde
gedenkend,
Will er ins Feuer bereits werfen die Waffen zumal:
Als mit heiserer Stimme die Zinke sich schuldlos erklärte,
Weil sie ohne Vergehn sei zu den Flammen verdammt.
Keine Geschosse, begann er, auch was du selber gestehn
wirst,
Trafen geschleudert von mir dich in die Muskeln des Arms.
Sondern allein mit Winden und Blasen erregte ich die Waffen:
Sie mit gedämpftem Ton ruf ich zu Zeugen hier an.
Den sich Weigernden schleudert er auch ins knisternde Feuer.
Weder die Strafe ist dir, sprach er, zu groß, noch der
Schmerz.
Konntest du gleich Nichts selbst ausführen, noch etwas
beginnen,
Schlimmer ist dies: du hast Andere zu Frevlern gemacht.
Der Fuchs und der
Pardel
Prächtig gefleckt und mit herrlicher Brust war rüstig der
Pardel
Unter das übrige Wild auf die Gefilde geeilt.
Aber dieweil nicht bunt die Rücken der tapferen Löwen,
Glaubt er alsbald, die Leuen wären von niedrem Geschlecht.
Andere Tiere verachtet er gar mit düsterer Miene.
Er, das glaubt er, allein wäre von adligem Blut.
Ihn schilt drob der verschlagene Fuchs, da er mit des Felles
Glanze sich rühmt, und bewies, eitel nur wäre sein Schmuck:
"Geh', und vertrau nicht zu sehr dem Schmucke der reizenden
Jugend,
Während die Klugheit mir herrlicher ziert den Geist."
[Laß uns lieber bewundern, die sich mit Gaben der Seele
Schmücken, als welchen des Leibes glänzender Reiz ist
verliehn.]
Der Platzregen und
der Topf
Auf vom Winde gejagt und vom dichten Gewölke gedrängt,
Goß von Gewitterflut schwer sich der Regen herab.
Als er zusammengeflossen im Strudel zerwühlet das Erdreich,
War ein Topf im Gefild, welchen bedrängte die Flut
(Denn den beweglichen Stoff an dem Lehmtopf trocknet die
Luft aus,
Daß er, ins Feuer gesetzt, tüchtiger werde gebrannt).
Alsbald fragt den zerbrechlichen Topf nach dem Namen der
Regen.
Dieser vergaß sich, und sprach: Eimer, — so nennt man mich.
Sieh welch künstliche Hand, auf drehender Scheibe des
Töpfers
Schräg' auslaufend und sanft, hat mir die Seite geformt!
Freue dich nur für jetzt, sprach jener, ob deiner Gestalt
noch,
Bis mit des Wassers Flut bald dich der Regen zerwascht.
Plötzlich ergriff ihn der Fluß mit heftiger Strömung: da
wankt er.
Jählings trieb er dahin sich in der rinnenden Flut.
Unglückseliger, der so mächtige Namen sich spendet,
Und zum Regengewölk solches zu sagen gewagt!
[Solcherlei Beispiel kann in der Zukunft Niedrige lehren,
Daß sie ihr knechtisches Los stille beseufzen bei sich.]
Der Wolf und der Bock
Einst verlachte den Wolf ein Bock, der im Laufe den
Vorsprung
Hatte, dieweil er zunächst lief nach dem Haus an dem Feld.
Da er gerade auf dem Weg in die Mauern den eiligen Lauf
nimmt,
Sucht er im sicheren Stall wolliger Herden sich Schutz.
Bis in die Mitte der Stadt verfolgt ihn hitzig der Räuber,
Und mit berechneter List sucht er das Böcklein zu fahn.
Stehst du nicht, so sprach er, wie jeglichem Tempel als
Opfer
Schuldlos sterbend das Vieh färbt den Boden mit Blut?
Eilst du nicht, dich zu retten hinaus ins sichere Gefilde?
Wehe, so wirst auch du fallen, die Stirne bekränzt.
Jener darauf: entsage der Furcht und aller Besorgnis,
Und o hebe dich weg, Frevler, mit deinem Geschwätz!
Denn es ist besser, den Göttern geweiht sein Blut zu
vergießen,
Als dem gefräßigen Wolf tränken den Rachen damit.
[Wenn auf jedes Geschick man traurigem Lose sich preisgibt,
Frommt es am meisten, man wählt selber den edelsten Tod.]
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