Fabelverzeichnis
Deutsche Fabeln

 

Lassen wir zuallererst einen bekannten Vertreter der Fabeldichtkunst, Johann Wilhelm Ludwig Gleim zu Wort kommen.
Er schildert sehr anschaulich, was die Fabel ist.
 

Die reisende Fabel

Die arme Tochter des Äsop,
Die Fabel, reiste von Athen,
Entfernte Länder zu besehn.

Wer sie erblickte, der erhob
Ihr Wesen, ihren Gang
Und ihren Anzug. Nicht zu lang
Und nicht zu kurz, war er bequem;
Wohin sie kam, da war sie angenehm.

Zu Rom schenkt' ihr ein feineres Kleid
Ein Freigelassener des Kaisers seiner Zeit.
Es stand ihr wohl, es war gemacht
Nett, aber ohne Pracht.

Dann reiste sie darin, noch blöde, nach Paris.
Ein edler Ritter nahm sie auf und unterwies
Die Pilgerin, die seine Freundin ward,
In Sitten und in Putz, nach seiner Landesart.
Auch nahm er einst sie mit in eine Galanacht
An Ludwigs Hof, in Hofes Tracht.


Und weil der jungen Maintenon
An Geist und Schönheit sie vollkommen glich,
So zog sie alsbald des Königs Aug' auf sich.
Was hatte sie davon?
Er rühmte sie den Prinzen, sie gefiel!
Und einst, beim Spiel,
Nannte er in Gnaden sie die Menschenlehrerin!


"Ich? Ihro Majestät, ich bin
Nur eine Zeitvertreiberin;
Mich hören Kinder nur so gern.
Ich, Lehrerin der Menschen? Das sei fern!
Was Recht und Tugend ist, zu lehren und zu preisen,
Das überlass' ich Herren
Und Königen und Weisen."
 

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Was ist aber die Fabel und woher kommt sie?


Fabel-Begrifferklärung

Der Begriff Fabel (v. lat.: fabula Erzählung, Sage) bezeichnet:

1.
Eine in Vers oder Prosa verfasste Erzählung mit belehrender Absicht, in der Tiere, Pflanzen oder fabelhafte Mischwesen menschliche Eigenschaften besitzen (Personifikation). Die Dramatik der Fabelhandlung zielt auf eine belehrende Schlusspointe, eine Moral, hin.

2.
Das Stoff- bzw. Handlungsgerüst, das einem epischen oder dramatischen Werk zugrunde liegt und in dem die wichtigsten Motive enthalten sind.


Ein wichtiges Gattungsmerkmal der Fabel ist die Kürze = "Brevitas"
Die Lehre daraus (der erhobene Finger ) ;-) am Anfang der Fabeln gesetzt heißt: Promythion = "Vorspruch"
Ans Ende gesetzt: Epimythion = "Nachspiel"


Zur Herkunft der Fabel

Fachleute sind sich nicht einig darüber, wo die Heimat der Fabel zu suchen ist. Einige meinen sogar, dass es sinnlos sei, danach zu forschen.
Tatsache ist aber, dass bereits in sumerischen — nachgewiesen bis 4. Jahrtausend. v. Chr.— Texte des frühen 2. Jahrtausends v. Chr. Tierfabeln
mit kurzer Erzählung und Schlusswort eines Beteiligten zu finden sind.

Gelten also die Sumerer als die "Erfinder" der Fabel?
Der Versuch, die Entstehung der Fabel in Ägypten anzusetzen ist ebenso fehlgeschlagen wie der Gedanke, die Juden als ihre Schöpfer hinzustellen.

Ewiesen ist aber, dass der Grieche Äsop — der um 600 v. Chr. lebte — zahlreiche Fabeln verfasste, und sich die griechische Fabel:
"Die Nachtigall und der Habicht" bei Hesiod (um 700 v.Chr.) findet.

Wie auch immer, man kann aber annehmen dass die Griechen die Fabel von ihren vorderasiatischen Nachbarn übernahmen, die selbst auf der
sumerischen, babylonischen und assyrischen Tradition fußten. Mit ihrer Vorliebe für Abstraktion und Regel haben sie die Fabel jedenfalls erobert
und entwickelt.

Wo der Ursprung der Fabel liegt, darüber sollen sich die Fachleute den Kopf zerbrechen. Die Freunde dieses Genre wollen sie einfach nur lesen
und sich über das Gelesene erfreuen.

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Tierfabel


Tierfabeln sind Geschichten, in denen Tiere wie Menschen handeln. Der Verfasser beabsichtigt dabei oft, den Menschen einen Spiegel vorzuhalten und
sie in Form von Geschichten oder Fabeln mit Tieren auf ihre Fehler hinzuweisen. Dabei kommen manche Tiere recht oft vor, wie beispielsweise der Wolf,
die Eule, der Fuchs.

Die Tiere haben meist Eigenschaften, die sich in fast allen Fabeln gleichen.

Der Fuchs ist dort der Schlaue, Listige, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist.
Die Eule ist die weise und kluge Person.
Die Gans gilt als geschwätzig.
Der Löwe als mutig.
Die Schlange als hinterhältig.
Die Ameise gilt als die Mutter des Fleißes.
Der Esel ist meistens einfältig und dumm.
 

Tiernamen nach der germanischen Fabeltradition
 
Name
 
Tier
 
Charakter
 
Adebar
Adelheid
Arbnora
Äugler
Bellyn
Bokert
Boldewyn
Braun
Ermelyn
Gieremund
Grimbart
Henning
Hinze
Hylax
Isegrim
Kratzefuß
Lamb
Lupardus
Lütke
Lynx
Markart
Martin
Meister Lampe
Meister Petz
Merkenau
Metke
Murner
Nobel
Pflückebeutel
Reineke
Swinegel
Tybbke
Wackerlos
 
Storch
Gans
Igel
Kaninchen
Widder
Biber
Esel
Bär
Fähe
Wölfin
Dachs
Hahn
Kater
Hund
Wolf
Henne
Lamm
Leopard
Kranich
Luchs
Häher
Affe
Hase
Bär
Krähe
Ziege
Katze
Löwe
Rabe
Fuchs
Igel
Ente
Hündchen
 
stolz
geschwätzig
introvertiert
vorlaut, frech
ängstlich, schwach, aber klug
arbeitswütig
störrisch, faul
stark, kriegerisch, tumb, unklug
listig und schlau
böse, dem Bauch gehorchend
bedächtig, ruhig
eitel und schlau
eigenwillig
treu und gutherzig
dem Bauch gehorchend
eitel
unschuldig, wehrlos
gerissen
bürokratisch
vorsichtig
vorlaut
eitel, intrigant
vorlaut und ängstlich
gutmütig, naiv
naseweis
meckernd, stur, unnachgiebig
schläfrig
stolz, mächtig, gefährlich
eitel und dumm, besserwisserisch, diebisch
schlau und hinterlistig
schlau
dumm
affektiert
 
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