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Drollinger Carl Friedrich

geb. 26. 12. 1688 Durlach in Baden
gest. 1. 6. 1742 in Basel

Er war ein Archivar, Lyriker und Übersetzer. Er gehört zu den ersten schweizerischen Dichtern, die eine größere Bekanntheit erreicht haben.


Quelle:
Carl Friedrich Drollinger/Gedichte
Frankfurt am Main 1745/
bey Frantz Barrentrapp

Der Bettelmann und der Tod
Die Eule und die Elster

Die Athenienser
Die Stadtmaus und die Feldmaus

Das Chamäleon
Homer und der Taube

Der Bettelmann und der Tod

Ein Bettelmann warf seine Krücke
Voll Unmut in den tiefen Rhein
Und sprach, erzürnt auf sein Geschicke:
O Tod, verkürze meine Pein!
Der Tod erschien ihm aus Erbarmen.
Ei, sprach der Bettler, bist du hier?
Mein Trost und Stab entfiel mir Armen,
Ach, schwimm ihm nach, und hol ihn mir!

Die Eule und die Elster

Die Eule saß in einer hohlen Kluft,
In welcher sie mit klugem Auge wachte,
Und hörte da wie in der freien Luft
Auf einem Baum die Elster sie verlachte.

Du Nachtgespenst, so sprach die Plauderin,
Du Schattenfroh, der keine Sonne kennet!
Wie daß der Mensch dich voller Eigensinn
Der Weisheit Bild, Minervens Vogel nennet?
O dummer Wahn! Der die für weise hält,
Die für und für im dunkeln Schatten sitzen.
Du Törichte! Was nützest du der Welt?
Was mag sie dir in deinem Kerker nützen?
Nein! meinen Leib belebt ein andrer Sinn.
Ich freue mich der holden Sonnenblicke;
Und, weil ich noch bei guten Tagen bin,
So leid ich nicht, daß mich ein Grab ersticke.

So machte sich die Plaudertasche groß.
Doch, als ihr Lied zu lange sich verweilet,
So hatte sie mit einem grimmen Stoß
Der Vögel Prinz, der Adler, schnell ereilet.
Er riß sie weg. Die Eule ruft ihr zu:
Erkennst du nun, wer besser oder schlimmer
Von uns getan? Denn, wahrlich hättest du,
Wie ich, gelebt, so lebtest du noch immer.

Die Athenienser

Einst wollten zu Athen, an einem schönen Morgen,
Die Bürger ihre Stadt mit einem Gott versorgen.
Die Stimmen wurden bald bedächtlich abgezählt,
Und mit gemeinem Schluß Minervens Schutz erwählt.

Der trotzige Neptun, durch diesen Schimpf erbittert,
Hob seinen Dreizack auf, der See und Flut erschüttert,
Und sprach: O blindes Volk, das allen Witz verlor!
So ziehst du denn ein Weib Neptunus Gottheit vor?
Wer könnte, fuhr er fort, mit einem herben Lachen,
Dich mehr an Handlung reich, den Feinden furchtbar machen,
Als ich, der Wellen Herr? Wohlan! Es ist erkannt:
Es sei Athen forthin der Narren Vaterland! Er sprach.

Der Haufen stand verwirrt, als wie im Schlafe;
Aus Dummheit fühlte kaum ein jeder seine Strafe.
Doch bracht ein Rest von Witz noch einem endlich bei,
Was für ein kläglich's Ding ein Volk von Narren sei.
Drum naht er sich gebückt zu der Minerven Throne:
O Göttin, steure doch dem unverdienten Hohne!
Die Liebe, die dein Volk zu deiner Weisheit trug,
Hat uns darum gebracht. Ach mach uns wieder klug!
Nein, Kinder! sprach sie, Nein! Das hab ich nicht in Händen;
Denn, was ein Gott gefügt, kann keine Göttin wenden.
Doch wenn Neptunus euch Verstand und Witz verkehrt,
So mach ich, ihm zu Trotz, euch allesamt gelehrt.

Vernunft und Wissenschaft, wir lernens von Athene,
Sind öfters nicht gepaart; beisammen stehn sie schöne.

Die Stadtmaus und die Feldmaus

Vor langer Zeit, wie Flaccus meldt,
Ging eine Stadtmaus auf das Feld,
Und sprach, begierig nach der Ruh,
Bei einer alten Freundin zu.
Die Feldmaus, die selbst mangelbar,
Und Gästen nie gewogen war,
Verbarg den Gram, und schien erfreut;
Dem Wohlstand wich die Sparsamkeit.
Sie bracht dem Gast mit munterm Blick
Von dürrem Fleisch manch kleines Stück,
Gesalznen Speck und Roggenbrot,
Auch Haselnüsse, weiß und rot,
Und was sie sonst noch meisterlich
Im nahen Meyerhof erschlich.

Die Stadtmaus biß mit eklen Zahn
Die schlechte Kost verächtlich an,
Und sprach zuletzt: Ach Freundin, hör!
Dein ärmlich Leben schmerzt mich sehr.
Gedenk! im Hui ist's mit uns aus.
Der Tod erwürget Mann und Maus.
Wie daß wir in dem kurzen Nun
Nicht unserm Leibe gütlich tun!
Die Stadt, die Stadt! Komm mit mir fort;
Ein andrer leben findest du dort.

Wohlan! Sie reisten nach der Stadt,
Und kehrten endlich müde und matt
Zu Mitternacht beim Mondenschein
In einem großen Lusthaus ein.
Die Zimmer waren nett und stolz;
Die Tische reich von Ebenholz;
Von teuerem Porcelin die Wand,
Mit manchem Bild von Rubens Hand.
Die Mause, keinem Reichtum hold,
Enthielten sich von Pracht und Gold.
Doch letztlich fiel ihr schneller Blick
Auf volle Schüsseln. Welch ein Glück!
Der Vorwurf kam. Die Lust entbrannt,
Und die Enthaltsamkeit verschwand.
Es stunden da in großer Zahl
Von einem jüngst gehaltnen Mahl
Die teuern Brocken mancher Art
Zu einem Nachschmaus vorgespart.
Fasanen, Schnepfen, Ortolan,
Forellen, Lachs, und so fortan.
Ein prächtig Zuckerwerk zuletzt
In Pyramiden aufgesetzt.
Die Stadtmaus lief geschäftig um,
Kredenzt die Speisen rings herum;
Und sprach zum Gast mit frohem Mut:
Ey kost es doch! Es schmeckt so gut.
Gesagt; getan. Man ißt, man schwillt.
Die Feldmaus bricht, von Lust erfüllt,
Als eine wohlbelebte Maus,
In manchen Dank und Lobspruch aus.

Doch plötzlich, als es kaum getagt,
Erschienen Keller, Knecht und Magd,
Und nahmen bald das graue Paar
Der ungebetnen Gäste wahr.
Gesehn; geschrien, gelärmt, geflucht.
Was Mäuse! Die verdammte Zucht.
Der Kater wird herbeigebracht;
Melampus billt; der Herr erwacht
Der Lärm erfüllt das ganze Haus,
Und Todesangst befällt die Maus.
Zuletzt entkam mit harter Müh
Das bange Paar; doch wo und wie?
Das untersuche, wer da will.

Hier schweigt mein guter Flaccus still.
Genug für mich. Die Feldmaus schwur,
(Die erst der Städte Trug erfuhr)
Verführt mich mehr ihr falscher Glanz,
So stutze man mir Ohr und Schwanz.
Nein! Mir genügt an meinem Nest;
Da bring ich meiner Tage Rest
Von Feinden frei, in sichrer Ruh
Bei Erbs und Wurzeln fröhlich zu.

Das Chamäleon
Aus dem Französischen des la Motte

Wenn von den Wanderern, die nimmer stille stehn,
Die gerne zwanzigmal die halbe Welt durchrennen,
Nur daß sie freudig sagen können:
Ihr Herren, glaubt es mir, das hab ich auch gesehn,
Durchstrichen einst Arabiens Gebüsche,
Und sprachen vom Chamäleon.
Welch wundervolles Tier! sprach Einer bald davon,
Zwo Pfoten dreigezackt; der Kopf von einem Fische;
Sein langer Schwanz; sein Leib, der einer Eidechs gleicht;
Sein Gang, der zwanzig Jahr an einer Meile schleicht;
Voraus die blaue Farb .... Herr Bruder, nicht zu schnelle!
Das Tier ist wahrlich grün, versetzte sein Geselle;
Ich sah es gar genau bei hellem Sonnenschein;
Es schluckte da mit offnem Rachen
Die frische Luft zum Frühstuck ein.

Ich muß, sprach Jener drauf, des schönen Einfalls lachen;
Es ist und bleibet blau. Ich sah es allzu klar,
Wiewohl es nur im Schatten war.
Was Blau? Grün sag ich euch. Mein Herr das war gelogen.
Drauf hätten sie sich bald bei den Haaren rumgezogen,
Als gleich ein Dritter sich den Beiden zugesellt.
Der sprach: Ey schämt euch doch! Ihr ärgert alle Welt
Mit eurer Zänkerei. Wohlan! Ihr sollt uns schlichten,
Versetzt der Eine drauf. Der Herr will mich berichten,
Daß das Chamäleon an Farben grünlich sei,
Der doch so blau ist, wie der Himmel.
Ey welch vergebliches Getümmel,
Hub unser Schiedsmann an mit richterlichem Blick:
Das Tier ist mohrenschwarz; ich hab's zu allem Glück
Erst gestern Abends noch beim Lichte so gefunden,
Und trag es noch bei mir im Schnupftuch eingebunden.
Was, rief das tolle Paar? Blau ist es, wie Saphir;
Grün, wie Smaragd, der Henker soll mich nehmen.
Wohlan! Euch Beide zu beschämen,
So zeige sich das Tierchen selbsten hier,
Beschloß der Richtersmann; Verlangt ihrs? Ja, so sei's!
Wie aber stutzten nicht so Richter, als Parteien:
Das Tier erschien ganz kreideweiß,
Und fing urplötzlich an zu schreien:

Ihr Kinder, gebt euch doch zur Ruh!
Ihr trefft und fehlt zugleich. Drum folget dem Berichte:
Sagt immer, was euch dünkt. Nur mutet Keinem zu,
Daß er sich ebenfalls nach euerm Dünkel richte,
Sonst bringt ihr euch zu Spott und Hohn.
Denn wahrlich euerm blöden Lichte
Ist alles ein Chamäleon.

Homer und der Taube

Der Sänger, der in Griechenland
Bald von Achilles sang, und bald von Ratz und Mäusen,
Erbaute sich einst einen Stand,
Und wollte da was trefflich schönes weisen.
Bald sang er was von Sturm und Kriegsgefahren,
Wie mancher sich den Kopf vor Trojens Wall zerstieß;
Bald, wie die Götter Narren waren.
Ein zierliches Gemäld' hing ihm zur linken Hand
An einer Wand,
Auf welches er mit einem Steckchen wies:
Merkt auf, ihr Leute jung und alt!
Seht hier den Ajax an, hier Helenens Gestalt!
Der war ein großer Held, die eine große H . .

Die Verse waren schön; Er maß sie nach der Schnure.
Und weil er sich so hören ließ,
So strich sein Mitgesell den glatten Fiedelbogen.
Das dumme Volk kam häufig zugeflogen,
Und sperrte Maul und Augen auf.
Ein Jeder warf in vollem Lauf
Ihm Geld im Schnupftuch zu für seine schönen Lieder.
Der Sänger lacht, und warf hinwieder
Sein edles Zeug für bares Geld zurück.
Jedoch in diesem Augenblick
Kam unversehens ein alter Alpenbauer
Mit einem Murmeltier daher.
Er rief: Herbei, ihr hochgeneigten Schauer!
Und seht dies Wundertierlein an,
Das hundert schöne Künste kann!
Mir zu! Mir zu! Ich halte niemand teuer.
Es kostet die Person nicht mehr, als einen Dreier.

Der ganze Haufen lief, als wenn er närrisch wär,
Und hört und schaute bald des Murmeltiers Geplärr,
Bald auch die weiten Hosen,
Geziert mit Bändeln und mit Rosen,
Von ihrem Meister wundernd an.
Man sah bereits bei siebenhundert Köpfe
Um dieses neue Schauspiel stehn.
Sie schwuren, daß sie nie so seltsame Geschöpfe,
Als diese Zwei, gesehn.

Nur Einer hielt bei unserm Sänger aus:
Der hörte nichts an beiden Ohren.
Der Sänger hätte sich verschworen,
Daß seine Melodei voraus
Den Mann gebannet und gezwungen,
Daß er nicht auch der Alpenmaus,
Gleich allen andern, nachgesprungen.
Drum stieg er schnell von seinem stolzen Thron,
Den treuen Hörer zu umarmen.
Er schrie; Du Musenfreund, Apollens werter Sohn!
Ich sehe, daß mein treffliches Carmen
Dir mehr Vergnügung gibt, als jene Murmelkatze.
Wie? ist was neues auf dem Platze?
Versetzte Jener bald, das wußte ich wahrlich nicht,
Dieweil ich gar zu übel höre.
Mein lieber Herr, habt Dank für den Bericht!
Darauf so lief er in die Wette,
Als ob er Feuer im Busen hätte,
Weil ihn ein andrer Fürwitz stach,
Dem Schauspiel mit dem Pöbel nach.

Dies dient, ihr Dichter euch zur Lehre:
Man rühmt euch zwar, wenn ihr ein Lied gesungen.
Ei, spricht man oft, wie schön hat dies geklungen!
Gewiß! so gut macht's wohl nicht Orpheus,
Wenn er dem Jupiter zur Tafel geigen muß.
Doch glaubet mir, wer also spricht,
Ist öfters taub und hört kein Wörtchen nicht.