Fabelverzeichnis

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Buch 6
 
Wer leicht glaubt, wird leicht betrogen
Die fliegende Schildkröte
Zween Krebse
Der Nordwind und die Sonne
Der Esel in der Löwenhaut
Der Frosch und der Fuchs
Der Schein und Wahn betrüget
Zween Freunde
Der sich tröstende Kahlkopf
Das Rohr und ein Ölbaum
Die Eintracht
Der Geiz und der Neid
Alle Veränderung ist gefährlich
Verstellte Freundschaft
Verdienste werden nicht belohnt
Der Weih und die Maus
Ein Mann und der Tod

 
Der Großsprecher
Ein reicher und ein armer Schlemmer
Die Wahrheit in dem Distputieren
Die Nachtigall und der Rabe
Der Maler und die schöne Flavia
Der Mäuse Beratschlagung wider die Katzen
Der Neid und die Barmherzigkeit
Ein Frauenzimmer und ihr Spiegel

 

Wer leicht glaubt, wird leicht betrogen

Der Wolf, vom Hunger angetrieben,
Durchwandert einst ein weites Land,
Bis er am Dorfe stehen blieben,
Woselbst er ein'ge Knochen fand.
Bald hört er eine Wirtin sagen:
Schweig, ungezog'nes Kind,
Sonst will ich dich zum Wolfe tragen.
Komm, Wolf, und hole es nur geschwind.
Der Wolf bleibt vor dem Fenster stehen,
Und denkt, du kommst mir eben recht.
Ach! möcht' es nur fein bald geschehen;
Sonst steht es um den Magen schlecht.
Er wartet nächst der Türe lange,
Doch wird das Kind ihm nicht gebracht.
Bald hört er, daß dem Kind zwar bange,
Die Mutter aber wieder lacht.
Sie spricht, mein Hänschen, sei zufrieden;
Es hat nun weiter keine Not.
Kommt mir der Wolf, will ich dich hüten,
Und ihn schlag' ich gewißlich tot.
Der Wolf geht traurig seine Straßen,
Und seufzt: ach! hier diene ich nicht,
Noch will ich mich vexieren lassen,
Wo man viel anders denkt, als spricht.

* * * *

Das Scherzen heißet nicht gelogen,
Die Klugheit gibt auf alles acht.
Und wer leicht glaubt, wird leicht betrogen,
Daß man der dummen Einfalt lacht.
Der Umstand muß die Wahrheit zeigen,
Wie Worte zu verstehen sind.
Die Mutter sucht ihr Kind zu beugen,
Deswegen bleibt es doch ihr Kind.
Die Gierigkeit will das nicht glauben,
Die sieht nur ihren Vorteil ein,
Und muß, kann sie für sich nichts rauben,
Betrogen und beschämet sein.

Die fliegende Schildkröte

Die Schildkröte wollte fliegen lernen,
Damit sie, wenn not, sich durch die Luft entfernen,
Und den Vögeln folgen könnte,
Wenn ihr der König nur ein solch Vermögen gönnte.
Den nimmt sie wohlgemut zum Unterweiser an,
Und bittet ihn, so viel sie kann,
Er wolle ihr nur ihre Bitte gewähren,
Und in der Luft das schnelle Fliegen lehren.
Vom Adler wird sie billig ausgelacht.
Der spricht: du bist zum fliegen nicht gemacht.
Laß die Natur zuvor mit Flügeln dich begaben;
Wer fliegen will, muß Federn haben.
So lang es an denselben fehlt,
Sag ich dir, Freundin, unverhehlt,
Wirst du dich gar umsonst bemühen,
Und bei dem Unterricht gewiß den kürzern ziehen.
Ach! fleht sie beständig noch,
Erhöre du mich, großer König doch.
Der Anfang, weiß ich wohl, ist schwer in allen Dingen,
Doch hoffe ich, wird der Flug mir endlich wohl gelingen.
Beliebt es dir, so fasse mich nur an,
Und führe mich mit dir, so hoch man kommen kann.
Da lasse mich sodann in freier Luft hinschweben;
So wird dies Element mich willig ferner heben.
Im Zorn erhört der Adler ihre Bitt,
Und führt sie bis an die Wolken mit;
Da läßt er sie geschwind aus seinen Klauen fallen.
Sie muß auf einen Felsen prallen,
Zerbrechen und zugrunde gehn.
So ist es um den Flug, und um die Kröte geschehn.

* * * *

Wer seinen Lüsten folgt, dem ist nicht abzuraten;
Er eilt spornstreichs zu seinem größten Schaden.
Ein Kluger prüft sich erst, wenn er was unternimmt,
Und weiß, daß nicht zu tun, wozu er nicht bestimmt.
Wo das Vermögen nicht, ist nichts zu unternehmen;
Es muß ein jeder sich nach der Natur bequemen,
Weil, was derselbigen entgegen, nicht gelingt,
Und einen Steigelkopf bis zum Verderben bringt.
Wie reimt sich Müßiggang und Bosheit zum studieren?
Es lässet mancher sich bis an die Sterne führen.
Wozu? Gewißlich nur zu seinem tiefen Fall.
Exempeln findet man überall.

Zween Krebse

Wie oft ist dir es vorgesungen?
Geh' doch gerade, mein lieber Sohn,
Sprach einst ein Krebs zu seinem Jungen,
Sonst gehst du dir zum Spott und Hohn,
Du kriechst allemal zur Seite,
Du schleichest öfters hinter dich,
Bist dir zur Last, zum Nutz der Leute,
Und deinen Eltern ärgerlich.
Wohl sprach der junge Krebs, ich gehe,
Mein lieber Vater, wie ich kann;
Was ich von meinen Eltern sehe,
Nehme ich sogleich gehorsamst an.
Du willst, ich soll mich korrigieren;
Tu selber doch, was du gelehrt.
Ich folge, wirst du mich nur führen;
Daß unser beider Ruhm sich mehrt.
Geh du gerade, ich will's erkennen,
Und tun, was du mir vorgetan.
Du sollst mich ungehorsam nennen,
Wenn ich dir nicht nachahmen kann.

* * * *

Begleiten Eltern ihre Lehren
Mit ihrem Tun und Wandel nicht,
Kann auch ihr Kind sich nicht dran kehren,
Das sich nach seinen Eltern richt'.
Die Jungen lernen von den Alten,
Was diese in ihrem Wandel sehn,
Und suchen, wie sie sich verhalten,
Ihnen ohne Zweifel nachzugehn.
Man strafe an keinem ein Verbrechen,
Wenn man dasselbe selbst getan;
Weil die von eigener Schande sprechen,
Die man gleich überführen kann.

Der Nordwind und die Sonne

Der Nordwind braust mit aller Macht,
Als einst die Sonne mit frohen Blicken lacht.
Was? sprach der Wind, mir mußt du weichen;
Du bist mit mir nicht zu vergleichen.
Und ob dein Glanz schon alle Welt erquickt,
Bist du doch, das zu tun, was ich tu, nicht geschickt.
Laß uns die Stärke am Wandersmann probieren.
Wer kann den Mantel ihm entführen?
Wohl, sprach die Sonne, ich geh auch die Bedingung ein;
Wer ihn entblößt, der soll der Stärkste sein
Mithin den Sieg der auserwählten Gaben,
Und in der Welt die Oberherrschaft haben.

Der Nordwind stürmt gewaltig auf ihn los.
Der Wandersmann macht dennoch sich nicht bloß,
Er wickelt sich vielmehr in seinen Mantel,
Verwahrt das Haupt, und rüstet seinen Wandel,
Daß er der Macht des Windes widersteh,
Und unverletzt geraden Weges geh.
Der Wind kann ihm die Reisekappen
Auch nicht einmal im Gang erschnappen;
Er rüstet und verwahret sich,
Der Macht zu widerstehn, beherzt und ritterlich.
Der Nordwind hört auf zu blasen,
Und muß den Wandersmann nun wohl zufrieden lassen.
Die Sonne wird sehr angenehm erblickt;
Der matte Wandersmann erquickt,
Der, als er nun die Sonnenstrahlen empfunden,
Und sich erhitzt, den Mantel abgebunden,
Die Kappe von dem Kopf getan,
Sich hingesetzt, entblößt. Seht, was die Sonne kann;
Nicht mit Gewalt, mit Freundlichkeit und Liebe,
Daß sie, trotz Nord und Wind, der Welt Regentin bliebe.

* * * *

Ein Ölzweig geht weit über Waffen;
Gelindigkeit geht über Strafen,
Und was die größte Macht nicht kann,
Hat Liebe und Gütigkeit getan.
Ach! daß man dies im Haus bei Kindern und Gesinde,
In Schulen, Kirchen und in Gerichten finde;
Es würde, als mit der Strenge nicht,
Weit mehr fürwahr daselbst ausgericht.
Jetzt aber muß die Klugheit, leider! klagen,
Es haben Stürme mehr, als Freundlichkeit zu sagen.

Der Esel in der Löwenhaut

Ein Esel, welchen schon die ganze Welt verlacht,
Ja der sich selbst zum Spott gemacht,
Hat Lust sich, die Welt zu schrecken,
Mit einer Löwenhaut zu decken.
Der Anschlag war vortrefflich gut.
So bald es nur der Esel tut,
Wird, ohne daß er einen Wurm verletzt,
Schon alles in Furcht gesetzt.
Ein Tier, ein Mensch, und wer es ist, erschrickt,
So bald er dieses Tier erblickt.
Der Esel meint, er könnte den größten Helden gleichen,
Und seinen Zweck im ganzen Land erreichen.
Ein Müller schaut von ferne diesen Tor;
Zum Unglück ragt sein langes Ohr hervor,
Daß im geborgten Fell er seinen Esel kennt.
Und spornstreichs auf ihn mit einem Prügel rennt.
Leg, spricht er, nur den Rock der Ehren ab,
Dieweil er ihm unzählige Prügel gab,
Und führt, als er genug geschlagen,
Den Esel in den Stall, der Mühlen Last zu tragen,
Daß der an seine Lust, und an die Löwentracht,
Bei seinem Traktament, nie wiederum gedacht.

* * * *

Die Narren will die Narrheit bald verraten,
Daß sie sich selbst am meisten schaden.
Die Arbeit ist für allen Mutwillen gut,
Der selten einem gütlich tut.
Und will, als er verdient, sich einer anders kleiden;
Muß er gewiß zuletzt nur Schimpf und Schaden leiden.
Ein jeder tu, was ihm gebührt,
So bleibt er gut genug für sich geziert.
Wird einer größer tun, als ihm sein Stand erlaubt,
So denke er, daß ihm dies Ehre und Vergnügen raubt.

Der Frosch und der Fuchs

Ein armer Frosch, der lahm geschlagen,
Ganz runzlig, krank und elend war,
Kroch einst hervor, sich an das Licht zu wagen,
Und legte seinen Kram gelobter Mittel dar,
Wie Schwache stark, wer runzlig glatt zu machen,
Und Lähmung zu vertreiben sei.
Er rühmte, als Medicus, sich der besten Sachen,
Und legte seiner Kunst die Wunderkuren bei.
Er konnte zwar allein aus einem Auge sehen;
Doch war es ihm gar eine leichte Sach',
Ein Aug im Kopf herum zu drehen,
Und wußte Rat für alles Ungemach.
Und du weist, sprach der Fuchs, dich selbst nicht zu kurieren?
Hilf, lieber Medicus, ach! hilf dir selber nur.
Sonst wird, was du gesagt, bald allen Schein verlieren;
Wer sehen kann, der findet an dir der Lügen Spur.
Was willst du, schwacher Frosch, von großen Kuren reden?
Es zeigt dein ganzer Leib dein Unvermögen an.

* * * *

Spricht selbst die Tat, sind Worte nicht vonnöten,
Und der hilft andern nicht, der sich nicht helfen kann.
Man findet überall dergleichen Prahlereien,
Daß, wenn es möglich ist, die Welt betrogen sei.
Doch mag ein Frevler stets von den Verdiensten schreien,
Die Klugheit merkt bald Betrug und Heuchelei.

Der Schein und Wahn betrüget

Gilt auf der Welt auch kein Erbarmen nicht?
Ich bin beraubt, verwundet, entblößet, von den Dieben;
Elendig bin ich zugericht;
Und zur Notdurft ist kein Heller übrig blieben.
So lamentiert ein armer Wandersmann,
Der kaum im Hemd dem Räubervolk entgangen,
Und kümmerlich am Tor sich einem kund getan,
Von dem er weiter nichts, als leid'gen Trost empfangen.
Dort, sagt er, wohnt ein Mann, der reich und gütig ist;
Der wird der Dürftigkeit gar wohl zustatten kommen;
Denn der ist liberal, und ein rechtschaffner Christ,
Bei welchem täglich viel' ihr Gastmahl eingenommen.
Deswegen hat er hier den größten Ruhm.
Der läßt von seinem Gut gern andere genießen;
Der gibt dir ganz gewiß ein gut Viaticum*,
Wie leicht aus seinem Tun zu schließen.

Der Arme geht dahin, stellt seine Notdurft vor,
Und wird veracht, als der das Land durchstreichet;
Daß dieser reiche Mann, in seinem größten Flor,
Dem Fremden in der Not, nicht einen Heller reichet.
Das schmerzt ihn nun gar zu sehr,
Daß er geschmäht, verhöhnet und gescholten,
Als wenn er liederlich und ein Verschwender wär,
Dem nach Verdienst sein Glück vergolten.
Er geht betrübt und seufzet allezeit,
Bis an dem End der Stadt er einen Wirt gefunden.
Dem klagt er seine Not, und findet Barmherzigkeit.
Er führt ihn in das Haus, verbindet seine Wunden,
Gibt Speis und Trank, reicht ihm auch einen Rock,
Und etwas Geld zur Zehrung auf den Wegen.
Der Arme nimmt erquickt und wohl gelabt den Stock,
Dankt seinem Wirt, und wünscht ihm tausend Segen.
Nächst an dem Tor trifft er den einen an,
Der ihm zum reichen Mann gewiesen;
Der meint, er hab' ihm viel zu gut getan;
Wie solches kurz zuvor dem Armen angepriesen.
Allein der fragte nach dem Wirt,
Und was man in der Stadt von seinem Wesen sagt.
Der, war die Antwort, hat sich übel aufgeführt;
Und jedermann hört bittre Klage.
Arm ist er, karg, ganz ungestüm und grob;
Er pfleget keinen zu logieren,
Er weiß beim Abzug schon das Lob
Des üblen Haushalts anzuführen.
Der Hof ist zwar sein Eigentum,
Doch ist er auch mit Schulden sehr beladen;
Drum geht mit ihm kein Bürger um;
Daß diesem Bösewicht in keinem Stück zu raten.

Ein Bösewicht ist dieser nicht;
Sprach der von ihm gelabet worden,
Der reiche Schlemmer ist der ärgste Bösewicht.
Und sitzet an der Höllenpforten.

* * * *

So geht es, was von außen prangt,
Und jedermann leicht in die Augen fället
Wird auf den Ehrenthron, den Tugend nicht erlangt,
Von dem leichtgläubigen Volk gestellet.
Das wahre Wesen und der Schein
Ist, wie das Urteil, gar verschieden.
So müssen Böse in Pracht, zur Schmach, gerühmet sein,
Wenn Gute mit der Tat, die Lobes wert, zufrieden.
Wer prasset und sein Gut verschwendt;
Ist karg und ungerecht an Armen;
Wenn Fromme, welche man nicht kennt,
Derselben sich, in Gottesfurcht erbarmen.
Die suchen keinen Schein, doch ein wahrhaftig Gut;
Und werden segenvoll an jenem Tage prangen;
Da, die dem Bauch gedient, in ewig strenger Glut,
Kein Tröpfchen Trost und Linderung erlangen.

*
Viaticum oder Wegzehrung.

Zween Freunde

Zween Freunde reisen ihre Straßen,
Die sich verbunden und vermaßen,
Bis in den Tod einander beizustehn;
Ja sollte sich es endlich fügen,
Daß einer in der Not vielleicht sollt' unterliegen,
Selbst lieber in den Tod zu gehn.
Ist's wahr? ihr auserwählten Freunde,
Vielleicht geschieht, was keiner meinte.
Das Leben ist doch einem jeden lieb,
Und jeder glaubt mit recht, daß er sich selbst der Nächste.
Was Wunder, wenn in Not der Schwächste,
Dem anderen zum Tord, gleich auf der Stelle blieb?

Als die Versicherung kaum geschehen,
Und sie noch guten Muts in einem Walde gehen,
Stieß auf die Freunde ungefähr
Ein fürchterlicher wilder Bär.
Der eine flieht, sich selbst auf einen Baum zu retten;
Und von der Bestie wird der Andere betreten.
Der wirft in größter Angst und Not,
Als wär' er wirklich tot,
Sich starr und steif zur Erde nieder.
Der Bär beschnüffelt ihn, verläßt ihn aber wieder,
Weil er den Atem hielt, und nicht zu leben schien.

Als die Gefahr vorbei, sucht' auch der Flüchtige ihn.
Sie wandern die Straße noch ganz gestört zusammen,
Und fangen an die Furcht der Menschen zu verdammen.
Ich, sagte der vom Baum, bin allzeit unverzagt.
Und was hat dir der Bär so still ins Ohr gesagt?
Gar vieles, sprach der Freund, das ich jetzt gern verschweige,
Nur dieses wollt' er, daß ich dir sogleich anzeige,
Der wahren Freunden gehn, in gegenwärt'ger Not,
So wie das Sprichwort sagt, einhundert auf ein Lot.
Hätt' auch der Bär mich schon zerfleischet und zerrissen,
Du würdest wahrlich mir nichts vorzurücken wissen.

* * * *

So geht es, leider! in der Welt,
Daß Heuchelei und Falschheit sich verstellt.
Wo's glücklich geht, sich Freud und Überfluß verbinden,
Sind Freunde in großer Menge zu finden.
Kommt Unglück und Gefahr, wirst du gewiß allein
Betrübt in Stich gesetzt, und gar verlassen sein.

Der sich tröstende Kahlkopf

Ein Kahlkopf hatte sich mit fremdem Haar gezieret.
Das wird ihm auf dem Markt vom starken Wind entführet.
Es lacht das Volk, so dieses angesehn;
Der Kahlkopf muß beschämet stehn.
Doch, spricht er, Freunde schweigt, ich gebe mich zufrieden;
Es nimmt der Wind nur, was mir nicht beschieden.
Ich weiß ja wohl, daß dieses Haar
Von Fremden nur entlehnt, und nicht mein eigen war.
So müssen Menschen sich in ihrem ganzen Leben,
Wenn ihnen was entgeht, sich gleich zufrieden geben.
Sie haben nichts mit in die Welt gebracht;
Und ob das Glück sie reich an Gütern macht,
So kann es, eh sie's selber glauben,
Dieselben ihnen wieder rauben.

* * * *

Die Toren kränken sich, wenn ihnen was entgeht,
Und Widerwärtigkeit dem Reichtum widersteht.
Ein Kluger findet sich im Guten und im Bösen,
Und spricht bei dem Verlust, es ist nicht mein gewesen.
Der ist ein recht glücksel'ger Mann,
Der, wie's auch kommt, sich trösten kann.

Das Rohr und ein Ölbaum

Es stand ein Ölbaum unbewegt;
Daneben sich ein Rohr oft beugt und niederlegt.
Pfui! schäme dich, sprach jener, steh doch feste.
Schau hier auf mein Gewicht, den Stamm und alle Äste;
Doch bin ich steif und fest, und zeig' hier allezeit
So meine Stärke, als die Beständigkeit.
Nein, sprach das Rohr, ich will mich lieber beugen,
Und mich vor den Winden neigen;
So streichen sie bald neben hin,
Daß ich vor ihnen sicher bin.

Nicht lang hernach fängt über alle Maßen
Der Sturmwind an zu blasen.
Der Ölbaum tut ihm starken Widerstand,
Und wird zerbrochen, umgerannt,
Muß seine Schuld mit Schimpf und Schaden tragen,
Und allzu spät den Eigensinn beklagen.
Das Rohr hingegen beugte sich,
Bleibt unbeschädigt, und freut sich inniglich.
Das wollte, sprach es, hier dem Ölbaum wohl nicht glücken;
Wer leben will, der muß vor Mächtigen sich bücken.

* * * *

Glückselig ist, wer in die Zeit,
Den Umstand und Gelegenheit,
Sich wohl zu schicken ausgelernt,
Und sich behutsam stets vom Ungemach entfernt.
Halsstarrigkeit und hoher Mut
Tut unter Menschen selten gut.
Folgt einer seinem Kopf, der ist nicht wohl bei Sinnen.
Mit Höflichkeit ist leicht ein jeder zu gewinnen.
Man gebe nur den Feinden nach;
So kann man, frei von allem Ungemach,
Zufrieden und in Ruhe bleiben;
Wenn die zugrunde gehen, die sich an andern reiben.

Die Eintracht

Drei Ochsen welche stark und fett auf einer Weiden,
In größter Eintracht stets beisammen sich erfreuten,
Genossen, wider allen Streit
Der stärksten Macht, erwünschte Sicherheit.
Es würde sich kein Löw', in Hoffnung guter Gaben
Und der verlangten Beut, an sie gewaget haben.
Sie gaben gar genau auf allen Anfall acht,
Und waren auf nichts mehr als ihre Ruh bedacht.

Als aber sie dieselbe lang genossen,
Daß sie sogar die Wachsamkeit verdrossen;
Schrieb', in der angenehmsten Ruh,
Ein jeder sich das meiste zu.
Indem sie nun nichts um sich zu befahren,
Und allerseits zu sicher waren,
Zerrissen sie das feste Freundschaftsband,
Und Eigennutz behielt die Oberhand.
Sie wollten ja nicht mehr vereint zusammen gehen,
Und wie bisher für einen stehen;
Beneideten vielmehr was andren Gutes geschah;
Und also war ihr Untergang auch nah.

Ein Löwe, der ihnen längst nachgestellt,
Hat einen gleich gefällt;
Und bald hernach reißt er den andern hin.
Dem dritten liegt sein Futter nur im Sinn,
Und war erfreut, sich nun allein zu sehen;
Weil jener Abgang ihm, nach Herzenswunsch geschehen.
Allein es währet gar nicht lang,
So wird dem Ochsen Angst und bang.
Er muß zum Unglück, sich selbst in des Löwen Klauen
Ohne Hilfe und allen Beistand schauen.
Ach! seufzet er, daß ich, weil die Gesellschaft hin,
Nun auch zum Raub des Löwen worden bin.

* * * *

Wenn Freunde sich in Treu und Liebe recht verbinden;
Sind von den Feinden sie nicht leicht zu überwinden.
Bringt aber der verdammte Neid
Sie selbst zur Trennung, ja zum Streit;
So sind es andern leichte Sachen,
Dieselbe bald zunichte zu machen.
Denn wie der Friede und Einigkeit ernährt,
Ist Widerwärtigkeit, welch' alles ganz verzehrt.
Was schwach und klein, pflegt auf der Erden,
Durch Eintracht, stark und groß zu werden.
Was stark und groß, vergeht in kurzer Zeit,
Durch Zwietracht, Neid und Bitterkeit.

Der Geiz und der Neid

Apollo kommt, von Jupiter gesandt,
In aller Welt was Neues auszufinden;
Und weil nicht allerdings die Menschen ihm bekannt,
Aus aller Wort und Werk ihre Herzen zu ergründen.

Bald stellt sich bei ihm ein reicher Geizhals ein.
Als Bruder Neidhard dies den Augenblick vernommen,
Ist er zu gleicher Zeit, der Letzte nicht sein,
(Was tut der Vorteil nicht?) geputzt dahin gekommen.
Ein jeder schmeichelt was er kann,
Und meinet hier, zum Schein, Apollo vorzulügen;
Allein es ist umsonst getan,
Und der durchtriebne Gast ist gar nicht zu betrügen.
Hört Freunde, spricht er beiden zu,
Ihr habt mit dem Besuch mich jetzund recht erfreuet;
Ich gönn' euch alles Gute, zumalen Fried und Ruh;
Damit euch lebenslang auf Erden nichts gereuet.
Ich möchte gern euch beide glücklich sehn;
Drum will ich tun, was ihr von mir verlanget;
Doch soll es nur mit dem Beding geschehn,
Daß ihr von euch die Bitt' in doppelten Maß empfanget.

Der Geizhals will durchaus nicht dran.
Er wollte sich wohl einen Schatz erwählen;
Denkt aber, ach! was nützet er mir dann,
Wenn ich dem andern ihn soll wieder doppelt zählen?
Ach nein! sprach er, das kann ich nicht;
Ich müßte mich dabei ja selber ruinieren.
Ich fürchte so, daß mir's gebricht,
Und weiß den Staat für mich nicht auszuführen.
So bitte, sprach Apollo drein,
Doch nur so viel, als irgend zu entbehren.
Es kann auch wohl was anders sein,
Wenn ich zum Vorteil dich soll deiner Bitte gewähren.
Nein sagt der Geizhals, nichts als Geld,
Kann mich auf Erden glücklich machen.
Wenn's aber mir bald durch die Finger fällt;
So sind es, glaub' ich, ja gar zu betrübte Sachen.

Doch Neidhard war so gleich bereit,
Was vorgestellet, einzugehen.
Was bittet er? was kann der Neid
An andern, ja sich selber, Gutes sehen?
Nimm, sagt er, nimm Apoll', ein Auge von mir hin;
So wird mein Bruder keines haben.
Womit ich schon zufrieden bin;
Denn Mißgunst kann allein sich an dem Schaden laben.

* * * *

Seht, welch' Abscheulichkeit in diesen Lastern steckt,
Ja welche Pest, nur überall zu schaden.
Und wer will dieser Brut, welch' in der Hölle geheckt,
Was Gutes sagen oder raten?

Alle Veränderung ist gefährlich

Ein Bauer der, der Arbeit müde,
Und bei dem Ackerbau des großen Gottes Güte
Zu Haus nicht zu erkennen weiß,
Denkt immerfort auf eine Reis',
Und ohne Müh bald auf der Erden
Reich, angesehn und groß zu werden.

Drum wird er ein Soldat, und geht vergnügt zu Feld,
In Meinung, als ein tapfrer Held,
Sich größeren Vorteil mit den Waffen
Als mit dem schweren Pflug zu schaffen.
Allein so frisch, gerade, gesund,
Er ausgereist, so verwundt,
Gelähmt, schwach, muß er, die Schmerzen zu vermehren,
Höchst mißvergnügt, gar bald zurücke kehren.
Doch spricht er, wieder wohlgemut,
Mein angerühmtes Bauerngut
Kann, trotz dem Glück, so viel austragen,
Daß ich noch einen Handel wagen,
Und mich zur See begeben kann.
So bald gesagt, so bald getan.
Der Bauer und Soldat vertrauet sich den Wellen,
Und sucht hier sein Glück auf festen Fuß zu stellen.
Ein Kaufmann, spricht er, wird so wenig rot, als bleich,
Und ohne Müh gemächlich reich.
Mir wird der Handel auch gelingen,
Und mehr ins Haus, als Pflug und Schwerter, bringen.

Kaum hat er einen Tag im Meer die Reise getan,
So fichtet ihn der Ekel an;
Ein Sturm entsteht, und für gehoffte Freuden,
Muß dieser kranke Mann nun auch den Schiffbruch leiden.
Sein ganzes Gut geht hier zu Grund,
Und er kann lahm, arm, ungesund,
Sich nackt und bloß auf einem Brett kaum retten,
Und wiederum das feste Land betreten.
Er kommt nun im Dorfe wieder an,
Doch so daß er mit nichts sich weiter helfen kann;
Und muß die Bauern da reich und gesegnet sehen,
Selbst aber kümmerlich vor Türen betteln geben.

* * * *

Es bleib' ein jeder doch vergnügt in seinem Stand,
Und nähre sich mit Fleiß in seinem Vaterland.
Veränderung, und sollte sie gelingen,
Bringt doch Gefahr in allen Dingen.
In Gottesfurcht und Arbeit ohne Schein,
Kann jedermann gesegnet sein.

Verstellte Freundschaft

Ein Esel lag sehr krank danieder;
Die Kräfte nahmen täglich ab.
Der Ruf hiervon ging hin und wieder;
Daß man ihn schon verloren gab.
Die Hund' und Wölfe tun, als wollten sie ihm dienen.
Sie waren schon vor seinem Stall,
Als liebe Freunde im Leid erschienen,
Und klagten den betrübten Fall.
Doch finden sie den Stall verschlossen.
Sie klopfen heftig an die Tür,
Und rufen, mach uns auf, wir, deine Bundsgenossen,
Sind, liebster Freund, dich zu besuchen hier.
Des Esels Füllen ruft, doch nur durch enge Ritzen:
Habt Dank, und geht nur wieder hin.
Was wollt ihr dem Patienten nützen,
Dem ich genug zur Wartung bin.
Er hat bisher nicht euren Dienst vonnöten;
Die Freundschaft ist ihm ohne dem bekannt.
Ihr solltet wohl für ihn, daß er verreckt, beten.
Vielleicht seid ihr darum hergesandt.
Sein Zustand ist so gar nicht zu beklagen;
Es bessert sich mit ihm mehr, als ihr wünschen könnt.
Doch will ich ihm in eurem Namen sagen,
Daß ihr ihm noch das Leben gönnt.

* * * *

Die Heuchelei scheint überhand zu nehmen;
Doch merket man sie gar zu schön.
Sie selbst muß sich der Bosheit schämen,
Und weit entfernt vom Guten stehn.
Wo nur Betrug und offenbarer Schaden,
Und man zur Unzeit dienen will;
Muß die Verstellung sich im Augenblick verraten;
Und Falschheit schweige nur von den Verdiensten still.
Will einer sich als einen Freund betragen,
So spare er dieses nicht bis auf die letzte Not.
Welche anders tun und anders sagen,
Verwünschet man bis in den Tod.

Verdienste werden nicht belohnt

Ein Esel diente seinem Herrn
Nun eine lange Zeit, erduldete alles gern,
Und wußte sich, wollt' ihm es schon nicht glücken,
In die Gelegenheit, Person und Zeit zu schicken.
Bei schlechtem Futter, Spreu und Stroh,
War er gelassen, oft auch froh,
Und pflegte ohne Murren und Klagen,
Seine ihm anvertraute Last stark und getreu zu tragen.
Einst fiel er unversehens kaum über einen Stein;
Da mußt er faul und scheu, verzagt und cholerisch sein.
Es tat sein Herr bei Schimpf –und Lästerworten,
Als wollte er mit dem Stock das arme Tier ermorden.
Ach! seufzte es, wie geht es mir?
Bin ich nicht ein geplagtes Tier?
Wie jämmerlich werd ich traktiert?
Und so mit Schlägen abgeführt,
Als hätt' ich gar was wichtiges getan;
Da dies dem Besten auch leicht widerfahren kann.
Wie leicht, wie bald hat unterdessen
Mein Herr die vorige Treu vergessen?
Verdienste gelten nun nicht mehr;
Als wenn ich, was ich bin, allzeit gewesen wär'.
Ein einz'ger Tritt, ein einz'ges Fallen
Muß, was sonst angenehm, versauern und vergallen.

* * * *

So geht es in der Welt. Nur einmal was versehn;
Gleich muß das Lob und aller Dank vergehn.
So bald man nur Gelegenheit bekommen,
Hat Lästerung schon überhand genommen.
So lang nur einer Gutes tut,
Ist, dennoch ohne Dank, es gut;
Wird aber gar zu bald vergessen;
Weil Mißgunst allezeit Verdiensten aufgesessen.
Ist im Geringsten nur ein Fehltritt hier getan;
So schimpft, lästert, schlägt und triumphieret man,
Daß, weil der Neid und Rachgier siegt,
Die Tugend wohl gestraft und gar zu Boden liegt.

Der Weih und die Maus

Ein Weih wird im Strick gefangen,
Und schwebt nun in Todesgefahr;
Doch wird er, weil er noch muß hangen,
Ein kleines Mäuschen da zu seinem Glück gewahr.
Er ruft ihm zu mit größtem Flehen:
Ach! komm, mein liebstes Engelskind;
Du wirst mich hier in Nöten sehen,
Drum komme doch, und rette mich geschwind.
Du kannst den Strick ja leicht zernagen,
Der, leider! mich gefangen hält.
Wirst du mir dieses nicht versagen,
Versprech ich dir ein schönes Lösegeld.
Es läßt die Maus sich überreden.
Die nagt den Strick mit aller Macht entzwei,
Und macht den Weih seiner Nöten,
Gefangenschaft und Todesängsten frei.
Und was kann sich die Maus für diesen Dienst versprechen,
Die sein Erlöser geworden ist?
So bald der Räuber frei, ergreift er, sich zu rächen,
Dies arme Tier, welches er lebendig frißt.

* * * *

Wer Bösen Gutes tut, hat gleiches zu empfinden.
Drum nehm er sich nur wohl in acht,
Weil man mit Vorschub gleicher Sünden,
Unwissend auch, sich selbst teilhaftig macht.

Ein Mann und der Tod

Einst hat sich um den Tod ein Mann verdient gemacht,
Weil aus den Labyrinth er ihn zurecht gebracht.
Darum verspricht der Tod sich dankbar zu erweisen,
Und diesen Menschen nicht so schnell hinweg zu reißen.
Zwar, spricht er, sterben ist und bleibt fest gesetzt,
Denn wer das Leben hat, verliert es zuletzt;
Doch will ich nicht zu schnell und unerwartet kommen,
Bis du von deinem Ende die Botschaft erst vernommen.

Nach wenig Jahren kommt der Tod zu diesem Mann,
Und spricht, komm, lieber Freund, nun mußt du endlich dran.
Der Mensch erschrickt, und will sich nicht zufrieden geben,
Weil er nach dem Accord noch lange Zeit zu leben.
Ist's so, sagt er, gemeint? ist das die Dankbarkeit?
Wo bleibt nun dein Bote? und du kommst vor der Zeit?
Ich habe nichts von dir gehört noch gesehen;
Und soll jetzt unversehens ins Reich der Toten gehen?
Es hilft nichts, sagt der Tod, die Boten sind gesandt;
Und ist für dich nicht gut, daß du sie nicht gekannt.
Der Schlaf, mein Bruder, legt sich stets mit dir zu Bette,
Damit er, bis ich komme, hier meine Stelle vertrete.
Wie vielmal hat mich dir die Krankheit angemeldt?
Zuletzt hat dir der Schlag das Ende vorgestellt.
Allein man will nicht mehr des Todes Botschaft hören.
Wen sollte wohl mein Gruß in den Lüsten stören.
Nun ist die Zeit vorbei, die Boten sind verschmäht,
Und gar nichts ist bei dir, das mir nun widersteht.
Du weist, ich bin der Tod, und gar kein Freund vom Leben.

Das hab ich selber nicht, wie kann ich dir es geben?
Wohl dem, der tugendsam sein Ende jederzeit
Im Leben wohl betracht und immerhin bereit.
Wer stirbt, ehe er stirbt, dem kann der Tod nicht schaden.
Wer selber sich vergißt, dem ist nicht mehr zu raten.
Es ist der Tod gewiß, die Zeit ist unbekannt,
Doch werden allezeit die Boten abgesandt.

* * * *

Allein, es will der Mensch sein Bestes nicht ermessen,
Und für seine Eitelkeit sich selber selbst vergessen.
Der leid'ge Selbstbetrug, die freche Sicherheit,
Vermessene Eigenliebe und Torheit gehn zu weit;
Der ist schon tot, der sich im Leben selbst nicht kennt,
Daß er zum Untergang mit vollen Schritten rennt.

Der Großsprecher

Ein Prahlhans, seiner Mutter Sohn,
Der hinterm Ofen aufgezogen,
Und alles, sich zum Spott und Hohn,
Was er gesagt, erdichtet und erlogen;
Reist wenig Wochen in die Näh',
Und kommt als aus der Ferne wieder,
Rühmt von den Städten und der See,
Und schämt sich auch seiner besten Brüder.

Ich, spricht er, bin ein wohlgereister Mann,
Und habe mehr, als alle hier erfahren.
Was ich gesehen, ja was ich selber kann,
Begreift einer kaum in vielen hundert Jahren.
Zu Rhodos hab' ich auch studiert,
Zu Rhodos hab' ich mich im Fechten, Tanzen, Springen
Und allen Künsten exzerziert,
Daß wenige den Ruhm mit sich nach Hause bringen.
Zu Rhodos hab' ich einen Sprung getan,
Und in dem Springen selbst den Nagel eingeschlagen,
Den niemand in der Stadt jemals erreichen kann.
Ganz Rhodos weiß davon mit großem Ruhm zu sagen.
Höre, sprach ein Kluger drauf, ist's wahr was du geprahlt,
So bilde dir jetzt ein, daß wir in Rhodos stehen,
Und laß, es sei gesteckt, geschlagen und gemalt,
Auch hier einmal die Kunst im Springen sehen.

* * * *

Ruhmredigkeit macht sich verhaßt,
Und straft oft sich selbst der Lügen;
Wird auch den Toren nur zur Last,
Denn Klugheit und Vernunft läßt sich nicht leicht betrügen.
Ein solches aufgeblasnes Tier
Meint seinen Ruhm mit Wind und schneiden zu vermehren;
Muß aber oft, hier ist ein Rhodos, springe hier,
Verlacht und beschämt hören.

Ein reicher und ein armer Schlemmer

Ein reicher Mann lebt alle Tage in Freuden,
Empfindet nichts von Drangsal oder Leiden,
Und ist zum Schein in allem was er tut,
Beglückt, frisch gesund und wohlgemut.
Die Kleidung ist recht kostbar anzusehen,
Sein Tractement muß über alles gehen;
Die Freunde sind bei ihm als auf der Mast,
Wo nicht, so geht er anderwärts zu Gast.
Er fährt oft in Chaisen und Karossen;
Und wenn er jetzt einen Zeitvertreib genossen,
Daß, wie man sagt, er sich recht lustig macht,
Wird auf eine andere Art Veränderung gedacht.
Schmarotzer gehn ihm öfters an der Seiten;
Die Diener müssen ihn auch überall begleiten,
Daß Große und Kleine, wie's dem reichen Mann geglückt,
In seinem ganzen Tun und Aufenthalt erblickt.

Ein Nachbar, welcher arm, doch angesehn im Lande,
Betrübte sich, weil er von gleichem Stande,
Und ob er schon ein hochverdienter Mann,
Im Staat und Pracht so gar nicht gleichen kann.
Er will durchaus deswegen ihm nicht weichen;
Er gleicht sich an und prasset mit dem Reichen.
Wo nimmt er's her? er borget überall;
Macht sich Verdruß, befördert seinen Fall
Wird ruiniert, kann weiter nichts erlangen,
Und lässet das mit Schimpf, was prächtig angefangen.
Ach! spricht er allzuspät, nun hab ich's wohl gesehn,
Ein Armer kann bei Reichen nicht bestehn.

* * * *

Will einer sich nach seiner Decke strecken,
Der darf vor Überlast und Schulden nicht erschrecken.
Folgt einer ohne Gut der Reichen Hochmut nach,
Der hat zum Untergang gewiß sein Ungemach.
Drum lerne ein jeder doch vergnügt und ruhig leben
Und danke seinem Gott, der ihm so viel gegeben.
Pracht, Üppigkeit und Übermut
Tut, wie das Sprichwort sagt, auf Erden selten gut.
Was willst du armer Mensch von dem Vergnügen sagen?
Und bei dem Überfluß oft über Mangel klagen?
Genug hast du an wenig Brot und Trank;
Genug an einem Kleid, genug wenn du nicht krank.
Es will der große Gott uns nähren und ergetzen;
Vergnügen aber geht weit über alle Schätze.
Der Hochmut ist sich selber eine Pein
Und Menschen können nicht in Pracht vergnügt sein.
Sie müssen sich nur mit dem Blendwerk plagen,
Und mit den Ruten, die sie selber binden, schlagen.
So wird das Leben auch dem Toren zum Verdruß;
Wenn Gottes Güte und Treue ein Weiser rühmen muß.

Die Wahrheit in dem Disputieren

Hans disputiert. Warum? Er zeigt seine Gaben,
Seine ungemeine Kunst, und die Geschicklichkeit;
Will aber ganz und gar kein Widersprechen haben,
Denn dieses stört ihn in seiner Sicherheit.
Die klare Wahrheit kann doch nicht verborgen bleiben.
Sie spornt Cajum an, mit wenig Müh' und Fleiß,
Was aller Welt bekannt, nur offenbar zu schreiben.
Worin der gute Hans sich nicht zu finden weiß.
Haß, Hochmut, Störrigkeit, verdammte Eigenliebe,
Bringt unbemerkt den Tropf in eine Raserei.
Was Wahrheit? wenn die mir doch nur vom Leibe bliebe,
Daß sie von mir verschont und ungekränkt sei.
Die Hansen zwar zum Schein bisher gerühmt hatten,
Die wenden allen Fleiß um ihn zu trösten an.
Er eifert wütet, schilt und kämpft mit dem Schatten,
Weil niemand auf der Welt dem Esel gleichen kann.
Du, spricht er, weist ja nichts, ich muß es besser wissen.
Du bist ganz dumm, und mir sind alle Musen hold.
Von meiner Weisheit wird, was du gelehrt, zerrissen.
Ich bin der Tugend Freund; du bist ein Trunkenbold.
Du hast von Künsten nicht einmal so viel gelernt,
Als ich in deiner Schrift zu korrigieren hab'.
Dein Schatten bleibe nur weit, weit von mir entfernt,
Sonst weiß ich Starker dich mit Schimpf und Schanden ab.

* * * *

Die Wahrheit eifert nicht, sie muß der dummen Sachen,
Und dieser Bosheit, die verwegen, steif und starr,
Weil sie nichts besser kann, in ihrer Großmut lachen.
Der Streit ist beigelegt, weil unser Hans ein Narr.
Es sieht der Narr sich nicht von innen, doch von außen,
Und bindet unverschämt mit seinem Schatten an.
Man sollte diesem zwar mit einem Kolben lausen,
Doch wird deswegen nicht die Narrheit abgetan.

Die Nachtigall und der Rabe

Man rühmt und preiset überall
Die Lieblichkeit der Nachtigall.
Dies konnte der Rabe nicht vertragen.
Warum? sie hörte nichts von ihrer Stimme sagen.
Es überwand sie der Neid,
Gift, Eigensinn und Bitterkeit;
Sie wollte nicht den Vogel kennen,
Und selber nicht des Vogels Namen kennen,
Pfui, spricht sie, der ist mir zu klein,
Mit dem mach' ich mich nicht gemein.
Ich mag ihn nimmer singen hören,
Es möchte seine Stimme auch mein Vergnügen stören.
Sein querulieren währt zu lang,
Er weiß gar nichts von dem Gesang,
Und wer mein Kras, Kras, nur vernommen,
Wird wahrlich nimmermehr, ihn zu bewundern, kommen.
Zieht einer mir den Vogel vor,
Der ist und bleibt gewiß ein Tor,
Und kann vom singen nichts verstehen;
Sonst würde er nur nach mir, und nicht nach jenem gehen.

Die Nachtigall hört dieses zwar,
Dieweil sie aber klüger war,
Begann sie der schönen Sachen,
Welche aller Welt bekannt, im Herzen nur zu lachen.
Doch sagte sie vergnügt und still:
Wer schön und künstlich singen will,
Der kann von Menschen sich entfernen
Und diese Melodie von dem Raben lernen.

Der Maler und die schöne Flavia

Ein schönes, tugendhaftes Kind,
Desgleichen man jetzt wenige findt,
Wurde in der Stadt und überall gepriesen,
Wo sich die Schönen malen ließen
Und jede folgte gern dem schmeichelnden Gebrauch.
Warum nicht diese Schönheit auch?
Ich weiß nicht, was ihr widerstände;
Da selbst die Jungfern sie der Jugend Krone nannten.

Apelles sprach sie ungerufen an.
Er bittet, was er bitten kann,
Ihm nicht so wohl Verdienst zu gönnen.
Zehn Taler wurden Beide accord,
Wenn das Gemälde ihr gleich, sonst binde sie kein Wort.
Apelles malt ein unvergleichlich Stück.
Und unsre Schönheit gibt es ihm alsbald zurück.
Sie spricht, das Bild ist schön, es mag der Venus gleichen,
Der ich nicht kann das Wasser reichen.
Ich kenne mich nur allzuwohl,
Und will nicht, daß man mir um Geld flattieren soll.
Sie fragt die Magd, ein Urteil nur zu fällen,
Wer durch die Kunst hier vorzustellen.
Ei! ruft die ganz bestürzt, wer? unsre Flavia
Steht, wie sie lebt und ist, fürwahr leibhaftig da.
Schweig Närrin, wurde sie beschämt abgewiesen;
Und ihre Tugend schien die Wahrheit zu verdrießen.
Die Schönheit stellte sich durchaus vollkommen dar,
Daß dem Original hier alles ähnlich war.
Auch selbst der muntre Geist, die Tugend auszudrücken,
War in dem Augenstrahl vortrefflich zu erblicken,
Daß, wer nur dies Gemälde sah,
Bekennen mußt', es sei die schöne Flavia.

Das schöne Kind allein wollte es durchaus nicht wissen,
Daß ein so schönes Portrait ihr etwas gleichen müsse.
Apelles muß beschämt, voll Zorn und Eifer gehn.
Der bringt seine Kunst dem Richter, zu besehn,
Ob er das Geld verdient, das er nicht wollte,
Wenn das Gemälde nicht der Jungfer gleichen sollte.
Der Richter wird entzückt und in das Bild verliebt,
Daß er dem Maler gern, was er verdient, gibt;
Läßt das Original, ob's sehenswert, zitieren.
Er sieht die Flavia.  Die weiß ihr Wort zu führen,
Klagt über Schimpf und daß ihr großer Tord getan,
Weil sie der Schönheit sich nicht selber rühmen kann,
Welch' erstlich im Portrait der Richter hoch gepriesen,
Und im Original noch mehr bewundern müssen.
Als der noch schön're Geist den Richter angeflammt,
Wird unsre Flavia zur Zahlung zwar verdammt,
Doch herrlicher beschenkt, und wenn es ihr gefällt,
Dem eignen wackren Sohn des Richters vorgestellt.
Die Wahl ist gut: daß die nun recht vergnügten Seelen
In Zucht und Liebe sich, nach Herzenswunsch vermählen.

* * * *

Wer rühmet und wer sucht
Die Schönheit ohne Zucht?
Und die damit nur prahlen,
Die lassen sich um leichtes Geld abmalen.
Die Schönheit preist sich nur durch die Tugend an,
Weil ohne diese sie nicht leicht bestehen kann.
Die Tugend wird belohnt und braucht kein Schminken;
Und die sind's in der Tat, die sich es selbst nicht dünken.
Ihr Schönen, wollt ihr schön und hochgepriesen sein,
So bildet euch ja nichts auf eure Schönheit ein;
Weil, will die Tugend nicht von einer Schönheit wissen,
Dieselbe Freund' und Feind' erstaunt erkennen müssen.

Der Mäuse Beratschlagung wider die Katzen

Die Mäuse hielten einen Rat,
Wie den Katzen zu entgehen,
Die, weil man nichts sich zu beschützen hat,
Den Mäusen überall nach Leib und Leben stehen.
Eine jede klagte über Not,
Daß hier und da ihre Eltern schon geraubet,
Geschwister, Söhne und Töchter tot,
Und daß sie keine Stunde in Ruh zu leben glaubet.
Die Katzen, die verruchten Tier',
Und die das Schmeicheln recht gelernt,
Tun überall im Hochmut sich herfür,
Wenn eine Maus sich kümmerlich entfernt.
Sie schleichen, daß man sie nicht seh,
Noch hören, wo sie gehn und liegen,
So daß sie unbemerkt die Mäuse in der Näh
Gleich überfallen und betrügen.

Was ratet man zur Sicherheit?
Wie kann man dieser Wut entkommen?
Gar schön, spricht eine Maus, der Anschlag ist bereit.
Warum hat man nicht längst die Schellen zur Hilfe genommen?
Wir hören Esel, Kälber, Hund',
Und Schafe mit den Schellen prangen;
Die machen überall versteckte Tiere kund.
Und trügen Katzen Schellen, sie würden uns nicht fangen.
Der Rat ist gut und trefflich ausgedacht.
Die Schellen würden leicht der Katzen List verraten,
Daß sie so wenig Tag als Nacht,
Im schleichen den Mäusen schaden.
Es wird zu diesem End, der schlaue Rat gefaßt,
Daß den Katzen fort auch Schellen umzubinden,
So könnten sie das Tier, daß ihnen so verhaßt,
Bald hören in der Not und ihre Rettung finden.
Allein, versetzte eine alte und durchtriebne Maus,
Wie wird die Sache nun weiter angefangen?
Es geht mit diesem Rat eine jede zwar nach Haus,
Wer aber wird von uns der Katz die Schelle anhangen?
Und dieses wollte und konnte der Mäuse keine tun,
Aus Furcht den Augenblick der Katze Beute zu werden.
Und also muß es auch dabei beruhn.

* * * *

Es bliebe dieser Rat; es blieben die Beschwerden.
Man tu' doch alles mit Bedacht,
Und unternehme nichts, sich selber zu vernichten.
Denn Unbedachtsamkeit hat manches Leid uns gebracht.
Und wem dient solcher Rat, der nichts ins Werk zu richten?
Es ist gar bald gesagt, doch nicht so bald getan.
Wer wollte sich mit Fleiß verbrennen,
Und sich nicht hüten, wenn er kann?
Er müßte selbst mit Rat in sein Verderben rennen.

Der Neid und die Barmherzigkeit

Es nagt der Neid in gräßlicher Gestalt,
Vom Kummer ganz verzehrt, an seinem starren Knochen.
Als die Barmherzigkeit, im düstren Aufenthalt,
Ihn im Vorbeigang angesprochen.
Wie, Neidhard, find' ich dich so schlecht?
Was fehlt dir? Mußt du dich nagen?
Ach! ächzet er, mir ist nicht recht,
Doch weiß ich, was mir fehlt, dir jetzund nicht zu sagen.
Wie glücklich ist mein Nachbar hier.
Den Cajus kennst du wohl; wie hoch ist er gestiegen.
Den Marcus ehret man vor mir.
Der Mevius scheint gar das Glück im Schoß zu liegen.
Und alle sind doch, was sie sind, nicht wert.
Ich geb' es allen aufzuraten;
Und mir ist nicht die Hälfte vom Glück und Stand beschert.
Und was das meiste noch, weiß ich ihnen nicht zu schaden.

Ach! gib deswegen dich, sprach die Barmherzigkeit,
Gib, Neidhard dich, weil's nicht zu ändern, doch zufrieden.
Genieße was du hast, zwar mit Bescheidenheit,
Und gönne jedem, was der Himmel ihm beschieden.
Ich? knirschte der verdammte Neid noch mehr,
Ich kann und will es nimmermehr vertragen.
Wenn ich nur im Stande wär',
Ich wollte ihnen allen bald, wie dir, was anders sagen.
Geh nur, verdächtig Weib, aus meinem Angesicht,
Denn du sollst hier mich nimmer stören.
Ich bin für mich und werde nicht
Dein ungereimtes Plaudern hören.
So berste, sprach die Tugend drauf,
Und nag' an den verwünschten Knochen.
Gift, Geifer, Lästerung nährt deinen Lebenslauf,
Bis dein vergalltes Herz gebrochen.

* * * *

Gönnt Gott den Menschen Ehr und Gut,
So können sie mit Freuden es genießen,
Behalten einen frohen Mut,
Und lassen sich ja nichts vom Neid und Feind verdrießen.

Ein Frauenzimmer und ihr Spiegel

Ein Frauenzimmer, voller Flecken,
Und sonst gar nicht wohl gestallt,
Sucht ihre Fehler zu bedecken,
Und fand im Hohn den Aufenthalt.
Ein jeder pflegte sie zu loben:
Wie schön! wie liebreich! wie galant!
Und weil sie allzusehr erhoben,
Vergaß sie selber ihren Stand.
Sie glaubt den Schmeicheleien,
Und ist gar in sich selbst verliebt,
Drum pflegte sie sich recht zu freuen,
Wenn einer sich im Spotten übt.

Sie trifft einst bei galanten Frauen,
Im Zimmer einen Spiegel an,
Und setzt sich so, daß sie sich schauen,
Und ihre Tracht bewundern kann.
Ihr Kopfzeug sieht sie niedlich fliegen,
Und die geputzte steife Brust.
Ihr Ohrgehänge muß sie vergnügen,
Ihr alles macht ihr Freud und Lust.
Dergleichen Spiegel will sie haben,
Der sie, nach ihrem Dünkel zeigt,
Und der, den Eigensinn zu laben,
Zu Haus ihr nimmer abgeneigt.
Wo sind die Spiegel zu bekommen?
Man hat sie jetzt im Überfluß.
Sie kauft einen der Frommen,
Der sie zu Haus bedienen muß.
Sie legt ihren Putz zwar nieder,
Tritt aber doch zum Spiegel hin,
Und spricht, nun zeige du mir wieder,
Wie schön und angenehm ich bin.
Der stellt sie mit ihrem Wesen,
In Runzeln, Flecken, Pocken dar.
Du, schrie sie, bist von den Bösen,
Und was du zeigst, ist nicht wahr.
Darfst du bei mir dergleichen wagen,
Das nicht einmal ein Fremder tut?
Dich will ich gleich in Trümmer schlagen,
Ich merke, du bist mir nicht gut.

Schlag zu, das will ich dir nicht wehren,
Sagt alsbald der Spiegel drauf;
Die Wahrheit tut nicht nach Begehren,
Und deckt, was verborgen, auf.
Ich zeige nicht, was dir beliebt,
Wohl aber was du selber bist,
Und geb' es so, wie man mir's gibt,
Ob's gleich nicht wohlgefällig ist.
Sei schön, so werden meine Strahlen,
Zur größten Gefälligkeit,
Dich schön, doch ja nicht schöner malen,
Als die Gestalt es mir gebeut.
Ich pflege niemand zu flattieren,
Wie jetzt die falsche Welt gewohnt,
Und werde nicht den Ruhm verlieren,
Wird gleich mit Undank mir gelohnt.

* * * *

Dem Spiegel soll dies Büchlein gleichen,
Das zeigt jedem ohne Scheu,
Nur seinen Endzweck zu erreichen,
Nicht was er will, doch was er sei.
Wenn einer sich getroffen findet,
Der nehm es an und beßre sich.
Denn was die Tugendliebe ergründet,
Ist den Lastern ärgerlich.
Die mögen auch die Schrift zerreißen,
Und tun, was Eigenliebe tut:
Wenn sie sich noch so bös erweisen,
So bleiben doch die Fabeln gut.