Der Zwerg
Ein kleingebliebner Mensch, der zwar schon dreißig Jahr,
Doch seiner Größe nach, nicht über vierzehn war,
Beklagte sich gar oft des schlechten Wachstums wegen;
Als käm auf die Natur, an der doch nichts gelegen,
Der Menschen Glück und Unglück an.
Und eben dieser falsche Wahn
Vergällt ihm den Genuß der Güter dieses Lebens.
Ach! sprach er, wär ich nur nicht so verächtlich klein,
Ich wollte herzlich gern der ärmste Bettler sein.
Doch dieser große Wunsch war lange Zeit vergebens,
Bis drauf zur Jahrmarktszeit ein Gassendoktor kam,
Der unsern reichen Zwerg um fünfzig Taler brachte,
Und selben, da er ihn auf seine Stube nahm,
Viel größer eben nicht, doch etwas leichter machte.
Schaut! sprach Purgantius, hier ist kein andrer Rat,
Entkleidet euch, mein Freund! und braucht dies Kräuterbad,
Das in der Wanne vor euch steht!
Wo dessen Wunderkraft, die mancher schon empfunden.
Wie ich nicht zweifeln will, an euch von statten geht.
So müßt ihr hier in wenig Stunden
Drei Finger breit gewachsen sein;
Hans Wurst, mein Diener, mag indessen bei euch bleiben,
Ihr möchtet euch sonst ganz allein
Die Zeit nicht wissen zu vertreiben.
Der Doktor ging nun fort, der seinem Badegaste,
Da eben gleich Hans Wurst zur Kurzweil mit ihm spaßte,
Die Kleider unvermerkt mit aus der Stube nahm.
Warum denn? Laßt ihn gehn! Sein Kutscher war ein Schneider,
Der mußte, weil er gleich dazu Befehl bekam,
Die heimlich weggenommnen Kleider,
Geschwind, in aller Still, drei Finger kürzer machen.
Das tat der Kutscher auch, der in dergleichen Sachen
Ein großer Künstler war. Der Schnitt geriet recht wohl,
So daß ein jeder, ders nicht wußte,
Trotz der Verkürzung! glauben mußte,
Daß wirklich Rock und Camisol
Schon seit dem Schnitt der ersten Schere,
Das heißt, vom Anbeginn, so kurz gewesen wäre.
Der Doktor legte sie drauf heimlich wieder hin.
Und sagte, daß der Patiente
Die Badekur beschließen könnte.
Ja! ja! ich fühl es schon, daß ich gewachsen bin,
Erwiderte der Zwerg, der aus dem Bade sprang,
Und in die Kleider kroch, die ihm vorher zu lang,
Itzt aber desto kleiner waren.
Schaut! rief der Arzt, wie viel ihr in so kurzer Zeit
Den Kleidern schon entwachsen seid.
Der Gernegroß, der vor Lust fast aus der Haut gefahren,
Gab dem Betrüger gleich das bar versprochne Geld,
Und nannte sich nun selbst den Glücklichsten der Welt;
Er schwur, er träte heut aus dem Pygmäerorden,
Sein Mißwachs sei kuriert, er aber größer worden.
* * *
In Sachen, die man wünscht, sieht auch der klügste Mann
Ein Kind für einen Riesen an;
Der Grund dazu sei noch so seichte,
Denn was man wünscht, das glaubt man leichte.
Die Raben
Orbilius fing einst ein Paar pechschwarze Raben;
Denn weil sie von Natur schon imer
cras!
cras!
schrein,
So wollt er darum auch, aus Liebe zum Latein,
Zween solche Galgenvögel haben.
Er hatte hier und da gelesen und gehört,
Daß man die Unvernunft vernünftig sprechen lehrt.
Und daß man, mit Geduld und etwas großer Mühe,
Aus Staren deutsche Redner ziehe.
Was taugt wohl, sprach er, unversucht?
Wer keinen Samen streut, des Feld liegt immer brache!
Da meine Schüler nun, ohn Unterricht und Zucht,
In der gelehrten Muttersprache
Es von sich selbst so weit gebracht,
Daß sie die Morgenzeit schon auf lateinisch nennen.
So denkt nur, ob mir das nicht große Hoffnung macht,
Sie würden unter mir noch mehr begreifen können.
Den Ansatz haben sie, und wenn sie fleißig sein,
So, glaub ich, müssen sie das völlige Latein,
Noch eh ein Jahr vergeht, in meiner Schule fassen.
Nachdem er ihnen nun die Zungen hat lösen lassen,
So trat er vor sie hin; so fing er allgemach
Sein ernstes Lehramt an. Er sagte: sprecht mir nach!
Estote mihi vult venire!
Denn, sprach er, seht! dort ist die Türe;
Wenn die geöffnet wird, und ein Besuch erscheint,
Es sei nun gut Freund oder Feind,
So sollt ihr ihn willkommen heißen.
Indem ihr meine Schüler seid,
So müßt ihr euch der Höflichkeit
Vor allen Dingen stets befleißen.
Was ich hier sage, muß geschehn.
In vielen Schulen wird zwar nicht darauf gesehn,
Ich aber dringe drauf; denn das ist keine Sache,
Daß man sein Volk gelehrt, nicht aber höflich, mache.
Die Grobheit an sich selbst erwirbt sich Haß und Fluch;
Drum glaubt mir, daß ich euch die besten Wege führe.
Drauf wiederholt er seinen Spruch:
Estote mihi vult venire!
Wie oft? ich weis zwar nicht die eigentliche Zahl,
Zum wenigsten viel tausendmal.
Die Raben schwiegen still. Das hielt er für ein Zeichen,
Er würde seinen Zweck mit halber Müh erreichen.
Er sprach: Sie machen mir doch nicht so viel Verdruß,
Als wenn ich Kinder lehren muß,
Die keinen Augenblick die Mäuler halten können.
Nein! meine Negres hier sind Freunde meiner Ruh;
Sie merken auf mein Wort, und hören fleißig zu,
Als Schüler, die beinah vor Lehrbegierde brennen.
Dies war sein eitler Trost das erste halbe Jahr.
Indessen ließ sich doch die Sache nicht erzwingen,
So groß auch sein Bestreben war;
So war den Schülern doch nichts in den Kopf zu bringen.
Nun! rief er, werdet ihr nicht bald
Den vorgesagten Spruch zu wiederholen wissen?
Die Antwort war:
cras!
cras!
Er strampft mit den Füßen,
Und sprach: Die Güt ist aus, ich brauche nun Gewalt;
Lernt, oder, kurz und gut, ich kann mich nicht regieren;
Ich möchte sonsten noch viel Zeit mit euch verlieren.
Drauf nahm er in der Tat den Prügel in die Hand,
Und schlug, von Zorn und Wut entbrannt,
Auf seine Schüler los, so daß der eine gleich,
Durch den auf ihn geführten Streich,
Gelähmt und betäubt, die Flügel kraftlos streckte,
Und mitten in dem Lauf der Studien verreckte.
O wie erschrak Orbilius!
Er brach den Prügel, aus Verdruß,
Auf seinem eignen Knie in Stücke,
Und rief gleich die Geduld aus ihrer Flucht zurücke.
Er plagte sich mit dem Scholar,
Der seinem Grimm entging und noch im Leben war,
Ein Jahr und vier und zwanzig Wochen,
Und hatte selbigem sein herrliches Latein
Viel hundert tausendmal vergebens vorgesprochen.
Die erste Ungeduld riß wieder bei ihm ein.
Doch eh ihm wirklich noch die Galle überlief,
Erwog er noch einmal die schwer gewordne Sache;
Zuletzt besann er sich auf den bekannten Griff,
Daß Durst und Hungersnot auch Narren sinnreich mache.
Seht! Seht! sprach er, hätt ich doch das beste bald
vergessen.
Er gab dem Raben nichts zu fressen;
Hingegen käut er ihm sein küchenhaft Latein,
(Er wußt es ohnedem nicht besser anzuwerden.)
Mit recht pedantischen Gebärden,
Vom frühen Morgen an, bis auf den Abend, ein.
Allein er schaffte nichts, trotz allen seinen Lehren!
Indem ihr Ziel und Zweck hier unnatürlich war.
Der Hungerleider ließ nun zwar
Zum öftern seine Stimme hören,
Schrie aber auch ohn Unterlaß,
Als wenn er weiter nichts von dem Latein verstände,
Sein Leibwort, sein verhaßtes
cras!
Das ganze Fasten durch, bis an sein letztes Ende.
* * *
So eben kommt die Kunst bei manchem Kinde blind,
Wenn seine Lehrer nicht den Unterschied erwägen,
Zu was wir nicht geboren sind,
Das weis uns niemand einzuprägen.
Die Aloe
Es war bereits an dem, daß eine Aloe
In einem Garten blühen sollte;
Weil folglich jung und alt dies Wunder sehen wollte.
So fragt ein Rosenstock: Woher der Lärm entsteh?
Ob in der Nachbarschaft ein unversehner Brand
Das nahe Gartenhaus vermutlich schon ergriffe?
Weil so viel Volk zusammen liefe,
Als wär die ganze Stadt von Haus und Hof verbannt;
Was wollen denn hier so viel Leute?
Ich merke weder Rauch noch Dunst,
Ich rieche keine Glut, ich spür auch in der Weite
Kein Zeichen einer Feuersbrunst.
Er rief der Blum von Jericho,
Die, weil ihr Wachstum sich noch eins so hoch erstreckte,
Als ein lebendig Dach die Sommerlaube deckte;
Mein! sprach er, schau dich um! Siehst du noch keine Loh?
Nein! sagte sie, ich kann dergleichen nichts erblicken,
Wohl aber Leute gnug, Fontangen und Perücken;
Sie drängen alle sich dort in das Fruchthaus ein;
Es muß was Wichtiges daselbst zu sehen sein.
Weil eben gleich die Glocken schallten,
Auf deren Ruf man sonst ins Frühgebete ging,
So sprach ein Apfelbaum: Ich weis das ganze Ding;
Vielleicht wird heute hier der Gottesdienst gehalten.
Weil Stadt und Vorstadt sich so stark hierher bemühn.
Nein! sprach ein Nelkenstock, ich hab es schon vernommen,
Warum die Leute heut so fleißig zu uns kommen;
Die Aloe wird itzund blühn.
Kann das wohl möglich sein? rief ein Levkojenstrauch;
Ich blüh, Gott lob und Dank! ja auch,
Wer aber schätzt an mir der Blumen Pracht und Menge?
Warum macht dieses Volk um mich kein solch Gedränge?
Weswegen hält man denn mit mir kein Jubelfest,
Wie mit der Aloe? der Faulsten unter allen;
Die sich so lange bitten läßt,
Bevor sie endlich noch, dem Gärtner zu gefallen,
Für alle seine Müh, mit der er sie erziehet,
Ein außer einzigmal in so viel Jahren blühet.
O Undank! der sich nichts aus solchen Dingen macht,
Die gleichsam Tag für Tag geschehen!
Der Aloe gereicht die Seltenheit zur Pracht;
Uns, weil wir immer blühn, will niemand blühen sehen.
* * *
Die ihre ganze Kunst stets auf die Probe setzen,
Und täglich Wunder tun, verringern ihren Wert.
Denn was man täglich sieht und hört,
Das pflegt man insgemein zuletzt für nichts zu schätzen.
Man muß, der Menschen Gunst beständig zu genießen,
Sich gleichsam rar zu machen wissen.
Der Fuhrmann und
der Schiffer
Ein deutscher Fuhrmann traf einst einen Schiffer an,
Der schon die sechste Fahrt nach Indien getan.
Der Schiffer, der ihn gleich für seinen Freund erkannte,
Rief: Bruder! sind wir noch Professionsverwandte?
Der Fuhrmann sprach: Ich weis nicht, wie ich das versteh;
Inzwischen wünsch ich es, ich wollte daß ichs wäre.
Der Schiffer sagte drauf: Schau nur! bei meiner Ehre!
Was du zu Lande bist, das bin ich auf der See;
Mein Wagen ist das Schiff, auf dem ich mich befinde,
Die Pferde, die es ziehn, sind die berühmten Winde,
Die werden hier verkehrt, und, wie dir schon bekannt,
Stets hintern Wagen angespannt:
Die Segeltücher sind die Kummet dieser Pferde;
Das Steuerruder ist ihr Zügel und ihr Zaum,
Die Deichsel ist der Mast, ein ungeheurer Baum,
Der hier, zum Unterschied der Fahrt auf fester Erde,
Nicht grade vor sich hin, nein! schnurgleich aufwärts steht;
Und wenn die Fahrt nach Wunsch, und wohl von statten geht,
Daß meine Pferde stets in einem Atem ziehn,
So glaube, daß ich hier, und ohne groß Bemühn,
In einem Monat weiter fahre,
Als du in einem Vierteljahre.
Das muß geschwinde gehn! fiel unser Fuhrmann ein,
Ich wünschte mir doch auch, um schneller, fortzukommen,
Ein Fuhrmann auf der See zu sein.
Im Ernst! das hab ich mir schon lange vorgenommen;
Die Landfracht bringt zu wenig Brot,
Man leidet zwar dabei wohl eben keine Not,
Allein man kann sich auch dabei nicht viel ersparen.
Ich möchte schon einmal mit solchen Pferden fahren,
Die weder Heu noch Haber fressen;
Ich wollt in kurzer Zelt mein Geld mit Vierteln messen.
Das rat ich dir wohl nicht, erwiderte sein Freund,
Denn die Gefahr dabei ist größer, als man meint,
Insonderheit mit dem Kutschieren.
Die Wasserpferde sind sehr übel zu regieren;
Sie ziehn zuweilen keinen Strang,
Fünf, sechs, bis sieben Wochen lang,
Oft, wenn sie gar den Koller kriegen,
Und in der Raserei durch Wolk und Wellen fliegen:
So stürzt der Wagen um, da hats den Tod gesehn,
Dem kann man auf der See, nicht wie zu Land, entlaufen.
Der beste Kutscher muß, wenn so ein Fall geschehn,
So gleich den Augenblick, ohn alle Gnad, ersaufen;
Das Fuhrwerk auf der See läuft meistens da hinaus.
Wenn das ist, rief der Fuhrmann aus,
So bleib ich auf dem festen Lande;
Denn wenn der Wagen gleich hier von dem höchsten Rande
In einen hohlen Abweg fällt,
So fällt er doch nicht aus der Welt.
Nein! nein! behüt mich Gott vor so geschwinden Pferden!
Wer Lust zu sterben hat, mag deines Handwerks werden.
* * *
Wem Sturm und Wellen Furcht erwecken,
Dem muß das Brot zur See wahrhaftig bitter schmecken;
Man kauft es mit Gefahr des eignen Lebens ein,
Und muß es, wenn wir uns nicht selbst dabei vergessen,
Auch stets in Gegenwart des nahen Todes essen.
O Himmel! mag das nicht ein lustig Essen sein!
Der einfältige Untertan
Ein Graf entzog sich einst des Hofes Lustbarkeit,
Die ihre Freunde nur das erste mal erfreut;
(Wer immer Zucker speist, dem schmeckt er endlich bitter,)
Er ging aufs Land, auf seine Güter.
Hier wollt er unverhofft erscheinen,
Deswegen macht er auch den Seinen
Die Ankunft nicht vorher bewußt;
Daraus entsteht manchmal die allergrößte Lust.
Die Hofstaat folgte nach; der Graf fuhr auf der Reise
Mit seinem Wagen stets zwei Stunden zu voran,
Und kam auch unbekannter Weise
Auf seinen Grenzen glücklich an.
Hier, als er in das Dorf, von dem er Lehnsherr war,
Und wo er wenigstens ein halbes Vierteljahr
Sein Buen- retiro finden wollte,
Die Einfahrt eben halten sollte,
Kam gleich ein Hofknecht den engen Weg daher
Mit einem Fuder Mist gefahren.
Weicht! Weicht! rief der Kutscher, weicht! Hans sagte:
nimmermehr!
Ihr mögt das selber tun, und mir die Müh ersparen;
Ich weiche nicht. Du mußt, versetzt dieser wieder,
Du ungeschliffner Bengel! du!
(O seht doch nur! der Zorn macht auch zuweilen Brüder.)
Hans tat, als hört ers nicht, und fuhr noch näher zu.
Der Kutscher wollte rasend werden,
Und schrie mit gräßlichen Gebärden:
Kerl! warum weichst du nicht? Hans sagte: Daß ihrs wißt!
Ich führ der gnädgen Herrschaft Mist,
Drum braucht Respekt, und fahrt beiseite;
Wo nicht, so seid ihr grobe Leute.
Was meiner Herrschaft ist, ist aller Ehren wert.
Der Graf, der diesen Zank im Wagen angehört,
Gab seinem Kutscher gleich ein Zeichen,
Dem Bauer selber auszuweichen,
Wodurch der Streit sein Ende nahm.
Als nun der Knecht hierauf ins Dorf zurücke kam,
Und hörte, wie, und auch an wem er sich vergangen,
So fehlt es wohl nicht viel, er hätte sich gehangen.
Er ward vor Angst bald weiß, bald rot.
Zu größerm Anwachs seiner Not
Erhielt er den Bericht, die Herrschaft wollt ihn sehen.
Dawider half nun nichts, kein Bitten und kein Flehen.
Er kam und zitterte, fiel vor den Grafen hin,
Und sprach aus einfaltsvollem Sinn:
Man wird mir doch wohl nicht das Leben nehmen wollen,
Denn seht nur, gnädger Herr! die Schuld ist ja nicht mein;
Ihr hättet euch hübsch melden sollen,
So würd ich schon gewichen sein.
Ihr durftet weiter nichts, als euren Namen, nennen;
Wer Tod will außer dem die Schelmen alle kennen?
Wenn das ist, sprach der Graf, so hast du völlig Recht;
Der guten Meinung nach bist du mein bester Knecht.
* * *
Vernünftige Regenten müssen
Bei Leuten, die ihr Maul nicht recht zu brauchen wissen
Mehr auf die gute Meinung sehn,
Als auf die Taten selbst, die wider sie geschehn.
Der Eiferer
Ein Mann, der vor sein Maul kein Schloß zu finden wußte,
Ein rechter Plauderhans, ein Freund von großem Schrein
Der in Gesellschaft meist allein
Das Recht zu reden haben mußte,
Kam bei Gelegenheit der nachbarlichen Braut,
Bei einem Hochzeltgast zu sitzen,
Der fast die halbe Welt durchkrochen und durchschaut.
Wie nun die Leute stets die Ohren weidlich spitzen,
Wenn so ein weltgereister Mann
Von dem und jenem Volk aus jedem Teil der Erden,
Und, ohn darüber rot zu werden,
Der Wahrheit oft zu Trotz! was Neues sagen kann,
So ließ man sich auch hier den Fremden viel erzählen.
Wie in der neuen Welt die Mohren sich vermählen;
Mit was für plumper Artigkeit
Die Schönen bei den Hottentotten
Der weißen Europäer spotten,
Wie sich dies wilde Volk mit Tran und Fett beschmiert.
Und, Trotz den Säuen andrer Länder!
Mit Fleiß im Kote wälzt, die Därmer statt der Bänder,
Um Leib und Arme schlingt, und noch wohl mit stolziert.
Er lobte gegenteils die Weiber der Javanen;
Die, sprach er, darf man nicht zur Reinlichkeit ermahnen,
Man wird sie niemals sehn, wie uns gebräuchlich ist,
Zweimal auf einem Teller essen;
Denn wenn sie ihren Reis verzehrt und aufgegessen,
So gehn und werfen sie den Teller auf den Mist;
Die Schüsseln selbst nicht ausgenommen,
Die auch auf ihren Tisch nicht mehr als einmal kommen.
Der Plaudrer neben ihm, der schon die längste Zeit,
Recht wider seinen Brauch, den Fremden reden lassen,
Konnt endlich nun nicht länger passen,
Und nahm hierbei Gelegenheit,
Den Fluch auf dieses Volk zu legen,
Warum denn? der Verschwendung wegen.
Ach! rief er, wissen denn die Höllenbrände nicht,
Die Teufelskinder von Gesicht,
Die Schüsseln wieder abzuschweifen?
Und muß man allemal zu neuen Tellern greifen?
Das teure Porzellan, das man so kostbar schätzt,
Der jedes Deutschen Aug ergötzt,
Wird der so liederlich gebraucht und weggeschmissen?
O Torheit! seht doch nur! die blinde Nation
Tritt Gottes Gaben recht mit Füßen;
Sie spricht ja dergestalt dem eignen Reichtum Hohn,
Und sucht, mit frevelvollen Händen,
Ihr kostbares Gefäß verächtlich zu verschwenden.
Verflucht ist so ein Volk bis in die Ewigkeit!
Mein! sprach der fremde Gast, Herr Nachbar! seid gescheit!
Ihr dürft hier ja nicht so auf die Javanen schmettern,
Noch ihnen dergestalt mit Fluch und Hölle dräun;
Warum? Sie speisten insgemein
Auf abgebrochnen Pisangblättern.
Wer will das eine Sünde heißen,
Dergleichen Teller wegzuschmeißen,
Die weiter nicht zu brauchen sind,
Und die man allemal im Busche wiederfindt?
Der Plaudrer schämte sich; er konnte nichts drauf sagen,
Und ward deswegen nach der Hand
Der blinde Bileam genannt.
* * *
Wer eifern will, der muß erst nach dem Grunde fragen.
Die Feder des Poeten
Ein Dichter, der sich reich gesungen,
Der durch die Feder sich dem Glück in Schoß geschwungen;
Theander, dessen Geist den ersten Rang verdient,
Und dessen wahres Lob noch auf dem Pindus grünt,
Starb schnell und unverhofft im Lauf der besten Jahre.
Die Fama macht es gleich der deutschen Welt bewußt;
Selbst Phöbus und sein Volk beklagten den Verlust,
Und weinten überlaut bei dieses Dichters Bahre.
Das Echo hatte seine Not,
Die Klagen über diesen Tod,
Die gleichsam ewigen, die langen Trauerlieder,
In den Gebürgen hin und wieder,
Fast unaufhörlich nachzusingen.
Man hörte überall Theanders Lob erklingen,
Mit einem Wort, sein Kiel ward an das Sternenzelt,
Zu einer ganz besondern Ehre,
Der Leier Orpheus beigesellt,
Weil recht was göttliches darin verborgen wäre.
Stax, der sein lebenlang schon manchen Reim gemacht,
Der ihn zwar auch der Welt zum Wunder machen sollen,
Doch niemand, als ihm selbst, seither gefallen wollen,
Ward dadurch, als ein Tor, auf den Entschluß gebracht,
Sich des verstorbnen Dichters Kiel
Von dessen Freunden zu erkaufen,
Die Kosten möchten sich auch noch so hoch belaufen.
Denn, sprach er, trifft mein Wunsch in diesem Fall sein
Ziel,
So will ich künftig auch schon Meisterstücke schreiben,
Und meines Namens Ruhm den Sternen einverleiben.
Gleich lief er in das Trauerhaus,
Und bat sich bei den nächsten Erben,
Die Feder des Verstorbnen aus,
Mit der er kurz vor seinem Sterben,
Das Lob der Tapferkeit, sein Hauptgedicht, geschrieben.
Es lagen hier von langer Zeit
Viel alte Federn umgestreut,
Teils brauchbar noch, teils nicht, der Zahl nach zweimal
sieben.
Die alle gab man ihm umsonst und ohn Entgelt.
O wohl mir! sagte Stax, nun weis ich, wie ich heiße,
Der zweite Seidel an dem Oveisse,
Der größte Dichter von der Welt.
Er setzte sich, und nahm von diesen Federn eine,
Und schrieb ein neues Lied vom Nutzen alter Weine.
Er las sichs selber vor, und fragte sich dabei:
Ob dieses Meisterstück nicht unvergleichlich sei?
Sein Ausspruch war: Ja! ja! drauf ließ ers andre lesen.
Die sagten ihm das Widerspiel.
Was? rief er, macht nur nicht viel Wesen!
Seht! ist das nicht Theanders Kiel,
Des Dichters, der das Lob der ganzen Welt genossen?
Aus dessen Feder ist mein Bachuslied geflossen.
Ja! sagten sie, mein Freund! wenn dem nun auch so wär,
Wie kann dein albern Zeug Theandern gleichen wollen?
Du hättest seinen Kopf zugleich auch erben sollen;
Der fehlt dir, leider! noch, wir merken es gar sehr.
* * *
Ach! spricht manch Euclio, hätt ich Herr Mildreichs Geld:
So wollt ich auch, wie er, den Armen reichlich geben,
Und manchen, der itzt liegt, aus Staub und Kummer heben.
Gesetzt auch, daß er drauf ein gleiches Glück erhält.
Ich zweifle, daß sein Arm viel Liebeswerke tu;
Er hat kein mildes Herz, das wünscht ihm noch dazu,
Sonst wird der Überfluß an all und jeden Sachen,
Aus einem Euclio, des Geizes Widerspiel,
So wenig als Theanders Kiel
Aus Staxen einen Dichter machen.
Die Esel
Zwölf Esel machten einst zusammen einen Bund,
Weil gleich, zu ihrem Glück, die Stalltür offen stund,
Dem Müller aus dem Dienst zu laufen.
Es war noch nicht halb Mitternacht,
So hatte sich ihr ganzer Haufen
Schon aus dem Stalle fort und auf den Weg gemacht.
Sie liefen hurtig zu, und weil es finster war,
So stunden sie daher auch immer in Gefahr,
Sich zu verirren und zu gleiten.
Der Mond ging endlich auf, der hier ins Mittel trat,
Und unsren neuen Wandersleuten
Durch seinen vollen Glanz gar gute Dienste tat.
Sie wurden auch dadurch zu Gottes Lob erweckt,
Und suchten ihren Dank dafür an Tag zu legen.
Seht! sagten sie, der Herr hat wirklich unsertwegen
Dies helle Nachtlicht aufgesteckt,
Damit wir unsre Flucht, mit beßrer Sicherheit,
Und desto größrer Hurtigkeit,
Vollstrecken und vollenden können.
Indem nun dergestalt die hochgeehrten Herrn
Dem nahen Walde zu, in aller Andacht, rennen;
Erblickte sie ein Wolf von fern;
Gleich wünscht er seinen Mut in ihrem Blut zu kühlen.
Was mach ich? fragt er sich, der Sieg scheint hier zu
schwer;
Wenn nur noch jemand bei mir wär,
Der Schelmen sind zuviel, ich könnte leicht verspielen;
Das wird das Beste sein, ich lasse sie zur Ruh.
Inzwischen trug sich was zu seinem Vorteil zu.
Die Karawane kam, voll Staub, und Durst und Hitze,
Hier eben gleich zu einer Pfütze,
In der der Mond sein Bild recht ähnlich ausgedrückt.
O seht doch! sagten sie, der Mond ist hier versunken!
Kaum aber hatten sie dies Nachtgemäld erblickt;
So waren ihrer zween, die aus der Pfütze trunken.
Indem nun kurz hierauf das Schattenbild verschwand,
So bald kein Wasser sich darinnen mehr befand,
Ging an dem Himmel auch der Mond zugleich verloren,
Der hinter eine Wolke trat.
Die Esel spitzten ihre Ohren,
Und glaubten, ohne Grund, doch leider! in der Tat,
Die Pfützenschlucker hätten hier
Den Mond am Firmament mit in den Leib gesoffen.
Speit aus! rief jedermann, wo nicht: So habet ihr
Den ganz gewissen Tod zu hoffen.
Der sagte: Zeiht mirs nicht! ich hab es nicht getan.
Der andre sprach: Wer denn? du selbst bist Schuld daran,
Du hast, ich sah es wohl, das Maul zu voll genommen.
Hört! rief die ganze Schar, nur leugnet länger nicht;
Das eingeschluckte Mondenlicht
Muß wiederum zum Vorschein kommen;
Entweicht auf jenes Feld! ein Zweikampf steht euch frei.
Machts miteinander aus, wer recht, wer unrecht sei?
Wir andern werden hier den Streit von fern betrachten.
Und den, der siegen wird, für Schuld und schadlos achten.
Die zween Verdächtige entfernten sich sogleich,
Und wiesen Mann für Mann die schönsten Heldenproben;
Bald lagen der, bald der itzt unten und itzt oben,
Und bläuten sich den Kopf mit harten Schlägen weich.
Der Wolf, der diesen Kampf zu seinen Nutzen kehrte,
Kam, ohne daß ihm jemand wehrte,
Hier als ein Blitz herbei gerannt.
Die Kämpfer wurden gleich von seinen starken Bissen
Verletzt, gelähmt und umgerissen,
Und fast im Augenblick erwürgt und übermannt.
Die andern wurden es von ferne kaum gewahr,
So suchten sie nur selbst, anstatt in der Gefahr
Den Bundsgenossen beizuspringen,
Durch eine schnelle Flucht ihr Leben fortzubringen.
Sie schwuren unterwegs, mit Schaden klug gemacht,
Sie wollten künftig stets den Trieb der Zanksucht hassen,
Und sich durchaus nicht mehr, durch Argwohn und Verdacht
Zu ihrem Unglück, trennen lassen;
Sie schrieen insgesamt: Je ja! ie ja! ie ja!
Kaum waren sie aufs neu verglichen,
Kaum hatten sie in Ruh den halben Wald durchstrichen,
So war der Friedensbruch, ein neuer Krieg, schon da.
Ein Esel stolperte mit beiden Vorderfüßen,
Und fiel sich in den Kopf ein ziemlich großes Loch.
Ihr Brüder! sprach er, sagt mir doch:
Was meint ihr? Tut mirs weh? Das können wir nicht wissen,
Du mußt dich selber darum fragen.
Ach! fing er wieder an, ich weiß schon, wie ihr seid,
Ihr wollt mirs nur mit Fleiß nicht sagen.
O hört doch, sagte man, der Narr ist nicht gescheit.
Der mit dem Loche nahm dies Schimpfwort übel auf;
Er schwur in vollem Grimm hierauf,
Er wollt und müßte sich an seinen Gegnern rächen,
Und ohne weiter was zu sprechen,
Geriet das ganze Heer in eine Schlägerei;
Ein Teil hing diesem an, ein Teil fiel jenem bei,
Und, statt der Freundschaftspflicht noch ferner Platz zu
geben,
War jeglicher bemüht, die Freundschaft aufzuheben.
* * *
Mit Narren kommt man leicht in Ungelegenheit,
Denn ihre Narrheit ist ein Anfang schon zum Streit;
Die eben macht sich selbst den besten Freund zum Feinde.
Wer Fried und Eintracht sucht, der wähle kluge Freunde.
Der Bauer und sein Sohn
Ein Bauer hielt sich selbst für ganz besonders klug.
Ich seh auch nicht, warum man daran zweifeln sollte.
Er hatt ein schönes Gut. Das war Beweises gnug;
Daher er alles stets viel besser wissen wollte;
Weswegen auch sein Sohn, ein Schüler guter Art,
Der seines Vaters Unart wußte,
Nicht gern nach Hause kam, und wenn er kommen mußte,
Der ihm versalznen Kirms bald überdrüssig ward.
Der Vater quält ihn stets mit tausend Wirtschaftsfragen,
Und wenn er manchmal nicht die rechte Antwort traf
Erboste sich der Mann, und rief: Du dummes Schaf!
Was lernst du in der Schul? Kannst du mir das nicht sagen?
Und was das ärgste war, der Vater warf ihm hier,
Oft mitten in dem Kuchenfeste,
In Gegenwart der ganzen Gäste,
Das Schulgeld noch dazu auf allen Bissen für,
So lange, bis er sich aus Scham vom Tisch entfernte.
Indessen als er übers Jahr
Auf eben dieses Fest nach Hause kommen war,
So sagt er, daß er itzt die Erdbeschreibung lernte,
Als eine Wissenschaft, die ihren Nutzen hat,
Und deren, wahres Lob beständig höher gehet.
Seht, Vater! sprach der Sohn, dieß mitgebrachte Blatt,
Auf dem die ganze Welt im Kupferstiche stehet!
Das ist Europa! schaut! und dort ist Afrika,
Hier habt ihr Asien, Amerika liegt da.
Mein! fuhr der Vater auf, was bringst du da für Lügen?
Man möchte gleich davon ein hitzig Fieber kriegen;
Es glaub es, wer da will! wer das für möglich hält,
Der hat wohl im Gehirn den stärksten Frost erlitten.
In Wahrheit! unser Dorf, den Wald noch abgeschnitten,
Ist tausendmal so groß als diese ganze Welt,
Drum schweig, du Alberner! Mit solchen läppischen Sachen
Ist auf dem Lande nichts zu machen.
Gesetzt auch, daß sie dir nicht schaden;
Gnug! daß man auch gewiß kein Brot daraus erzwingt.
Ein rechtes Fuder Mist geschicklich aufzuladen
Ist eine Bauerkunst, die beßren Nutzen bringt.
Was hilft dir Erd und Meer? was lesen? rechnen? schreiben?
Und gleichwohl kostet michs ein Jahr lang so viel Geld.
Mit einem Wort, du sollst mir aus der Schule bleiben,
Die Bibel spricht ja selbst: Du Fauler! geh aufs Feld!
Herr Kasper! rief der Pfarr, der mit bei Tische saß,
Und unsern Schüler sehr beklagte:
Wie kommt ihr mir denn vor? Ihr treibt vielleicht nur Spaß,
Wenn euer Schimmel das zu seinem Sohne sagte,
So würd ich ihm gar gern den Unverstand verzeihn;
Ihr solltet, als ein Mensch, doch gleichwohl klüger sein.
* * *
Die Lehrer in den Schulen sind,
In vieler Augen, noch das fünfte Rad am Wagen.
Ihr schlechtes Ansehn wird euch Nachricht davon sagen;
So gar ist, leider! itzt manch Vater selbst ein Kind!
Die Raben und die
Krähen
Die Raben schmausten einst recht hoch.
Der Galgen war ihr Tisch; der Henker war ihr Koch,
Die Speisen zween gehangne Juden,
Die ihre Schultern gern mit fremdem Gut beluden.
Bei diesem armen Sünderfeste
Erquickte sich die ganze Schar
Der reichlich gnug versorgten Gäste,
So gut es immer möglich war.
Sie brauchten ihren harten Schnabel
Anstatt des Messers und der Gabel,
Und sparten weder Müh noch Fleiß,
Die zween besondre Leckerbissen,
Aus denen sich dies Volk sehr viel zu machen weis.
Das Aug und das Gehirn, hauptsächlich zu gemessen.
Nicht weit von dieser Gasterei
Befanden sich zwo arme Krähen,
Die machten beiderseits ein wiederholt Geschrei.
Denn, dachten sie bei sich, wenn uns die Raben sehen,
So werden sie uns doch, wofern sie höflich sind,
Aus alter Nachbarschaft, zu Gaste bitten müssen.
Allein der ganze Schwarm schien damals taub und blind,
Und wollte, leider! nichts von diesen Nachbarn wissen.
Die Krähen, die es nun erschrecklich übel nahmen,
Daß sie von diesem Mahl nicht auch ihr Teil bekamen,
Erzürnten sich recht sehr, und hüllten ihren Neid
In den beliebten Schein der strengsten Heiligkeit.
O seht doch, sagten sie, wenn wird dies Volk sich bessern?
Die Erd ist überall an Ungeziefer voll,
Das uns zur Speise dienen soll.
Und ihr laßt euch das Maul nach Menschenfleische wässern?
Es wär kein Wunder nicht, ihr fresset euch den Tod.
Unmöglich stammt ihr von jenen frommen Raben,
Die dem Propheten dort, zur Zeit der Hungersnot,
Das Essen zugetragen haben.
Wenn ein Elias itzger Zeit
Auf eure Hilfe warten sollte;
So wüßt ich wahrlich nicht, wie er sich retten wollte.
Ihr fresset ihn wohl selbst vor großer Lüsternheit.
Das tun die Wölfe sonst, und ihr machts nicht viel besser.
Verflucht sei euer Schmaus! ihr wilden Menschenfresser!
Ach! sprach ein Rabe, flucht nur, flucht!
Man merkt es deutlich gnug, was ihr hierunter sucht;
Ja ja! wenn wir euch nur mit Teil dran nehmen ließen,
Ihr würdet uns die Kost schon zu segnen wissen.
* * *
So machts manch Bettler auch, der auf den Reichtum schielt,
Wenn ihm die Reichen nicht beständig davon geben;
Doch wenn man ihm den Sack mit harten Talern füllt,
So sucht er Geld und Hand in Himmel zu erheben.
Der Schuhknecht
Ein muntrer Schuhknecht war einst in das Vaterland
Von seiner Wanderschaft gesund zurück gekommen.
Erzähl uns! sagte man, dir ist die Welt bekannt;
Was hast du hier und da besonders wahrgenommen?
Der Schuhknecht, der sich auch nicht lange bitten ließ,
Fing gleich mit Freuden an viel Sachen herzusagen,
Die da und dort sich zugetragen,
Und die er, sich zum Ruhm, bewundernswürdig pries.
Doch, sprach er, das ist nichts; ich weiß noch andre Dinge,
Und wenn ich die zum Vorschein bringe,
So glaub ich, daß ihr euch, wofern ihr anders wollt,
Wohl recht darüber wundern sollt.
Er wußte noch von Schulen her,
Als ein vor dem gar feiner Knabe,
Der manchen schönen Spruch, manch Bild und manche Lehr
In sein Gedächtnis eingedrückt,
Daß Welschland, wenn man es auf dem Papier erblickt,
Die Gleichheit eines Stiefels habe.
Dort draußen, fuhr er fort, da sah ich unter andern
Den größten Stiefel von der Welt,
Der läßt sich, liefe man auch gleich für bares Geld,
In einem Monat kaum durchwandern.
Er ist, der Länge nach, zweihundert Meilen weit,
Und, wo die Stolpen sind, bis hundertvierzig breit.
Man sieht auch ganze Millionen
Von Menschen und von Vieh in diesem Stiefel wohnen,
Man ackert auch darin, man pflügt, man sät, man eggt;
Das Feld bringt dort, wie hier, zur Herbstzeit seine Gaben.
Man hat darin auch Städte und Dörfer angelegt,
Und Kirchen aufgebaut, die hohe Türme haben.
Halt! fing sein Vater an, die Fenster aufgemacht!
Die Scheiben möchten sonst mit auf die Gasse fliegen;
Denn für dergleichen große Lügen,
Die sich mein kluger Sohn zu seiner Schand erdacht,
Ist meine Stube hier zu niedrig und zu enge.
Den Sohn verdroß der Spaß. Er schwur, und blieb dabei,
Daß des besagten Stiefels Länge
Im Ernst und in der Tat zweihundert Meilen sei.
Indem nun jedermann mit vollem Halse lachte,
Warf seines Bruders Weib die Frage höhnisch auf:
Was für ein Schuster denn so große Stiefeln machte,
Von einer solchen Läng und Weite?
Ihr seid, erwiderte der Wandersmann hierauf,
Wahrhaftig wunderliche Leute;
Ein Volk, dem nichts so sehr, als Witz und Einsicht fehlt,
Denn dieser Stiefel hier, von dem ich euch erzählt,
Hat mit den Stiefeln nichts gemein,
Dergleichen unser eins an seine Füße ziehet.
Wer Welschland auf der Karte siehet,
Der kann, der wird, der muß auch meiner Meinung sein.
Du rasest, sagte man, geh! sage das dem Tauben!
Ein Stiefel, denkt doch nur! so groß als eine Stadt?
Ein Stiefel, der so gar auch Äcker in sich hat,
Auf denen sich ein Bauersmann
Sein jährlich Brot erzeugen kann?
Wer wird dergleichen Fratzen glauben?
* * *
Der Beifall ist der Einsicht Frucht.
Wer bei der Einfalt sich beliebt zu machen sucht,
Muß seine Meinung nicht mit Fleiß zu tief verstecken,
Weil dies der Deutlichkeit schnurstracks zuwider läuft;
Sonst wird er sich nur Haß und Widerspruch erwecken.
Denn der gemeine Mann schimpft, was er nicht begreift.
Das Epheu
Der Epheu hielt sich einst an eine Ceder an,
Und, da es außerdem sonst nichts als kriechen kann,
So schwang es sich von Ast zu Aste,
So lange, bis es gar des Gipfels Höh umfaßte.
Wo bleibst du? rief es nun dem Erdbeerkraute zu,
Komm her, und tu mlrs nach! du wirst es selber wissen,
Ich war vordem so klein, als du;
Itzt aber hab ich mich der Niedrigkeit entrissen,
Schau nur, wie groß ich bin! Was hältst du nun von mir?
Freund! sprach das Erdbeerkraut, behalt dir nur dein Glücke,
Ich komme dir nicht nach, ich steh viel sichrer hier;
Wer niemals steigen lernt, der fällt auch nicht zurücke.
Ja! sprach der Epheu drauf, was feige Seelen sind,
Wie etwa du und deines gleichen,
Die scheuen freilich Sturm und Wind.
Die Furcht ist doch wohl stets ein unbetrüglich Zeichen
Gewohnter Niederträchtigkeit;
Wer so, wie du, gedenken wollte,
Der brächt es in der Welt nicht weit,
Wiewohl ich wüßte nicht, was ich befürchten sollte.
Ja! wenn ich etwa dort an jener Pappel hinge,
Die nicht viel besser ist, als ein zerbrechlich Rohr;
Die Ceder, die ich hier umarm und fest umschlinge,
Beut allen Wettern Trotz, und hält mein Glück empor.
Wer solche Stützen hat, den muß kein Kummer quälen;
Mir kann es auf der Welt, Gottlob und Dank! nicht fehlen.
O, sprach das Erdbeerkraut, wer weiß was noch geschieht?
Und ob dein Unglück nicht schon dort am Himmel blüht?
Schau jene Wolken dort, wie groß sie schon geworden;
In Wahrheit, lieber Freund! dir möchte bange sein.
Ich lache, hörte man den Epheu trotzig schrein.
Indessen kam ein Sturm aus Norden
Und warf die Ceder um. Das war ein harter Streich.
Da lag nun der Patron und der Client zugleich.
Seht! hab ichs nicht gesagt, rief unser Erdbeerkraut,
Daß der nach Fall und Schaden ringet,
Der bloß auf andrer Glück sein eignes Wohlsein baut,
Und mit geborgter Kraft sich in die Höhe schwinget.
Die einem größtenteils nur zum Verderben nützt.
Der Epheu suchte zwar sein Wachstum fortzutreiben,
Doch mußt es, weil es sich um Stamm und Ast verfilzt,
Mit seines Gönners Glück im Elend liegen bleiben;
Es hatte Schaden gnug von diesem Fall genommen,
Und konnte lebenslang nicht mehr zu Kräften kommen.
* * *
Wer klein geschaffen ist, der bleibt mit Ehren klein.
Die stürzt ein fremder Fall, die sich, um groß zu sein,
An andre Leute halten müssen.
Man steht am sichersten auf seinen eignen Füßen.
Die Trauerbillen
Ein vierteljähriger Studente,
Der, wenn die Einfalt auch des Ranges fähig wär,
Magister Unverstand gar füglich heißen könnte,
Bekam den Rückenschmerz. Er hatt erst kurz vorher
Sich in die Trauer kleiden müssen.
Den Umstand merke man! er dient gar wohl zu wissen.
Fort! rief er, Junge! spring! du mußt zum Doktor gehn;
Lauf, grüß ihn meinetwegen schön,
Und sprich: es stäche mich so heftig in dem Rücken,
Er soll mir was zu brauchen schicken.
Gut! sprach der Doktor, hier sind Billen.
Die werden deinem Herrn das Rückenweh schon stillen.
Der Junge kam zurück. Ein neues Ungemach!
Denn, weil der alten Mode nach,
Die Billen überguldet waren,
So schrie der kranke Narr: Das schickt sich nicht für mich;
Die Arznei sieht zu bunt; ich glaube sicherlich,
Der Doktor hat noch nichts von meinem Harm erfahren.
Ohn Zweifel weiß ers nicht, daß ich im Trauern geh;
Ich mache mir gleichwohl hierüber ein Gewissen,
Kurz, weil ich in Bedenken steh,
So lauf mir wieder hin und sprich: Ich ließ ihn grüßen
Und fragen: Was er denn gedächte?
Mein selger Vater sei kaum vierzehn Tage tot;
Und ob ich auch im Fall der Not,
Bei so bestalltem Harm, die Billen brauchen möchte?
Je! sprach der Doktor, das sind Possen!
Nur Tinte drüber her gegossen!
Das wird das beste Mittel sein.
Und seht doch um des Himmels willen!
Der Patiente nahm die Billen
In schwarzer Tinte wirklich ein.
Der Doktor, der das gar nicht wollte,
Trieb in der Tat nur Spaß, und glaubte nimmermehr,
Daß so ein Narr zu finden wär,
Der dies im Ernste tun und Tinte saufen sollte.
Schaut hier, was die Natur nicht, Trotz der Kunst, oft tut!
So lächerlich die Kur, dem Ansehn nach, gewesen:
So ward es doch, Gottlob! mit unserm Kranken gut.
Mit einem Wort, er war genesen.
Drauf kam ein Handwerksmann, der unsern Doktor bat,
Er sollt ihm doch auf frischer Tat
Die Schmerzen in dem Leibe stillen.
Dem gab er auch von seinen Billen.
Verzeiht mir, sprach der Mann, ich weiß nicht, was ich tu,
Was meinte denn der Herr dazu?
Ich dächte, wenn mir nur die Erbsen gut bekämen,
So wollt ich sie wohl auch in Tinte zu mir nehmen,
Wie neulich der und der. Allein der Doktor sprach:
Was Narren glücklich tun, das tut kein Kluger nach.
* * *
Wer sicher gehen will, der kann, der wird, der muß,
Bei ungefähr gelungnen Sachen,
Nicht einen ungereimten Schluß
Von einem gleich auf alle machen.
Die hochgeschätzte
Fliege
Ein großes Fliegenheer, das bei Gelegenheit,
Der schändlichen Genäschigkeit,
Gar oft und leicht den Tod verschuldet,
Ein Volk, das niemand gern in seiner Stube duldet,
Geschweige denn willkommen heißt,
Flog in ein Bauernhaus, (die Fenster stunden offen)
Und fand da, wider alles Hoffen,
Ein Essen, das es gerne speist.
Man feierte hier gleich den grünen Donnerstag,
Das angenehme Fest der fetten Honigschnitten,
Die dieses freche Volk so gern benaschen mag.
Das war den Fliegen recht. Man durfte sie nicht bitten,
Sie flogen auf den Tisch, und lecken mit dem Rüssel,
Von dieser hier und da verklecken Süßigkeit.
Der ganze Rand der Honigschüssel,
(Er war doch fast vier Finger breit)
Schien für der Fliegen großen Menge
Gleichwohl noch viel zu schmal, gleichwohl noch viel zu
enge.
Indessen blieben sie in ungestörter Ruh,
Auf dieser ihrer Honigweide.
Der Bauer sagte nichts dazu;
Er scheuchte sie nicht fort, und sah sich seine Freude,
Wie dieses freche Volk, des Erbfeinds Ebenbild,
Die Schüssel hier belagert hielt.
Sie taten insgesamt dem Hunger volle Gnüge.
Nur eine nehm ich aus. Die schien zu stolz zu sein.
Die andern nennten sie die hochgeschatzte Fliege.
Warum? das weis ich nicht. Sie bildete sich ein,
Sie müßte was besonders haben.
Als eine große Frau von ungemeinen Gaben.
Sie setzte sich mit Fleiß dem Bauer auf die Hand,
Und fragte: Soll das mir? die Schnitte möcht ich essen!
Der Bauer gegenteils, der nichts davon verstand,
So wie aus dem Erfolg gar leichte zu ermessen,
Versorgte nach der Reih die Kinder um ihn her.
Herr Bauer! sprach die kühne Fliege,
Die Ordnung ist an mir nunmehr;
Wofern ich keine Schnitte kriege,
So ists wahrhaftig euer Schade;
So bringt ihr euch um meine Gnade,
Ich stech euch ganz gewiß. Der Bauer ließ hierauf
Die Schüssel aus der Stube tragen.
Was? fuhr die Fliege trotzig auf,
Ihr wollt mir den Genuß des Honigs untersagen?
Das soll und muß gerochen sein.
Sie stach auch gleich im Zorn den Bauer in das Bein,
Der barfuß auf und ab spazierte.
So bald er nun den Schmerz des tiefen Stiches spürte,
So schlug er in der Angst, zu Hemmung seiner Not,
Die hochgeschätzte Fliege tot,
Und, ohne daß er sich an ihren Titel kehrte.
Was wußt er, wer sie war und wem sie angehörte?
* * *
Man trotzt umsonst auf seinen Stand
Bei denen, die kein Wort von unserm Range wissen;
Bei Leuten, welche sich vor uns nicht fürchten müssen.
Wem unser Ansehn nicht bekannt,
Der läßt sich schwerlich auch zu unsern Dienern zählen;
Wir haben ihm nichts zu befehlen.
Der Auerhahn und der
Pfau
Ein Pfau, der in dem Hofe ging,
Und von der Herrschaft oft, der schönen Federn wegen,
Die jedem Auge Lust erregen,
Manch wohlverdientes Lob empfing,
Bekam deshalben viele Feinde;
Und selbst der Auerhahn, der beste seiner Freunde,
Entbrannte vor Verdruß und Wut.
O seht doch, was der Neid auch unter Tieren tut!
Ach! sprach er, muß ich noch zu meiner Schande leben?
Wie kommts denn, daß man nur des Pfaues Schönheit preist?
Die Augen, die mein Schweif in seinen Federn weist,
Verlangt kein Mensch zu sehn, geschweige zu erheben.
Die Leute sind recht blind; doch halt! itzt fällt mirs ein,
Vielleicht kann auch die Schuld auf meiner Seite sein,
Weil ich den Schweif zeither fast immer niedrig trage,
Und keine solche Räder schlage,
Wie der gepriesne Pfau, der Rademacher! der!
Wahrhaftig! wenn es bloß hieran gelegen wär,
Ich wollte mich gar bald von Schand und Schimpf entfernen;
Denn das getrau ich mir den Augenblick zu lernen.
Was tat der Auerhahn? Er ging und blies sich auf.
Und wendete viel Mühe drauf,
Ein Rad, nach Pfauenart, zu machen;
Und es gelang ihm auch gleich auf das dritte Mal.
Nun, sprach er, wird mein Lob aus seinem Schlaferwachen!
Schaut! übertreff ich nicht selbst das Original?
Gleich rief er seinem Herrn, der in dem Hof erschien,
Um an des Pfaues Pracht sich seine Lust zu sehen.
Wollt ihr denn immer so die Augen von mir drehen?
Wie lange denkt ihr mir den Pfau noch vorzuziehn,
Als hätt er keinen seines gleichen?
Sagt, wie gefällt euch hier dies Rad mit seinen Speichen?
Bewundert ihr mich nicht? Mein! seht mich nur recht an!
Du bist doch, sprach sein Herr, und bleibst ein Auerhahn;
Du willst zwar einen Pfau bedeuten,
Allein das wird wohl nicht geschehn,
Es wäre denn bei solchen Leuten,
Die keinen rechten Pfau ihr lebenlang gesehn.
* * *
So schlecht gegründet ist auch oft der Menschen Wahn!
Wie mancher stolzer Auerhahn
Spricht: Bin ich nicht ein Pfau? Ich glaubs, ich will nicht
zanken,
Er ists, nicht in der Tat, er ists nur in Gedanken.
Der Storch und die
Enten
In Deutschland kam ein Storch bei einem Teich voll Enten,
Wer ist das? sagten sie, wo kommt der Riese her?
Und keine wußte, wer er wär;
Ich wüßt auch selber nicht, wie sie das wissen könnten.
Denn hier zulande sind die Störche nicht gemein.
Der Fremde merkte gleich, daß sie begierig waren,
Von seinem Stand und Tun viel Neues zu erfahren;
Sie schienen ihm nicht halb so klug, als er, zu sein.
Drum wollt er sie zum Spaß was falsches glaubend machen,
Und denn auf ihre Rechnung lachen.
Kommt, rief er, kommt nur her! Sie schwammen bis zum Rande.
Wer bist du? fragten sie. Der Storch erzählte drauf
Den Enten seinen Lebenslauf
Und log, wer weis was her von einem fremden Lande.
Er sprach: Man trifft daselbst, wie niemand leugnen kann,
Unglaublich große Wunder an,
Die mit der Wahrheit sich sehr schwer zusammen reimen;
Es wachsen überall da Enten auf den Bäumen,
Die stellen euer Bild vollkommen ähnlich für,
Sie schwimmen auch so gut, als ihr.
Da trifft man Wälder an, die tragen Kühe und Pferde;
Die Lämmer wachsen aus der Erde,
Die auf dem Felde hier, wie Kraut und Rüben stehn,
Und wegen ihres Fleischs den Wölfen sonderlich
Sehr angenehm zu Halse gehn.
Die Enten sagten nichts. Warum? sie fürchten sich,
Sie möchten durch ihr Nein! den Storch zum Zorn bewegen;
Sein ungeheures Maul, das niemals stille stand,
Schien ihnen schwer zu widerlegen,
So daß ihr Widerspruch aus Lebensfurcht verschwand.
Der Storch war schon erfreut, in Meinung, daß die Enten
Dergleichen albern Zeug im Ernste glauben könnten.
Denn, dacht er, wer nichts sagt und einzuwenden hat,
Der gibt auch in der Tat dem Zweifel keine Statt.
Doch, da er willens war, die Enten zu betrügen,
Betrog er sich zuerst. Denn als er Abschied nahm,
Und ihnen aus den Augen kam:
So rief ihr ganzer Schwarm: Je, der Kerl konnte lügen!
* * *
Wer in Gesellschaft lügt, der wagt wahrhaftig viel;
Der setzt sein Ansehn selbst auf ein gefährlich Spiel,
Und kann leicht Schimpf und Spott statt Ehr und Lob
erreichen.
Man hört ihm zu, man schweigt; er glaubt, man zweifle nicht;
Allein ist das den stets des Beifalls sichres Zeichen,
Wenn einem niemand widerspricht?
Der Komponist und
die Mäuse
Ein großer Komponist, ein recht notabler Mann,
Der mit den Noten sich Geld, Ansehn, Rang und Glück,
Und alles, was er braucht, gar leicht erschreiben kann,
Schrieb einst die halbe Nacht an einer Brautmusik.
Er wollte sich mit Fleiß nicht eh zur Ruh verfügen,
Bis daß er endlich ganz und gar
Mit seiner Arbeit fertig war.
Er ging. Die Partitur blieb auf dem Tische liegen.
Unmöglich war er schon ins Bette,
Er zog sich noch die Kleider aus;
So reizte schon und trieb der Vorwitz eine Maus,
Anstatt dem Fraße nachzugehn,
Zu schauen, was der Mann so spät geschrieben hätte.
Sie sah auf jedem Blatt geschwänzte Noten stehn,
Die mit den Köpfen hier an schwarzen Balken hingen.
Was sind das? sagte sie. Der Argwohn blies ihr ein,
Ohnzweifel sollten dies gehangne Mäuse sein;
Man suchte sie hierdurch in Schimpf und Spott zu bringen.
Ja! sprach sie voller Wut, ich sehs, ich bin nicht blind;
In Wahrheit! wo das nicht hier Mäuseschwänze sind,
So mag mich heute noch des Kantors Kater fressen.
Wer kann so einen Schimpf wohl ungestraft vergessen?
Das muß gerochen sein! Sie lief, vor Zorn entbrannt,
Und machte diese Tat gleich überall bekannt.
Denkt! sprach sie zu den andern Mäusen,
Was unser schöner Herr für Schandgemälde macht;
Der Unbarmherzige! beschimpft uns Tag und Nacht,
Und henkt uns ohne Schuld! kommt mit! ich wills euch weisen.
Sie liefen mit ihr fort, sie sahen das Papier,
Und fällten gleich den Schluß: Der beste Rat sei hier,
Man müsse das Pasquill zerreißen,
Und dem Verfertiger, zum Trinkgeld oben drauf,
Zwei Löcher in den Schlafrock beißen.
Das Nagen ging nun an, sie hörten auch nicht auf,
In ihrer Rache fortzufahren,
Bis Noten und Papier in Grund verderbet waren.
Nachdem sie ihrem Grimm nun diesfalls gnug getan,
So bissen sie den Schlafrock an,
Und nagten hier ein Loch und da ein Loch darein,
So groß zu Annaberg die größten Äpfel sein.
Wer sollte sich das träumen lassen?
Der Komponist erschrak, der, als er aufgewacht,
Die Arbeit vor sich sah, die dieses Volk gemacht.
Er schien sich lange Zeit vor Eifer kaum zu fassen;
Der Schlafrock war verderbt, wo blieb noch seine Müh?
Er kam zu dem Verlust, er wußte selbst nicht wie?
* * *
Es ist in Wahrheit schwer, dem Argwohn zu entlaufen.
Er braucht nicht viel Beweis, er sieht nur auf den Schein;
Nach seinem Augenmaß kann leicht ein Maulwurfhaufen
Ein Berg von drei, vier Meilen sein.
Der Wagen und die
Wagenwinde
Ein neugebauter Fuhrmannswagen
Rief unterwegs der Winde zu,
Die vorn im Korbe lag: Du Klotz! was willst denn du?
Als hätt ich nicht vorhin schon übrig gnug zu tragen,
Erleichtre mich! steig ab! Es ist mir ärgerlich,
So eine faule Last noch weiter mit zu nehmen.
In rechtem Ernst! du solltest dich
So einer großen Grobheit schämen,
Mich, da mich ohne dem die schwere Fracht verfielt,
Trotz aller Billigkeit! noch ferner zu beschweren;
Du hast dir deine Lust zu reisen gnug gekühlt,
Steig ab! du kannst von mir unmöglich mehr begehren.
Die Winde sagte nichts; sie dacht in ihrem Sinn:
Der Wagen ist noch neu, er muß vielleicht nicht wissen,
Wie unentbehrlich ich ihm bin,
Er wird im Fall der Not schon anders reden müssen.
Drauf ging der Weg bergan. Der Wagen murrt aufs neu:
Herunter! steig doch ab! ich breche sonst entzwei;
Je! schau doch, wie vorhin die armen Pferde schwitzen,
Und du, du grobes Tier! bleibst unbeweglich sitzen.
Als eine große Frau, an der sehr viel gelegen?
Inzwischen als die Fahrt nachdem Berg unter ging,
Und unser Wagen sich des tiefen Gleises wegen,
Zu sehr auf eine Seite hing,
Bekam er einen starken Stoß,
Und ward dadurch zugleich der Winde glücklich los,
Die aus der Flechte flog, und an dem hohen Rande
In einem Strauche liegen blieb.
Und seht! das war dem Wagen lieb.
Ein herrlicher Beweis von seinem Unverstande!
Er schien durch den Verlust recht hoch erfreut zu sein;
Deswegen war ihm gar nicht bange.
Er fuhr geschwinde fort, allein er fuhr nicht lange,
So stieß er sich an einen Stein,
Da lag er und sein Stolz! Der Fuhrmann ging und sah,
Wo seine Winde lag; und die war nicht mehr da.
O wie erschrak der Mann. Er lief bestürzt zurück.
Er suchte, bis er drauf, zu seinem großen Glück,
Den Grund der Wagenauferstehung,
Die Winde wirklich wieder fand.
Und half dem Liegenden, durch diese Riesenhand,
Zu seiner vorigen Erhöhung.
Der Wagen schämte sich; er sah nunmehro klar,
Wie nötig ihm die Winde war;
Statt daß er, wie vorhin, sich über sie beklagte,
War er nur froh, daß sie nichts sagte.
* * *
O seht! wie selig ist ein Mann,
Der seinen Feinden, die ihn höhnen,
Anstatt mit gleicher Schmach ihr Unrecht abzulehnen,
Das Maul mit Wohltun stopfen kann.
Der Lästrer Übeltat durch Guttat überwinde!
So eine Rach ist keine Sünde;
Denn sie entspringt sogar aus der Versöhnlichkeit.
Die kurze Freude
dieser Welt
Die angenehmen Viertelstunden
Empörten sich zugleich, und tadelten die Zeit,
Du, sagten sie, bist Schuld an unsrer Flüchtigkeit;
Man hat uns manchmal kaum empfunden,
So treibst du uns schon fort; als wär es unsre Pflicht,
Die Menschen auf der Welt so sparsam zu ergötzen.
Einmal für allemal, du willst nun oder nicht,
Wir werden uns zur Ruhe setzen;
Geh deinen Gang, wir bleiben hier.
Wohl! sprach die schnelle Zeit, so trennt euch denn von mir!
Doch sucht mir auch die Schuld danach nicht beizulegen,
Wenn euch das Schicksal einst, des Ungehorsams wegen,
Im Zorn zur Strafe zieht. Welch Wahnwitz nimmt euch ein?
Wollt ihr nicht mehr vergänglich sein,
Und handelt ihr hierin nicht wider das Gewissen?
Ihr waget einen kühnen Streich;
Gott will, die Menschen sollen euch
Nur im Vorübergehn gemessen,
Und ihr, O seht doch nur, wie unrecht ihr verfahrt!
Wollt, Trotz der ersten Lebensart!
Bei diesen Lüsternen beständig stehen bleiben,
Und gleichsam bis ins Grab mit ihnen Kurzweil treiben?
Das tun wir, sagten sie, drum halt dich nur nicht auf,
Wir bleiben nun schon hier. Die Zeit verschwand hierauf.
Die Welt ward nun ein Aufenthalt
Von lauter stets vergnügten Leuten,
Null war kein Kummer mehr, nun machten jung und alt
Ein Handwerk aus den Fröhlichkeiten.
Man zählte Scherz und Lust nicht mehr nach Viertelstunden,
Denn diese waren itzt an keine Zeit gebunden.
Wenn einer mäßig lustig war:
So währte seine Lust doch wenigstens ein Jahr.
Das allerschlimmste war dabei,
Man hatte den Geschmack am Himmelreich verloren,
Und glaubte, daß die Welt der Ort der Freude sei,
Zu der uns Gott der Herr von Ewigkeit erkoren.
Deswegen schickte Gott den Ekel in die Welt,
Der auch die Lust noch itzt so schön im Zaume hält,
Damit wir uns in ihr nicht gar zu sehr verstricken.
Kaum ist sie da! so eilt der Ekel hinter her.
Seit diesem rechnet man die Lust nach Augenblicken;
Denn eine lange Lust ist keine Lust nicht mehr.
Das Reh und das
wilde Schwein
Ein junges Reh sah einst ein stark und wildes Schwein
Das im Begriffe war, sich in den dicksten Hecken
Vor seinen Feinden zu verstecken.
Was machst du? sprach das Reh, wer wird so furchtsam sein?
Was schreckt dich für ein rauschend Blatt?
Ein Tier, das Herz im Leibe hat,
Muß nicht so schüchtern tun, und sich verkriechen wollen.
Mich hätte die Natur, wie dich, bewaffnen sollen,
Wie grimmig wollt ich um mich hauen!
Was helfen dir die scharfen Klauen?
Was nützt dir Zahn und Fang? Du taugst in keine Schlacht,
Weil dich dein feiges Herz zu einem Hasen macht.
Schau mein Exempel an! und sieh, ob unsereinem
Der Mut so unerlaubt entfällt.
So bin ich nicht, haha! ich bin ein andrer Held,
Ich scheu und fürchte mich vor keinem.
Das Schwein erstaunte recht, und schämte sich zugleich,
Daß so ein schwaches Reh, das sich so schlecht beschütze,
So einen hohen Grad von Tapferkeit besitze.
Wie aber? sprach es drauf, wie haltet ihrs bei euch,
Wenn die Verfolgung wächst, und wenn in Forst und Wald
Der Hunde naher Laut, so wie das Jagdhorn schallt?
Da werdet ihr doch wohl was Furcht empfinden müssen.
Auch da nicht, sprach das Reh, denn eben zu der Zeit,
Da haben wir das Herz in unsern schnellen Füßen.
Und folglich, rief das Schwein, wird eure Tapferkeit
Zu den Mobilien vielleicht zu rechnen sein;
Wenn das ist, räum ich euch den Vorzug willig ein.
* * *
Stax gibt, wie unser Reh, der Schüchternheit nicht statt;
Er hat ein großes Herz. So lauten seine Worte.
Nur Schade! daß er es nicht an dem rechten Orte,
Nur Schade! daß er es in seinen Beinen hat.
Die Fragen
Die Offenherzigkeit war bei der ersten Welt
Die Mutter vieler groben Fragen.
Es war auch noch dazu der Grundsatz festgestellt,
In Antwort allemal die Wahrheit frei zu sagen.
Der Mangel der Bescheidenheit
Warf oft die Fragen auf: Herr! habt ihr euer Kleid
Dem Schneider auch bezahlt? Ists wahr, ihr macht viel Wind?
Ist der, ist die und die nicht euer Hurenkind?
Ist diese Jungfer nicht mit euch zu Falle kommen?
Habt ihr nicht dem und dem das, was ihr habt, genommen?
Gesteht ihrs zu, daß ihr der größte Lügner seid?
Dies waren ehedem gar wohl erlaubte Fragen;
Man durfte sich damit an alle Leute wagen.
Als aber drauf die Höflichkeit
Die Falschheit überall in Schwung und Übung brachte:
So kamen diese Fragen ab.
Die Offenherzigkeit ergriff den Wanderstab;
Denn niemand sagte mehr das, was er sich gedachte.
Man fragte zwar wohl auch; doch durfte man itzt nicht
Die, die es anging, selber fragen.
Der Neid verfälschte den Bericht;
Der Antwort bester Grund war oft vom Hörensagen.
Geschahen ehedem die Fragen in der Menge:
Ob jemand sittsam, klug, gelehrt und fehlerfrei,
Ob jemand tugendhaft und liebenswürdig sei?
So zog man sie nun in die Enge.
Denn weil man alles gleich auf einmal wissen wollte,
So wüßt ich selber nicht, wie die verschmitzte Welt
Nach allem kürzer fragen sollte,
Als eben wenn sie fragt: Hat auch der Herr viel Geld?
Der rachsüchtige Hund
Schon seit der Schöpfung her ist keinem Tier erlaubt,
An seinesgleichen sich bis auf den Tod zu rächen.
Ein Wolf, der einen Wolf des Lebenlichts beraubt,
Begeht, dem Viehrecht nach, das schändlichste Verbrechen.
Nun hatt einmal ein Hund Verdruß mit zweenen Hunden;
Und weil er sie zugleich für sich zu stark befunden,
Gebraucht er sich der List. Der Mensch hat auch die Art.
Den einen, dessen er am ersten mächtig ward,
Erwürgt er in der Nacht; den andern gab er an,
Als hätt er diese Tat getan.
So listig war er in der Rache!
Er lief und machte selbst die falscherzählte Sache
Gerichtlich kund und offenbar.
Sein Feind ward Knall und Fall gefänglich eingezogen.
Der Leu, den dieser Mord zu großem Zorn bewogen,
Schrieb sich die Anklag hinters Ohr.
Das war sein Protokoll. Drauf als nach wenig Stunden
Der ganze Schöppenstuhl sich bei ihm eingefunden:
So kam es zum Verhör. Man nahm den Täter vor.
Er leugnete die Tat. Der Kläger war zugegen,
Benennte Zeit und Ort, und wie der Mord geschehn,
Und schwur auch noch dazu, er hab es selbst gesehn;
Um durch den falschen Eid die Richter zu vermögen,
Die Untersuchung abzubrechen.
Verzieht noch! rief der Leu, wir laufen sonst Gefahr,
Das Unheil übereilt zu sprechen;
Ein Umstand ist hier noch nicht klar.
Du, Kläger! sagst: Der Mord sei in der Nacht geschehen;
Kann man auch wohl bei Nacht ein Ding so eigen sehen?
Der Kläger stutzte hier, gleich aber sprach er drauf:
Ihr Herrn! der Mond ging eben auf.
Und du wirst untergehn, erwiderte der Leu.
Du Lügner! konntest du nicht aus Erfahrung wissen,
Daß itzt der Mond nicht sichtbar sei?
Das mußt du mit dem Leben büßen!
Laßt den Beklagten los, und straft an seine Statt
Den Kläger, welcher ihn so falsch beschuldigt hat!
Dies Urteil war kaum ausgesprochen,
So war dem Lügner schon Genick und Hals gebrochen.
Und seht! Seit diesem haben auch,
So viel mir wissend ist, viel Hunde den Gebrauch,
Das volle Mondenlicht beständig anzubellen.
Die aus des Lügners Freundschaft sind,
Verewigen den Haß auf Kind und Kindeskind,
Und wollen nächtlich noch den Mond zur Rede stellen,
Warum er damals nicht des Nachts erschienen se?
Als wär er dadurch Schuld (das messen sie ihm bei!)
An ihres Großherrvaters Tode.
Der Mond kann nichts dafür; inzwischen bleibet doch
Bei vielen unsrer Hunde noch
Das nächtliche Gebelle Mode.
* * *
Ihr, die ihr andern Gruben grabt,
Bespiegelt euch, und seht, was ihr zu hoffen habt.
Der Sperling und
die Ziegel
Dort bei der großen Ziegelscheune,
Bekümmerten sich einst die neugebacknen Steine
Um ihr Verhängnis künftger Zeit,
Um das, was jeglicher für sich insonderheit,
Zu hoffen und zugleich auch zu befürchten habe.
Wie? fragten sie sich selbst, ist denn kein kluger Mann,
Ist kein Zigeuner hier, der was erzählen kann?
Hat niemand unter uns die Prophezeihungsgabe?
Die Antwort war hierauf von allen Seiten: Nein!
Ein Sperling kam dazu. Er schien durch ihre Klagen
Auf den Entschluß gebracht zu sein.
Ich, sprach er, kann die Kunst, den Leuten wahrzusagen;
Befehlt nur, wenn ihr wissen wollt,
Was euer Schicksal mit sich bringet,
Und was ihr, weil ihr doch nach Ruhm und Ehre ringet,
Nach Aussag des Gestirns, noch künftig werden sollt.
Das war den Ziegeln recht! O ja doch, sagten sie
Zu dem erdichteten Propheten,
O gib dir doch nur schon die Müh,
Und meld uns ohn Verzug den Inhalt der Planeten,
Nebst allem, was du uns diesfalls zu sagen hast!
Der Sperling, als ein schlauer Gast,
Schwieg eine lange Zeit, und stellte sich entzückt,
Als wenn er itzt im Geist den Himmelsraum durchflöge,
Und das Gestirn zu Rate zöge.
Ach! fuhr er endlich auf, gleich einem, der erschrickt,
Was seh ich? Welch ein Fall! wie wenn ein Sturm aus Norden
Den ganzen Wald bewegt, mit Tann- und Fichten rings,
Und alles niederwirft, was seine Wut bezwingt;
Ach! hört! aus Hirschberg ist ein neu Siloha worden;
Und ihr, so wie ihr hier voritzt versammelt seid,
Ihr seid dazu versehn, den Schaden zu ersehen,
Wie glücklich könnt ihr euch bei diesem Falle schätzen!
Ich seh den neuen Turm in eurer Festigkeit.
O denkt, was wird euch das für Ruhm und Ehre bringen;
Ihr, ja ihr seid bestimmt zu lauter hohen Dingen.
Die Ziegel glaubten zwar den tröstlichen Bericht;
Doch die Erfüllung folgte nicht.
Der Sperling hatte sich des Aufschubs nicht versehn,
Er wußte zwar den Fall, der an dem Turm geschehn,
Und konnt auch daher sicher schließen,
Man würd ihn wieder bauen müssen.
Weil aber viel dabei zu überlegen war,
So unterblieb der Bau bis in das zweite Jahr.
Die Ziegel wurden unterdessen
Teils in, teils vor die Stadt, zum Teil auch auf das Land
Verkauft, und sonst wohin verwandt;
Teils brauchte man zu Feueressen.
Und diese glaubten nun, an ihnen sei erfüllt,
Was ihnen ehedem der Sperling vorgelogen.
O seht doch, riefen sie, was unser einer gilt!
Ist uns das Glück nicht recht gewogen?
O welch ein Turm sind wir! da wir hier oben stehn
Und über alle Dächer gehn;
Wer kann wohl auf der Welt ein größres Ansehn hoffen?
Der Sperling hats bei uns wahrhaftig gut getroffen.
* * *
Wer in der Deutung nur nicht eigensinnig ist,
Kann einen jeden Traum, und tausend falsche Sachen,
Die das Zigeunervolk ihm aus den Händen liest,
Mit leichter Müh zur Wahrheit machen.
Der Vorteil ist nicht schwer; man darf sich nur bequemen,
Die Worte eben nicht so gar genau zu nehmen.
Die Einnahme und
die Ausgabe
Die Einnahm zog sich einst der Ausgab immer für,
Was bist du? sagte sie, was bist du gegen mir?
Du magst ja fleißig für mich beten;
Sterb ich, so stirbst auch du, du lebst ja bloß durch mich,
Gesteh es! ich ernähre dich.
Wenn mein Verstand und Fleiß dir nichts zu gute täten,
So blieben Kist und Kasten leer;
Denn alles, was du hast, das kommt ja von mir her.
Und wenn ich, hob die Ausgab an,
Dir auch dies alles zugestehe,
So glaub ich, daß ich dir, wie niemand leugnen kann,
An Klugheit wenigstens vollkommen gleiche gehe.
Nein! sagte jene drauf, dein Amt und deine Pflicht
Braucht keiner großen Klugheit nicht.
Geld zu vertun und auszugeben,
Ist eine leichte Kunst, die jeder Narr versteht;
Du kannst ja, weil es nicht in deinen Schaden geht,
Auf meine Kosten reichlich leben.
Du brauchst, in Wahrheit! auch nicht viel Verstand dazu;
Ich hab ihn nötiger als du.
Wer Geld verdienen soll, der muß Vernunft besitzen,
Weil Reichtum und Verdienst sich auf die Klugheit stützen,
Du kannst bei deinem Tun die Einfalt selber sein.
Sie ließen sich hierauf in eine Handlung ein,
Und mußten sich dabei zween Kaufmannsdiener halten.
Ein Kluger und ein Narr. Der Kluge hatte hier,
Die Geldeinnahme zu verwalten;
Der Narr stund gegenteils den Geldausgaben für.
Ein jeder tat sein Amt nach äußerstem Vermögen.
Der Kluge sonderlich war immer Tag und Nacht
Auf die Vergrößerung des Kapitals bedacht.
Der Unvernünftige hingegen,
Der auch sein bestes tat, gab alles närrisch aus,
Was sein bemühter Handlungsgatte
Mit Klugheit angeschafft und einkassieret hatte;
Und endlich lief es gar auf ein Bankrott hinaus.
Es konnt unmöglich anders kommen,
Denn dieser gab mehr aus, als jener eingenommen,
Und manchen Wechselbrief bezahlt er oft zweimal.
Er wards auch nicht gewahr, wenn man ihn gleich bestahl,
Gab jeglichem Kredit, und machte böse Schulden,
War gastfrei, spielte gern, beschenkte jedermann.
Und wendete viel Geld auf Eitelkeiten an,
So daß der Handlungsquell von fünfzig tausend Gulden
In kurzer Zeit erschöpft und ausgetrocknet war.
Schau! rief die Ausgab aus, ist dir nun offenbar,
Mein Tun sei eben auch kein Werk für blöde Sinnen?
Schau nur die Probe hier! die lehrt dich zweifelsfrei,
Daß Geld vertun und Geld gewinnen,
Wenn beides dauern soll, von gleicher Klugheit sei.
Der arme Mann
Zu der Zeit, als das Glück sich noch in Lebensgröße
Von Adams Kindern sehen ließ,
Und eigenhändig noch ihr Kummerseil zerriß,
Erschien vor ihm ein Mann, der, bei gewohnter Blöße,
Von Brot und Wasser leben mußte,
Und wenig oder nichts von guten Tagen wußte.
Ach! sprach er, kann es sein: So segne mich doch auch!
Soll denn nun lebenslang mein schlechtversorgter Bauch
Ein magrer Brotschrank sein, und weiter nichts genießen?
Sind Fisch- und Federvieh, und andre Leckerbissen
Nur bloß für andre, nicht für mich?
Wahrhaftig! du versündigst dich
An Gottes Gütigkeit, und an den reichen Gaben,
Die uns der Herr durch dich bestimmt;
Du teilst zu ungleich aus, daß einer alles nimmt,
Da wir doch insgesamt ein gleiches Recht drauf haben.
Verflucht sei meine magre Küche!
Kurzum: Errette mich durch deine Segenssprüche;
Wo nicht: So werf ich dir den Wassersuppentopf,
Schau nur! hier hab ich ihn! aus Ungeduld an den Kopf.
Du bettelst ziemlich grob, erwiderte das Glücke;
Wiewohl du bist in diesem Stücke
Den mehrsten Menschen gleich zu schätzen,
Die mir, so oft ich nicht nach ihrem Sinn getan,
Aus Ungeduld den Stuhl gleich vor die Türe setzen.
Sag an, womit ich dir für diesmal dienen kann!
Mein! sprach der arme Mann, ist das wohl fragenswert?
Du weißt es schon, wonach mir Maul und Zähne wässern;
Und hab ich mich denn nicht schon diesfalls gnug erklärt?
Du sollst mir Tisch und Kost verbessern.
Verbessern? sprach das Glück, woher denn kannst du
schließen,
Daß reicher Leute Kost, die deinen Neid erweckt,
Auch besser, als das Brot auf deinem Tische schmeckt?
Du mußt den Hunger noch nicht recht zu schätzen wissen,
Der deiner Speisen schlechte Tracht,
Und dein oft trocknes Brot zum besten Essen macht;
Behalt dir, was du hast, und laß dich nicht verführen,
Du wirst den guten Tisch, bei beßrer Kost, verlieren.
Schweig! rief der arme Mensch, und rede mir nicht ein;
Einmal für allemal! ich will erhöret sein.
Das Glück verehrt ihm drauf ein großes Kapital,
Von dem er jährlich, an Interessen,
Sechstausend Taler zog. Nun hat er freie Wahl,
Nach seiner Lüsternheit bald dies, bald das, zu essen.
Er hielt sich einen Koch, der alles ausstudiert.
Was auch ein sattes Maul zu weiterm Fraß verführt;
Und nach den besten Regeln wußte,
Wie süß und sauer sich bequem verschwistern mußte.
Was Wasser, Erd und Luft nur seltnes in sich hat,
Das schwamm, das sprang, das flog aus seiner Vaterstadt
Dem Reichen in das Maul, der alles in sich schluckte,
Und, oft kaum halb gekaut, in Bauch zusammen druckte.
Er speiste mehrenteils zwei, drei, vier Stunden lang,
Und tat auch weiter nichts, als daß er aß und trank.
Acht Tage schmeckt es gut. Drauf fing er an zu klagen,
Er würde seinen Koch bald vor den Henker jagen;
Denn weil bei dieser Lebensart
Der Fresser niemals hungrig ward,
Verlor er den Geschmack der niedlichsten Gerichte,
Und gab dem Ekel Raum und Statt.
Sein ganzer Appetit war itzt nur im Gesichte,
Dem deckte man den Tisch, warum? er sah sich satt,
Weil jeden Speisen, die er wählte,
Wiewohl aus eigner Schuld, die beste Würze fehlte.
Ach! rief er, wär ich noch, was ich gewesen bin!
Itzt schmeckt mir nichts mehr recht, da mir sonst alles
schmeckte.
Ihr Zeiten! ach! wo seid ihr hin?
Da mir auch trocknes Brot die größte Lust erweckte
Du wertes Sauerkraut! wie warst du angenehm!
O möcht ich dich, wie ehedem,
Mit solchen großgemachten Bissen,
Und mit so viel Geschmack, aus Topf und Schüssel spießen!
O wenn der Hunger noch mein Leib- und Mundkoch wär!
Denn hätt ich weniger, So schmeckte mir auch mehr.
* * *
Der Ärmste lebt so gut, als immermehr die Reichen,
So fern man Speis und Trank nicht nach dem Einkauf schätzt.
Wird Krösus kostbar satt: Seht! Irus tut desgleichen.
Ihn hungert. Dadurch wird die Kostbarkeit ersetzt.
O Torheit! daß wir so nach teuren Speisen rennen,
Nachdem wir den Geschmack so wohlfeil haben können.
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