Fabelverzeichnis
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Der von Kürenberg
Mitte des 12. Jahrhunderts


Der Kürenberger oder Der von Kürenberg, der Älteste der namentlich bekannten Dichter der
"donauländischen Liebeslyrik", lebte um die Mitte des 12. Jahrhunderts.
Der Dichter ist persönlich schwer zu bestimmen, wahrscheinlich ein Österreicher ritterlichen
Geschlechts aus der Gegend westlich von Linz a. d. Donau.

Die Lieder sind um 1150 oder bald danach möglich.
Seine Gedichte gelten als die ältesten uns bekannten Minnelieder.



Quelle:
©Reclam 1993 Deutsche Gedichte des Mittelalters
Ausgewählt, übersetzt und erläutert von ©UlrichMüller/©Gerlinde Weiss

 
1.
»Leit machet sorge, vil liebe wünne.
eines hübschen ritters gewan ich künde:
daz mir den benomen hânt die merker und ir nît,
des mohte mir mîn herze nie vrô werden sît."

2.
»Ich stuont mir nehtint spâte an einer zinne,
dô hôrt ich einen rîter vil wol singen
in Kürenberges wîse al ûz der menigîn.
er muoz mir diu lant rûmen, alder ich geniete mich sîn.«

3.
Jô stuont ich nehtint spâte vor dînem bette,
dô getorste ich dich, vrouwe, niwet wecken.
»des gehazze got den dînen lîp!
jô enwas ich niht ein eber wilde«,sô sprach daz wîp.

4.
»Swenne ich stân aleine in mînem hemede
unde ich gedenke an dich, ritter edele,
sô erblüet sich mîn varwe, als der rôse an dem dorne tuot,
und gewinnet daz herze vil manigen trûrigen muot.

5.
Ez hât mir an dem herzen vil dicke wê getân,
daz mich des geluste, des ich niht mohte hân
noch niemer mac gewinnen. daz ist schedelîch.
jône mein ich golt noch silber: ez ist den liuten gelîch.

6.
Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr.
dô ich in gezamete, als ich in wolte hân
und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,
er huop sich ûf vil hôhe und vlouc in anderiu lant.

7.
Sît sach ich den valken schône vliegen.
er vuorte an sînem vuoze sîdîne riemen,
und was im sîn gevidere alrôt guldîn.
got sende si zesamene, die gelíeb wellen gerne sîn!

8.
Es gât mir vonme herzen, daz ich geweine:
ich und mîn geselle müezen uns scheiden.
daz machent lügenaere. got der gebe in leit!
der uns zwei versuonde, vil wol des waere ich gemeint.»

9.
Wîp vil schoene, nû var dû sam mir.
lieb unde leide daz teile ich sant dir.
die wîle unz ich daz leben hân, sô bist du mir vil liep.
wan minnest einen boesen, des engan ich dir niet.

10.
Nu brinc mir her vil balde mîn ros, mîn îsengewant,
wan ich muoz einer vrouwen rûmen diu lant,
diu wil mich des betwingen, daz ich ihr holt sî.
si muoz der mîner minne iemer darbende sîn

11.
Der tunkel sterne, der birget sich,
als tuo dû, vrouwe schoene, sô du sehest mich,
sô lâ du dîniu ougen gên an einen andern man.
sôn weiz doch lützel ieman, wiez under uns zwein ist getân.

12.
Aller wîbe wunne diu gêt noch megetîn.
als ich an sî gesende den lieben boten mîn,
jô wurbe ichz gerne selbe, waer ez ir schade niet.
in weiz, wiez ir gevalle: mir wart nie wîp als liep.

13.
Wîp unde vederspil diu werdent lîhte zam.
swer sî ze rehte lucket, sô suochent sî den man.
als warb ein schoene ritter umbe eine vrouwen guot.
als ich dar an gedenke, sô stêt wol hôhe mîn muot.

 
1.
»Leid bringt Sorge, große Liebe (aber) Freude.
Ich habe einen höfischen Ritter kennengelernt:
Die Aufpasser und ihre Mißgunst haben ihn mir weggenommen,
und deswegen kann mein Herz nie mehr froh werden.«

2.
»Ich stand gestern abend spät allein auf der Zinne.
Da hörte ich, wie ein Ritter im Ton des
Kürenbergers schön sang, mitten aus der Menge.
Der muß meine Lande verlassen, wenn ich ihn nicht zum Liebhaber gewinne.«

3.
Wahrhaftig, ich stand gestern abend spätan deinem Bett.
Doch ich wagte nicht, Herrin, dich zu wecken.
»Gott soll dich dafür immer hassen!
Wahrhaftig, ich war doch kein wilder Eber«, sagte die Frau.

4.
»Immer wenn ich in meinem Hemd einsam dastehe
und wenn ich an dich denke, edler Ritter,
dann erblüht die Farbe (meiner Wangen) so, wie es die Rose im Dornengebüsch tut,
und mein Herz wird sehr traurig.

5.
Es hat mir sehr oft im Herzen weh getan,
daß mich danach verlangte, was ich nicht haben konnte
und auch nie bekommen kann. Das bereitet Schmerzen!
Jedoch meine ich damit nicht Gold oder Silber: es handelt sich vielmehr um einen Menschen!

6.
Ich erzog mir einen Falken länger als ein Jahr.
Nachdem ich ihn gezähmt hatte, so wie ich ihn haben wollte,
und ihm dann sein Gefieder mit Gold schön geschmückt hatte,
da schwang er sich auf und flog weg.

7.
Anschließend sah ich den Falken prachtvoll fliegen.
Er trug an seinem Fuß seidene Bänder,
und sein Gefieder war ihm ganz rotgolden.
Gott bringe diejenigen zusammen, die sich gerne lieben wollen.

8.
Es kommt mir aus dem Herzen, daß ich weinen muß:
ich und mein Geliebter sollen uns trennen.
Das verursachen Lügner: Gott sende ihnen Leid!
Wer uns zwei versöhnte, der macht mich sehr froh.«

9.
Schönste Frau, bleibe bei mir,
Liebe und Leid teile ich mit dir.
Solange ich lebe, so lange will ich dich sehr lieben.
Aber wenn du einen Unwürdigen liebst, dann erlaube ich es dir nicht.

10.
Jetzt bring mir ganz schnell mein Pferd und meine Rüstung her,
denn wegen einer Dame muß ich diese Lande verlassen.
Die will mich dazu zwingen, daß ich ihr zu Willen sei.
Aber sie muß auf meine Liebe für immer verzichten.

11.
So wie der verdämmernde Stern sich verbirgt,
so mache es auch du, schöne Herrin: wenn du mich triffst,
dann richte deine Augen auf einen anderen Mann.
Denn dann weiß doch niemand, wie es zwischen uns beiden steht.

12.
Die schönste aller Frauen, die ist noch ein junges Mädchen.
Ich sende meinen lieben Boten zu ihr,
aber ich würde gerne selbst um sie werben, wenn ihr das nicht schaden würde.
Ich weiß nicht, wie es ihr recht ist: ich habe noch nie eine Frau so geliebt.

13.
Frauen und Jagdvögel, die werden auf einfache Weise zahm:
Wenn jemand sie richtig lockt, dann fliegen sie auf den Mann.
So warb ein schöner Ritter um eine edle Dame.
Wenn ich daran denke, dann werde ich hochgemut.