Der Sperber und der Kuckuck
Der Sperber schalt den Kuckuck sehr,
Daß er ihm gleich am Leibe wär.
Hingegen von Natur zur Gabe
So niedern Geist empfangen habe,
Und sich von Würmern lieber nähre,
Als niedlich Vogelfleisch verzehre.
Doch jener ward in wenig Tagen
Von einem Bauer tot geschlagen.
Höchst an dem Turme hängt er ihn
Zum Schrecken aller Sperber hin,
Daß keiner dieser Taubendiebe
Dergleichen Laster mehr verübe.
Nun sah der Kuckuck dieses Tier,
Und sprach: "wie nützlich wär es dir,
Wenn dir die Würmer, dich zu nähren,
Nicht zu gering gewesen wären."
* * *
Im niedern Stande lebt man wohl,
Der Reichtum ist gefahrenvoll.
Die zween Kapaunen
Eine gleiche Kost genossen,
In ein Ställchen eingeschlossen,
Einstens der Kapaunen zween,
Magern Leibes, rauh am Beine
Lebt trauervoll der eine;
Dieser, glänzend fett und schön,
Rühmte sich Gestalt und Dicke,
Sah mit einem scheelen Blicke
Den unschuldigen Bruder an,
Schimpft und neckt ihn, wo er kann.
Zu der zween Kapaunen Herrn
Kommt ein guter Freund von fern.
Ihm ein niedlich Mahl zu geben
Nimmt der Hauswirt dem das Leben,
Der so fett war, und so schön.
Und den magern läßt er steh'n.
Dieser, der ihn würgen sah,
Sprach, "beglückter Bruder, ha!
Stolz verhöhntest du mich,
Und bist ärmer jetzt, als ich!"
* * *
Neide einen Bösewicht
Seines Glückes wegen nicht;
Denn die Bösen macht das Glück
Nur um sie zu schlachten, dick.
Die Spinne und die
Schwalbe
Die Spinne war voll Zorn und Gram
Daß ihr die Schwalbe manche Fliege,
An derer Fleisch sie sich vergnüge,
Im Flug verstohlner Weise nahm.
Sie hatte ganz entflammt von Rache
Den wahren Ausgang von der Sache,
Nur gar zu wenig überdacht,
Und blindhin oben an der Tür
(Denn hier flog oft die Feindin für),
Ihr Fanggewebe fest gemacht.
Bald stürmet an diesen Ort
Mit aller Kraft die Schwalbe hin,
Riß das Gestrick' und Strickerin
Husch durch die Lüfte mit sich fort,
Und merkte in dem raschen Flug
Nichts von der Bürde, die sie trug.
Da seufzte nun das arme Ding,
Das bebend in den Lüften hing:
"Mit Recht muß ich das Schicksal tragen;
Ich hatte vieles mich zu plagen,
Um von den Tieren, welche fliegen,
Das kleinste in mein Garn zu kriegen,
Und träumte noch es soll gelingen,
So große Vögel zu bezwingen."
* * *
Zu tun rät die Vernunft uns nicht,
Was unsern Kräften widerspricht;
Doch was vermag die Raserei,
Gesellt sie der Vernunft sich bei.
Der
Strauß bekommt zum hohen Fluge Lust
Es sah der Strauß mit Mißvergnügen,
Daß er mehr hüpfen soll als fliegen,
Indem sein Körper viel zu schwer,
Und viel zu kurz sein Flügel wär.
Die Kunst zu fliegen lag forthin
Dem dummen Tiere in dem Sinn.
Zur Probe sah dann unser Strauß
Sich eines Berges Spitze aus.
Er plumpst von hier herab ins Tal,
Und bricht die Beine durch den Fall —
Zum Himmel wollt' er sich erhöhen,
Und konnte nun nicht einmal gehen.
* * *
Fehlt es dir von Natur an Kräften,
Schreit nicht zu höheren Geschäften.
Das Schwein und die
Löwin
Es sagte ein fruchtbares Schwein
Zur Löwin, daß es schimpflich wäre,
Daß sie ein Junges nur gebäre.
Die Löwin fiel ihm zornig ein:
"Doch muß es stets ein Löwe sein."
* * *
Merk, daß die Würde eine Sache,
Und nicht die Menge schätzbar mache.
Der
flüchtige Sperling und der Knabe
Ein Knabe klagte bitterlich,
Und hielt es für die größte Sünde,
Daß ihm, den er so gut bediente,
Sein Sperling undankbar entwich.
Er fleht zuletzt mit nassem Blicke:
"Komm Schätzchen! komm, komm doch zurücke!
Ich will von Wehmut nichts mehr wissen,
Den besten Frieden mit dir schließen.
Sieh wenigstens auf den Käfig her —
Wie glänzend, und wie schön ist er.
Hat er denn gar nichts, daß er dich
Mir wieder schenkt, dich lockt, an sich?"
Die Rede nahm den Flüchtling ein —
Schon schien sein Herz erweicht zu sein;
Doch macht das Wörtchen Käfig ihn,
So bald er's hörte, wieder flieh'n.
* * *
Hieraus läßt sich versteh'n,
Es ist kein Kerker schön.
Der Hirt und das Meer
Am Gestade des Meeres nährte
Einst ein Schäfer seine Herde.
Eben lag die Flut in Ruh,
Lachte ihm betrügerisch zu,
Und erregt in seiner Brust
Plötzlich zu der Handlung Lust.
Als er Geld zusammen brachte,
Kauft' er Nüsse, lud sie ein,
Segelte vom Land, und dachte
Schon im Stillen reich zu sein;
Doch ein wilder Sturm ergriff
Auf dem weiten Meer sein Schiff.
Unser armer Kaufmann sah,
Leider sein Verderben nah.
Warf bestürzt all sein Gut
Wider Willen in die Flut,
Und erreichte kaum den Port.
Als er nachmals an dem Ort
Auf der Weide mit der Schar
Bei dem stillen Meere war,
Rief er: "ich versteh dich gut,
Du verführerische Flut!
Nüsse, Nüsse lüsten dich —
Nimmermehr betrügst du mich."
* * *
Wenn wir Sterbliche auf Erden
Durch ein Unglück weiser werden;
O dann sind wir ganz vergwißt,
Daß aus Schaden Nutzen fließt.
Der Löwe, der
Esel und der Fuchs
Jagen mit dem Löwen gingen
Fuchs und Esel einst, und fingen
Eine Beute schwer und fett.
Da befahl die Majestät,
Daß der Esel teilen soll.
Dieser glaubt, er handle wohl,
Wenn er jedem gleichviel gäbe —
Und dafür würgt ihn der Löwe.
Nun muß sich der Fuchs bequemen,
Das Geschäft auf sich zu nehmen;
Doch der Schlaue gibt sich wenig,
Läßt den größten Teil dem König.
König Löwe staunt und spricht:
"Wer gab dir den Unterricht?"
Langohrs Unglück, fiel er ein,
Lehrte mich behutsam sein.
Das Mäuschen und die
Katze
Ein jüngst gefallnes Mäuschen strich
Bald hin bald wieder her,
Und freut, wie alle Tiere, sich
Des holden Lichtes sehr.
Dem guten Tierchen war es wohl,
Es eilet frisch und freudenvoll
Des Lebens zu genießen.
Auf ihren Hinterbacken liegt
Die Katze sanft, und ruht.
Den Schweif ins Runde angeschmiegt —
Das schien dem Tierchen gut.
Es ruft entzückt: "was seh' ich hier?
Das ist ein mildes, frommes Tier —
Es sagt mir's seine Miene.
Ich geh' hinzu, und sprech das Tier
Um seine Freundschaft an —
Vielleicht gewährts die Bitte mir" —
Gesprochen, und getan.
Das Untier streckt die Klauen aus,
Packt und verschlingt die arme Maus,
Und gibt uns diese Lehre:
* * *
Von tugendhaften Mienen müssen
Wir nicht auf fromme Herzen schließen.
Der Geizhals und
der Neidische
Den Geizhals und den Neidischen
Hieß Jupiter um etwas fleh'n,
Und was ein jeglicher begehrt,
Sprach er, wird ihm nach Wunsch gewährt;
Doch also, daß des ersten Gabe
Der andre allzeit doppelt habe.
Der Geizhals dachte nun bei sich:
"Wie gut ist heute Zeus für mich!
Der gute Gott will mich mit Gnaden
Ganz unbegreiflich überladen.
Wie wird die Gabe mich erfreu'n
Sie trägt die schönsten Zinsen ein.
Der andere mag sein dummes Flehen
Erfüllt vor meinem Wunsche sehen."
Der Neidische sann, wie's ihm schien,
Ganz wohlbedächtlich her und hin;
Er sucht mit Sorgfalt sich im Bitten
Vor Unbesonnenheit zu hüten.
Und war der erste, welcher flehte,
Daß ein Aug ihm, und dem Gefährten
Das Paar soll ausgerissen werden,
Und glaubt, daß er gewonnen hätte,
Im Fall er dies erfüllet säh'.
* * *
Nichts wirkt das gegenwärt'ge Weh,
Träumt die verblendete Begierde,
Daß etwas gutes kommen würde.
Der Hahn, der
Esel und der Löwe
Ein Löwe, ein Esel und ein Hahn
Kamen einst auf einem Felde an.
Der Hahn um Weizen aufzutreiben,
An Disteln seinen Gaum zu reiben
Der Esel — und warum der Löwe?
Zu seh'n, ob's keine Beute gäbe.
Den armen Esel fand er hier,
Und las im Sinne sich das Tier,
Säh' er nicht einen bessern Schmaus,
Zum Opfer seines Schlundes aus.
Er stürzt auf ihn — da stimmt der Hahn
Sein heischer tönend Liedchen an,
Schreckt und verjagt dadurch den Löwen.
(Es sei ihm von Natur gegeben,
Sagt man, daß er durch seine Töne
Die Löwen gleich vertreiben könne:)
Als nun der Löwe bebend wich,
Schloß Langohr so im tollen Sinn
Sein Anblick sei so fürchterlich,
Und zwäng dem Löwen zu entflieh'n.
Er wagt es noch ihm nach zu rennen,
Der Dumme! und ihn feig zu nennen.
Der Löwe hörte nun so sehr
Des Hahnes hellen Ton nicht mehr,
Weilt an dem Platze, blickt umher,
Sieht Langohren mit Erstaunen hier,
Packt und verschlingt das dumme Tier.
* * *
Der Dumme, den der Stolz befällt,
Hat sein Verderben selbst gewählt.
Das Pferd und der Wolf
Ein Pferd, das Starke sicher sprach,
Ging einstens in dem Hain
Der angewohnten Weide nach,
Und graste ganz allein.
Da kam der Räuber Isegrim
Mit einem Schafe hin;
Er rühmte sich, und sprach zu ihm:
"Sieh! wie beglückt ich bin!
Du stark und tapfer von Natur
Lebst schlecht und nährest dich
Von unschmackhaftem Grase nur —
Das ist doch wunderlich! —
Sei kriegerisch vielmehr wie wir —
Die Beute lohnt den Mut,
Pack mit Gewalt das wollne Tier —
Das fette Fleisch schmeckt gut."
"Ich sehe nicht, versetzt das Pferd,
Was zu beneiden wär;
Bejammerns, ja verfluchenswert
Scheint mir dein Stand vielmehr.
Ganz schlecht und sparsam eß ich zwar,
Doch Hunger leid' ich nicht.
Genug — ich habe immerdar,
Was der Natur entspricht.
Auch bin ich als ein nützlich Tier
Den Menschen lieb und wert —
Mein Name bleibet für und für
Bei ihnen hochgeehrt.
Dich Pest verfluchet jedermann,
O falsch beglücktes Tier! —
Der Schande Brandmark hängt dir an —
Den Lohn hast du dafür."
* * *
So kann bei jedem Sterblichen
Der ehrlos ist, kein Glück besteh'n.
Das Hündchen
Ein Hündchen ward von einer Alten
Geliebt und trefflich gut gehalten,
Und wollte auch die besten Bissen
Aus keiner andern Hand genießen,
Nur der nahm es die Speisen ab,
Die ihm gewöhnlich selbe gab.
Auf einmal war's des Schicksals Schluß,
Daß dieses Weibchen sterben muß.
Worauf in fremder Menschen Hand
Das arme Tierchen sich befand,
Die es wie dieses Mütterchen
So niedlich nicht bewirteten.
Es mußte Not und saure Plagen
Wie ein gemeiner Hund ertragen,
Verjagt von Haus fand vor der Tür
Es leider oft sein Nachtquartier.
Es wunderte sich einstens sehr,
Daß andre Hunde, die nicht mehr,
Und auch nichts besseres genießen,
Nicht mißvergnügt sich finden ließen.
Da sprach ein Hund: "die Lebensart
Scheint dir als einem Neuling hart —
Uns machte sie die Zeit bequem,
Und die Gewohnheit angenehm.
Vermischte längst des Schicksals Hand
Mir Wehen deinen Glückesstand;
Du duldest itzt noch so leicht,
Was dich fast unerträglich deucht."
* * *
Man wird sehr hart nach guten Tagen
In Zukunft schlimme übertragen.
Der Bauer und der Esel
Ein Bauer trieb sein Eselein
Nicht zu gering und nicht zu schwer
Beladen an der Seite her.
Der Weg traf sie durch einen Hain.
"Wie?" rief er, "wenn ich anders sehe,
Sind hier Gesträuche in der Nähe;
Es läßt oft von dergleichen Sachen
Der nützlichste Gebrauch sich machen.
Sie sind nach Wunsch, ich pflücke sie —
Ich glaub' es lohnet sich der Müh'.
Oh! Tölpel! halt — es kann nicht schaden,
Die Kleinigkeit noch beizuladen."
Der Esel steht. — Der dumme Mann
Pflückt, schabt, und fügt, und bindet an,
Legt wider allen Menschensinn
Die Ruten auf den Esel hin,
Und läßt den schon beschwerten Rücken
Durch eine neue Bürde drücken.
Der Esel ging von diesem Ort
So ziemlich fert'gem Trittes fort.
Der Bauer, welcher dieses sah,
Glaubt, daß es nicht gefährlich wäre,
Wenn er die Last noch einmal mehre.
Es lag ein Haufen Steine nah
Dem Manne hatte unter allen
Ein Paar besonders wohlgefallen.
"Wie gütig ist das Glück mit mir!"
Sprach er, "es wäre dumm getan,
Ließ ich die schöne Gabe an.
Zween Steine, Langohr! werden dir
So vieles nicht zu schaffen geben —
Ich kann mit einer Hand sie heben."
Beinahe brach dem armen Vieh
Die übertriebne Last das Knie;
Doch sammelt es die letzten Kräfte,
Und unterzieht sich dem Geschäfte.
Nun war der Bauer höchst erfreut,
Und staunte, daß durch keine Schwere
Sein Esel zu ermüden wäre.
Zuletzt riet ihm sogar sein Kleid
Die schwüle Hitze auszuzieh'n.
Er wirft es auf dem Esel hin,
Und denket nicht, wie bald die Bürde
Den armen ganz zerdrücken würde.
Denn weil das große Hindernis
Ihn nicht mehr sicher gehen ließ,
Glitscht er und fällt zur Erde hin —
Die schwere Last zerquetschet ihn.
* * *
Oft ist des Elends höchster Grad,
Den man für nichts geachtet hat.
Der Geizhals und
der Schatz
Von einem blinden Geizhals ward
Ein Schatz im Boden eingescharrt.
Den roch ein Dieb, und schlich dahin,
Grub nach, und fand, und raubte ihn.
Nun sah nach bald'ger Wiederkehr
Der Geizhals diese Stelle leer,
Und fing aufs Glück zu fluchen an.
Da sprach zu ihm ein weiser Mann:
Vergebens macht der tote Schatz
Dich rasen — leg an diesen Platz
Anstatt dem Klotze einen Stein —
Er wird dir gleichviel Nützlich sein.
* * *
Der Geizhals darbet bei dem Gelde
So sehr als obs ihm wirklich fehlte.
Der Wolf
unterrichtet seinen Sohn
Sein Söhnchen, daß er für zu wild,
Und für zu ungezogen hielt,
Sucht einst durch diese guten Lehren
Der Wolf zur Sanftmut zu bekehren:
"Zu schimpfen auf das Wolfsgeschlecht
Ist bei dem Menschen Brauch und Recht.
Sie malen uns so schwarz sie können,
Und was der Wolf nur immer tut,
Wird man nie anders hören nennen
Als Räuberei und Mord und Wut.
Mit diesen Ehrentiteln pflegen
Sie unsre Taten zu belegen;
Doch ist es auch nicht weit gefehlt,
Wenn man ans Licht die Sache stellt.
Darum mein Kind! laß dich erbitten,
Bleib von Betrug und Raubsucht frei,
Beweis durch fromme, sanfte Sitten,
Wie falsch der Menschen Klage sei."
Es ging die Lehre vom Papa
Dem jungen Sohne ziemlich nah.
Er machte schon zur Folgsamkeit
Sein widerbellend Herz bereit.
Doch seht, jetzt führt das ungefähr
Ein Schaf, das sich verirrt, hierher.
Besiegt wich die alte Liebe
Zur Ehrbarkeit, und wilde Triebe
Der Raub und Mordlust drangen ein —
Der Vorsatz starb bei allen zwei'n.
Das Paar rennt an im vollen Lauf,
Packt, würgt, und zehrt die Beute auf.
Wer aber von den beiden tat
Den ersten Schritt zur Lastertat?
Der Vater, der durch seine Lehren
Dem Sohn zur Sanftmut zu bekehren
So klug und eifrig sich bewies,
Er war es, der ihn morden hieß.
* *
Ich schrieb zur Warnung und zur Lehre
Den Pädagogen diese Mähre,
Die mit dem Mund zur Tugend raten,
Zum Laster aber durch die Taten.
Der Fuchs ohne Schweif
Ein Fuchs, der einst als Arrestant
In einer Schlinge sich befand,
Vermochte sich aus diesen Nöten
Nur mit Verlust des Schweifs zu retten.
Daß er gestümmelt wandeln soll,
Beschämt, und macht ihn kummervoll.
Er schleicht, als seine Kameraden
Sehr zahlreich sich versammelt hatten,
Hinzu, und setzet schlau sich nieder,
Drückt fest, daß keinem seiner Brüder,
Warum er traure kundbar werde.
Die Hinterbacken auf die Erde,
Und spricht: "Zu gut war die Natur,
Die diesen langen Schweif uns gab —
He Brüder! kürzen wir ihn ab;
Er kehrt den kotigen Boden nur —
Weg mit der Last — nach meinem Sinn
Ist der Verlust vielmehr Gewinn."
Das Unglück wußte schon zuvor
Ein Fuchs, daß er den Schweif verlor,
Und sprach: "ich glaube, daß dein Rat
Viel nützliches zum Grunde hat;
Doch folg' ich erst, mein Brüderchen!
Läßt du mich deinen Rücken seh'n."
* * *
Gerät ein Mensch in Spott und Schande,
Er würde auch in diesem Stande
So ganz zufrieden, sein —
Wär er nur nicht allein.
Der Knabe und der Bauer
In einem angenehmen Tale,
Durch das er voller Neugier strich,
Las, schöner als die Blumen alle,
Ein Knabe schöne Blumen sich.
Ein Bauersmann gab ihm die Lehre,
Daß dieser Ort gefährlich wäre;
Es läge manches böse Tier
Verborgen in dem Grase hier,
Durch dessen unverhoffte Bisse
Man ohne Rettung sterben müsse.
Er sollte also weise sein,
Der Gegend falsche Anmut scheuen,
Und eilends, liebte er sein Leben,
Von diesem Platze sich begeben.
Unschlüssig, schüchtern steht der Knab',
Zieht zwar sein gierig Händchen ab;
Bald aber wächst, und siegt die Lust,
Verjagt die Furcht aus seiner Brust,
Und heißet ihn mit seinem Willen
Die angebornen Triebe stillen.
Er sieht ein hübsches Veilchen blüh'n,
Pflückt selbes unvorsichtig kühn;
Doch als er nach dem Veilchen griff,
Erwacht die Schlange, welche schlief,
Macht durch den scharfen gift'gen Biß
Den vorgesagten Tod gewiß.
* * *
Den Spruch: bei Wollust wohnt Gefahr
Hält mancher für zu wenig wahr.
Die Alte und die Mägde
Mägde hielt ein Mütterchen,
Und weckt sie täglich aus dem Bette,
Sobald der Hahn nur einmal krähte,
Die Hausarbeiten zu verseh'n —
Brach gleich Aurora noch nicht an;
Deswegen nährte sie den Hahn.
Die Mägde kränkt die stete Wache,
Drum würgen sie den Hahn aus Rache;
In Hoffnung, wenn er nicht mehr lebe,
Daß es mehr Zeit zum ruhen gäbe.
Doch dem gehofften Glück entspricht
Der Ausgang dieser Sache nicht.
Der Hahn war tot — das Mütterchen
Hieß sie um Mitternacht aufsteh'n.
* * *
Ein kleines Übel zu vermeiden
Gerät man oft in größre Leiden.
Der Fuchs, der
Esel und der Löwe
Es jagten Fuchs und Esel gerne
In einem Wald vom Wege ferne.
Da jener hin und wieder strich,
Zeigt unversehens ein Löwe sich.
Der Fuchs sah seinen nahen Tod,
Trat zu dem Löwen hin, und bot
Gebunden seinen Mitgespann,
Ließ er ihn frei zum Opfer an.
Der Löwe versprachs — eh' er's gedacht,
Ward Langohr in das Garn gebracht.
Der Löwe, welcher eingeseh'n,
Der Esel käm' ihn nicht mehr aus,
Packt und verschlingt erst Reineken,
Und nimmt den Esel dann zum Schmaus.
* * *
Die Unterdrückung des Gefährten
Kann unser eignes Unglück werden.
Der Tiger und der Fuchs
Willst du vor dummen Plaudrern Ruh
Sprich ihnen Hohn, nicht Weisheit zu.
* * *
Ein aufgeblasner Tiger prahlte,
Daß die Natur so bunt ihn malte;
Worauf ein Füchschen scherzend sprach:
"Ich aber weis nach Wohlgefallen
Mit Farben meinen Geist zu malen,
Drum gehst du mir an Würde nach;
Weil vor den Niedern Leibesgaben
Die geistigen mehr Vorzug haben."
Der hölzerne Gott
Ein Heide schickte oft Gebete
Zu einem Gott von Holz und flehte,
Daß er ihm doch zu seinem Wohl
Ein kleines Glück bescheren soll.
Allein es nahm sein magres Hab
Mit jedem Tage noch mehr ab.
Der Mann gerät in Raserei,
Packt an den beiden Füßen ihn,
Fährt an die Mauer mit ihm hin,
Und stoßt ihm krack den Kopf entzwei.
Ein Strom von reinem Golde quillt,
(Mehr als er wünschte) aus dem Bild.
Mit Freuden sammelt es der Mann,
Und spricht: "weil ich dir Gutes getan,
Floß nie mir eine Wohltat zu —
Erst auf Mißhandlung nützest du.
Nun dumme Lumpengottheit weich
Du bist den losen Dienern gleich,
Die, pflegt man sie nicht schlimm zu halten,
Nie ihre Ämter gut verwalten."
Zween Junge und der Bär
Mit einem Kürschner handelten
Eine Tages der jungen Bursche zween
Um eine Bärenhaut: "sie war
Sehr groß, hübsch zottig, wunderschön,
Daß man dergleichen nie geseh'n.
Noch, sagten sie, lebt zwar der Bär;
Doch ist's genug den Ort zu wissen,
Wo wir denselben suchen müssen.
Wir gehen itzt, und töten ihn —
Schick Leute nach ihn auszuzieh'n."
Der Kürschner ließ es sich gefallen,
Und bot sich an bar Geld zu zahlen.
Als beide kaum den Wald betraten,
Und Mut sich zugesprochen hatten,
Roch der versteckte Bär den Schmaus,
Und brach zur Höhle schnell heraus.
Die Bursche beben, und den einen
(Er war sehr flink und leicht von Beinen),
Half in den bittern Todesnöten
Des nächsten Baumes Spitze retten.
Der andre warf sich auf die Erde;
Entweder, weil es man ihn belehrte,
An Toten graue es den Bären,
Daher sie nur, was lebt, verzehren.
Vielleicht hieß ihn vielmehr der Schrecken
Sich Toten gleich zu Boden strecken.
Den Hingestreckten kehrt der Bär
Auf alle Seiten hin und her!
Er drückt zum Mund die Nase — riecht,
Spürt keinen Atemzug und spricht:
"Das ist ein Aas — ich geh davon,
Ich merk es wohl, es stinket schon."
Entfernt sah das böse Tier
Der Mitgefährte weit von hier.
Und stieg vom Baume endlich nieder
Mit Zittern zu dem Bruder nieder.
Er drücket ihn an seine Brust,
Und spricht zu ihm: "O Brüderchen!
Mir ist es wahre Herzenslust,
Befreit vom Tode dich zu seh'n.
Was aber sprach, mein sag es mir,
Als du hier lagst, der Bär zu dir,
Indem er sich zu dir genaht,
Und still (wie's schien) geredet hat?
Gab er vielleicht dir gute Lehren?"
"Er warnte mich, ich soll mich hüten,
Die Häute von lebend'gen Bären
In Zukunft tollkühn feil zu bieten."
Der Ochs und das Pferd
Durch weiches Gras und süße Blätter
Ward eine Herde Ochsen fetter.
Doch bei der Güter Überfluß
Fand einer Ekel zum Genuß.
Er ging zum nächsten Teiche hin,
Sah starres Binsengras darin,
Und hoffte Reiz für Schlund und Gaum.
Doch er betrat die Pfütze kaum,
So hielt des Körpers grause Dicke,
Ihn fest im tiefsten Schlamm zurücke.
Umsonst, umsonst war sein Bemühen
Vom zähen Schlamm sich los zu ziehen.
Wiewohl den Armen die Gefährten
Hier leiden sah'n, und brüllen hörten,
Sucht keiner doch, daß er ihn rette,
So dringend er um Hilfe flehte.
Indessen kam hierher ein Pferd,
Von Not und Arbeit ausgezehrt,
Dem Tier zu Hilfe aus freien Stücke,
Gerührt durch sein Mißgeschicke,
Ließ keine Mühe sich gereuen,
Hieraus den Ochsen zu befreien;
Indem es teils den Kot zertrat
Teils aus der Pfütze schleuderte;
Und so fand der Gefangene
Zu seiner Rettung ebnen Pfad.
Der Ochs voll Dankes staunte dann
Die ihm erwiesne Wohltat an
Und rief: "wie werd' ich würdig können
Mit Lob dein edles Mitleid krönen?
Doch sag, was hat dich angetrieben,
Das Werk der Rettung auszuüben,
Da Brüder mich sogar vergaßen,
Und hilflos im Schlamm gelassen."
Mit Einfalt sprach das Pferd: "sie wissen
Die Seligkeit bloß zu genießen,
So lange sie die Glückesgaben
In ihrer ganzen Völle haben.
Ich aber lernte mich der Armen,
Weil ich auch elend bin, erbarmen."
Der Knabe und der
Kreisel
Den Kreisel macht mit derben Streichen
Von Platz zu Platz ein Knabe weichen,
Und spricht: "was zwingst du mich zu Schlägen,
Um dich gehörig zu bewegen?"
"Ich würde", fiel der Kreisel ein,
"Untätig auf der Stelle sein,
Bekäm' ich nicht durch Streiche Mut."
* * *
Die Schläge sind für Faule gut.
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