Fabelverzeichnis
zurück
 



 


Dietmar von Aist
1139-1171

Glied eines österreichischen freiherrlichen Geschlechts, das sich nach der der Aist, einem kleinen
nördlichen Nebenfluss der Donau der kurz unterhalb der Enns mündet.

Seit 1125 in Oberösterreich bezeugt. Die Ruinen der Stammburg am Flüsschen Aist sind noch heute zu sehen.
Der Name findet sich 1139-1161 u.a. in Urkunden von Salzburg, Berchtesgaden, Regensburg und Wien.


Mit den Strophen, die ihm sicher zugewiesen werden können, gehört er somit in die früheste Zeit des Minnesangs. Allerdings sind unter seinem Namen Lieder überliefert die nicht demselben Dichter gehören können.

 
Lieder aus »Aus Ton III.«
 
Ich bin dir lange holt gewesen
 
Ich bin dir schon lange untertan
 
Ich bin dir lange holt gewesen, vrowe biderbe unde guot.
vil wol ich daz bestatet hân! du hâst getiuret mînen muot.
swaz ich dîn bezzer worden sî, ze heile müez ez mir ergân.
machest dû daz ende guot,sô hâst du ez allez wol getân.


~0~0~0~0~
 
Ich bin dir schon lange untertan, edle und gute Dame.
Damit habe ich Glück gehabt! Denn du hast mir den Sinn edler gemacht.
Worin ich durch dich auch immer besser geworden bin, das soll mir zum Heil dienen. Machst du (auch) das Ende gut, dann hast du in allem gut gehandelt.


~0~0~0~0~
 
Ûf der linden obene
 
Droben auf der Linde
 
Ûf der linden obene dâ sanc ein kleinez vogellîn.
vor dem walde wart ez lût. dô huop sich aber daz herze mîn
an eine stat, dâ ez ê dâ was.ich sach dâ rôsebluomen stân,
die manent mich der gedanke vil, dí ich hin zeiner vrouwen hân.


~0~0~0~0~
 
Droben auf der Linde sang ein kleiner Vogel, vor dem Wald
rief er laut. Da erhob sich mein Herz erneut zu einer Stätte,
wo es vorher schon einmal gewesen war. Ich sah dort Rosenblüten stehen,
die erinnern mich an die vielen Gedanken, die ich auf eine Dame richte.


~0~0~0~0~
 
Ez dunket mich wol tûsent jâr
 
Es kommt mir wie vor tausend Jahren vor
 
»Ez dunket mich wol tûsent jâr,daz ich an liebes arme lac.
sunder âne mîne schulde vremedet er mich menegen tac.
sît ich bluomen niht ensach noch enhôrte der vogel sanc,
sît was mir mîn vröide kurz und ouch der jâmer alzelanc.«


~0~0~0~0~
 
1.»Es kommt mir wie vor tausend Jahren vor, daß ich im Arm des Liebsten lag.
Ganz ohne meine Schuld meidet er mich die ganze Zeit.
Seither bemerkte ich die Blumen nicht mehr, noch hörte ich das Singen der Vögel,
seither war mir meine Freude kurz, und statt dessen der Jammer lang.«

~0~0~0~0~

 
Ein Tagelied
 
Slâfest du, vriedel ziere?
 
Schläfst du, schöner Geliebter?
 
1.
»Slâfest du, friedel ziere?
wan wecket uns leider schiere.
ein vogellîn sô wol getân
daz ist der linden an daz zwî gegân.«

2.
'Ich was vil sanfte entslâfen,
nu rüefestu, kint, >wâfen<
liep âne leit mac niht sîn.
swaz dû gebiutest,daz leiste ich, vriundîn mîn.'

3.
Diu vrouwe begunde weinen:
»du rîtest hinnen und lâst mich eine.
wenne wilt du wider her zuo mir?
ôwê, du vüerest mîne vröide sant dir!«

 
1.
»Schläfst du, schöner Geliebter?
Man weckt uns, leider zu bald.
Ein schönes Vöglein
ist auf den Zweig der Linde geflogen.«

2.
'Ich war so sanft eingeschlafen.
Nun rufst du, Mädchen, >gib acht!<
Liebe ohne Leid kann es nicht geben.
Was du verlangst, das tue ich, meine Freundin.'

3.
Die Dame begann zu weinen:
»Du reitest weg und läßt mich einsam zurück.
Wann wirst du wieder zu mir kommen?
Ach, du nimmst meine Freude mit dir fort!«

 

Quelle:
©Reclam 1993 /Deutsche Gedichte des Mittelalters. Ausgewählt, übersetzt und erläutert von Ulrich Müller/Gerlinde Weiss.

 

1.
»Waz ist für daz trûren guot, daz wîp nâch lieben manne hât?
gerne daz mîn herze erkande, wan ez sô betwungen stât.«
alsô redete ein frouwe schœne.
»vil wol ichs an ein ende kœme,
wan diu huote.
selten sîn vergezzen wirt in mînem muote.«

2.
»Genuoge jehent daz grôziu stæte sî der besten frouwen trôst.«
'des enmag ich niht gelouben, sît mîn herze ist unerlôst.'
alsô redeten zwei geliebe,
dô si von einander schieden.
»ôwê minne!«
'der dîn âne möhte sîn! daz wæren sinne.'

3.
Sô al diu werlt ruowe hât, sô mag ich eine entslâfen niet.
daz kumet von einer frouwen schœne, der ich gerne wære liep,
an der al mîn fröide stât.
wie sol des iemer werden rât?
joch wæne ich sterben.
wes lie si got mir armen man ze kâle werden?

~0~0~0~0~

 
1.
»Was hilft gegen die Sehnsucht, die eine Frau nach einem geliebten Manne empfindet?
Das möchte ich gerne wissen, da mein Herz in solcher Bedrängnis ist.«
So sagte eine schöne Dame.
»Sehr leicht ließe sich dem abhelfen,
wenn die Aufpasser nicht wären.
Niemals lasse ich ihn aus meinen Gedanken.«

2.
»Viele sagen, daß edle Frauen sich allein auf ihre große Beständigkeit verlassen.«
'Das kann ich nicht glauben, da mein Herz in Fesseln liegt.'
So sprachen zwei Liebende,
als sie voneinander schieden
»Ach, Minne!«
»Wer von dir frei sein könnte! Das wäre vernünftig.«

3.
Wo doch alle Welt ruht, kann ich allein nicht einschlafen.
Das kommt durch eine schöne Dame, deren Zuneigung ich gerne hätte
und an der all meine Freunde hängt.
Wie soll das jemals anders werden?
Wahrlich, ich glaube zu sterben.
Weshalb schuf Gott sie mir armen Mann zur Qual?

~0~0~0~0~

 
1.
Sich hât verwándèlt diu zît, daz verstên ich bî der vogel singen:
geswigen sint die nahtegal, si hânt gelân ir süezez klingen,
unde valwet oben der walt.
ienoch stêt daz herze mîn in ir gewalt,
der ich den sumer gedienet hân.
diu ist mîn fröide und al mîn liep, ich wil irs niemer abe gegân.

2.
»Ich muoz von rehten schulden hôch tragen daz herze und alle die sinne, sît mich der aller beste man verholn in sîme herzen minne.
er tuot mir grôzer sorgen rât.
wie selten mich diu sicherheit gerûwen hât.
ich wil im iemer staete sîn. er kan
wol grôzer arbeit gelônen nach dem willen mîn.«

3.
Ich bin ein bote her gesant, frouwe, ûf mange dîne güete.
ein ritter, der dich hât erwelt ûz al der werlte in sîn gemüete,
er hiez dir klagen sîn ungemach,
daz er ein senendez herze treit, sît er dich sach.
im tuot sîn langez beiten wê,
nu reden wirz an ein ende enzît, ê im sîn fröide gar zergê.

4.
Der got der al die welt geschaffen hât, der gebe der lieben noch die sinne, daz si mich mit armen umbevâhe und mich von rehtem herzen minne. mich dunkent ander frouwen guot,
ich gewinne von ir dekeiner niemer hôhen muot,
sin welle genâde enzît begân,
diu sich dâ sündet an mir, und ich ir vil gedienet hân.

 
1.
Die Jahreszeit hat gewechselt. Ich erkenne es am Verhalten der Vögel:
Die Nachtigallen sind verstummt, sie haben ihr süßes Singen gelassen,
und der Wald verfärbt sich oben an seinen Spitzen.
Aber immer noch steht mein Herz in ihrer Gewalt,
der in den ganzen Sommer über gedient habe.
Sie ist mein Glück und meine Liebe. Ich will sie ihr nie entziehen.

2.
»Mit gutem Grund darf ich in Herz und Sinnen stolz und fröhlich sein,
seit mich der allerbeste Mann heimlich in seinem Herzen liebt.
Er befreit mich von großen Sorgen.
Nie hat mich das gegebene Wort gereut.
Ich werde ihm immer treu bleiben.
Er kann mir alles Schwere vergelten, wie ich es mir wünsche.«

3.
Ich bin ein Bote, Herrin, hergesandt, weil ihr so herrlich seid.
Ein Ritter, der dich vor allen anderen auf der Welt in Gedanken erwählt hat,
der hieß mich dir sein Leid klagen,
daß er Sehnsucht im Herzen trägt, seit er dich sah.
Sein langes Warten tut ihm weh. Nun laßt uns beizeiten
über eine Lösung sprechen, ehe er seine Freude ganz verliert.

4.
Der Gott, der alle Welt erschaffen hat, der gebe der Geliebten den Gedanken ein,
mich in ihre Arme zu schließen und mich von Herzen lieb zu haben.
Mir scheinen zwar auch andere Frauen gut,
doch erlange ich niemals einen frohen, stolzen Sinn,
es sei denn, sie gewährt mir noch beizeiten ihre Gnade,
sie, die sich sonst an mir versündigt und der ich doch so viel gedient habe.

 

Quelle:
©Fischer Taschenbuch Verlag/Minnesang. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Anhang versehen von Helmut Brackert.

 

1.
Wie möchte mir mîn herze werden iemer rehte fruot
daz mir ein edeliu frouwe sô vil ze leide tuot!
der ich vil gedienet hân,
als ir wille was getân.
nû wil si gedenken niht der mangen sorgen mîn.
Sô hô ôwî! sol ich ir lange frömde sîn.

2.
Nu ist ez ein ende komen, dar nâch mîn herze ie ranc
daz mich ein edeliu frouwe hât genomen in ir getwanc.
der bin ich worden undertân,
als das schif dem stiurman,
swanne der wâc sîn ünde sô gar gelâzen hât.
sô hôh ôwî! si benimt mir mange wilde tât.

3.
»Jâ hœre ich vil der tugende sagen von eime ritter guot:
der ist mir âne mâze komen in mînen stæten
daz ich sîn ze keiner zît
mac vergezzen"« redte ein wîp.
»nu muoz ich al der werlte haben dur sînen willen rât.
sô hôh ôwî! wie schône er daz gedienet hât!«


~0~0~0~0~
 
1.
Wie könnte mein Herz je klug werden,
wenn mir eine edle Dame solche Schmerzen zufügt!
Lange habe ich ihr gedient,
so wie es ihr Wille war.
Nun will sie nicht meiner vielen Sorgen eingedenk sein.
So hoh owi! wenn ich ihr lange gleichgültig bin.

2.
Nun ist es dahin gekommen, wonach mein Herz immer strebte,
daß mich eine edle Dame in ihren Bann gezogen hat.
Der bin ich untertan geworden
wie das Schiff dem Steuermann,
wenn das Meer seine Wogen vollkommen beruhigt hat.
So hoh owi! Sie bewahrt mich vor manch unbedachter Tat.

3.
»Wahrlich höre ich viel Lobenswertes über einen edlen Ritter sagen:
der ist mir übermächtig in meinem beständigen Sinn gekommen,
daß ich ihn nie
vergessen kann«, sprach eine Frau.
»Nun muß ich auf alle Menschen verzichten um seinetwillen.
So hoh owi! Wie schön er sich das erwirkt hat!«


~0~0~0~0~
 

1.
»Der Winter wære mir ein zît
sô rehte wunneclîche guot.
wær ich sô sælic, daz ein wîp
getrœste mînen senden muot.
sô wol mich danne langer naht,
gelæge ich als ich willen hân!
si hât mich in ein trûren brâht,
des ich mich niht gemâzen kann.«

2.
'Wie tuot der besten einer sô,
daz er mîn senen mac vertragen?
ez wære wol, und wurde ich frô,
sich kunde nieman baz gehaben.
ob mir nû leit von ir geschiht,
der mir ist nâhe an mîn herze komen,
was hilfet zorn? als er mich siht,
den hât er schiere mir benomen.'


~0~0~0~0~

 

1.
»Der Winter wäre mir eine Jahreszeit
so recht freudvoll und gut,
wenn ich so glücklich wäre, daß eine Frau
meine verlangende Sehnsucht erfüllte.
Wie angenehm wäre dann eine lange Nacht,
läge ich ganz nach meinem Willen!
Sie hat mich in Trauer versetzt,
der ich nicht Herr werden kann.«

2.
'Wie schafft das einer der liebsten Menschen,
daß er meine Sehnsucht so einfach ertragen kann?
Es wäre gut, wenn ich froh würde,
niemand könnte sich wohler fühlen.
Wenn mir nun Leid durch ihn geschieht,
der mir nahe ans Herz gerückt ist -
was hilft da Zorn? – Wenn er mich aber ansieht,
hat er ihn mir schnell genommen.'


~0~0~0~0~

 

1.
»Urloup hât des sumers brehen,
der wol was ze ruomen,
swaz mir leides ist geschehen,
sît ich den ersten bluomen
under einer grüenen linden flaht,
der winter und sîn langiu naht
diu ergetzent uns der besten zît,
swâ man bî liebe lange lît«

2.
'Wir hân der winter langen naht
mit fröiden wol empfangen,
ich und ein ritter wol geslaht.
sîn wille, der ist ergangen,
als wir ez nû beide hân gedâht,
sô hât er ez an ein ende brâht,
mit maniger fröide und liebes vil.
er ist als in mîn herze wil.'

3.
"»ch solde zürnen, hulfe ez iet,
daz dû als lange wære.
dô ich aller næhest von dir schiet,
sît hât ich grôze swære,
betwungen was daz herze mîn.
nû wil ez aber mit fröiden sîn.
habe ich dich gerne niht gesehen,
sô müeze leide mir geschehen.«

 
1.
»Abschied genommen hat der Glanz des Sommers,
der wahrlich zu rühmen war.
Was immer mir an Liebesleid widerfuhr,
seit ich den ersten Blumenkranz
unter einer grünen Linde flocht -
der Winter und seine lange Nacht
entschädigen uns nun in der schönsten Zeit,
wo man beim Lieben lange liegt.«

2.
'Wir haben die lange Winternacht
bestens mit Freuden aufgenommen,
ich und ein Ritter feiner Art.
Sein Wille ist geschehen.
Wie wir uns beide es gewünscht haben,
so hat er es vollendet,
mit mancher Freude und viel Liebe.
Er ist so ganz nach meinem Herzenswunsch.'

3.
»Ich sollte zürnen – bewirkte es irgend etwas -,
daß du so lange abwesend warst.
Seitdem ich kürzlich von dir schied,
war ich von großer Wehmut betroffen;
mein Herz war bedrängt.
Nun will es aber wieder von Freude erfüllt sein.
Wenn ich dich nicht mit Verlangen gesehen habe,
dann soll mir Übles widerfahren.«

 

Quelle:
©marixverlag/Deutsche Lyrik des Mittelalters/Herausgeber Dr. Manfred Stange.