Die Blumenknospen
Sag Vater, warum hat die freundliche Natur
Das Knöspchen hier auf unsrer Blumenflur
So hart und enge eingehüllt?
Sieh, wie es aus den Spalten quillt,
Und zeigt der Farbe rötlichen Schein!
Und mögte gern frei und fröhlich sein!
Was hindert, ich mache das Knöspchen auf?
So sprach das Kind. Der Vater sagte drauf:
Das mußt du, liebes Kind nicht tun!
Laß nur das rote Knöspchen ruhn.
Es ist ja noch so zart und klein,
Drum muß es wohl verwahret sein,
Und darf noch nicht sehen den hellen Tag,
Daß Frost und Wurm ihm nicht schaden mag.
Es ruht ja in Windeln weich und grün,
Noch braucht es der heimlichen Pfege,
Bald wird es am Wege
Uns lieblich duften und blühn.
Die Bremse und die Bienen
Es schwärmte eine Bremse
Mit Toben und Gesumm
Vor einem Bienenkorbe
Mutwilliglich herum.
Ein junges Bienlein wurde
Des Brummers kaum gewahr,
Da klagt' es voll Entsetzen
Der Mutter die Gefahr:
Ach, welch ein Ungeheuer!
Sein schrecklich Brüllen klang
Gleich eines Löwen Stimme,
Mir wurde angst und bang!
O Kindlein, sprach die Alte,
Des eignen Kleinmuts Wahn
Hat dir die blinden Schrecken
Des Todes angetan.
Drauf tönten ihre Flügel
In frohem Siegeston.
Die Bremse schrak und schwärmte
In wilder Eil davon.
Der Tiger, der Leopard und der Löwe
Der Tiger und der Leopard vereinten
Sich einst, den Löwen zu bestehn,
Und alle Tiere harreten und meinten,
Den Untergang des Löwenreichs zu sehn.
Der Kampf begann. Die fürchterlichen Katzen
Bestürmten ihn mit blinder Wut.
Laut knirschte das Gebiß, wild starreten die Tatzen,
Die Zungen dürsteten nach Blut. —
Der Löwe stand — sein ernster stiller Blick
Verkündete die Ruhe seiner Seele.
Die Feinde lagen mit zerschmettertem Genick,
Er aber ging in seine Höhle.
Seht, sprach ein Elephant, die stille Kraft
Verdient zu herrschen und zu siegen!
Dem Geist gebührt der Preis. Die Leidenschaft
Muß vor der Ruh' erliegen.
Die beiden Hunde
Fix und Beller, Nachbarshunde,
Haßten und verfolgten sich.
Beide trugen manche Wunde,
Beide kämpften ritterlich.
Fix schlief auf dem Scheunensöller,
Wo der Hausherr ihn verschloß,
Sieh, da machte Nachbar Beller
Sich aus seinem Kerker los.
Und befreit von seiner Kette
Bellt er nun am Scheunentor;
Fix vernahm in seinem Bette
Seinen Feind, er sprang hervor,
Stürzte mit ergrimmtem Blicke
Aus der Söllertur herab;
Sieh, er stürzte aufs Genicke,
Und sein Jähzorn ward sein Grab.
Der Dornstrauch
Ein Landmann trat zu einem Dornenstrauch,
Der kriechend an des Pfades Rand ihm oft
Des Kleides Saum zerriß, und hob erzürnt
Das scharfe Beil, zu tilgen das Gestrüpp.
Da sprach der Strauch: Zurück mit deiner Axt!
Hier ist ein Heiligtum! Mein Schoß bewahrt
Ein Kleinod mir vertraut, die zarte Brut
Der Nachtigall, des Waldes Freud' und Lied.
Ich schone dein, antwortete der Mann,
Doch wähne nicht, du seist ein Heiligtum,
Wenn auch dein Schoß das Heilige umschließt!
Du selber schleichst und kriechst am Boden hin,
Und nach dem Fuß des Wandrers zielt dein Dorn
Heimtückisch. — Drum erwarte deinen Lohn!
Bevor der Herbst erscheinet, naht dein Tag,
Aus deinem Schoße flammt die Loh' empor.
Der Kranioskop und der Schädel
Ein Totenkopf, der auf dem Tische
Vor einem Schädelschauer lag,
Und den er oft mit tiefem Sinnen
Betrachtete, hub an und sprach:
Ein jeder, der mich siehet, zittert
Vor meiner Ungestalt, und scheut
Sich mir zu nahn; mein Anblick mahnet
Mit Ernst an Tod und Sterblichkeit.
Du aber trägst mich auf den Händen
Und fühlst geheime Lust dabei,
Anstatt mit Schaudern zu bedenken,
Daß deiner Zukunft Bild ich sei.
Der Schädellehrer sagte lächelnd:
Du willst mich rühren! — Ei warum?
Bedenke doch, ich gehe täglich
Mit dir und deines Gleichen um.
Ceres und die Kornblumen
Die milde Ceres sah ein Ährenfeld
Mit Lust, da sprach zu ihr das Heer der blauen
Cyanen: Warum ließ dein Wink uns blühn,
O Ceres, wo das Land von Ähren starrt?
Des Segens Menge nur berechnet hier
Der Erde Sohn, uns schauet er nicht an.
So gib auch uns ein kornbelastet Haupt —
Wo nicht, so laß uns einsam irgends blühn!
Nicht doch, ihr Kindlein! sprach der Göttin Mund,
Hier in der Ähren rauschendem Gewoge
Zu blühen, wurdet ihr von mir ersehn.
Des Nutzens ja bedarf es hier nicht mehr,
Viel höher ist, o Kindlein, euer Ruf.
Als Priester stehet ihr im Volk der Ähren,
Nicht rauschen sollt ihr, sondern fröhlich blühen.
Ein frommes Bild der stillen Heiterkeit;
Drum hab' ich euch ein himmlisch blaues Kleid
Zu eurem Priesterschmuck verliehen.
Frohlockend wird die Schnitterin euch pflücken,
Am Erntetag die Stirn mit euch zu schmücken!
Der Fuchs und der Iltis
Einst hatt' ein Iltis eine Gans gefangen,
Er trug sie fort mit vieler Müh.
Zu rechter Zeit kam Reineke gegangen.
Ei, speisest du nun gar solch grobes Federvieh?
Sprach er den Räuber lächelnd an.
Ich meinte nur die zarte Taube
Sei deine Kost. Fürwahr, ich glaube,
Du hast zum Notbehelf den Schreier abgetan.
Ja wolltest du zwei Küchlein dafür geben,
Begann der Iltis, — gäb ich sie wohl hin.
Freund, zwei! ich will dir fünfe geben,
Rief Meister Fuchs, so wahr ich ehrlich bin.
Mit Freuden ward der Vorschlag angenommen.
Und Meister Fuchs — er soll noch wiederkommen.
* * *
Wer schnell und mehr, als du verlangst, verspricht,
Hat Lug im Herzen — trau ihm nicht.
Der Affe und der Inder
Eine Rotte Affen fand
Einen Baum, der im Gebiet
Eines armen Hindu stand.
Sie bekamen Appetit,
Und ein Utang klomm hinan.
Dieser warf dem Nebenmann
Die geraubten Äpfel zu,
Der dem nächsten. So im Nu
Ging es durch die Reihe fort
Bis zu einem sichern Ort,
Wo ein alter Affe stand,
Der von seiner Brüder Schar
Zum Empfang verordnet war.
Jetzt kam auch der Hindu, fand
Seinen lieben Baum fast leer,
Fleht' und bat den Räuber, der
Auf des Baumes Spitze saß.
Doch umsonst! er pflückt' und fraß
Ungestört, und höhnte sein
Zähnefletschend obendrein.
Hörst du, sprach der Hindu, nicht
Auf mein Flehen, Bösewicht,
Glaub' es nur, dann räch' ich mich —
Dein Gebieter strafe dich!
Narr! rief einer aus der Schar,
Der zunächst beim Führer war,
Narr, wo hast du den Verstand? —
Sieh! hier geht es Hand in Hand!
Penn und der Brite
Als Wilhelm Penn, von seinen Christenbrüdern
Verfolgt, Europens Henker floh,
Und nun Kolumnbia den Biedern
Empfing, und er beglückt und froh
Und segnend wie ein Gott, bei unerzognen Wilden
Die Vaterstelle übernahm,
Und sie zu Menschen umzubilden
Bemühet war,— Gott lohn' es ihm! — da kam
Frohlockend eines Tags ein Brite
Zu Vater Wilhelm, lacht' und sprach:
Ich kam an eines Wilden Hütte,
Ringsum in reicher Gegend lag
Sein Land, vier Meilen groß. Ich sprach: Verkauf es mir!
Gesagt, getan! ich hatte meinen Willen — —
Und — fragte Penn, was gabest du dafür?
Der Brite lacht' und sprach: Ein Dutzend Brillen!
Ihr lacht! fuhr Wilhelm fort, und dünkt euch höher
Als diese Einfalt! — Arme Europäer!
Gebt ihr nicht oft für schnöderen Gewinn
Des Herzens Fried' und Freude hin?
Erkauft ihr nicht ein Stückchen Land und Gut
Mit eurer Brüder Blut?
Der Buchfink, der Hänfling und der Laubfrosch
Ein Buchfink und ein Hänfling stritten
Voll Eifer um den Rang;
Schon wollten sie zum Wettgesang
Als Richterin die Lerche bitten,
Da hörte von des Baumes Spitze
Ein alter Laubfrosch ihren Streit.
Er rief von seinem dunklen Sitze:
Ach lebet doch in Einigkeit,
Und fliegt in Ruh zu eurem Neste!
Denn Fried' und Eintracht ist das Beste.
Ihr wisset ja, wir Vögel haben
Ein jeder seine eignen Gaben!
Was! riefen Beide ihm entgegen,
Du zählst dich zu der Vögel Stamm?
Geh und verkriech dich in den Schlamm,
Dort deiner kalten Brut zu pflegen!
* * *
Wenn Agamemnon und Achill sich streiten,
Streckt ein Thersit den kahlen Kopf empor,
Sich, wie er wähnt, den Lorbeer zu bereiten.
Allein, wie täuschet sich der Tor!
Vorher gab Niemand auf ihn acht,
Nun wird er überall verlacht.
Phöbus und Luna
Zur keuschen Luna sprach in trauter Stunde
Einst Phöbus: Schwester, sag' seit wann
Stehst du mit meinem Dichtervolk im Bunde?
Wer nur ein Reimlein machen kann,
Weiht dir ein Lied, und ruft dich an,
Und zirpt und seufzt zu dir empor.
Ermüdet nicht dein keusches Ohr? —
O, fiel sie lächelnd ein, dem läßt sich raten.
Weiht mir ein Reimer sein Gedicht,
So mach' ich es, wie andre Potentaten,
Ich hör' und les es nicht.
Die Tauben und der Sperling
An einem Frühlingsmorgen sang
Im stillen Hain ein Nachtigallenchor,
Die ewig heitre Lerche schwang
Sich singend in die Luft empor.
Ein Tanbenpärchen im Sonnenschein
Horcht' ihren Gesängen schweigend zu.
Da trat ein frecher Spatz hinein
Und störte sie in ihrer Ruh.
Der Schwätzer sprach: Ihr staunt und habet Recht!
Der Nachtigall Gesang ist schön!
Doch weiß ich noch ein anderes Geschlecht —
Dem würdet ihr den Vorrang zugestehn —
Ihr kennt gewiß die zarten Vögelein,
Im Westen ist ihr Vaterland,
Goldgelb und glänzend wie ein Edelstein,
Und nah, ganz nah mit uns verwandt —
Schweig, rief der Tauber, armer Wicht,
Weil es dir selbst an Wert gebricht,
Verkleinerst du gerechten Ruhm,
Und brüstest dich mit fremdem Eigentum!
Der Knabe und der Landmann
Ein Knabe schüttelte die neubelaubten Buchen,
Und war daran, mit allem Fleiß
Die abgefall'nen Käfer aufzusuchen,
Die er zertrat. Da kam ein Ackersmann;
Recht so, mein Söhnlein! hub er an,
Zertritt das häßliche Geschmeiß.
Als Engerlinge schon verheeren
Sie unsre Saat, und wie verzehren
Sie jetzo Blüt und Blatt! Ja was noch schlimmer ist,
Daß sich die Raupen so vermehren
Ist ihre Schuld. Aus ihnen, wie ihr wißt.
Entspringt die ungeheure Schar
Von Raupen aller Art. —
Das letzte ist nicht wahr!
Fiel ihm ein Käfer ein, wie kann, der Mensch es wagen,
Uns solche Lügen nachzusagen!
Ereifre dich nur nicht, rief ihm der Landmann zu,
Wenn es denn auch erdichtet wäre,
So seid ihr doch, bei meiner Ehre,
Nach dem, was wir von euch schon wissen,
Bei weitem nicht zu gut dazu.
So pfleget oft der Mensch zu schließen.
Der Maulwurf und die Landsleute
Ein Maulwurf gab sich alle Müh,
In einem Gartenbeet den Würmern nachzuspüren;
Je mehr er fand, je mehr verfolgt' er sie.
Und endlich ließ er sich verführen,
Der Oberfläche sich zu nahn.
Dies war sein Tod. Die Ackerleute sahn
Die Erd' und Pflanzen sich bewegen,
Sie stellten leise sich umher
Und warfen ihn heraus, verfolgten ihn mit Schlägen,
Und unser Maulwurf war nicht mehr.
Ach, rief er seufzend, eh' er starb,
Wenn ich auch eures Beets Gestalt verdarb,
Müßt ihr denn das so grausam rächen?
Doch ach, ich kam auf eine Welt,
Wo man um einzelne Gebrechen
Das Urteil der Verdammung fällt.
Wo man für alles Gut' erblindet,
Sobald man Einen Fehler findet.
Das bittere Blümchen
Ein rötlich zartes Blümchen stand
Am Weg, die kleine Minna fand
Das Blümchen, brach es freudig ab,
Pries seine Wohlgestalt und gab
Manch Mäulchen ihm und roch daran,
Und lächelte das Blümchen an.
Zuletzt ward sie des alles satt,
Sie aß es nun, es schlüpfte glatt
Die Kehl' hinab, doch bald danach
Kam Minna schnell mit Weh und Ach
Zur Mutter, schrie und weinte laut:
Das Blümlein hier hab ich gekaut!
Es sah so schön und lieblich aus.
Und zieht mir nun den Mund so kraus.
Pfui! wenn, sie auch so garstig sind. —
Die Mutter sprach: Mein liebes Kind,
O laß des frommen Blümleins Huld
Nicht büßen deine eigne Schuld.
Es trägt die holde Wohlgestalt
Zu letzen Herz und Angesicht.
Ach, es verwelket ihm so bald
Des kleinen Kelches süßes Licht.
Man isset ja die Blümchen nicht!
Die Rose und die Hirtin
Vor der Laube dunklen Bogen,
Von Chlorindens Hand erzogen,
Mischte zu des Geisblatts Hauch
Seinen Duft ein Rosenstrauch.
Mit des Bächleins Tau erquickte
Ihn Chlorinde; freundlich nickte
Auf bemooster Rasenbank
Ihr die Staude Gruß und Dank.
Lieblich lächelte die Rose,
Wenn mit freundlichem Gekose
Zephyr um die Zweiglein flog,
Und die Knöspchen auferzog.
Und in stiller Abendkühle
Scholl von freudigem Gefühle
Und von Lieb' und Dank durchglüht
Ihr Chlorindens Abendlied.
In der Töne leisem Schweben
Sah sie dann die Rose beben.
Engel schwebten um sie her.
Ach, die Rose bebt nicht mehr!
Sieh, ein Mann im goldnen Kleide
Nahm Chlorinden ihre Freude:
Ei! die schone Rose blüht,
Sprach er, wo sie Niemand sieht!
Nicht vom Geisblatt mehr umwunden
Stand am goldnen Pfahl gebunden
Nun die Rose, um sie her
Scholl Chlorindens Lied nicht mehr.
Ach, ihr Antlitz blaß und trübe
Sehnte sich umsonst nach Liebe —
Kunstverdorbner Menschen Raub
Welkt' ihr Purpurblatt im Staub.
Die Schwalben
In eines armen Mannes Haus
Kam lange Zeit von Jahr zu Jahr
Im Lenzbeginn ein Schwalbenpaar.
Mit Freuden nahm der arme Mann
Sie auf und schlug ein Brettchen an,
Worauf sie sich ihr Nest erbauten
Und frohes Muts herniederschauten.
Sie zogen fort. Der arme Mann
Ward unverhofft durch Erbschaft reich,
Nun ward das alte Haus sogleich
Zerstöret und neu aufgeführt,
Mit Marmorsäulen ausgeziert.
Das Schwalbenbrettchen riß man nieder.
Indessen kam das Pärchen wieder.
Sie zwitscherten ihr Morgenlied.
Fort! rief der reiche Mann voll Wut,
Vertilget mir die schnöde Brut! —
Und Progne's zarte Kinder flohn,
Und sangen noch in frohem Ton:
Wir gehn! Wo Lieb' und Frohsinn weilen,
Bedarf es nicht der Marmorsäulen.
Der Ziegenhirt und die Wespen
Ein Ziegenhirt trieb seine Gäste
Frühmorgens pfeifend auf die Flur.
Hier kam er einem Wespenneste
In einem Eichbaum auf die Spur.
Kaum ward der kecke Hirtenknabe
Das summende Geschlecht gewahr,
So neckt' er sie mit seinem Stabe,
Vergessend Ziegen und Gefahr.
Allein bald strafte sein Vergnügen
Des Wespenvolks empörte Wut.
Er nahm die Flucht, verließ die Ziegen,
Verlor den Hirtenstab und Hut.
Nun stürzte wütend, ohn' Erbarmen,
Das losgebrochne Wespenheer
Mit tausend Stacheln auf die armen
Zurückgelaßnen Ziegen her.
Ein Bock, der noch durch seine Schnelle
Mit einem blauen Aug' entrann,
Kam an des leeren Stalles Schwelle
Mit Ächzen und mit Jammern an.
Ihr Götter, rief er, ach, was haben
Wir Armen denn an euch verübt,
Daß euer Zorn uns einen Knaben,
Und ihm den Hirtenzepter gibt!
Die Schloße und die Perle*
Im blitzenden Wettergewölk geboren,
Fiel eine Schloß' ins Meer und sank
Die Tiefe hinab auf eine Perlenbank.
O! rief die Schloß' — ich hielt mich für verloren,
Ihr Glänzenden, empfanget meinen Dank,
Daß ihr in eurem Schoß mir meinen Sitz erkoren —
So nehmt mich auf, ich bin wie ihr
Den wallenden Wogen und Stürmen entsprossen —
Drum liebe Schwestern gebet mir
Auch euren Glanz als eurem Hausgenossen —
Ich bin des Himmels, ihr des Meeres Schlossen —
Die Perle sprach: Du bist des Getöses Kind,
Wir Perlen sind
Da wo die brandende Woge schweiget,
In tiefer Stille des Meeres erzeuget.
*Schloße
=Hagelkorn
Der Schmetterling und die Biene
Ein Segelvogel ließ, gelockt von süßen Düften
Sich auf der Blume Kelch im Sonnenschein hernieder,
Mit seines Fittichs Glanz die Blumenkron' umhüllend.
Im tiefen Kelche saß geschäftig eine Biene,
Den gelben Blumenstaub für ihre Zellen sammelnd.
Als nun die Blume sich beschattet neigt' und wankte,
Erhob die Sammlerin ihr ernstes Haupt und sagte:
Untätig Volk du schwärmst und schwebst in Blumendüften,
Und nutzlos schwindet dir, und andern auch, dein Leben.
Betrachte mich, und nimm dir unsern Fleiß zum Muster!
Wir sammeln emsiglich aus Blüten Wachs und Honig,
So geben wir dem Herrn der Erd' ein lebend Bildnis
Der regein Tätigkeit und eines Bürgerstaates,
Wo weise Ordnung herrscht und Kunstfleiß klüglich waltet!
Vermöchtet ihr, vereint das Nützliche zu wirken,
Und mit dem leichten Flug die Arbeit zu vereinen,
Ihr trüget nicht umsonst der Flügel Glanz und Schimmer!
Antwortend sprach darauf der leichte Segelvogel:
Wir sammeln nicht, wir sä'n und ernten nicht, wir geben
Dem Sterblichen ein Bild von einem höhern Leben!
Er sprachs und hob sich nun auf ausgespannten Flügeln
Vom bunten Blumenkelch empor zur Himmelsbläue.
Das Blümchen
Ein himmelblaues Blümchen
Stand an des Bächleins Ufer,
Und blinkt' in seinen Wellen,
So wie ein klares Sternlein
Am blauen Himmel glänzet.
Des Tales Hirt und Hirtin
Beschaueten das Blümchen.
Da sprach die holde Chloe:
O hätte doch das Blümchen,
Das unser Bächlein schmücket,
Zu seiner stillen Schönheit
Auch Seel' und Red' empfangen!
Ich will ihm beides geben,
Antwortete Amyntas:
Vergißmeinnicht! soll's heißen.
Siehst du, nun kann es reden,
Wenn du mit frommen Augen
Es liebevoll anblickest.
Es ist nun, sagte Chloe,
Ein blühend Wort geworden.
* * *
Amyntas brach das Blümchen.
Ach! seufzte nun die Hirtin,
Wie konntest du so grausam
Das holde Blümchen trennen
Vom langvertrauten Bächlein?
Es ließ sich gerne pflücken,
Antwortete Amyntas,
Denn, Chloe deine Seele
Gleicht ja dem stillen Bächlein
Und freundlich klaren Quellchen,
Woraus mir Liebe strömet.
Gern wird es deinen Busen,
Wie einst das Börnlein, schmücken,
Und seinen Namen nennen.
Dann wird auch mir das Leben
In sanftem Lichte glänzen.
So wie sich einst das Blümchen
Im klaren stillen Spiegel
Des reinen Quells verklärte.
* * *
Ach! wird es nicht, sprach Chloe,
Am Busen bald verwelken? —
Mags immer! sprach Amyntas,
Es hat ja Geist und Rede
Von unsrer Lieb' empfangen.
So dien' es denn der Liebe!
Das Bächlein mag versiegen,
Das Blümchen mag verwelken!
Was liebe schuf, kann nimmer
Versiegen noch verwelken.
Ceres und die Ähren
Von Ähren rings umrauscht stand Ceres einst
Vor einem Weizenfeld und sah mit Lust
Ihr göttlich Werk, der Halme wallend Heer.
Da scholl erseufzend in der Göttin Ohr
Ein Klagelaut; das Feld der Ähren sprach:
Den Blumen ward zum irdischen Beruf,
Ein geistig Werk und Leben anvertraut.
Die Rose hauchet Lieb' in Farb' und Duft,
Die Lilie trägt der Unschuld Feierkleid,
Das Veilchen blüht, der Demut Priesterin,
Der Ölzweig kündet Frieden, und des Ruhms
Prophet und Herold ist der Lorbeerbaum!
Uns aber ward das Höhere versagt,
Das Niedre nur, des Leibes Sättigung
Ward uns vertraut; wir stehn bedeutungslos —
Der Hoffnung Grün verwelket unserm Halm,
Sobald der Körner Last die Spitzen füllt,
Und unser Rauschen ruft die Sense nur!
Kein geistig Wort noch Bild ist uns verliehn!
So klagten sie, die milde Göttin sprach,
Und lächelnd blickte sie die Ähren an:
O Kindlein, hadert nicht, erkennet nur,
Was euch, der Demut Preis, verliehen ward.
Zwar schmücket euch nicht bunter Farbenschmelz —
Der Sommerwind hebt eure Blüt' empor,
Ein Opferdampf entschwebt sie himmelan,
Ihr aber steht mit aufgehobnem Haupt,
Nach Licht euch sehnend — betend steht ihr da!
Die Ähre schwillt gesegnet, und ihr senkt
Das volle Haupt, und — dankend steht ihr nun.
Zur goldnen Saite wird der reife Halm,
Und euer Rauschen Lobgesang und Psalm.
Der Epheu
Apollons Priester, der die stille Rede
Der Tiere und des Waldes verstand,
Beschaute sinnend einst das öde
Gemäuer des Tempels: Epheu wand,
Als wehrt' er strebend ihrem Fallen,
Sich um die Trümmer seiner Hallen.
Die Lüfte spielten in die dunkeln Ranken
Des Epheus; in dem seufzenden Laut
Vernahm der grünen Strauches Gedanken.
Der Epheu sprach: Nicht wahr, Apollons Sohn dich graut
Vor meines dunklen Laubes Düster
Und meiner Zweige trübem Geflüster?
Dort am Gebirge glänzt die Rebe.
Aus ihrer Frucht die Freude quillt,
Indes mein trauerndes Gewebe
Nur fallendes Gestein umhüllt!
Sie füllt der Freude goldene Pokale,
Unfruchtbar schmück' ich Totenmale!
Apollons Priester sprach: Beneide nicht die Rebe
Um ihre Frucht und ihrer Traube Saft!
Die Götter haben dir das Höhere gegeben:
Du schlingst in unverwelkter Kraft
Dich um der Menschen Werk, des Tempels Hallen,
Stets jung und schön, wenn diese fallen!
So reichest du, gelehnt an öde Trümmer,
Dem Menschen mehr als Wein, ein hohes Götterwort,
Das Wort: Zerfallen mag der Menschenwerke Schimmer,
Das Werk der Götter dauert fort!
Drum ward dein Laub dem jungen Gott der Reben
Zum Kranz um seine Stirn gegeben!
Die Muse, die Rose und der Hirt
Vor einem Rosenstrauch stand Polyhymnia,
Bewundernd seiner Blüt' und Knospen Fülle.
Wie unvergleichlich, sprach sie, stehst du da
In deiner hohen Kraft und Stille!
Mit Recht zur Konigin des Blumenreichs erhoben
Wird ewig dich das Lied der Sanger loben!
Der holden Einfalt und der Unschuld Bild
Im lieblich glänzenden Gewand der Freude,
Vom Duftgewölk des Wohlgeruchs umhüllt,
Bist du der Menschen Augenweide!
Wohl haben dich die Grazien und Horen
Zu ihrem Liebling, Rose, dich erkoren.
Gib ihr, o Muse, bat des Tales Hirt,
Auch noch die Kraft zu reden und zu lehren
Zu ihrem Glanz und Wohlgeruch! Wer wird
Nicht sehnsuchtsvoll das Wort der Weisheit hören?
Sah man nicht Hellas gen Dodonas Hallen
Zum Götterspruch der heil'gen Eiche wallen?
Sanftlächelnd sprach der Muse Mund: O Tor,
Soll alles denn in Laut und Wort sich zwingen?
Die Farbe tönen, und dem harten Ohr
Des Sterblichen der zarte Duft erklingen?
Der höchste Wert geboren aus der Fülle
Des Herzens schwebt zum Herzen ohne Hülle!
Die Nymphe und die Nachtigall
Warum tönt, o Philomele,
In des Haines stillen Schatten
Wehmutvoll dein Lied und klagend?
Haben nicht vor allen Sängern
Dich die Musen hochbegabet
Mit des Liedes heil'gen Tönen?
Warum tönt, o Philomele,
Wehmutvoll dein Lied und klagend?
Also sprach des Haines Nymphe.
Und die Königin der Lieder
Sang in süßen Klagetönen:
In des Haines dunklen Bogen,
Die erfreulich mich umblühen,
Wo die Himmlischen gewogen
Mir des Liedes Kraft verliehen,
Fühl ich nur in ihrer Nähe
Meine Fern, und ihre Höhe;
Und des Liedes leise Welle,
Die vom Himmel ich empfahen,
Wünscht, der ewig heitern Quelle
Alles Guten sich zu nahen.
Darum tönet, holde Nymphe,
Wehmutvoll mein Lied und klagend.
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