Fabelverzeichnis
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Fabeln 2-2
 
Der Kanarienvogel und der Häher
Die Nachbarschaft der Buhlerei
Die Taube, der Falke und der Tauber
Der Fischer und der Schatz
Aesopus und der Mutwillige
Der Traum eines Derwisch
Der gute Rat eines Derwisch
Das Ritterpferd und der Klepper
Der grüne Esel
Drei Taube

Der Fresser
Nasidien
Turpill

 
Lysimachus und Philippides
Abdallah
Der mäßige Eifer des Frontins
Hobbes
Crispin von Paß
Die Undankbarkeit des männlichen...

 

Der Kanarienvogel und der Häher

Durch Fragen wird man klug. Man kommt damit nach Rom.
Ein wahres Sprichwort sagt's, und selbst am Tiberstrom.
Allein wir müßen nicht mit Fragen die beehren,
Die selbst nicht fähig sind, was Gründliches zu lehren.
Kein Blinder zeigt den Weg. Ein Flaccus, ein Virgil
Zieht nicht den Bau zu Rat. Sie fragen den Quintil,
Den ganz gelehrten Freund. Warum? Ein halber Kenner
Verdient, zum höchsten, nur das Mitleid kluger Männer,
Wenn er von Meisterschaft, voll Hochmut, Neid und Zwist,
An Witz ein Polyphem, an Wahn ein Argus ist.

Ein Vogel, der unlängst aus Teneriff gekommen,
Glich, Arigoni, dir, auch an Bescheidenheit,
War fast der einzige, der seine Trefflichkeit
Und seiner Stimme Reiz nicht gnugsam wahrgenommen.
Der Sänger redet nun Marcolph*, den Schreier, an,
Den Häher, welchem er sich auch nicht nähern sollen.
Sagt, sprach er, ob mein Ton euch recht gefallen kann:
Entdeckt mir, ob auch mich die Kenner dulden wollen?
Ich zweifle, lehrt Marcolph. Euch fehlt mein Unterricht:
Von mir läßt sich noch viel erfahren.
Die Kunstverständigen, wir Häher und die Staren,
Wir Kenner loben euch noch nicht.
Folgt mir: ich singe fein, recht nach der Tonkunst Gründen,
Ihr trillert fremd und falsch: man hört euch an, und lacht.

*   *   *

Wer immer sich zum Schüler macht,
Wird immer einen Meister finden.

*
Marcolph, damit ist der Häher gemeint.

Die Nachbarschaft der Buhlerei

Die Buhlerei, die oft sich Liebe nennt,
Erscheint, vermummt, an einem Fest der Freude,
Im schlausten Putz, in Neadarnens Kleide,
Wovon den Wert sie und die Jugend kennt.
Ihr Auge spielt, die freien Blicke fliegen,
Wie Herz und Brust voll wilder Seufzer wallt:
Lust, Vorwitz, Scherz, Bewundrung und Vergnügen
Fliehn schnell herzu, und loben die Gestalt.
Man folgt nur ihr, den holden Reiz zu sehen.
Wer sieht nicht gern, was so gefallen kann?
Sie neigt sich tief, um schöner wegzugehen.
Da fragt die Lust: "Wo treffen wir dich an?
Entdeck es frei. Dich nimmer zu verfehlen,
Dich oft zu sehn, wünscht niemand mehr, als ich."
Sie lacht und spricht: "Wer kann sich Nachbarn wählen?
Die Meinigen sind mir oft lächerlich.
Zwar leb' ich weit von der verlass'nen Treue:
Matronen nur ist, wo sie seufzt, bekannt;
Doch, neben mir, zu meiner rechten Hand,
Wohnt Selbstbetrug, und, zu der linken, Reue."


Die Taube, der Falke und der Tauber


Ein Blaufuß steigt zum neuen Raube
Aus Nest und Wald empor, reviert in hoher Luft,
Beschauet Berg und Tal, und sieht in einer Gruft
Des treuen Taubers Lust, die schönste Turteltaube.
Auf sie stößt er herab, erreicht, und greift sie bald,
Und ist schon im Begriff, die Arme zu zerreißen,
Als sie ihn gurrend fragt: "Wird dieses Siegen heißen,
So man nicht kämpft? Erweise die Gewalt;
Doch nicht an mir, die ich vor Schrecken sterbe.
Nein, daß dein Mut den rechten Sieg erwerbe,
So falle nur den großen Reiher an,
Den Adler selbst, und was sich wehren kann."

"So wehre dich! versetzt der Falke, und dräute:
So wehre dich! ist nicht dein Schnabel gnug zum Streite?"

"Zum Streite? wie? er kennt nicht Streit noch Groll,
Und hat nicht Kraft, als wann er schnäbeln soll.
Es ist sein Stoß, die Regung sanfter Triebe,
Nichts, als ein Spiel, ein Reiz, ein Kuß der Liebe
Für meinen Freund." – "Und wer ist dieser Freund?"
"Mein Tauber ist's: er schläft auf einem Zweige"
"Man weck' ihn auf: es ist dein Held mein Feind.
Dir steh' er bei: ich will, daß er sich zeige."

Das Täubchen seufzt. "Ach nein, ich bitte, nein!
Sonst würde nur mein Jammer größer sein."
Noch seufzet sie, und schnell erwacht der Gatte,
Er fliegt von selbst dahin, wo sie der Räuber hatte.
Mit ihr scheint auch der Tod ihm vor dem Würger schön:
Sie sterben Hals an Hals, da der den Mord verübte.

*   *   *

Die heiße Liebe sieht auf nichts, als das Geliebte;
Die kluge hätte nur auf die Gefahr gesehn.


Der Fischer und der Schatz

Ein Fischer, der mit seinen Netzen
Brot und Zufriedenheit gewann,
Tat einen schweren Zug. Voll Mitleid und Entsetzen
Traf er im Sack des Garns jetzt einen Toten an.
Der soll, sprach er, von mir den letzten Dienst erhalten.
Vielleicht, daß in der Todesnacht
Dies seinen Schatten ruhig macht.
Wie der um's Leben kam, so kann ich selbst erkalten.
Aus Sorgfalt trägt er ihn an einen sichern Platz,
Den nicht die hohe Flut erreichte.
Da grub er tief, und schwitzt', und keuchte,
Und fand, im Schaufeln, einen Schatz.

*   *   *

Der Schickung Hand ist stets bereit
Der Tugend Werke zu vergelten.
Sie sorgt, mit gleicher Wachsamkeit,
Für jeden Menschen, wie für Welten.


Aesopus und der Mutwillige

Aesop bewies zu seiner Zeit
Die schwerste Kunst in unsern Tagen,
Die Kunst, die Narren zu ertragen,
Die Zunft, die immer sich verneut.
Ein Bube, den nichts fröhlich machte,
Als was er für recht neckisch hielt,
Warf einen Stein auf ihn, und lachte,
Daß er so meisterlich gezielt.

Der Weise sprach: "Wer so viel kann,
Der muß auch baren Dank erlangen.
Du wirst von Reichen mehr empfangen,
Von mir nimm diesen Stater* an.
Dort seh' ich einen Kaufmann gehen,
Des reichen Chremes stolzen Sohn:
An dem laß deine Künste sehen,
Von dem erwarte deinen Lohn."

Ihm folgt der Tor mit schneller Hand.
Er wirft, er trifft, er wird ergriffen,
Und, von dem Pöbel ausgepfiffen,
Dem Kerkermeister zugesandt.
Ob er dafür ans Kreuz gekommen,
Wie Phädrus schreibt: das weiß ich nicht.
Dies wissen ich und viele Frommen:
Ein Narr ist auch ein Bösewicht.


*
Stater, eine Münze, etwa zwölf Groschen wert.

Der Traum eines Derwisch

Ein Derwisch sah im Traum den Himmel und die Hölle:
Hier traf er einen Mönch, dort einen König an.
In jener Welt allein erkläret unsre Stelle
Der Menschen wahren Wert, da nichts mehr täuschen kann,
Er wird bestürzt, und fragt, wie sie dahin gekommen.
Ein Fürst im Paradies! Das scheint ihm wunderbar.
Der Todesengel spricht: "Er war ein Freund der Frommen,
So wie der Geistliche des Hofes Schmeichler war."


Der gute Rat eines Derwisch

Ein Derwisch klagt' einmal bei einem seiner Brüder,
Ihn quälten Reich und Arm, und überliefen ihn.
Dem ward, wie Saadi schreibt, der gute Rat verliehn:
"Freund, gib den Armen nichts, so kommen sie nicht wieder:
Von Reichen suche Geld, so werden sie dich fliehn."


Das Ritterpferd und der Klepper

Ein kriegerisches Pferd, die Lust der Ritterschaft,
War würdig seiner Zucht, und freudig, voller Kraft,
War gleich an Mut und Kunst, an Dauer und Vermögen,
Zog aus, und wieherte Geharnischten entgegen,
Und spottete der Furcht. Es hatt' aus Feld und Schlacht,
Und Wettlauf und Turnier stets Ehre heimgebracht.
Kopf, Schenkel, Farb' und Huf war schön an ihm zu nennen;
Doch zog sein zweiter Herr, beim ersten Ringelrennen,
Ihm Hans, den Klepper, vor. Sogar der Sattelknecht
Belacht des Junkers Wahl, und heißt sie ungerecht.
Ein alter Reiter sieht's, und seufzt, daß, auch in Pferden,
Verdienste schlecht erkannt, und nicht vergolten werden.
Der Junker bricht den Hals. Es kommt das Pferd zuletzt
In eines Fürsten Stall, der es nach Würden schätzt.
Der Alte hört's, und lacht, und spricht: "Man darf nur leben:
Verdiensten muß die Zeit Recht und Belohnung geben."


Der grüne Esel

Es schöpft ein Fabulist aus alten Wunderzeiten,
Gibt, lenkt, und hemmt Erdichtungen den Lauf.
Erzähler halten sich bei neuern Seltenheiten
Sogar, wie Wohlgemut, beim grünen Esel, auf.
Aesopus selbst lehrt oft aus Kleinigkeiten.

Es wollte sich ein nicht zu junges Weib,
Von weisen neunundvierzig Jahren,
Aus innerem Beruf zum holden Zeitvertreib,
Mit einem frischen Stutzer paaren,
Und ihrer Nachbarin, die ungemein erfahren
Und klug war, wie Ulyß, den Vorsatz offenbaren.
"Sagt," spricht sie, "sagt mir doch: gefällt Leander euch?
Ist er nicht meinem Mann, dem sel'gen Manne, gleich?
Nur freundlicher, als er? Einander zu erbauen,
Soll uns der Oberpfarrherr trauen:
Doch, wenn wir uns, aus keuscher Liebe, frein,
Werd' ich, sagt, werd' ich nicht ein rechtes Märchen sein?"
Romaneschreiber, Liederdichter,
Und die gemeinen Splitterrichter,
Und ach! die Weiber selbst, die Weiber muß ich scheun.
"Freit!" lehrt die Nachbarin. "Laßt jeden schreiben, sagen,
Ja singen, wenn er singen kann,
Es sei ein Märchen von acht Tagen!
Am neunten hebt gewiß sich schon ein neues an."

Das soll mein Esel demonstrieren.
Den färb' ich euch so grün, als meinen Papagei.
Dann soll er durch die Stadt spazieren,
Damit er allen sichtbar sei,
Und alle wird das große Wunder rühren.
Das träge Tier wird auf den Markt gebracht,
Der Pöbel läuft herzu, bewundert, gafft und lacht.
Wie? ruft man, können Esel grünen?
Das hätt' ich nimmermehr gedacht. . . .
O kommt doch, seht! . . . Sollt' aber diese Tracht
Nicht mehr für edle Pferde dienen?
Doch alles ist recht schön, wie die Natur es macht . . .
Was? die Natur? Es ist ein Werk der Kunst . . .
Der Kunst? o nein, Gevatter, nein, mit Gunst!
Er ist das, was er ist, und kommt uns aus dem Lande
Der grünen Esel her. Ich weiß nicht, wie es heißt:
Doch, wenn Er mir das Gegenteil beweist,
So gleicht im Kirchspiel ihm kein Doktor an Verstande . . .
Der Herr hat Recht; so sprach ein Bader, der gereist,
Und ein Gelehrter war. Ich habe, wider Hoffen,
In Capo Verde selbst dergleichen angetroffen.
Als Füllen sind sie gelb und blau,
Hernachmals grün. Ich kenne sie genau.
Dort hielt ich anfangs auch den Mund erstaunend offen;
Allein weit mehr, als ich in Chymia
Gar einen grünen Löwen sah.
Ach! seufzt' ein Weib, das gerne prophezeite,
Das Unglückstier! beschaut es nur, ihr Leute!
Mir hat, vor kurzer Zeit, von grünem Vieh geträumt,
Und, leider! dieser Traum war gar nicht ungereimt,
Denn, seht! er ist erfüllt. Ein Unglück droht den Ländern,
Wo Tiere so die Farben ändern.
Nicht wahr? Hier ließen sich schneeweiße Mäuse sehn,
Wir sahen bald hernach die besten Kühe schwinden.
Seitdem sich um Paris die Purpurkatzen finden,
Soll auch die Falschheit dort recht sehr im Schwange gehn;
Kein Wunder, daß daher Haß, Krieg und Mord entstehn.

Sechs Tage zeigt er sich den Haupt- und Nebengassen,
Und kein Rhinozeros reizt mehr die Neubegier.
Bald aber wird auch er so aus der Acht gelassen,
Als das gemeinste Müllertier.


Drei Taube

Es haben oft zugleich der Leser und der Dichter,
Und auch der Kritikus kein zuverlässig Ohr.

So lud vor einen tauben Richter
Ein Tauber einen Tauben vor.
Der Kläger sagt': Auf meinem Felde
Hat er dem Wilde nachgehetzt.
Beklagter: Nein; von seinem Gelde
War längst das Dritteil abgesetzt.
Der Richter sprach: Das Recht der Ehen
Bleibt heilig, alt und allgemein.
Es soll die Heirat vor sich gehen,
Und ich will bei der Hochzeit sein!


Der Fresser

Ein berühmter Held im Fressen,
Den das Schlemmen aufgeschwellt,
Hatt' einmal zum Abendessen
Sich den größten Stör bestellt.
Dieser ward sehr bald bezwungen:
Nur das Kopfstück blieb ihm nach,
Das er noch nicht halb verschlungen,
Als vom Krampf sein Magen brach.

Jeder Garkoch wird betrübet:
Mancher holt den Arzt herbei,
Der sogleich die Antwort gibet,
Daß der Bruch unheilbar sei.
Alle Hoffnung ist verschwunden;
Man verkündigt ihm den Schluß,
Daß er in sehr wenig Stunden
Unvermeidlich sterben muß.

Soll die Zunge schon erkalten,
Die so vieles nicht geschmeckt?
Freunde, bin ich zu erhalten?
Oder werd' ich nur erschreckt?
Doch, ist euer Wort untrüglich,
Steht des Arztes Ausspruch fest:
Ach so reicht mir unverzüglich
Meines Fischchens Überrest.


Nasidien

Nasidien, ein Herr von hohem Stande,
Ergrübelte sich täglich neue Pein,
Und hielt es sich für keine kleine Schande,
Den Bauern gleich, gesund und stark zu sein.
Er klagte jüngst dem Leibarzt, dem er zollte,
Ihn quäle stets, er wisse selbst nicht was;
Nur wisse er wohl, daß ihn nicht Hippocras,
Nicht Chocolad' und Gallert heilen wollte.

Wie ist Ihr Schlaf? hört man den Doktor fragen.
Acht Stunden lang. Noch fehlt die Agrypnie.
Sie essen? Stark, ja bei kaum leerem Magen.
Das nennen wir, auf griechisch, Bulimie.
Ach freilich ist der Menschen kurzes Leben
Mit Not beschwert, wie Avicenna spricht.
Der Fraß! der Schlaf! allein sie sorgen nicht:
In kurzer Zeit will ich schon beides heben.

Turpill

Turpill, der reiche Filz, gab einmal, doch im Traum,
Ein königliches Mahl, und hatte fünfzig Gäste.
Aus Zypern war der Wein bei diesem Freudenfeste,
Der Schüsseln Menge fand nicht auf der Tafel Raum.
Zugleich sieht er sich selbst im besten Stutzerkleide.
Wie krümmt und quälet sich der ächzende Turpill!
Ihn wecken Geiz und Angst. Gleich schwört er tausend Eide,
Daß er, so lang er lebt, nicht wieder träumen will.


Lysimachus * und Philippides

Als Witz zu Würden half, die Weisheit der Poeten
Ein Recht an Gunst und Glück besaß,
Und mancher König ohn' erröten
Gedichte schrieb, und Dichter las,
Ward zu des Hofes Ehrenstufen
Philippides vom Lysimach berufen.

Nimm, sprach der Held, an meiner Länder Heil,
An allem, was ich habe, teil.
Philippides versetzt: So müßt' ich mich bequemen,
An vielem, vielem teil zu nehmen.
Doch was du mir bestimmst, verehr' ich dankbarlich:
Nur mit Geheimnissen, Monarch, verschone mich.


*
Lysimachos:griechisch: Λυσίμαχος * 360/361 v. Chr., Pella; † Februar 281 v. Chr., Kurupedion, Feldherr Alexanders des Großen, seit 306/5 v. Chr. König
von Thrakien  und seit 285/4 v. Chr. König von Makedonien.


Abdallah

Abdallah, Hassans Sohn, der vor dem Großvezier,
Wie vor dem Mahomet, sich bis zur Erde krümmte,
Fleht um ein reiches Amt, das der dem Seraskier,
Dem Pascha Bajazet, freundvetterlich bestimmte.
Ihn hört der Großvezier, und sagt geschwinde: Nein.
Er dankt. Wie? Dein Gesuch wird gänzlich abgeschlagen!
Abdallah kniet, und spricht: Die Huld ist ungemein,
Daß ich nicht harren darf, da sie mir's gleich versagen.


Der mäßige Eifer des Frontins

Frontin, der fast Aesop, an Wuchs und Bildung, glich,
Ging lustig an den Strand, warf schnell sein Kleid von sich,
Sprang mutig in den Strom, und schwamm recht meisterlich.
Indessen kommt ein Dieb, bestiehlt den sichern Schwimmer,
Der nach der Taucherkunst mit Flut und Wellen spielt.
Frontin vertieft, erhebt und wirbelt sich noch immer,
Und rudert sich zurück, gereinigt und gekühlt.
Da sieht er bald, bestürzt, daß seine Kleider fehlen.
Ein andrer hätte gleich den Dieb vermaledeit;
Er aber sagte nur: Der Frevel geht doch weit.
Mir armen Buckligen mein einzig Kleid zu stehlen?
Dem Schelm gebührt ein Fluch für seine Mauserei.
Doch darf der Teufel ihn darum nicht eben holen:
Nur wünsch' ich, daß das Kleid, das er mir weggestohlen,
Ihm so gerecht, als mir, an Brust und Rücken, sei!


Hobbes*

Die meisten hüten nur die Schätze, die sie erben,
Wie einen toten Schatz, den niemand größer macht.
Sie sammeln, was man meint, und blättern Tag und Nacht,
Bis sie, sich unbekannt und unentwickelt, sterben,
Ihr unfruchtbarer Witz hat nichts hervorgebracht.

So ist ein Hobbes nicht erfahren.
Er irrt zwar oft, doch hat er selbst gedacht.
Des stolzen Briten Lehrer waren
Homer, Virgil, Thucydides, Euclid,
Die las er stets mit Wahl und Unterschied.
Er wäre, sagt' er oft, wohl nie geschickt gewesen,
Die Dinge tiefer einzusehn,
Die Schulgelehrte halb verstehn,
Hätt' er so viel, wie sie, gelesen.


*
Hobbes Thomas, engl. Philosoph 1588 – 1679.
Seine Staatslehre erklärte als
Urzustand den Krieg aller gg. alle,
nachzulesen in seinem Werk "Leviathan", 1651

Crispin von Paß*

Ein kleiner Eigensinn sei Künstlern gern verziehen!
Ich setze mit Bedacht: ein kleiner Eigensinn;
Denn allen, die sich nicht um Kunst und Witz bemühen,
Dem groben Teil der Welt, geh' auch der größte hin!

Ein Künstler, welcher sich des Griffels Ruhm erworben,
Der einen Ridinger, und Schmidt, und Preißler ziert,
Entwarf nicht leicht das Bild der Fürsten, die verstorben,
Noch der Gelehrten Bild, eh' sie der Tod entführt.
Die meisten wußten nicht die Ursach' anzugeben,
Bis einst, ich weiß nicht wer, sie von ihm selbst erfuhr:
Der Fürsten achtet man nicht länger, als sie leben,
Und der Gelehrte gilt nach seinem Tode nur.

*Crispin de Paß, von Köln, ist ein berühmter Schüler des Theodor Cornhardt,
der zur Zeit des alten Meisters Cornelius Cort, welcher die größten Maler Werke
in Kupfer brachte, lebte, und auch durch seine sinnreichen Gedichte,
und seine Schrift von der Religionsfreiheit wider den Lipsius sich Lob erwarb.


Die Undankbarkeit des männlichen Geschlechtes

Mit Lauretten, seiner Freude,
Sitzt am Alsterfluß Tiren,
Wo sie, auf der nächsten Weide,
Zwei Spatzen buhlen sehn.

Voll von zärtlichem Gefühle
Scheinen beide gleich vergnügt,
Als, nach einem kurzen Spiele,
Einer schnell von dannen fliegt.

"Sieh, ach sieh doch! spricht Laurette,
Ist der Undank zu verzeihn?
Der jetzt wegflog, wird, ich wette,
Ganz gewiß das Männchen sein."