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Rîfe und anehanc
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Der Reif mit seinem Gefolge
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1.
Rîfe und anehanc
die heide hat betwungen,
daz ir liehter schîn
nâch jâmer ist gestalt,
und der vogel sanc,
die wol mit fröiden sungen,
die sint nû geswîn.
dar zuo klag ich den walt:
der ist unbekleit.
dannoch kan si füegen
mir herter herzeleit
diu wazzer in krüegen
von dem brunnen treit.
nâch der stêt mîn gedanc.
2.
Ich brach ir den kruoc,
dô sie gienc von dem brunnen.
ich wart fröidenrîch
dô ich die lieben sach.
dô si daz vertruoc,
was sorge mir zerunnen.
harte minnenclîch
diu liebe dô gesprach:
»ich hân erebeit,
dast von iuwern schulden.
mîn frouwe tuot mir leit,
daz muoz ich allez dulden,
diu mich gestern fünfstunt
dur iuwern willen sluoc.«
3.
»Nu tuo den willen mîn,
sô hilfe ich dir ûz noeten,
und var sant mir hinne;
sô bist du âne zorn.«
'des enmac niht sîn,
ê lieze ich mich ertoeten.
mîner frouwen minne
waer iemer mê verlorn.
einen schillinc sol
si mir unde ein hemde,
daz weiz ich wol.
daz waer mir alles fremde.
sô mir daz nu wirt,
sô tuon i' iu helfe schîn.'
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1.
Der Reif mit seinem Gefolge
hat die Heide bezwungen,
so daß ihr strahlender Glanz
nun traurig aussieht,
und der Sang der Vögel,
die so fröhlich sangen,
die sind nun verstummt.
Auch über den Wald klage ich,
der steht kahl.
Dennoch kann die,
die Wasser in Krügen
vom Brunnen holt,
mir größeres Herzeleid zufügen.
Auf sie richtet sich mein Sinnen.
2.
Ich zerbrach ihr den Krug,
als sie vom Brunnen kam.
Freude erfüllte mich,
als ich die Süße sah.
Als sie das geschehen ließ,
war mein Kummer dahin.
Voller Liebreiz
sagte da die Süße:
»Ich erdulde Qualen,
daran seid Ihr schuld.
Meine Herrin fügt mir Leid zu,
das ich alles ertragen muß,
sie schlug mich gestern fünfmal
Euretwegen.«
3.
»Nun sei mir zu Willen,
dann helfe ich dir aus der Not,
und zieh mit mir fort,
dann hast du keinen Ärger mehr.«
'Das kann nicht geschehen,
eher ließe ich mich töten.
Meiner Herrin Gunst
wäre für immer verscherzt.
Einen Schilling schuldet
sie mir und ein Hemd,
das weiß ich genau.
Das alles bliebe mir vorenthalten.
Wenn ich das jetzt bekomme,
dann will ich Euch gefällig sein.'
~0~0~0~0~
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Sol ich disen sumer lanc
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Wenn ich diesen Sommer lang
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1.
Sol ich disen sumer lanc
bekumbert sîn mit kinden,
sô waer ich vil lieber tôt.
des ist mir mîn fröide kranc,
sol ich niht zer linden
reigen, owê dirre not!
wigen wagen, gigen gagen,
wenne wil ez tagen?
minne minne, trûte minne,
swîc, ich wil dich wagen.
2.
Amme, nim daz kindelîn,
daz ez niht enweine.
alse liep als ich dir sî,
ringe mir die swaere mîn.
du maht mich aleine
mîner sorgen machen frî.
wigen wagen, gjgen gagen,
wenne wil ez tagen?
minne minne, trûte minne,
swîc, ich wil dich wagen.
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1.
Wenn ich diesen Sommer lang
mit Kindern meine Last haben soll,
dann wäre ich lieber tot.
Deshalb hab ich keine Freude;
wenn ich nicht bei der Linde
tanzen kann, ach, wie traurig!
Wigen wagen, gigen gagen,
wann wird es tagen?
Minne, minne, liebe Minne,
schweig, ich will dich wiegen.
2.
Amme, nimm das Kleine,
damit es nicht weint.
Wenn ich dir lieb bin,
lindere meinen Kummer.
Du allein kannst mir
meine Sorgen nehmen.
Wigen wagen, gigen gagen,
wann wird es tagen?
Minne, minne, liebe Minne,
schweig, ich will dich wiegen.
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Quelle:
©Reclam/1990/Frauenlieder/Übersetzung ©Ingrid
Kasten
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Saelic saelic sî diu wunne
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1.
Saelic saelic sî diu wunne,
saelic sî des wunnebernden meien zît,
saelic sî der vogel singen,
saelic sî diu ouwe, saelic sî der walt!
man siht bluomen manicvalt
durch daz grüene gras ûf dringen,
mêr dann ich erdenken kunne.
tanzen springen suln die jungen widerstrît.
2.
Niemen niemen kan erdenken
waz für senelîchez trûren bezzer sî
danne ein kus von rôtem munde
und dar zuo ein minneclîcher umbevanc.
dâ wirt sendez trûren kranc;
ez fröit ûf von herzen grunde
ermel flehten, bein verschrenken.
in der stunde wirt diu liebe sorgen frî.
3.
Wâfen, wâfen über die Minne!
wâfen wil ich über si schrîen iemer mê.
ich was ir dâ her gebunden:
nû lât sie mich trûreclîche vor ir gân.
sie hât übel an mir getân.
sie muoz einem andern wunden
herze muot und al die sinne.
wol befunden hân ich daz si tuot sô wê.
4.
Frouwe frouwe, saelic frouwe,
herzen trût, ir sît mir liep für elliu wîp:
des ich selten hân genozzen:
dâ von ich niht mêre fürbaz singen wil.
ez dûht iuch vil gar ein spil.
iuch hât dicke mîn verdrozzen:
des ich mich vil trûric schouwe.
vor beslozzen ist mir fröide und iuwer lip.
5.
Wol dir, wol dir, wîbes güete!
wol dir, daz du saelic iemer müezest sîn!
wol dir, dû kanst trûren swachen,
swâ diu Minne ein sendez herze hât verwunt.
dîn vil rôsevarwer munt,
sô der lieplîch wolde lachen,
sam der rôse in touwen blüete
fröide machen kan dîn spilnder ougen schîn.
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1.
Gepriesen, gepriesen sei die Freude,
gepriesen sei die freudenbringende Maienzeit,
gepriesen sei das Singen der Vögel,
gepriesen sei die Wiese, gepriesen sei der Wald!
Man sieht vielerlei Blumen aus dem
grünen Gras hervorsprießen,
mehr als ich mir ausdenken kann.
Tanzen und springen sollen die Jungen im Wettstreit.
2.
Niemand, niemand kann sich etwas ausdenken,
das gegen schmerzliche Sehnsucht besser sei
als ein Kuß von einem roten Mund
und eine Umarmung in Liebe.
Davon verschwindet die schmerzliche Sehnsucht;
das Ineinanderschlingen der Arme und das Verschränken der Beine
bringt Freude aus Herzensgrund.
In diesem Moment wird die Liebe frei von Sorgen.
3.
Wehe, wehe über die Liebe!
Wehe will ich immer wieder über sie rufen.
Bisher war ich von ihr gefesselt,
jetzt läßt sie mich auf schmerzvolle Weise frei.
Sie hat schlecht an mir gehandelt.
Sie soll jemand anderem
Herz, Gefühl und Verstand verwunden.
Ich habe genau erkannt, daß sie so sehr weh tut.
4.
Herrin, Herrin, gepriesene Herrin,
Herzliebste, Ihr seid mir lieb vor allen Frauen:
Davon habe ich wenig Nutzen gehabt:
Deshalb will ich künftig nicht mehr singen.
Euch kommt das wie ein Spiel vor.
Ihr seid meiner sehr überdrüssig,
deshalb finde ich mich im Schmerz wieder.
Weggeschlossen ist mir die Freude und Eure Gegenwart.
5.
Wohl dir, wohl dir, Beste aller Frauen!
Wohl dir, du sollst für immer gepriesen sein!
Wohl dir, du kannst den Schmerz beenden,
wenn
irgendwo die Liebe ein sehnsuchtsvolles Herz verwundet hat.
Dein rosenfarbener Mund,
wenn der liebevoll lächeln würde,
so wie die Rose im Tau aufblüht:
Die gleiche Freude
kann der Glanz deiner leuchtenden Augen bereiten.
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Ez fuor ein büttenaere
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Es fuhr einmal ein Faßbinder
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1.
Ez fuor ein büttenaere
vil verre in frömdiu lant.
der was sô minneaere,
swâ er die frouwen vant,
daz er dâ gerne bant.
2.
Dô sprach der wirt maere
zim waz er kunde.
»ich bin ein büttenaere:
swer mir des gunde,
sîn vaz ich im bunde.«
3.
Dô truoc er sîne reife
und sînen tribelslagen.
mit sînem umbesweife
kund er sich wol bejagen,
ein guot geschirre tragen.
4.
Sînen tribelwegge
den nam sie in die hant
mit sîner slehten egge.
si sprach »heilant,
got hât iuch har gesant.«
5.
Dô si dô gebunden
dem wirte sîn vaz
neben unde ouch unden,
si sprach »ir sint niht laz.
mir wart nie gebunden baz.«
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1.
Es fuhr einmal ein Faßbinder
weit fort in fremde Länder.
Der war so liebestüchtig,
daß er überall gerne band,
wo er Damen antraf.
2.
Ein Hausherr fragte ihn einst,
was er könne.
»Ich bin ein Faßbinder,
und wer es mir erlaubt,
dem binde ich sein Faß.«
3.
Da trug er seine Reifen
und seinen Schlegel her.
Mit seinem Umfang
wußte er sich zu bewähren:
er trug ein herrliches Werkzeug.
4.
Sie nahm seinen Schlegel
in die Hand,
und zwar am glatten Ende.
Sie sagte: »Heiland,
Gott hat Euch hergeschickt!«
5.
Als sie dem Hausherrn
das Faß gebunden hatten,
und zwar an der Seite und unten,
sagte sie: »Ihr habt Kraft.
Nie ist mir besser gebunden worden!«
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Quelle:
©Reclam1993 Deutsche Gedichte des Mittelalters/Übersetzung ©Ulrich Müller/Gerlinde Weiss
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Owê liehten tage
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O Weh, ihr hellen Tage
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1.
Owê liehten tage,
owê bluomen rôt,
owê vogel sanc,
owê grüener walt!
nû wirt aber kalt,
nû der winter lanc.
dast der vogel nôt
unde ir meistiu klage.
noch klage ich die schulde,
daz diu saeldebaere
mich enterbet hulde.
daz sint mîne swaere,
die ich von ir dulde.
Minne, wende ir süezen haz!
2.
Minne, frouwe mîn,
tuo mir helfe kunt.
hilf, est an der zît.
bit daz reine wîp
daz ir kiuscher lîp
gein mir lâ den strît
unde ir rôter munt
mir tuo helfe schîn.
seht, sô wolde ich singen
der vil reinen süezen;
diu kan swaere ringen,
dâ bî kumber büezen.
sol mir wol gelingen,
Minne, sich, des bist du wer.
3.
Wîp, dîn süezer nam
und dîn werdekeit
gît vil hôhen muot
dem der tugende hât,
der untugende lât.
wê, wie wol daz tuot!
dem wirt tugent bereit
und diu rehte scham.
reiner wîbe güete
kan wol fröide lêren
(sie gît hôchgemüete),
dâ bî fröide mêren.
got mir sie behüete,
die der ich wol guotes gan.
4.
Mich hât lieber wân
in die fröide brâht,
daz ich wânde sîn
lôn erarnen gar.
nû wird ich gewar
an der frouwen mîn,
ir ist ungedâht
lônes: si wil lân
mich in den senden sorgen.
mir ist wê ze muote.
iemer an dem morgen
sô sorg ich nâch guote.
muoz ich minne borgen,
frouwe mîn, wie stêt daz dir?
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1.
O Weh, ihr hellen Tage,
O Weh, ihr roten Blumen,
O Weh, Vogelsang,
O Weh, grüner Wald!
Jetzt wird es kalt,
jetzt wird der Winter lang.
Das ist der Vögel Not
und ihre größte Klage.
Ungeachtet dessen beklage ich die Tatsache,
daß die Heilbringende
mich ihrer Gunst enterbt hat.
Das sind meine Kümmernisse,
die ich von ihr zu ertragen habe.
Minne, kehre ihre süße Abneigung um!
2.
Minne, meine Dame,
zeige mir Hilfe auf.
Hilf, es ist an der Zeit.
Bitte die edle Frau,
daß ihr keuscher Leib
den Kampf gegen mich aufgibt
und ihr roter Mund
mir Hilfe zuteil werden läßt.
Seht, dann würde ich auch
für die Reine, Liebliche singen;
sie vermag Beschwernis zu lindern
und dabei von Kummer frei zu machen.
Soll mir Glück widerfahren -
Minne, sieh zu; dafür bist du Bürge.
3.
Frau, dein lieber Name
und dein hohes Ansehen
geben dem die frohe Gesinnung
der Tugend hat
und von der Untugend läßt.
Hei, wie gut das tut!
Dem wird Tugend gegeben
und das richtige Ehrgefühl.
Die Güte edler Frauen
kann sehr gut Freude lehren
(sie bewirkt Hochgefühl)
und dabei die Freude mehren.
Gott möge sie mir behüten -
sie, der ich nur Gutes wünsche.
4.
Mich hat Liebeshoffnung
in einen freudevollen Zustand versetzt,
so daß ich hoffe,
Lohn zu verdienen.
Nun entdecke ich
an meiner Dame,
daß sie aber nicht bedacht ist,
Lohn zu geben: sie will mich
im Sehnsuchtskummer lassen.
Mir ist ganz elend zu Mute.
Jeden Morgen
sorg ich mich um ein gutes Ende.
Muß ich Minne leihen,
meine Herrin – wie hast du es damit?
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Quelle:
©Marix/ Deutsche Lyrik des Mittelalters/2005/Herausgegeben und
kommentiert.©Manfred Stange |
Saelic sî diu heide!
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Gepriesen sei die Heide!
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1.
Saelic sî diu heide!
saelic sî diu ouwe!
saelic sî der kleinen vogellîne süezer sanc!
bluomen, loup, diu heide
stânt in manger schouwe,
diu der kalte winter hiure mit sînem froste twanc.
dien ist an ir fröiden wol gelungen.
alsô möhte ouch ich an mînen fröiden widerjungen,
trôste mich ein rôter munt nâch dem mîn herze ie ranc.
2.
Mir was, wie mîn swære
hæte ein lieplîch ende,
dô mir seite ein bote, ich solte in fröiden frœlich sîn.
ich was fröidebære,
sorge was ellende
in mîm herzen, dô ich wânde, ir mundes rôter schîn
der wold in mîn herze lieplîch lachen.
alsô kan diu Minne ein wunder an uns beiden machen.
Minne, tuo mir swie du wellest. der gewalt isl dîn.
3.
Rôter munt, nu lache,
daz mir sorge swinde.
rôter munt, nu lache, daz mir sendez leit zergê.
lachen du mir mache,
daz ich fröide vinde.
rôter munt, nu lache, daz mîn herze frô bestê.
sît dîn lachen mir gît hôchgemüete,
neinâ, rôter munt, sô lache mir durch dîne güete
lachelîche, rœselehte: wes bedörfte ich mê?
4.
Minnenclîch gedinge
fröit mich mange stunde,
daz mich trœste ein rôter munt des ich noch nie vergaz.
minnenclîch gelinge,
ob ich daz dâ funde,
sône kunde mir ûf erde niemer werden baz.
rôter munt, hilf mir von senden nœten!
âne got sô kan dich niemen alse wol gerœten;
got der was in fröiden dô er dich als ebene maz.
5.
Wolde mir diu hêre
sende sorge ringen,
daz næm ich für vogel sanc und für der bluomen schîn,
und mir nâch ir lêre
ruochte fröide bringen.
seht, sô wær mîn trûren kranc und wolde in fröiden sîn.
hilf mir, helferîchiu süeze Minne!
twinc die lieben sam si hât betwungen mine sinne,
unze si bedenke mînen senelîchen pîn.
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1.
Gepriesen sei die Heide!
Gepriesen sei die Aue!
Gepriesen sei der süße Gesang der kleinen Vögel!
Blumen, Laub, die Heide, die der kalte Winter in diesem
Jahr mit seiner Kälte bedrängte, zeigen sich jetzt in
vielfacher Gestalt. Die haben alle neue Freuden gewonnen.
Ebenso möchte auch ich an meinen Freuden wieder jung werden,
wenn mich nämlich ein roter Mund tröstet,
nach dem immer schon mein Herz sich sehnte.
2.
Mir wahr zumute, als ob meine Qual
doch noch ein freudenvolles Ende nähme,
als mir der Bote sagte, ich dürfte glücklich und froh sein.
Ich war auch voller Freude,
alle Sorge war fern
von meinem Herzen, als ich glaubte, der rote Glanz ihres Mundes
der würde lieblich in mein Herz hinein erstrahlen.
So kann die Minne an uns beiden ein Wunder vollbringen.
Minne, tu mit mir, wie immer du willst. Du hast die Gewalt.
3.
Roter Mund, nun lache,
daß mir die Sorge schwindet.
Roter Mund, nun lache, daß sich meine Liebessehnsucht auflöst.
Mache auch, daß ich lache,
damit ich Freude finde.
Roter Mund, nun lache, daß mein Herz freudig bleibt.
Da dein Lachen mich froh und stolz macht,
wirklich, roter Mund, so schenke mir aus Güte ein Lachen
lachend, rosig – was bräuchte ich mehr?
4.
Hoffnung in der Minne
gibt mir manche Stunde Freude,
daß mich ein roter Mund tröste, den ich noch nie vergessen
konnte.
Gelingen in der Minne,
wenn ich das fände,
so könnte mir auf Erden nie Besseres geschehen.
Roter Mund, hilf mir aus Liebesqual!
Außer Gott kann dich niemand so schön röten.
Gott war in guter Laune, als er dich so ebenmäßig geschaffen
hat.
5.
Wenn mir die Edle
Liebesqual vermindern wollte,
so nähme ich das für Vogelsang und für den Glanz der Blumen;
und wenn sie geruhte,
mir Freude zu spenden,
seht, so schmölze meine Trauer dahin und ich würde in Freude
leben.
Hilf mir, hilfreiche, süße Minne!
Zwing die Geliebte so wie sie meine Sinne bezwungen hat,
bis sie meiner Liebesqual inne werden mag.
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Quelle:
©Fischer TB Verlag 2004/Minnesang/Herausgegeben, übersetzt
von©Helmut Brackert
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Ich hoer aber die vogel singen
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Wieder höre ich Vogelsingen
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1.
Ich hoer aber die vogel singen,
in dem walde suoze erklingen,
dringen siht man bluomen durch daz gras.
was diu sumerwunne in leide,
nu hât aber diu liebe heide
beide: bluomen unde rôsen rôt.
meie kumt mit maniger bluot.
tuot mir wol diu minneclîche,
seht, sô wirde ich fröuderîche,
sunder nôt vil maneger sorgen frî.
2.
Gunde mir diu saeldebaere
daz ir trôst mir fröude baere
swaere wolde ich sender siecher lân.
hân ich trôst, der ist doch kleine,
sie entroeste mich aleine.
reine saelic wîp, nu troestet baz.
Minne, hilf: ez ist an der zît.
sît mîn trôst lît an der süezen,
sô mac sie mir swaere büezen.
nu durch waz tuot sie mir alse wê?
3.
Obe ir rôter munt mir gunde
daz sîn kus die nôt enbunde,
wunde von der minne wurde heil.
heil gelücke saelde und êre
hete ich sender iemer mêre.
hêre saelic wîp, nu troestent baz.
owê, süezer rôter munt,
wunt wart ich von dîen schulden,
dô ich der lieben muoste hulden.
leit sint daz diu mich noch machent grâ.
4.
Wunder kanst dû, süeziu Minne.
Minne, in dîner glüete ich brinne,
sinne herze muot hâst du mir hin.
in mîn herze sunder lougen
sach ein wîp mit spilnden ougen
tougen. dannoch was gemeit mîn lîp.
herzen trût, nu tuot sô wol:
sol ich sender frô belîben,
sô sult ir von mir vertrîben,
saelic wîp, die nôt, sô wirde ich frô.
5.
Wie zimt nû der süezen hêren
daz sie mich kan trûren lêren?
mêren möhte si wol fröude mir.
ir vil minneclîchez lachen
kan mir sendez trûren swachen.
machen möhte sie mich sorgen bar.
owê süezer rôter munt!
wunt bin ich an hôchgemüete.
rôter munt, durch dîne güete
nu sprich dar: mîn bete wol weistû.
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1.
Wieder höre ich Vogelsingen
in dem Wald süß erklingen.
Dringen sieht man Blumen durch das Gras.
Was auch Sommerlust im Leide
war, nun beut aufs neu die Heide
beide: Anemonen, Rosen rot.
Mai, er kommt mit Blumengut.
Tut mir wohl, die reich an Minne,
seht, so wird mir froh zu Sinne,
sonder Not und voller Sorgen nie.
2.
Wenn die Selige gedächte,
daß ihr Trost mir Freude brächte,
möchte allem Leid ich sagen ab.
Habe ich Trost, ist er nur kleine,
mich getröstet denn die Feine,
Reine, Selige, so tröste mehr!
Minne, hilf zu rechter Zeit!
Seit mein Trost kommt von der Süßen,
kann sie meine Leiden büßen.
Ach woher nur tut sie mir so weh?
3:
Wenn ihr roter Mund es wollte,
daß ihr Kuß mir Labung zollte,
sollte ich von Minne werden heil.
Teil hätt' ich an Glück und Ehre,
wäre mein, die ich entbehre.
Hehre, selige Frau, so tröste mehr!
O du süßer, roter Mund,
wund ward ich durch dein Verschulden,
da ich Sehnsucht muß erdulden.
Grau und schwer bedrückt mein Gram mich da.
4.
Wunder kennst du, süße Minne.
Deine Glut brennt meine Sinne.
Minne, meinen Mut nahmst du dahin.
In mein Herz warf mir die Eine
ihrer Augen Spiegelscheine.
Meine Hoffnung wallte freudig hoch.
Herzenstraute, tu mir wohl:
soll ich fürder fröhlich bleiben,
mußt mir die Not vertreiben.
Holde, noch werde ich dann wahrlich froh.
5.
Wie geziemt der Süßen, Hehren,
daß sie mich mag Trauer lehren?
Mehren sollte sie die Freude mir.
Ihr so minnigliches Lachen
kann meine Sorgen machtlos machen,
fachen könnte sie den Mut mir neu.
O du süßer, roter Mund!
Wund bin tief ich im Gemüte.
Roter Mund, durch deine Güte
sprich getreu! All mein Gebet bist du.
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Quelle:
©Reclam 1978/Deutscher Minnesang/Nachdichtung von ©Kurt Erich
Meurer
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