Die List des Fuchses und des Storches
Zu einem Storch kam ein Fuchs. Einer klagte dem andern
seinen merklichen Mangel und
Hunger. "Denn die Frösche", sprach der Storch, "tunken sich
unter das Wasser und
fliehen unter die Stöcke am Ufer, sobald sie meine Ankunft
bemerken."
"Eben also auch", klagte der Fuchs, "ist mir's nicht wohl
möglich, die Mäuse aus ihren
Höhlen zu locken." Nach mehreren Ratschlägen entschlossen
sie sich, die Sache
folgendermaßen anzugehen. Der Fuchs ging zum Gestade eines
Sees, darinnen viele
Frösche ihre Wohnung hatten. Er sagte zu ihrem König, daß er
eilends käme, ihm
anzuzeigen, daß die Mäuse vorhätten, die Frösche heimlich
und meuchlings zu
überfallen. Sie sollten es aber frisch mit den Mäusen wagen,
denn er, der Fuchs, wollte
ihnen seinen Beistand treulich zusichern. Diesen Worten
glaubten die Frösche alsbald
und versprachen, den Kampf aufzunehmen.
Andernteils tat auch der Storch vor der Festung der Mäuse
sagen, wie die Frösche aus
großer Hoffart und Vertröstung auf ihre Stärke vorhätten,
die Mäuse zur gemeinen
Feldschlacht zu fördern, und dies gar bald und eilends. Die
Frösche hätten auch schon
den Platz da und da ausgemacht. Darum würde es schimpflich
und ihnen übel
nachzusagen sein, solches abzuschlagen. Es sollte ihnen
jedoch an seinem Beistand und
gutem Rat nicht fehlen.
Siehe, also wurden die beiden Teile zum Kriege angehetzt und
mit Zorn über und wider
einander erhitzt, so daß jeder darauf bedacht war, als
erster und Bestgerüsteter auf der
Kampfstatt zu erscheinen. Der Fuchs brachte andere Füchse
mit, auch der Storch
mehrere Störche; die Füchse umgaben die Mäuse, Störche die
Frösche, hielten also mit
ihnen Haus, daß ihrer wenig die Haut davonbrachten.
Kehr dich nicht an alles lose Geschwätz,
das dich zur Raserei aufhetzt
und späte Reu dir bringt zuletzt!
Saumross und Esel
Krämerei und anderes trugen ein Saumross und ein Esel, beide
vollbeladen. Dieweil aber
der Esel mehr gegangen denn gefahren, wurde wegen der
schweren Last der Abstand
zwischen beiden immer größer. Sagte der Esel zum Ross,
seinem Gesellen, daß es ihm
doch einen kleinen Teil der Bürden abnehmen sollt. Das
Saumross aber hatte dicke
Ohren und ließ also diese Bitte ohn alle Antwort bleiben.
Nach wenig Tagen fiel der arm ausgemergelt Esel krank um,
ließ auch bald seinen Geist
aus. Der Herr nahm das Paket, so der Esel getragen, und lud
alles samt der abgezogenen
Eselshaut auf das Saumross, welches erseufzete und sprach:
"Wie greulich wird mir
Stolz, Hoffart und Unbarmherzigkeit vergolten, der ich die
geringe Bitt des armutseligen
Esels nicht wollt hören. Nun bin ich doppelt überladen, das
wird meinen Kräften auch
bald zuviel sein."
Wo zween zu g'hörn, ist's einem zu viel.
Doch wer seinem Nächsten helfen will,
der wiegt's nicht ab nach Pfund und Ziel.
Von Hirsch, Rabe, Maus
und Schildkröte
Es hatten ihrer vier, nämlich Rabe, Maus, Hirsch und
Schildkröte, eine getreue und
stete Gesellschaft zusammen geschworen. Sie wollten einander
in keiner Not verlassen.
Auch hatten sie für ihre Gemeinschaft mitten im Wald aus
Ästen der Bäume und anderer
Materialien eine besondere Wohnung zubereitet. Dort kamen
sie täglich zusammen,
um über allerlei Handlung Rat zu halten.
Auf einen Tag waren beieinander Rabe, Maus und Schildkröte,
die warteten gar lang auf
den Hirschen. Als er nicht kam, befürchteten sie, daß ihm
von den schlimmen Weidleuten
und Jägern etwas Gefährliches
begegnet wäre. Derhalben schickten sie den Raben eilends
aus,
der des Hirschen Aufenthalt erkunden sollte. Der Rabe
war fleißig, flog im Wald hin und wider,
bis er den Hirschen
in einem Fangnetz fest verstrickt liegen fand.
Solches verkündete er flugs seinen Gesellen. Darauf nahm der
Rabe die Maus und führte
sie, unerachtet der merklichen Furcht vor den Weidleuten,
dorthin, da der Hirsch
gefangen. Rabe und Maus zernagten alle Bande des Netzes und
der Verstrickung.
Nun konnte der Hirsch mit Eile nach dem Wald fliehen, so tat
auch der Rabe auf die
hohen Bäume und die Maus in ein Löchlein bei einer Wurzel,
bis sie gewahr worden,
daß keine Gefährlichkeit mehr vorhanden.
Die Fabel lehrt, wie's köstlich sei,
wenn Freunde stehn dem Freunde bei.
Recht wahre Freunde sah man nicht weichen
vor Feindes Worten oder Streichen.
Drum, bist du Freund, so tu desgleichen!
Sintemal aber die Schildkröte einen langsamen Gang hatte und
doch gleichwohl gern
bei der Entfesselung des Hirschen, ihres Freundes, zugegen
gewesen wäre, um klugen
Rat zu erteilen, kam sie erst spät zur Stätte, da der Hirsch
war gefangen und befreiet
worden. Allda stand auch der Jäger, zornig und traurig des
zerbissenen Netzes wegen.
Und da er sonst niemand denn die Schildkröte sah, nahm er
sie und band sie fest
zusammen. Das alles schaute der Rabe mit großer Trauer zu
und zeigte es der Maus an.
Die gab den Rat, also zu tun, wie es geschah:
Der Hirsch legte sich ein gutes Stück weiter hinten an den
Weg, da der Jäger
vorbeikommen sollte, als ob er gestorben oder sonst sehr
krank wäre. Der Rabe setzte
sich auf ihn, als ob er von ihm fressen oder ihn rupfen
wollte. Da nun der Hirsch den
Jäger kommen sah, richtete er sich ein wenig auf und kroch
weiter fort. Der Jäger aber
legte seine Bürden mitsamt der Schildkröte von sich, um zu
schauen, wie es um den
Hirschen getan sei. Er zog weit in den Wald, bis unterdes
die Maus die Schildkröte
ledig machte durch das Zerbeißen der Bande. Dergestalt kamen
alle vier wieder
zusammen und dankten je eins dem andern für seine erwiesene
Treue und Liebe.
Wer so viel tut, wie er vermag,
auf den hat mein kein billig Klag,
daß er nicht hält, was er zusag.
Hat sich das Glück von dir gekahrt,
spürst du's gar bald an Freundes Art.
Der habgierige Löwe
Gesellschaft und gleiche Teilung hatten Löwe, Rind, Geiß und
Schaf zusammen
geschworen. Da sie nun eine gute Beute erjaget hatten,
ordnete der Löwe in vier gleiche
Partes oder Stücke und sprach in aller Gegenwärtigkeit: "Das
erste Teil ist mein, was
unserm Vertrag entspricht. Daneben weil ich der Vornehmste,
warum nicht auch das
zweite? Weil ich nun mit Stärke euch allen überlegen bin, so
hab ich mehr Arbeit und
Gefahr bestanden als ihr alle zusammen, deshalb gebührt mir
auch das dritte. Letztlich,
wer da vermeinen und sagen wollte, das vierte gebühret mir
nicht, soll wissen, daß ich's
mit ihm zu tun haben werde." Was sollten die armen kleinen
schwachen Tiere hierzu
sagen? Sie waren froh, daß sie mit Stillschweigen
bekräftigen durften, daß solches
Recht sei.
Hast du mit großen Herrn zu teilen,
hab acht, laß dich nicht übereilen,
denn Kunst und Gunst dir könnten feilen.
Von einem Weih
und einem Kuckuck
Auf einem grünen Ast saß ein Kuckuck und sang nach seiner
Gewohnheit. Zu ihm kam
ein großer Weih und führte ein junges Hühnlein in seinem
Schnabel mit. Der setzte sich
neben den Kuckuck und verzehrte seinen Raub. Dabei
betrachtete der Weih den Kuckuck
und entdeckte, daß dieser mit einem krummen Schnabel,
scharfen Klauen und auch
sonst nach Art der Raubvögel von der Natur begabt und
gewappnet war; fragte er ihn
derhalben, ob er nicht auch Fleisch esse. "Nein," antwortete
der Kuckuck, "unsere
Nahrung ist nichts anders als geringe, niemand nütze
Würmlein, welche wir hin und
wieder von den Bäumen und Ästen aufklauben."
"Ei, schäm dich solcher nichtigen Speise," sprach der Weih,
"sieh vielmehr auf mich, wie
ich gute Hühnlein und Vöglein herzubringe und meinen Hunger
damit stille. Sintemal du
an der Gestalt unserem Geschlecht gleichest, gebührt dir,
auch unsere Natur an dich zu
nehmen und unseren Taten zu folgen." Diese den Weihen
stattliche Rede und Überredung
bewegte den einfältigen Toren, wie denn jeder das zu hören
geneigt ist, was ihm ein
besseres Leben verspricht. Er sagte zu, wenn ihn wieder
hungerte, dem Hunger mit
Fleisch zu begegnen und das Rauben zu versuchen. So schieden
sie voneinander.
Nach kurzen Tagen wollte der genannte Kuckuck der
Unterweisung des Weihs
nachfolgen, flog deshalb zu einem reichen Meierhof, wo auf
dem Mist eine große Zahl
junger Gänse, Hühner und anderes vorhanden war. Um aber die
Sache recht gescheit
anzufangen, setzte er sich daneben auf einen Baum, seinen
Vorteil abzusehen. Als er nun
allenthalben Fenster und Türen ablugte, ob jemand darin
stünde, erblickte er von
ungefähr seinen Ratgeber, den Weih. Der war totgeschlagen
und hing an seinem Hals vor
dem Taubenhaus zur Schau anderer Vögel. "Mir nicht," sagte
der Kuckuck, "gehet es also
zu? Mag Fleisch fressen wer da will. Vor diesem herrlichen
Wohlleben und einer Hochzeit,
da man der Braut nichts anderes schenkt und solche
Gefährlichkeit dahintersteckt, sollen
mich meine süßen Würmlein, deren ich doch in Sicherheit
genießen kann, erretten."
Schnurstracks gehet es also zu, wenn eine Kriegswerbung sich
aufwickelt: Alsdann
kommen auch die starken Raubvögel und Weihe, die man nicht
lange bitten braucht,
Hühner zu fressen. Diese setzen sich auf den grünen Baum zum
Kuckuck, das heißt in
Wirtshäuser und Weinzechen zu Bauernknechten und
Handwerksgesellen, verheißen
denselben güldene Berge und versprechen, sie alle reich zu
machen. Wie jetzt folgt,
so denkt der Angeworbene: Wie der Kuckuck ernähr ich mich
allhie von den Würmlein,
das ist mit Milch und Kraut. Warum kann ich nicht ein
solches Wohlleben, gute Kleider
tragen, mit dem besten Fressen und Saufen meinen Bauch
füllen? Ich bin doch so gut
von Person und ein starker Mann wie jeder andere.
Und hierzu ist der Bauch am allerbreitesten, denn das
schmeichelnde Lob des Weihs zieht
ihm die bunten Federn und schönen Lumphosen der Landsknechte
wie eine Narrendecke
vor die Augen. Die anderen aber betrachten, wie die Weihe
vor den Taubenhäusern
Schildwacht halten, das ist, Holz in die Erde ziehen,
erschossen und von den Bauern,
denen sie vielen Gänsen die Schmalzfedern gerupft, erstochen
werden, Hungers sterben,
auch allerlei Armut erdulden müssen. Die werden mehr Lust zu
den Kuckuckswürmlein,
das ist zu Haferbrei und Milchsuppen, denn zu gesottenem und
gebratenem Fleisch
haben.
Wohl dem, den eines andern Schad
warnt, wes er zu erwarten hat,
wenn er sich steckt in gleich Gefahr.
Es ist aus dieser Fabel klar:
Schmal Nahrung und in Sicherheit
ist mehr, den reich in G'fährlichkeit.
Ein Gleichnis von
zwei Mäusen
Zwei Mäuse, eine alte und eine junge, wohnten in einem Haus
und gesellten sich
zusammen. Einstmals kamen sie miteinander in eine Kammer,
darinnen war von
vielerlei Speise Überfluß; sie schleckten von allem. Zuletzt
ersah die junge Maus ein
hübsches neues viereckiges Kästlein, sehr künstlich aus
Eisendraht, mit einer Tür,
die vorne weit, hinten aber ganz eng und gegen den Ausgang
zu aus spitzen Zinken
gemacht war. An einem Häklein klebte innen ein Stück
wohlriechender Honigteig.
Sie war jetztund willens, von diesem Teig zu kosten, wäre
auch hineingekrochen,
wenn nicht die alte Maus sie zurückgezogen, gewarnet und,
was dies für Gefährlichkeit
in
sich trüge, sie unterrichtet hätte.
Es ging aber, wie es gemeinlich geschieht, daß die Jugend
keiner Unterweisung der
Alten sehr achtet: Die Maus dachte dem Handel nach und daß
es eine Schande wäre,
diesen Honig also unbenascht bleiben zu lassen. Darum suchte
sie Gelegenheit, wie sie
mit Fug allein in die Kammer sich stehlen könnte. Das gelang
denn auch. Und damit ihr
Gesell sie nicht abermals an der Schleckerei verhindere,
schloff sie eilends in die Fallen
und fraß vom Honig nur ein wenig. Unterdes kam die Magd
etwas holen, ersah die Maus,
welche sich wieder herauszukommen hart bemühte, was doch
umsonst war, und schlug
sie zu Tod.
Auf diese Art gehet es auch zu mit jungen Gesellen, die
sonst daheim zu bleiben hätten,
doch aus Fürwitz den Krieg, alsda sie frei allerhand Schand
treiben können, versuchen
wollen. Obschon sie davor von den alten, erfahrenen Leuten
gewarnt werden und sie
sich von den vielen, die jämmerlich zugerichtet wieder
heimkommen, ein Exempel
nehmen könnten, ist es doch vergebens. Sie machen sich
dennoch heimlich davon.
Und oft genug, ehe sie sich recht umgesehen haben, überfällt
sie Krankheit, kommen sie
in Hand und Straf der Obrigkeit oder werden sonst, wenn sie
sich's am wenigsten
versehen, erschossen und totgeschlagen. Und wenn sie, um
solchem zuvorzukommen,
des Handels gewahr werden und aus der Falle heraus nach
Hause begehren, können sie
das ohne große Schand und Sorge um ihr Leben nicht erlangen;
denn sie sind mit Eiden
zu hoch verbunden.
Wer die Gefahr zu viel lieb hat,
der zürn nicht, wenn er drin vergaht.
Löwe und Mäuslein
Auf dem Rücken eines schlafenden Löwen ließ sich ein
Mäuslein gelüsten zu hüpfen und
auch sonst hin und wider zu spielen, bis der Löwe davon
erwachte. Er ertappte das
Mäuslein und hielt es in seinen Klauen. Das Mäuslein bat ihn
aber, seines Lebens zu
schonen; was geschehen sei, hätt das Mäusleins grober
Unverstand verursacht.
Wiewohl nun der Löwe ärgerlich war, daß ihm das Mäuslein an
seiner Ruh verhindert,
ließ er sich durch die flehliche Bitte bewegen und das
Mäuslein laufen.
Bald hernach, als er nach Raub ausgegangen und sich nicht
wohl vorgesehen, ward er
von einem versteckten Netz gefangen und umgarnet. Obiges
Mäuslein hört den Löwen
greulich brüllen, kam mit großer Eil gelaufen und, voriger
Guttat des Löwen eingedenk,
zernagte das Netz an so vielen Enden, daß der Löwe frei,
ledig und von der
Gefährlichkeit des Todes ward erlöst.
So groß sei niemand, daß er mein,
daß Kleine unbedeutend sein;
oft muß der Kleine springen ein.
Von eines Kamels Glück
und Unglück
Bei einem Löwen hatte sich ein Kamel, das sich verirret und
in diese Wildnis war
gekommen, in Dienst begeben. Dort wurde es seiner
Geschicklichkeit halber wohl
angesehen und vor allen anderen Tieren hochgehalten.
Derhalben es ihm hinwieder an
Mißgönnern und Neidern nicht mangelte. In Sonderheit waren
ihm des Königs Diener
heimlich entgegen, so ein Wolf, Fuchs und Rabe. Die
erdachten allerlei Ränke und
Schwänke, das Kamel zu unterdrücken. Als Grund ihrer
Feindschaft gaben sie an, es sei
von einer anderen Natur, es fräße nicht Fleisch wie sie,
sondern Kraut.
Ein jeder seh, daß er allzeit
Gemeinschaft jener Menschen meid,
die ihrem Sinn viel böser seind
denn er und ihm halb werden feind.
Darauf dies Gleichnis ist gemeint.
Nun begab es sich, daß der König in einem Kampf, den er mit
dem Elefanten ausfocht,
böse und schwer verwundet wurde. Da rieten ihm die Ärzte,
die Wolf, Fuchs und Rabe zu
ihm geschickt hatten, das Fleisch des Kamels zu essen; das
sei der guten Kräuter wegen
sehr gesund, die dieses Tier zu sich zu nehmen pflegt. Die
Sache brauchte sich, so
lautete der Rat weiter, damit auch nicht hinzuziehen, er
habe doch ein Kamel in seiner
Gewalt, dies sei gar sonderlich nutz und gut vor allen
anderen. Der Löwe stimmte
zögernd bei, erschrak aber dieses Rats nicht wenig. "Weil
ich," sagte er, "dem Kamel
mit eignen Worten zugesagt habe, daß es bei meiner Treu
aller Wohlfahrt gesichert sei,
ist dieser euer Rat mir sehr zuwider. Ich fürchte, daß
vielleicht meine Krankheit nicht
fortgenommen, sondern gemehret würde. Denn es ist in der
ganzen Welt – und in sonder
für einen König – keine größere Gerechtigkeit, als
Unschuldigen zu Hilfe zu kommen und
sorgen, daß ihr Blut nicht vergossen werde." So hatte der
Löwe große Bedenken.
Damit nun der Löwe nicht anders beredet würde, ja ihre
Verräterei gegen das Kamel
nicht ruchbar wurde, beratschlagten Wolf, Fuchs und Rabe,
also zu tun:
Sie gingen sämtlich zu dem Löwen, das Kamel mit ihnen,
unwissend ihres Vorsatzes zu
töten. Der Schwätzer Rabe hub also an zu reden: "Herr König,
jetzt seid ihr fast dem Tod
geweiht und bedenkt nicht, euch selbst zu helfen. Uns aber
gebühret, unsere eigne
Person hinzugeben, um der Treu und Barmherzigkeit willen, so
uns vom König ist
erzeiget. Denn von euch haben wir unser Leben und hoffen,
daß unsere Nachkommen
von euch leben werden; denn durch einen – des Königs – Leib
werden alle Leibe dieses
Hauses erlöset. Aber das ganze Geschlecht und alles Volk des
Königs wäre durch seinen Tod
verwaiset. Und deswegen, um eurer Gesundheit aufzuhelfen, will ich, daß
ihr mich esset."
Der Wolf sprach: "Schweig, ja schweig nur bald, sag, ich,
still! Dein Fleisch ist nicht gut,
und ungesund Fleisch wäre dem König nicht nütz und mehrete
die Krankheit. Du hast ein
ganz schwarzes Fleisch; mein Fleisch ist besser, der König
soll mich essen."
Darauf antwortete dem Wolf der Fuchs: "Dein Fleisch kann dem
König nimmermehr
gesund sein, nur wer sich gern bald schwächen will, der esse
dein Fleisch." Sprach der
Fuchs weiter: "Der König esse mich!" Das Kamel redete:
"Fuchs, was sagst du?
Dein Fleisch ist wäßrig und dein Leib voller Unreinigkeit."
Das einfältige Kamel wollte,
daß von der Tötung seiner Gesellen abgeredet werde. Es kam
ihm nicht in den Sinn,
daß solche Worte allein Hof-Wort und ihm selbst zu großem
Schaden gesprochen wären.
Es sagte der Unsinnigkeit halber: "Herr König, esset mich!
Ich will euch mit meinem
Fleisch dienen, das voll lustiger Speis, von gutem, reinem
Blut und gutem Fleisch ist,
durchwachsen mit Fett. Darum, Herr König, nehmet und esset
mich." Der Fuchs, samt
den anderen, antwortete: "Kamel, dein Geschlecht nach dir
soll billig vergolten werden,
daß du dich zur Aufgabe deines Leibs gegeben hast. Und, Herr
König, wer sich selbst
dargibt, an dem kann nicht gefrevelt werden." Zogen also,
auch ganz gegen des Königs
Willen, das Kamel zur Erden, gaben es dem König und sich
selbst zur Speise.
Was viel mißgönnen wider einen,
aus ihrem falschen Sinn vermeinen,
leicht spinnen groß sie's aus dem Kleinen.
Bedenk's, glaub ihnen nicht zu viel,
denn wenn ein Neidhart ist im Spiel,
erreicht er, was er haben will.
Eine treulose
Gesellschaft
Fuchs, Hase, Katz und Maus hatten eine unzertrennliche feste
Gesellschaft und ein Bündnis
zusammen geschworen, nicht voneinander zu weichen, sollte es
auch das Leben kosten.
Nun begab sich's einstmals, daß sie sämtlich zu einer
Kirchmess gehen wollten.
Der Fuchs sprach: "Ihr Eignungs- und Bundsverwandte, ich
spüre allhier frischen Hufschlag und
Getrappel, eine Jagd ist im Gange. Soll ich vorgehen und
euch warnen?"
Sie baten sämtlich, daß er keinen Fleiß sparen solle, sie
wollten treulich beieinander halten.
Gut, der Fuchs machte sich inzwischen aus dem Staub, ging
hin und soll heute noch wiederkommen.
Voll Angst und Schrecken sah die Gesellschaft fleißig aus
nach ihrem Kundschafter und
Führer, dem Fuchsen. Niemand ließ sich merken, daß all Eid
und Treu waren vergessen.
Jetzt sah man, wie kräftig ihr Bündnis: Die Katz wischte
eilends auf einen Baum,
die Maus in das nächste Mäusloch, so sie am Wege fand. Der
arme Bruder Lampe oder
Has stand wie Butter in der Sonne, von ihnen allen
verlassen, mußte seinen Vieren
zusprechen, lief mit Glück von dannen.
Beizeiten sollst du dich erkunden
der Leut, eh du dich hast verbunden.
Groß Zusag ist gar bald verschwunden.
Die geschwätzige
Schildkröte
In einem Wald, in der Nähe eines Brunnens, wohnten zwei
Vögel und eine Schildkröte,
welche sich in Gesellschaft zusammen verbunden hatten. Nach
langer Zeit kam ein
dürrer Sommer, in dem viele Brunnen vertrockneten, auch der
in jenem Walde.
Der großen Dürre wegen wurden die Vögel zu Rat, sich an
einen anderen Ort zu tun, da
kein Mangel an Wasser war. So gingen sie zur Schildkröte, um
von ihr Urlaub zu nehmen,
und erzählten, was sie zur bevorstehenden Reise bewegt
hätte. Die Schildkröte sprach:
"Ihr Vögel werdet keine Not haben, da ihr anderen Orts genug
Wasser bekommen
könnt. Mich Arme aber, die gar nicht ohne Wasser leben kann,
wird es am härtesten
betreffen; darum findet einen Weg, wie ihr mich mit euch
nehmt."
Die Vögel waren zufrieden, versprachen, soviel an ihnen
läge, sich nichts verdrießen zu
lassen, und machten zur Bedingung, daß die Schildkröte mit
niemanden rede, dieweil sie
durch die Luft geführet würde. Dieses, sagt' sie, wär ihr
leicht zu halten. Darauf gaben
sie ihr ein kleines Hölzlein in den Mund. Der eine Vogel
nahm dasselbige bei dem einen
und sein Gesell es bei dem andern End. Also führeten sie die
Schildkröte zwischen sich daher.
Dieses Auszuges wurden andere Schildkröten gewahr, die
schrieen und sprachen: "Sehet
und schaut Wunder, da fleucht eine Schildkröte durch die
Lüfte zwischen zwei Vögeln."
Als solches die Schildkröte hörte, gab sie zur Antwort: "Ich
fliege halt allhier, und wenn
euch's verdrießt, tu ich's doch." Und als sie also redete
entging ihr das Hölzlein aus ihren
Zähnen; sie fiel herunter auf die Erde und starb.
Ein Narr ist der, der nichts versteht
und dennoch über alles redet.
Noch närrischer jedoch ist der,
der sich an solch Geplärre kehr,
auch der, der alte Pferde kauft,
der sich mit einem Kahlen rauft
und der, der mit den Dummen streitet:
Der wird zu seinem Schad verleitet.
Von drei Hirschen
Drei große, gewaltige, gehörnte Hirsche standen in einem
Gesträuch. Deren einer war
beherzt und mannhaft, der andere weise und listig, der
dritte aber langsam und
verdrossen. Da nun die Weidleut und Jäger, die ihnen
nachgespürt hatten, ankamen,
sie umstellten und fangen wollten, erkannte der erste
mannhafte Hirsch wohl,
was daraus werden sollte. Darum faßt er ein Herz und Mut,
sprang mit einem starken
Lauf zwischen die Jäger hin und kam davon. Der weise und
listige fing an, jämmerlich auf
drei Beinen zu hinken, hielt seinen Vorderfuß hoch auf, als
sei derselbe ihm sehr
schadhaft. So hinkte er fort, fiel bald nieder. lag eine
Weile, tat, als ob er aufstehen
wollte und doch nicht könnte. Das trieb er so lange, bis sie
ihn für ein geschädigt
Lahmtier hielten, dessen sie sicher seien. In solcher Weise
und nach plötzlicher Flucht
kam er endlich unbeschädigt davon. Der dritte aber wollte
diesen zweien zusehen, wie es
mit ihnen würde, vergaß eigne Gefahr und ward gefangen.
In groß Gefahr und Unglücksfällen
ist's best, sich stark und männlich stellen.
Wem aber es an Stärke gebrist,
der, rät man, brauche seine List.
Doch schwacher Sinn, wie man so sagt,
irrig und wirrig, ganz verzagt,
der wird zuletzt ins Garn gejagt.
Von der
Geilheit eines alten Vogels
Einem Vogelweib in India, namens Holkot, war der Mann
Alters, Krankheits rechter
Wartung Mangel halber Tods verschieden. Die Frau gesellte
sich an den einen heute,
an einen anderen morgen, doch jeder war ihrer bald
überdrüssig und tat ihrer
Gemeinschaft Abkündigung. Weil sie allenthalben verschmähet,
saß sie traurig auf einem
Baum und bedachte, wie ihr Schicksal zu ändern wäre; denn
sie war nun nicht mehr der
Jüngsten eine. Unterdes kam ein Fuchs unter diesen Baum, der
von allen Händeln des
Vogels Kunde hatte, grüßte freundlich und sagte: "Schwester,
ich komme zu dir als
glückhafter Bote, dir Angenehmes und Heilsames zu verkünden.
Nämlich dieses: Es lebt
allhier nicht weit ein Vogel, schön, jung, kräftig von Leib,
der eine reiche, fruchtbare
Gegend in Besitz hat. Der begehret deiner ehelichen
Beiwohnung. Er will mit dir selbst
darüber reden und bittet dich, daß du dort und dort bei ihm
erscheinest."
Damit benannte der Fuchs einen Ort an einem Felsen, an dem
er selber sein Lager hatte.
Die neue Braut, welche diese Botschaft nicht wenig erfreute,
war willig und besuchte kurz
darauf und mit Freuden den ausgemachten Ort. Der Fuchs und
sein Weib aber nahmen
dort zu beiden Seiten ihrer acht, wenn sie käme, und
sprangen dann auf sie ein. Der eine
faßte sie beim Hals, der andere beim Leib, so rissen sie sie
nieder und fraßen sie.
Also ward dem alten Weibe der Kitzel gebüßt.
Es wird die Lieb sein eng und schmal,
die dir erweist ein falsch Gemahl.
Doch kommt ein Zeit, die es bezahl.
Von einer Laus
und einem Floh
Man sagt, es habe sich bei einem sehr dicken und feisten
Prälaten in seinen Kleidern eine
Laus gehalten und seines Blutes viel gesogen, ohne das er es
gemerket hätte. Die Laus
wanderte auch mit in sein Bett. Auf ein Zeit kam in der
Nacht ein Floh, ein mutwilliger,
frecher Bruder, grüßet' die Laus und wollt wieder fort. Die
Laus sprach: "Bleib hier bei
mir, sei heut Nacht mein Gast, du sollst es so gut haben wie
ich in diesem weichen Bett."
Der Floh tat also. Und dieweil er sehr hungrig war und
meinete, der Herr wär fest
entschlafen, tummelte er sich und fing an, fest zuzubeißen.
Schließlich wurde ein Licht
gebracht, um im Bett zu suchen. Der Floh, der das sah,
sprang davon. Die Laus aber,
dick und voll, blieb sitzen und ward getötet. Dies Unglück
hatte sie sich selbst gefördert.
So ist es: Wer zu rühmen trach't,
was vielfach Nutzen ihm gebracht,
bricht sich den Hals, so das es kracht.
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Quelle:
Das große Buch der Fabeln/Hrsg. ©Hans-Jörg Uther/©2003 by Knaur Verlag
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