Der Löwe, der Affe und das Schwein
König Löwe rief die untergebnen Tiere vor seinen Thron, und
sagte: Macht mir
Vorschläge zum Nutzen und Wohlstande des Tierreiches.
Gleich kam der Affe mit einem Vorschlage aufgezogen. König!
befiehl, daß jedes Tier
hinfür mit seiner Pfote esse. Es läßt gut. Ich habe es bei
den Menschen gesehen.
Der Vorschlag fand Beifall. Viele Tiere bequemen sich. Das
Schwein allein widersprach,
und sagte: Ihr Herren Affen! — Ihr wollet alles bei uns
einführen, was ihr anderswo
sehet. — Denket doch!— wenn ihr Vorschläge machet, und Dinge
einführen wollet die
alle Tiere tun sollen, so überleget zuvor, ob es alle Tiere
tun können.
Der Natur des ganzen Schweinegeschlechtes ist euer Vorschlag
nicht angemessen.
Der Löwe, Momus und der Esel.
Der Löwe schrieb eine Tierphilosophie, und gab sie in den
Druck.
Momus las sie, und tadelte sie. Der Esel las sie auch, und
tadelte sie auch.
Der Löwe erfuhr es, und sagte: Wenn meine Schriften unter
den Menschen niemand
tadelt, als Momus, und unter den Tieren niemand, als der
Esel, so bin ich der
zufriedenste Autor von der Welt.
Das glänzende Johanniskäferchen
Ein Johanniskäferchen glänzte bei dunkler Nacht an der
Straße so helle, daß einige
Wanderer stehen blieben, und selbes bewunderten.
Nach Aufgang der Sonne glänzte das Käferchen noch immer, und
doch blieb kein
Wanderer mehr bewundernd stehen.
Schriftsteller dunkler Zeiten, habet ihr ein ähnlicheres
Bild von euch als dieses Käferchen?
Die Nachtigall
und der Sperling
Eine gefangene Nachtigall sang unermüdet in ihrem Käfige
fort. Und sie sang fast eben
so schön, als sie ehemals im Walde gesungen hatte.
Ein Sperling flog öfters vorbei, und hörte den lieblichen
Gesang. Wie ist es doch möglich,
fragte er sie endlich, daß du in deinem Gefängnis den so
einem schweren Schicksale
noch so munter, noch so schön singest?
Die Nachtigall antwortete: würde mir mein Schicksal
erträglicher sein, wenn ich nicht sänge?
Die Wespen und die
Bienen
(1)
Ein Schwarm Wespen saß in einem Meierhofe, und nährte sich
auf dem Aase eines Pferdes.
Ein Schwarm Bienen flog vorbei, und ließ sich auf der nahen
Flur nieder.
Ein aufmerksamer Philosoph sah beide mit betrachtendem Auge
an, und dachte sich:
Welch ein Unterschied! jene Tierchen nähren sich mit Kote;
diese mit gewähltem Saft
der Blumen.
Die Wespen und die
Bienen 2
(2)
Ein vorübergehender Statist sah eben dies, und dachte sich:
Welch ein Unterschied!
Jene Tierchen zehren nur, und schaden! Diese zehren zwar
auch; sie nähren aber auch
und nützen.
Fortsetzung dieser
Fabel
(3)
Bald darauf kommt der Hausvater und warf das Aas samt dem
Wespenschwarme aus
dem Meierhofe; die Bienen lockte er aber in die Körbe
zurück, die sie schon lange in
seinem Hause inne hatten.
Der Hausvater hat klug gehandelt, sagte der Philosoph. Dies
habe ich vorgesehen,
sagte der Statist.
Die Gegend der
Versemacher auf dem Parnaß
Nicht alle Gegenden von dem Parnaß sind von gleicher
Fruchtbarkeit. Nicht auf allen
Seiten wachsen Tulpen und Violen, auch Disteln zeigen sich
an der nordischen Gegend,
wo nur etliche Tropfen von der Aganippe über die steilen
Felsen herabtauen, und sich in
dem sandichten Boden bald wiederum verlieren.
Selten bekommen die Einwohner dieser Gegend etwas von der
reinen Quelle. Immer
sitzen sie in ihren hockrichten Höhlen, machen Verse und
reimen.
Endlich kam Alciphron ein Poet, der nur Gedanken, nur
Sachen; nicht bloß Reime und
Verse sang.
Wie abgeschmackt ist dieses Lied nicht! sagten sie. Wie . .
. klingt es? —
Alciphron hielt es für seine Pflicht, ihnen das Vorurteil zu
benehmen; Ich singe für das
Herz, sagte er, nicht für die Ohren.
Ach nein! widersetzten sie. Wie unangenehm fällt diese
Strophe! — Es tönen keine Reime
mehr — Weg weg — Wir können es nicht hören.
Kurz! Alciphron fand keinen Beifall, bis er in die obere
Gegend des Parnasses kam, —
in die Gegenden der Dichter.
Klopstock kam in gewisse Gegenden Deutschlandes, deren
Einwohnern er nicht gefiel.
Der
Hirtenknabe und die Nachtigall
Ein Hirtenknabe hörte lange dem lieblichen Gesange einer
Nachtigall zu. Du magst
singen, so lange du willst, sagte er endlich zu Philomele,
mir gefällt doch der Uhu besser.
So ungefähr urteilte unlängst einer meiner Nachbarn, dem
Sautel besser gefiel als Ovid;
und Stoppe besser als Lessing.
Hylax und Isegrim
zwei Wölfe
Ich bin lange nicht so diebisch, wie du, sagte Hylax zu dem
Isegrim. Ich raube nur
bisweilen. — und etwas weniges — Du aber —
Rücke mir nichts vor, antwortete Isegrim, wir sind doch
beide Wölfe.
Der Wolf und der Löwe
Ich führe doch einen Hundsnamen, sagte Wolf Hylax zu dem
Löwen.
Was nützt dir der Namen, antwortete der Löwe, wenn du doch
in der Tat nichts anders
als ein Wolf bist.
Das Buch und der Esel
Der Esel fand ein Buch, und weil er es nicht zu gebrauchen
wußte, so zerriß er es.
Je dummer ein Kritiker ist, desto kecker ist er.
Der Wolf im Prozesse
Wolf Hylax, jener berüchtigte Lämmerdieb, wurde doch endlich
vor Gerichte gezogen.
— Tausend Klagen kamen wider ihn vor. — Und was sagst du
hierzu, fragte ihn Richter Löwe.
"Es sind Lügen, lauter Lügen," antwortete Hylax. —
"So hast du also die Tage deines Lebens niemals ein Lamm
geraubt?" —
"Ich? — ein Lamm? — der ich der beste Freund der Lämmer
bin?" —
"So bist du also gänzlich unschuldig?"
"Ich weiß nicht einmal, was rauben heißt."
"Die unbilligen Kläger!" —
"Ja, die unbilligen Kläger!"
"Zwei Hunde haben dich aber gesehen, da du eben ein Lamm
zerrissest." —
"Zwei Hunde? — die Unverschämten! — die Lügner!" —
"Sie haben es aber gesehen!" —
"Ich werde es doch besser wissen, was ich getan, als was sie
gesehen haben."
"Sie würden es doch nicht sagen?" —
"Sie! meine Feinde! — was werden sie mir Gutes nachsagen?"
"So weißt du dich als gar nicht in diesem Stücke schuldig? —
"Bei meiner Ehre nicht, gerechter Richter! laß mir
Gerechtigkeit widerfahren."
Er leugnete, beteuerte, schwur, und — wurde entlassen.
Phidias und die Statue
Phidias schnitzte eine Statue aus Helfenhein. Welch ein
Meisterstück! rief Jedermann.
Ist es nicht ewig Schade, daß diese Statue nicht lebt?
Sie macht doch eine Figur, widersetzte Phidias, und nützt
der Welt geradeso viel als
manche lebendige Statue.
Die zwei Hunde
Bruder! sagte Hylax zu Mopsen, ich diene meinem Herrn recht
getreu. Ich liebe ihn so
sehr, daß ich nicht mehr tun könnte, als ich wirklich tu.
Dennoch schlägt er mich immer,
dennoch zankt er mich immer aus.
Wundere dich nicht, mein lieber Hylax, antwortete Mops. Es
sind manche Menschen
schon so geartet, daß sie gute Dienste mit Undank belohnen.
Der
Papagei und die jungen Philosophen
Unweit einem Saale, wo man eben eine philosophische
Disputation hielt, hing ein
Papagei, der immer lachte, so lange die Disputanten sich
heiser anschrien.
Zwei junge Philosophen fragten ihn endlich, warum lachest du
doch immer? Was gefällt
dir so? — Was verstehst du denn von allem dem, was du bei
diesem Streite gehört hast?
Soviel verstehe ich davon, antwortete der Papagei, als ihr
von jenen Distinktionen, die ihr
heute immer einander vorgeschrien habet.
Der Hund und die Schafe
Wir sind doch dem Menschen sehr angenehm, sagten die Schafe
untereinander. Unsere
Sanftmut gefällt ihm. Er führt uns auf die Weide. Er füttert
uns im Stalle. Er schützt uns
wider die Wölfe. Sogar euch Hunde stellet er uns zu unserer
Sicherheit.
Ihr irret euch, meine Schafe, sagte auf dies ihr Wächter
Hylax. Er sorget für euch nicht
wegen euch, sondern weil ihm euer Fleisch zur Speise, und
eure Wolle zur Kleidung dienet.
Die Stare
Die Stare verbanden sich zum Heile ihres Geschlechtes
niemals hinfür mehr einzeln,
sondern immer haufenweise zu fliegen.
Was nützte ihnen diese Verbindnis?
Ehemal kamen sie einzeln um, und nun erschlug man sie
haufenweise.
Viele Bündnisse unter den Menschen ziehen ein gleiches Ende
nach sich.
Der Bauer und die
Hirschkühe
Ein Bauer paßte lange mit einer Flinte auf eine Hirschkuh,
die ihm den meisten Schaden
auf seinem Acker machte.
Die Hirschkuh kam. Sie wurde aber des Schützens gewahr, und
entlief in den nächsten
Wald. Kaum als sie den Schützen aus den Augen verlor, setzte
sie sich ganz sorglos unter
einem Baume nieder, und dachte sich: Der Schütz sieht mich
nicht mehr, weil ich ihn
nicht mehr sehe.
So dachte sie, und wurde von dem nachschleichenden Bauer
erschossen.
Die Strafe folget dem Missetäter auf dem Fuße nach, und da
er es am mindesten
vermutet, ergreift sie ihn.
Der Spottvogel
und die Nachteule
Der Spottvogel fragte die Nachteule: Warum bleibst du doch
immer in deiner einsamen
Baumhöhle sitzen? — Warum kommst nicht auch in unsere
Zusammenkünfte? — Weil du
nämlich ein so häßlicher Vogel bist? — nicht wahr?
Nicht darum, antwortete die Nachteule, sondern weil ich ein
Sinnbild der Gelehrtheit bin.
Der Bauer und der
Philosoph
Ein Bauer und ein Philosoph kamen von den Hochgewittern zu
Rede.
Der brummende Donner macht mir die Ungewitter so
schrecklich, sagte der Bauer.
Den Blitz fürchte ich nicht. Und ich fürchte den Blitz,
sagte der Philosoph, und lachte.
Jeder Mensch urteilet nach seinen Einsichten.
Das Schwein und die
Ente
Ist es denn wahr, sagte das Schwein zu der Ente, ist es
wahr, daß alle Enten so läppisch
schnattern, und so gerne vom Kote sich nähren, wie du?
Ist es dann wahr, erwiderte die Ente, daß alle Schweine so
abscheulich grunzen, und so
gerne im Kote sich wälzen, wie du?
Natürliche Mängel hat kein Geschlecht dem andern
vorzurücken.
Der Pfau und die Henne
Der prahlerische Pfau ging stolz im Gartenhofe auf und ab,
und sah die herumliegenden
Hennen über die quere an. Meine Federn sind doch recht
schöne, — ja recht schöne sind
sie, dachte er sich, und er dachte es so laut, daß es auch
die Hennen merkten.
Eine alte Henne sagte darauf zum Pfaue: wahr ist's, deine
Federn sind schöne; noch
schöner aber würden sie uns vorkommen, wenn du deinen Stolz
darüber nicht so sehr
merken ließest.
Ihr Herren Autoren! noch so schön sind eure Schriften, wenn
man keinen Pfauenstolz
an euch wahrnimmt.
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