Das Bologneserhündchen und der Hofhund
Hardi, ein Bologneserhündchen,
Der, wenn sein Herr zu Mittag aß,
Auf silberreicher Tafel saß,
Und Leckerbissen für sein Mündchen
Aus einer Dame Händen aß,
Sah neulich nach dem Mittagsessen
Den Hofhund, welchen man vergessen,
(Und, weil er Hofhund war, sehr oft vergaß)
Wie er mit saurem Sprung ein Stückchen Brot erhascht.
O! rief Hardi, um so was mich zu plagen,
Das wäre was für mich! — Du hast dich satt genascht,
Erwiderte der Hofhund, hast gut sagen:
Meinst du, ich spring aus Übermut und Spaß?
Du predigst Hungrigen mit vollem Magen.
Herr Moralist, bemerken Sie sich das!
Der Tiger und der Fuchs
(Nach dem Französischen des Herrn Abt Lemmonier.)
Sieh da! kommst du schon wieder an,
Freund Fuchs, hast du das Deinige getan,
Um deinen Auftrag auszurichten?
Wie stehts? Was spricht der Untertan
Von mir? Sie kennen freilich ihre Pflichten,
Doch schwindelt oft ihr Kopf von Wahn.
Sag, kann ich mich auf sie verlassen?
Weißt du, ob sie mich lieben oder hassen?
Wie? hassen? großer König, wie?
Nein, jeder liebt, bewundert Sie.
Man rühmet Ihre milde Güte,
Die Ihnen jedes Herz verband,
Den großen Geist, den mächtigen Verstand,
Und die Gerechtigkeit mit dankbarem Gemüte.
Wir, sprechen sie entzückt, wir alle sind bereit,
Selbst unser Leben herzugeben,
Verlängert nur dafür der Parzen Hand sein Leben.
Kurz, sollt' ich ihre Zärtlichkeit
Für Ihro Majestät der Länge nach erzählen,
So würden Zeit und Worte fehln.
So viel, indes, ist ganz gewiß,
Ihr Ruhm schwebt auf des ganzeii Volkes Zunge.
Die aber, derenn zarte Junge
Mit meinen Klauen ich zerriß? —
Die schätzen sich beglückt, für ihres Königs Magen
Zur Labung etwas beizutragen.
So sind sie ihrer Pflicht denn treu?
Das ist mir angenehm zu hören:
Ich wollte sie auch sonst das Gegenteil schon lehren:
Allein, wenn gute Freunde, zwei und zwei,
Beisammen sind, ob sie mich dann noch ehren?
Ich glaub es, großer König, wohl,
Allein sie reden ehrfurchtsvoll
So leise, daß man nichts kann hören.
Der Pfau und die Ente
Es hatte vormals Dame Pfau,
Die langgeschweifte gnäd'ge Frau,
Ein Kammermädchen, Jungfer Ente,
Das sie sehr wert hielt, alles ihr vergönnte,
Bloß aus der Ursach, weil es ihr,
Zur Nahrung ihrer Schmähbegier,
So manche neue Zeitung brachte —
Wenn Dame Pfau sich putzen ließ,
Dann ging ihr Entenkopf, sie schwatzte, klatschte, pries
Der Dame Reiz und Tugend, machte
Kritiken über die und den.
Zum Beispiel: "Haushahn Hennig tue schön
Mit Nachbars stumpfgeschwänzter Henne." —
"Das dumme stolze Perlhuhn sei
Dem guten Ehmann ungetreu." —
"Ihr Fräulein, Nichte Pfau, vermisse
Die schönste Feder — Ja, man wisse,
Wer sie am Sonntag kurz vor Nacht
Um diesen schönen Schmuck gebracht," —
"Ihr Herr Gemahl sei, wie sie glaube,
Ein viel zu warmer Freund von einer weißen Taube,
Zum wenigsten, so dünk' es sie, beschütze
Er sie mit fast zu vieler Hitze.
Wenn Sperlinge, wenn Hühner kämen
Und hie und da ein Korn von ihrem Futter nähmen.
Nun, freilich sollte das nicht sein,
Indessen wäre doch der Diebstahl gar zu klein,
Der Herr Gemahl zu vornehm, das Verbrechen,
Den Tauben zu Gefallen, zu rächen." —
"Der junge Hahn Kütü hab' heute viel zu spät,
Weil er am Tag vorher geschwärmt, gekräht." —
"Der eigensinnge Puterhahn
Hat neulich seine Frau recht arg gebissen,
Und hart bestraft; je nu, man wolle wissen,
Es war aus Eifersucht geschehn,
Weil er mit dem Kapaun sie schäkern gesehn;
Und der sei kein Kapaun, sei wohl ein rechter Hahn —
Vielleicht vermögender, als jener träge Mann."
So So fuhr sie immer plaudernd fort,
Und war bemüht, von allen Liebesgeschichten
Ausführlich und vergrößernd zu berichten,
Und Dame Pfau verschlang getreulich jedes Wort.
Das mußte dann mit Pochen, Keifen, Schelten
Der gute Herr Gemahl entgelten,
"Ei, ei, Madam!" sprach der, "ei, ei,
Sie hören auch nach jeder Klatscherei." —
"Das weiß ich nun", sprach sie, "die Leute lieb' ich eben,
Die mir von solchen Dingen Nachricht geben;
Daraus erkenn ich ihre Treu.
Wenn diese Klätscher sind, so will ich Klätscher haben."
Bald aber äußerten der Jungfer Ente Gaben,
Den guten Leumund anderer zu untergraben,
Zum Nachteil ihrer Dame sich,
Sie, die sie einstmals unbemerkt beschlich,
Wie sie bei einer Elster stand und schwatzte,
(Ein Wunder war's, daß sie vor Zorn nicht platzte)
Vemahm mit eignen Ohren dies Elogium:
"Ach! meine Gnädige ist schrecklich stolz und dumm,
Sie dünkt sich schön zu sein, und, lieber Himmel!
Was das für Füße sind! Auch treibet sie
In ihrem Alter noch Koketterie.
Ihr Herr Gemahl, der große Lümmel,
Ist viel zu fromm — Ich sollte
Dein Gatte sein, weiß wohl, wie ich dich striegeln wollte."
Dies alles und noch mehr hört Dame Pfau
Mit äußerstem Verdruß genau,
Und läuft zum Herrn Gemahl, klagt diesem ihren Gram.
Der spricht gelassen: "Sehen Sie, Madam,
Die Zunge, die ich andre lästern höre,
Ist eben so bereit zu Schmähung meiner Ehre.
Früh oder spät trifft diese Wahrheit ein.
O! lassen Sie, Madam, sich solches Warnung sein."
Das Johanniswürmchen
In einer warmen Sommernacht,
Die Taugewölke dunkel macht,
Fliegt ein Johanniswürmchen zwischen Hecken
Von wilden Rosen, stolz auf seine Pracht,
Läßt fern durch seinen Schimmer sich entdecken.
Wie göttlich schön bin ich! so spricht
Es in sich selbst, o welch ein helles Licht,
Das mit dem Glanz der Sterne streitet,
Ist um mich her durch mich verbreitet!
Mir gleicht im weiten Reiche der Natur
An Reizen keine Kreatur.
So spricht es, als die Nachtigall
(Die bei der süßen Lieder Schall,
Bei ihren sanften mitleidsvollen Tönen,
Gleich vielen unsrer heut'gen Schönen,
Ein bißchen grausam ist) das glänzende Insekt
Im dichten Gebüsch entdeckt.
Gleich hascht sie es und frißt's, die gier'ge Sängerin —
Und Leben, Stolz und Glanz ist hin.
* * *
Kommt Hochmut, wie man spricht, nicht immer
Kurz vor dem Fall? Wer dies vergißt,
Empfindet, wie der eitlen Ehre Schimmer
Oft seines Unglücks Ursach' ist.
Die drei Hunde
Vor seines Herren Hofe bellt
Ein Hündchen, das sich grimmig stellt,
Und schrecklich zankt, so oft jemand,
Er sei bekannt, sei unbekannt,
Vorbei geht — weiß nicht, ob aus Treu,
Aus Mißgunst oder Prahlerei
Der kleine Hund so wachsam ist.
Dies hört der Hunde Renommist,
Ein starker untersetzter Hund,
Halb Spitz, halb Pudel, zottig, rund,
Den alle Hund' im Dorfe scheun:
"Du Kläffer", fängt der an zu schrein,
"Halt endlich mal mit Bellen ein.
Du machst uns da so viel Geplärr
Und bist ein Narr, gleich wie dein Herr."
— Beschimpfe meinen Herrn mir nicht —
Versetzt das Hündchen — "armer Wicht",
Erwidert jener", willst du mir
Noch widersprechen? Dummes Tier,
Ich will dich Mores lehren" — Stracks
Ergreifet er den kleinen Dachs,
Und zaust und beißt ihn dergestalt,
Daß er erbärmlich schreit: Gewalt!
Zum Glück kommt da von ungefähr
Des Fürsten großer Hatzhund her,
Des Seit' ein Wolfesangel ziert,
Und der ein stolzes Halsband führt.
Dem klagt das Hündchen seine Not;
Der Pudel kriegt ein scharf Gebot
Und wie er tollkühn dem Mandat
Nicht gleich gehorchen will, so hat
Der Hatzhund ihn beim krausen Fell
Und beißt und straft ihn auf der Stell'.
* * *
In einem alten titellosen Buche
Find' ich, da ich Papier zu Papillioten suche,
Dies Märchen. Die Moral steht nicht dabei.
Daß auch ein Starker seinen Meister finde,
Der Satz ist wahr, obgleich nicht neu.
Auch sieht man, daß es im Ganzen
Mit denen drein gewöhnlichen Instanzen
Zum Beispiel, Unterrichtet, Kanzelei
Und höchstem Tribunal, so schlimm nicht sei.
Der Kiebitz und der
Kater
Ein wilder Kater schleicht kurz vor der Nacht
Ins Feld, auf Beut' und Raub bedacht.
Ein Kiebitz, der mit elterlicher Zärtlichkeit
Ob seinen Jungen wacht,
Vernimmt ihn, flattert auf und schreit,
Und winselt, wie er sich dem Orte naht,
Wo er sein Nest, recht gut verborgen, hat.
Er rauscht um ihn herum, in Kreisen,
Und selber ihm sein Nest zu weisen,
Macht er durch sein Geschrei den Kater aufmerksam,
Der seinen Weg wohl nicht dahin genommen hätte,
Jetzt aber zu den armen Jungen kam,
Und sie aus ihrem warmen Bette
Mit räuberischer Klaue nahm.
Er trieb sogar noch mit dem Kiebitz sein Gespötte,
Daß er so schon ihn angewiesen hätte.
* * *
Der Kiebitz hat viel seines Gleichen,
Zum Beispiel euch, ihr unruhvollen Reichen,
Die ihr um euren Schatz, um den ihr ängstlich wacht,
Den Räuber selber lüstern macht.
Auch euch, ihr ehrenfesten Schönen,
Bereit, stets andre zu verhöhnen,
Die etwas Freiheit, doch zugleich
Mehr wahre Tugend ziert, als euch,
Die ihr, besorgt um eure Ehre,
Jedweden Umgang schüchtern flieht,
Als wenn gleich jeder, der euch sieht,
Ein Räuber eurer Unschuld wäre,
Und selbst dadurch Verfolgung auf euch zieht.
Auch euch, ihr keimende Skribenten,
Die ihr der Zunft der Rezensenten,
Die sich sonst nicht um euch bemüht,
Mit Drohen und mit Komplimenten
Selbst eure Schwache kenntlich macht,
Für eure Hirngeburt nur gar zu ängstlich wacht
Und die Kritik verdient, die eurer Fehler lacht.
Der Hecht und der Fuchs
Mit unumschränkter Macht, Despoten gleich,
Regiert' in einem wohlbesetzten Teich
Ein zwanzigpfündger Hecht, und fraß das Karpfenlaich
Zum Überfluß. Doch endlich ließ ob seinem Naschen,
Der Wütrich von den Fischern sich erhaschen,
Wie man leicht denken kann, nicht gern;
Er schlug und sträubte sich vergeblich, diese
Erklärten ihn für eine gute Prise
Für sich, nicht für des Teiches Herrn,
Und trugen ihn zum nahen Walde hin,
Wo sie aus Vorsicht ihn
In Busch und Laub verstecken.
Hier lag und zappelt' er. Ein junger Fuchs
War so geschickt, ihn zu entdecken:
Fing an um ihn herum zu lecken.
Das möcht ich wissen, wie das Ding wohl schmecken
Mag, spricht er bei sich, krieget Appetit und flugs
Macht er auf unsern Fremdling Jagd,
Fällt dreist ihn an, doch nimmt sich nicht in Acht,
Und laßt den einen Lauf ins Hechtes Rachen stecken.
Wie sieht, wie winselt er, wie siucht er alle Pest
Auf unsern Hecht! der aber hielt ihn fest.
Ein Jäger kam drauf zu und freute
Sich über die gedoppelt reiche Beute,
Unwissend, wie der Hecht in seine Wildbahn kam.
Er tötete den Fuchs und nahm
Zu einem fetten unverhofften Schmause
Den Hecht mit sich nach Hause.
* * *
Ihr Kritikaster, Splitterrichter
In unberufnem Spott geübt,
Ihr mutigen Satyrendichter,
Die ihr Persönlichkeiten liebt,
Könnt ihr der Lust nicht widerstehen,
Auf andre, ungereizt, zu schmähen,
So rat' ich, wenigstens euch vorzusehen,
Ob euer Gegner auch ein Hecht
Mit scharfen Zähnen ist, der sich empfindlich rächt,
Des Stärk' und Rückhalt ihr nicht eingesehen,
Der dann, wenn ihr vergeblich euch bemüht,
Mit blauem Aug' ihm zu entgehen,
Noch einen Mächtigern in eure Fehde zieht.
Der unglückliche Fuchs
Ein superkluger Fuchs, schlau als ein Rabulist,
Der hinter den capollianischen Cautelen
Auf eine Zeit lang sicher ist,
Ward endlich, bei Durchstechung aller Höhlen
Des Baues, ungeachtet seiner List,
In einem Sack gefangen, weggeführet,
Ein Vorderlauf ihm untern Leib geschnüret,
Ein Maulkorb angelegt und so sollt er,
Ganz ungeschickt zur Gegenwehr,
In einem Garten, Herrn und Damen zu vergnügen,
Mit einer Kuppel rascher Hunde kriegen —
(Wie denn der Mensch, auch noch zu unsrer Zeit,
So reich an wörtlicher Empfindsamkeit,
Grausame, blutige Spektakel liebet,
Vom Knaben an, der Frösch' und Käfer spießt,
Unschuldger Vögel Mörder ist,
Bis an den Herrn, der die Parforcejagd übet.
Doch dies nur in Parenthesi — Es ist
Nicht die Moral, die aus der Fabel fließt)
Der Fuchs also ist im verschloßnen Garten,
Wo alle schon auf seine Capriolen warten.
Itzt kommt er aus dem Sack' und siehet um sich her,
Und untersucht den Raum des Gartens, kreuz und quer,
Wie er gewünschet, hat die Mauer ungefähr
Ein Loch, das er sich ausersehen —
Zwar mußte da ein Mann mit einer Peitsche stehen,
Ihn abzuwehren. Aber er
Hält gern zween Streiche aus. Wer täte das nicht noch!
Und schlüpfet hurtig durch das Loch.
Umsonst spürt ihm den halben Tag
Der Jäger mit den Hunden nach.
Der Fuchs verlachet ihre Mühe,
Ist übermütig stolz auf seine List
Und denket nicht daran, daß er vergeblich fliehe,
Und daß ein Tod, der noch grausamer ist,
Als der ihm zugedachte dort im Garten,
Langsamer Tod ihn werd' erwarten.
Denn da ein Lauf ihm angeschnüret ist,
Der Maulkorb ihm den Mund verschließt,
Ist er nicht fähig mehr, sich Nahrung zu erwerben,
Und muß ohn Rettung Hungers sterben.
* * *
Was wäre dann nun die Moral?
Nur dieses: daß, wenn wir Gefahr entgangen,
Wir nicht voll Übermut mit unsrer Klugheit prangen;
Denn leider! wartet manchmal
Auf uns noch größere, als die, der wir entgangen.
Der Sperling und
der Tauber
Einst, wie vom Horizont der Tag
Gemächlich anfing sich zu neigen,
Da kamen auf bemoostem Dach,
Umschattet von des Birnbaums Zweigen,
Der leichte Sperling und der fromme Tauber
Zusammen, beid' ohn' ihre Weiber.
Der letzte seufzte kläglich, sprach:
Ach! meine liebe Gattin, ach!
Wo bleibst du doch so lange?
Ich fürchte, du hast dich verirrt;
Wenn nur kein Falscher dich verführet! —
Was ist mit doch so bange,
Daß dich ein Flintenschuß — vielleicht
Des Habichts scharft Klau' erreicht —
O komm doch endlich wieder!
So klagt' er, sträubte sein Gefieder
Und blickte trüb vom Dache nieder.
Dir Sperling sah' ihn spöttisch an,
Und lächelnd sprach er: Armer Mann,
Verdienst wohl, daß ich dich beklage!
Wenn dich, was Zukunft dir verhüllt,
So sehr mit banger Furcht erfüllt,
So wirst du deine Lebenstage
Nie froh, in steter Unruh sein!
Fi! sollt' ich so mich quälen? Nein,
Da bin ich klüger — Scherz und Freude
Und täglich neue Augenweide —
Bald dies, bald jenes kleine Weib
Dient mir zum frohen Zeitvertreib.
Daß flatterhafte Liebe dich
Vergnügt, versetzt der Mann der Taube,
Kann sein, doch, guter Sperling, glaube,
Ein einzigs Stündchen, welches ich
Nach langem Kummer einst genieße,
Geweiht durch meiner Gattin Küsse,
Muß alles rauschende Vergnügen,
Das deiner Lüsternheit behagt,
Unendlich überwiegen.
Der Tauber hat wohl wahr gesagt —
Das Zebra und der
Pavian
Das schöne afrikanische Tier (wir nennen
Es Zebra), das uns überzeugt,
Daß Esel reizend sein, vielleicht
Der Tiere Stutzer heißen können —
(Ich rede nur von dieser Art allein,
Und Sancho's Schimmel wird es mir verzeihn;
Er braucht darum nicht stolz zu sein;
Mein Lob trifft sein Geschlecht nicht allgemein)
Ein solcher schöner Esel ward
In Afrika gefangen, wohl verwahrt,
An ein holländisch Schiff gebracht — O weh!
Wie spängte sich das Tier, sprang in die Höh,
Schlug aus und stellte sich so ungebärdig an,
Daß alle, die es sahn,
Den Tod ihm prophezeiten.
Den Unfug sah ein Pavian,
Der ebenfalls gefangen war, von weiten
Mit höllischem Gelächter an:
"Ey! Herr Kam'rad, was soll
Draus werden? Ist er rasend toll?
Verschon' er seine Füß und sein Genicke.
Ein Weiser trägt geduldig sein Geschicke;
Gewalt hilft nichts — Herr, geb er sich darein!
Bedenk' er, dies vermeinte Mißgeschicke
Kann noch sein Glück auf Erden sein —
Man wird ihn nach Europa bringen —
Da wird man ein so schönes Tier
Fast mit den Augen, wie man sagt, verschlingen.
Und wird er da verkauft, so glaub' er mir,
Kommt er in eines Königs Menagerie;
Hier fehlet es an Futter nie.
Und stirbt er endlich, so wird seine Haut
Ins Kabinett gebracht, da ausgestopft beschaut,
Und noch nach mehr als hundert Jahren
Wird man erfahren,
Was für ein schönes Tier er war."
Lord Zebra brummt: "Ich dachte gar!
Hans Narr! den Ruhm laß ich dir über;
Ein Tag in meiner Freiheit ist fürwahr
Mir reizender und lieber,
Als bei der Nachwelt hundert Jahr."
Der Affe, als
Schauspieler
In einem alten Büchlein, das
Zu Pfeffertüten bestimmt war, las
Ich eine drolliche Mähr: Es ward ein Pavian
(So lautet die Geschicht) einst Directeur
Von einer Truppe tierischer Komödianten,
Die sich nach ihm die paviansche nannten,
Und jede Aktrice und jeder Akteur
Erhielt die Rolle, die für sie und ihn
Am angemessensten schien.
So, zum Exempel, machte der Kater
Den glatten Heuchler; der schlaue Luchs
Den eifersüchtigen Gatten, auch den mißtrauischen Vater;
Den falschen Höfling spielte der Fuchs;
Der Hund den Geizigen; des Dummen Rolle traf
Den Esel, den Hamster, das Schwein und Schaf;
Das Eichhörnchen machte Grimassen und neckte
Den ernsthaften Dachs, der lag und heckte
In seiner Einsamkeit Projekte;
Der Goldfasan oder der prächtige Pfau
Bekam die Rolle der gnädigen Frau,
Und ihre Kammermädchen waren
Die schwatzhaften Enten und Elstern, auch Papageien und
Staren.
Und wenn ein Trauerspiel gegeben, ward,
So spielten Löw, Hyän' und Tiger,
Wolf, Panther, Leopard
Sultane, Könige, Fürsten und Krieger.
Das ging vorerst mit vielem Glück.
Die Logen waren voll, bis zum Gedränge.
Beklatschet wurde jedes Stück
Und brachte Geld die Menge.
Herr Pavian ward stolz genug,
Itzt einen höhern Flug
Zu wagen, und mit beißender Satyre
(Da braucht er Stachelschwein' und Igel und solche Tiere)
Den Stücken, die er spielte, mehrers Leben,
Abwechslung und Persönlichkeit zu geben.
Die schärfste Spötterei
Ward laut bewundert und belacht,
Und niemand hatte je daran gedacht,
Daß er getroffen sei —
Parterre und Logen waren für die Menge
Des Volkes itzt jeden Abend zu enge,
Und mußten bald erweitert sein,
Und unser Dlrecteur strich artge Summen ein.
Doch nun ward er zu tollkühn und zu frei.
Er wagte sich mit seiner Spötterei
Gar an die Clerisey.
Es kam ein schwarzer Bär, und ein Paar schwarze Ochsen
Auf das Theater, spielten im Ornat
Intolerante Orthodoxen —
Der Bösewicht! — Dies war genug,
Des Bannstrahls unlöschbaren Fluch
Auf ihn zu richten — tief von seiner Höh
Fiel er herab in ein Auto da Fe.
Durch fremdes Unglück wird man klug.
O! nehmt dies Beispiel wohl zu Herzen,
Ihr Dichter, ihr Schauspieler, wißt,
Mit dieser Art von Leuten ist
Gefährlich scherzen.
Doch, wollt ihr sie durchaus uns schildern,
So folget wenigstens meinem Rat,
Stellt sie uns dar in unbekannten Bildern,
Und niemals, niemals im Ornat;
Ists dieser nicht, der ihre Würde hat?
Die Ziffer und die Null
Nach dem Flanzösischen
Auf einem Täfelchen von Schiefer
Kam ungefähr zur Null die stolze Ziffer,
Und fuhr mit Heftigkeit sie an:
Du Unding sonder Wert, wozu magst du wohl taugen?
Du Nichts, das man allein nicht rechnen kann,
O schäme dich und geh' mir aus den Augen!
Die Null erwidert mit Gelassenheit:
Ich kenne meine Niedrigkeit
Und danke dir, daß du
Sie mir zum Überfluß erklärt:
Doch, stolze Ziffer, setzt man mich dir zu,
So mehr ich zehnfach deinen Wert.
Wer Lust hat, nehm aus dieser Lektion
Das Nötige für sich zur Applikation.
Das Krokodil und
die Eidechse
Den Wütrich dort am segenreichen Nil,
Ein lang gestrecktes Krokodil,
Traf einst auf dicht verwachsner Bahn
Die kleine grüne Eidechs' an.
Versteckt im Wasser, Schilf und Laub
Lag jenes, lauerte ganz still auf seinen Raub,
Es mochte nun ein Schaf, ein Rind,
Vielleicht auch ein verirrtes Kind
Sich dem unsichern Ufer nahn,
So war's ein Leichtes, es zu fahn.
"Herr Vetter," fing die Eidechs' an,
"Herr Vetter, weiß er was? ich mache
Mit ihm gemeinschaftliche Sache,
Und was wir fangen, wollen wir
Freundschaftlich teilen." — Ich mit dir?
Erwidert's Krokodil, du wärst mit mir
Verwandt? Ei, alle Wetter!
Das wäre mir ein schöner Vetter.
"Ja, Herr Cousin, ja, frag er nur
Die weisen Lehrer der Natur;
Der Augenschein selbst überzeugt;
Bemerk er doch, wie sehr Gestalt und Form sich gleicht,
Ob gleich in kleinerer Figur.
Also, Cousin, die Größe nur." —
Nun ja, die Größe nur, und — dächt' ich —
Der Unterschied sei doch verteufelt mächtig!
Der erste Herr im Magistrat
Hammoniens ging einstmals in den Rat.
Ein unbekannter Kerl, der ihm den Weg vertrat,
Ward, wie sich's schickte, tätlich angewiesen,
Zu weichen; aber diesen
Verdroß das Ding, und unmutsvoll sprach er:
Ich bin noch wohl so gut, wie der,
Bin Bürgermeister eines Flecken,
Das, ist's gleich keine große Stadt,
Doch seinen Bürgermeister hat.
Den Unterschied möcht' ich entdecken!
Ich bin ein Kauf- und Handelsmann,
Ruft einer, der mit irdnen Töpfen, Becken,
Mit Schleif -und Feuersteinen und dergleichen,
Zu handeln pflegt, und kann
Sich kaum entschließen, jenem Mann,
Dem fetten Handelsherrn, zu weichen,
Der drei, vier Schiff' im Meer, Paläste in der Stadt,
Und Million in Banken hat.
Dort schreit ein feiler Gratulant,
Den noch die Musen nie erkannt.
Wir Dichter, Ich und Klopstock haben
Vor andern Sterblichen Verstand.
Uns beide schmücken gleiche Gaben,
Originalschenie — Doch still!
Genug von Eidechs' und von Krokodil!
Von Handelsleuten, und von Bürgermeistern,
Und endlich auch von schönen Geistern.
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