Die Stunden des Tages
Von des Tags Beschwerde,
Schlief unter Zeus getreuer Wacht
Der meiste Teil der müden Erde.
Da sprach Zeus zu der Mitternacht:
Geh aus! versammle mir die Stunden,
Die diesen Tag der Welt verschwunden!
Gekettet an die Ewigkeit,
Entrissen sich die Stunden ihrer Banden.
Zeus sprach; so waren sie vorhanden.
Gebt Rechenschaft, sprach er, ihr Töchter von der Zeit!
Der Tag wies euch der Welt, sie flüchtig zu durchstreichen.
Was habt ihr, in so vielen Reichen,
Die unter meinem Zepter stehn,
Vom Morgen bis zur Nacht gesehn?
Ich, Zeus, erwiderte die erste von den Stunden,
Fand noch die Welt von Schlaf und Traum gebunden.
Mir ward die Pause selbst zu lang,
Drum förderte ich meinen Gang.
Gut! sprach der Götter Haupt; wie steht es mit der andern?
Ich, Zeus! versetzte die, fand viele zwar erwacht;
Man tat bereits, als würde was vollbracht;
Man fing geschäftig an von Haus zu Haus zu wandern.
Doch eh' ich noch was tun gesehn,
Zwang mich die Schwester fortzugehn.
Ich, fing nunmehr die dritte an,
Fand schon die ganze Welt geschäftig,
Man schwitzte, keuchte, ächzte heftig.
Doch ob man nach mir was getan,
Wird dir die vierte Stunde sagen.
Zeus! fuhr nunmehr die vierte fort,
Du mußt die fünfte Stunde fragen;
Von Anstalt weiß ich viel zu sagen,
Doch von Verrichtungen kein Wort.
Die fünfte sprach: zu meinen Zeiten,
O Jupiter, da wirbelt' es von Leuten;
Da sah ich richten, schlichten, streiten.
Doch ob man etwas ausgericht't,
Mein Vater, weiß ich weiter nicht.
Ihr Nachbar sprach: Ich sah sie speisen.
Die folgende: Sie hielten Mittagsruh'.
Die nach ihr kam: Auf meinen Reisen
Sah ich den Lombrespielen zu.
Die Stunden, so noch übrig waren,
Die fingen miteinander an:
Zu unsrer Zeit ward nichts getan.
Wohlan! sprach Jupiter; die Erde soll erfahren,
Daß Jupiter die schärfsten Strafen wählt.
Zieht mit dem Morgen aus, und werdet dem zu Jahren,
Dem, zum Gebrauch der Stunden, Weisheit fehlt.
Die Stadtmaus
und die Feldmaus
Einst lud mit vielen Komplimenten
Auf Ortolans und wilde Enten
Und hundert andre Leckerein
Die Stadtmaus eine Feldmaus ein.
Ein Teppich von durchwirkter Seide
Trug stolz ein silbernes Service,
Wo, bei der unbezahlten Freude,
Sich's Wirt und Fremdling schmecken ließ.
Nichts war am Tractament vergessen,
Was nach der Mode sich gehört,
Als schnell ein Lärm, im besten Essen,
Die schmausende Gesellschaft stört.
Es rasselt, wie mit einem Schlüssel,
Was an der Türe zum Gemach.
Der Wirt springt über Tisch und Schüssel
Ins Loch, der Fremde hinten nach.
Der Lärm hört auf: mit vollem Sprunge
Macht sich die Kompanie hervor.
Da, spricht der Wirt, ist Rinderzunge!
Komm, Fremdling! leg dir wieder vor!
Ich danke! sprach der Kostverächter
Zum Städter; morgen komm zu mir.
Im Felde leben wir zwar schlechter,
Allein weit ruhiger als hier.
Der Reichstag der Mäuse
So grimmig wütete ein Kater in den Ratten,
Daß man fast keine einz'ge sah,
Selbst wenn sie einen Festtag hatten.
Wo Murner war, war Mord und Totschlag da.
Ihn hielt die Republik der Ratten ohne Zweifel
Für einen eingefleischten Teufel.
Zu gutem Glücke war der Märzmond nicht mehr weit;
Da ging der Kater auf die Freit.
Kaum hatte man das Glück erfahren,
So schrieb man einen Reichstag aus;
Dabei erschien die Ratte und die Maus,
So viel nur noch im Hause übrig waren.
Der älteste Landstand, eine Maus,
Hielt an die Stände eine Rede,
Verfluchte da die ungewisse Fehde,
Des Murners, und beschrieb die tägliche Gefahr,
Und tat zuletzt handgreiflich dar,
Es wäre sonst kein Mittel zu erfinden,
Als eine Schelle, wenn er schlief,
Dem Kater an den Schwanz zu binden,
Damit man hörte, wenn er lief.
Der Beifall jeder Maus durchscholl das weite Zimmer.
Gut ausgedacht war's wohl; allein um desto schlimmer
Lief nun die Wahl des Abgesandten ab;
Ein Dienst, um den man sich nicht eben Mühe gab.
Eins sprach: Ich kann es nicht.
Die: Nein, ich hab's verschworen
Ein andrer: Grossen Dank! ich bin nicht dumm geboren.
Kurz, jede schlug es ab, die Ratte wie die Maus;
Und hiermit war der Reichstag aus.
Die Fliege und der
Hengst
Auf einer Deichsel saß gebieterisch eine Fliege,
Und rief dem Hengst, der langsam trabte, zu:
Langsames Tier! wie ziehst denn du?
Fahr hurtiger! sonst fürchte eine Fliege,
Die manchen Gaul, der sie entehrt,
Die Ehrfurcht durch den Schmerz gelehrt.
Schweig! rief das Ross: vor deinem Dräuen
Wird nicht ein Bauernpferd sich scheuen!
Nur den, der dort die Peitsche führt,
Und den beschäumten Zaum an meinem Hals regiert,
Den fürcht' ich, niemals dich.
Er wird am besten wissen,
Wenn Pferde langsam gehn und galoppieren müssen.
Wenn ein Poltron dir Schwert und Feuer dräut,
So lache, Freund! und folge deinen Pflichten.
Er schweigt beschämt; und rühmlich wird die Zeit
Dich nur nach deinen Taten richten.
Der junge
Prinz und der alte General
Ein junger Prinz, die Hoffnung seiner Staaten,
Zog kühn, vor seinem Heer, in den Krieg,
Und strebte Tag für Tag nach kühnen Heldentaten,
Und träumte in der Nacht von Sieg.
Der Feind zog auf. Der Donner der Geschütze
Durchbrüllte weit das gräuelvolle Feld.
Mein Prinz, ein Jüngling und ein Held,
Stellt sich vor seiner Reiter Spitze,
Und jagt voran, und färbt mit ungezähmter Hitze,
Mit einem wahren Löwenmut,
Sein Schwert in seiner Feinde Blut,
Daß selbst sein Kürassier, der manchen Rumpf zersplittert,
Für seines Prinzen Leben zittert.
Der Held bebt nicht, bis späte Nacht
Dem langen Treffen Ende macht.
Nunmero nahen sich die Führer seiner Heere:
Ihr Gruß sein Lob, ihr Abschied seine Ehre.
Ein alter General allein
Schweigt still. Greis, sprach der Prinz, da Vater meiner
Scharen!
Mißbilligst du den Eifer nach Gefahren?
An Ihnen, sprach er, Prinz! da Sie Regente sein.
Denn, was Sie selbst im Treffen taten,
Dafür bezahlt man die Soldaten.
Die Lerche und der Star
Wie viel fehlt dir zu Philomelen,
Mein Kind, und wird dir ewig fehlen!
Sprach zu der Lerche Matz, der Star.
Mein Freund, erwiderte die Lerche, das ist wahr!
Nur wünscht' ich mir, dergleichen Lehren
Von andern Vögeln anzuhören,
Als einem Star.
Das Wiesel und
der Rattenkrieg
Nunmehr war der Krieg, der manche Saat verheert,
Der unglücksel'ge Krieg der Wiesel mit den Ratten,
Weil beide Staatsmaximen hatten,
In allem Ernst gesagt, recht feierlich erklärt
Es ging ein Manifest an nachbarliche Staaten;
Man warb auf jeder Part Soldaten;
Die Ratten borgten sich Gewehr
Aus eines Schneiders Nadelkissen;
Doch jeder Führer in dem Heer,
Um seines Standes zu genießen,
Trug, außer seinem Schneiderspeer,
Noch sonst ein Ding, wie eine Krone,
Aus einer ausgehöhlten Bohne.
So rückten die Armeen ins Feld.
Die Ebne zitterte, die Berge hallten wieder.
Bellona lief durch alle Glieder,
Und musterte sich jeden Held.
Die Wiesel griffen an, erstiegen eine Schanze,
Und jagten mit der Schneiderlanze
Die schüchternen Feinde in ihr Loch,
Worein auch jeder leichtlich kroch;
Allein die Führer von den Ratten,
Die sich so schön verzieret hatten,
Die stießen am Portale an,
Und wurden alle abgetan.
Das Glück und der Weise
Daß Glück verirrte sich einmal auf seinen Reisen,
Und kam bei später Nacht zu einem wachen Weisen,
Der, in sich selbst vertieft, bei seiner Lampe saß,
Und ruhig den Euklides las.
Willkommen! rief er aus; was mir das Glück bescheret,
Sprach er, und schlug den Folianten zu,
Ein gutes Brot, ein Bettchen für die Ruh,
Ein reiner Wassertrank dazu,
Steht dir zu Dienst; mehr ward mir nicht gewähret.
Gut, alter Vater! sprach der Gast.
Doch sage, weil du mir das Glück genennet hast,
Was nennt man hier das Glück? "Vermögen, Wollust, Ehre,"
Das nennt man alles Glück, erwidert' er; allein
Wenn, was man hier so heißt, das wahre Glücke wäre,
So müßt ich höchst unglücklich sein.
Das sind der Namen viel; und keinen mag ich haben.
Glück heiß' ich, sprach das Glück: so heißt die Eitelkeit.
Nur einen kenn' ich noch, den mir die Hirten gaben
Und der ist? — die Zufriedenheit.
Der gereiste Gimpel
Ein Gimpel kam von Reisen wieder,
Und ließe sich in der Heimat schaun:
Da überredt' er seine Brüder,
Ihr Nest auf Dächern anzubaun.
Mich, sprach er, hat in fernen Ländern
Der Störche Bauart klug gemacht.
Wir müssen unsre Sitten ändern;
Denn sonst gibt niemand auf uns Acht.
Die Brüder ließen sich belehren.
Ein Tor folgt seines gleichen nach
Und bauten lustig, ihm zu Ehren.
Sich alle auf ein Scheunendach.
Die meisten fingen an zu legen,
Als schnell einmal ein Wetter kam,
Und der herab geschossne Regen
Die ganzen Nester mit sich nahm.
Das heldenmütige Kind
So wenig stets die Tugend alter Ahnen
Auf ihrer Enkel Wappen ruht,
So wenig schläft stets bei zerschossnen Fahnen
Der wahre Heldenmut.
Kein Alter ist, in dem er sich nicht finde:
Er nimmt der Männer Herzen ein;
Er stählt des Jünglings Brust: allein
Glaubt man ihn auch an einem Kinde?
Der Knabe war noch nicht acht Jahr,
Als ihn aufs nächste Dorf, wo etwa Kirchmess war,
Um auch einmal ihm eine Lust zu machen,
Der Vater mit zu Pferde nahm.
Der Knabe, der vorher nicht aus der Stube kam,
Sah lauter wunderbare Sachen.
Neugierig war er von Natur;
Und das ist überhaupt den kleinen Bürgern eigen.
Wie vielmal bat er nicht, den Vater abzusteigen,
Und ihm bald das, bald jenes recht zu zeigen!
Bald sah er eine große Flur;
Die war ihm schon ein Reich: ein Hügel- Pyrenäen:
Ihm waren Teiche große Seen,
Ein Birkenbusch ein ungeheurer Wald.
Zum Unglück kam aus einem Bauerngute
Ein großer Pudelhund daher.
Was ist das? sprach das Kind, das nie mit Fragen ruhte.
Ach! rief der Vater aus: mein Sohn, ein Bär! ein Bär!
Umarme mich! Er lechzt nach unserm Blute!
Hier müssen wir des Todes sein.
Gut! sprach das Kind; mir fällt ein Mittel ein.
Gleich werfen Sie mich von dem Pferde;
Indem ich mich nun fressen lassen werde.
So jagen Sie davon. Das wird doch Sie befrein!
Held! welcher Mut in scheinbaren Gefahren
Für einen Knaben von acht Jahren!
Äsop zu Samos
Sklaven wurden einst zu Samos feil geboten.
So wie des einen Wert der Sprachkunst Wert erhob,
Bestand des Sängers Kunst in Noten.
Der dritte Sklave war Äsop.
Die erstem beiden ließ der Kaufmann prächtig kleiden:
Der bucklige Äsop stand drollig unter beiden,
Mit alten Lumpen angetan,
Und keine Seele sah ihn an.
Xantus, ein Philosoph, sah sich die beiden brüsten,
Und ließ sich auch zum Kauf gelüsten:
Er fragte also, was sie wüßten.
"Herr, alles!" fingen sie einmütig an zu schrein.
Hier konnte sich Äsop des Lachens nicht erwehren.
Der Käufer sah's, und sprach: Was soll für diesen sein?
Den, sprach der Kaufmann, geb' ich drein.
Wer beide nimmt, mag ihn ernähren;
Doch, fuhr er scherzend fort, wenn wegen des Gesichts
Ihn eure Frau begehrt, um wenig allen Falles.
Gut! sprach der Philosoph. Was kannst du also? "Nichts,"
Erwiderte Äsop; "denn diese wissen alles."
Der aufgeblasene Frosch
Ein Frosch sah einen feisten Stier
Am Rande seines Sumpfes grasen.
Ein Frosch ist ein hochmütig Tier.
Gleich fing er an sich aufzublasen.
Ei! rief er, Brüder! seht mir zu!
Bin ich so groß? "Nein!" Jetzt vielleicht? "Vergebens!"
Nun aber? "Keineswegs!" Noch nicht? "Nein!"
Aber nun? "Da fehlt unendlich viel." Die Kräfte meines
Lebens
Und alles setz' ich dran! wär's auch mein Untergang!
So sprach er, blies sich auf, zersprang.
So geht's: der kleinste Prinz will gern
Ambassadeurs bei andern Höfen haben.
Der Bürger baut wie große Herrn,
Und jeder Graf hält seine Edelknaben.
Das Regiment der
jungen Löwen
Nach mancher Tyrannei, die .seine Wut vollbracht,
Entschlief die Majestät des Löwen in der Nacht,
Und hinterließ sein Reich und die befleckte Krone,
Nach Erbrecht, seinem ältesten Sohne.
Wie gnädig trat der Fürst die Waldregierang an!
So herrscht kein Antonin, so liebreich kein Trajan,
Als dieser junge Herr, der neue Großsultan.
Gerechtigkeit und Huld sprach bloß aus seinen Blicken;
Sein einz'ger Wunsch war, alle zu beglücken;
Sein einz'ger Wunsch, der Rechte Schutz zu sein.
O Leser! nimmt dich das nicht ein?
Wär' er bei uns, ihn würden Lorbeern schmücken!
Fünf goldne Wochen waren um,
So hielt ein Fuchs, des ganzen Waldes Entzücken
Recht nach dem Leben auszudrücken.
Ihm einen Panegyricum,
Darin er ihm dann alles sagte,
Was man bei uns in solchen Fällen sagt,
Erst in dem Eingang, ganz verzagt,
Ihn um Vergebung bat, daß es ein Stümper wagte,
Das Sprachrohr Ost's und West's zu sein.
Dann viel um seinen Vater klagte,
Noch mehr von seinem Lobe sagte,
Und um das Ende mutig fragte,
(War nicht der Einfall ungemein?)
Ob etwa Jupiter die Wälder und die Tiere
In sterblicher Gestalt regiere?
Dann machte noch ein Wunsch den Schluß.
Das war so ungefähr der Panegyricus.*
Der Löwe war nunmehr dem blut'gen Endzweck nah,
Um den er sich so viele Mühe gab,
Zog, da er sie gekirrt, eh' sich ein Tier versah,
Die tückische Larve plötzlich ab,
Und wütete in seine treuen Horden
So blutig, als noch nie erhört geworden.
Vergebens floh der arme Untertan
Vor diesem Wald-Domitian;
Vergebens floh der Fuchs, der ihn zu früh erhoben;
Umsonst verschwor er es, ihn künftig mehr zu loben:
Der Löwe jagte nach, sein Todestag war da.
So starb bei Menschen Seneca.
*Ein
Panegyricus war in der Antike eine prunkvolle Rede aus
festlichem Anlass.
Aus Griechenland sind festliche Vorträge etwa von Lysias
oder Isokrates überliefert,
die man als "Panegyriken" bezeichnete. Im Römischen Reich
verstand man unter einem Panegyrikus eine Laudatio,
insbesondere eine lobende Rede zur Ehrung des Kaisers.
Im heutigen Sprachgebrauch versteht man unter einer
Panegyrik eine distanzlose,
lobhudelnde Schmeichelrede. In negativer Bedeutung kam das
Wort panegyrisch schon
in der Antike vor: der Historiker und
Rhetoriklehrer Dionysios von Halikarnassos verstand
darunter
einen auf Effekte berechneten und das Publikum damit
verführenden Stil.
Die Hähne und die
Marder
Die Herrschsucht, die mit jedem Ei geboren,
Und mit der Zeit genährt, von Hahn zu Hahne stammt,
Die Herrschsucht, sag' ich, war's, durch die, zur Wut
entflammt,
Zwei Hähne sich den Tod geschworen.
Sieg oder Sterben, ihr Entschluß,
Stieß Brust auf Brust, und Fuß auf Fuß.
Ein Schnabel prallte von dem andern.
Ein Marder saß unfern in Ruh',
Und sah dem Spiele lange zu.
Nu, nu! sprach drauf der Schelm mit Lachen;
Ich will geschwinde Frieden machen.
Gleich sprang er einem ins Genick,
Und wanderte mit ihm zurück.
Der andre flatterte indes zum Hühnerhause,
Und krähte zehnmal wohl dem Friedensstifter zu:
Wie schmeckt das Morgenbrot? "So gib dich doch zur Ruh!"
Erwiderte der Dieb; du sollst, ich schwör' dir's zu,
So wahr ich ehrlich bin! gewiß zum Abendschmause!"
Der Affe und der
Marktschreier
Vergebens sieht in klugen Stunden
Ein Tor den Wert der Freiheit ein:
Er eilt nach ihr; und kaum ist sie gefunden,
So locken niedre Schmeichelein
Ihn in das Garn der alten Sklaven sein.
Ein Affe, der auf manchen Messen
Das Volk vor eine Bühne zog,
Auf der ein bunter Arzt, mit stattlichen Promessen,
Presshafte um ihr Geld betrog,
Ward einst des Lebens überdrüssig,
Und hurtig bei sich selber schlüssig,
Die rechte Zeit sich abzusehn,
Und nächster Tage durchzugehn.
Er fand das goldne Glück geschwinde.
Sein erster Weg war eine Linde;
Von der sah er vergnügt, was sich sein Äskulap,
Um ihn zu sehn, für Mühe gab.
Die ganze Nahrung lag danieder,
Weil sie bloß Morten unterstützt.
Sein armer dürrer Herr sinnt, pfeift, läuft, keucht und
schwitzt
Vor Schrecken zittern alle Glieder
Allein mein lieber Arzt, was hilft's, daß du so tobst?
So kommt dein Famulus nicht wieder.
Ich weiß ein besser Mittel — Obst.
Das tut der Mann, er weist es ihm geschwinde
War Morten von der Linde.
Der lobsüchtige Star
Ein Starmatz, welcher sich mit gleicher Emsigkeit,
Und, was das größte war, mit gleicher Fähigkeit,
Was Lerch' und Wachtel sang, und was der Gimpel quakte,
Tagtäglich nachzuahmen plagte,
Sang, wenn sich nur ein Vogel blicken ließ.
Das arme Tier halb tot durch seine Lieder.
Er sang um Lob; und wer sie pries,
Dem sang er ewig vor; schalt man, so schalt er wieder.
Das war nun nicht mehr auszustehn.
Man sucht auf alle Art ihm seitwärts auszugehn.
Umsonst! er weiß sie zu erreichen.
Weil nun der Lärm kein Ende nahm,
Bleibt jeder in dem Nest.
Eh noch der Abend kam,
Sah man den Kantor schon von Nest zu Neste schleichen.
Nun fing man paarweise an dem Wäldchen zu entweichen.
Was half's? er sang, bis von der ganzen Schar
Kein Vogel mehr im Walde war.
Kurz drauf ward er, ganz einsam in der Höhle,
Aus Schwermut seinem Hain geraubt,
Und fuhr, wenn man die Seelenwanderung glaubt,
Sogleich in eines Dichters Seele.
Der pflanzte diese Sucht auf Kind und Kindeskind.
Obwohl noch welche lebend sind?
Der stolze Maulesel
In der Gesellschaft seiner Brüder,
Der Vater nach dem Bau der Glieder,
Die liebe Mutter nach dem Ohr,
Trug ein Maulesel, stolz zuvor,
Den schweren Habersack durchs Tor.
Hier trabten, stolz verziert, vor eines Kaufmanns Wagen
Zwei Rosse.
Brüder! rief das Tier,
Nehmt mich mit euch! Was soll ich hier
Mich unter faulen Eseln plagen?
Ich zieh' so gut, wie ihr, am Wagen!
Seht, wie die braune Mähne fliegt!
Wie mutig sich mein Schenkel biegt!
Allein, wie hält es um die Ohren?
Sprach Hanns der Wallach.
Sei vergnügt! Zum Rosse warst du nie geboren.
Ein Bastard, solltest du allein
Der schönste unter Eseln sein
Wie zog er seine Ohren ein!
Ihr Dichter, die ein guter Geist
Zwar Hankens Reimerei, doch nie dem Staub entreißt!
Seid stolz! ihr übertrefft Herrn Hanken.
Doch glaubt ihr schon, wenn einige Gedanken
Durch eure Metra schnackisch wanken,
Ein Gellert, Lessing, Uz zu sein?
Viel Glück! nur zieht die Ohren ein!
Der Pfau und Juno
Es stand vor dem heiligen Wagen,
Der Juno ihr Pfau so betrübt,
So kläglich, so niedergeschlagen,
Als hätt' er unglücklich geliebt.
Was fehlt dir, sprach Juno, mein Treuer?
Du Zierde der Vögel! mein Tier!
Nichts sei dir auf Erden so teuer,
Urplötzlich erwart' es von mir.
Was hilft mir mein farbig Gefieder,
Erwidert der Vogel, und weint,
Wenn mit ihm der Nachtigall Lieder
Dein Machtspruch nicht gnädig vereint?
O Göttin! verstummende Sphären
Beneiden ihr göttlich Gedicht,
Und fromme unschuldige Zähren
Benetzen der Schöne Gesicht.
Oft hört die harmonischen Spiele
Dein Bruder in einsamer Nacht:
Dann ruft er, ganz Lust, ganz Gefühle:
Wie glücklich sind Menschen gemacht!
Ach! hast du noch einiges Erbarmen,
So höre mein ängstliches Flehn:
Verwandle, verwandle mich Armen!
O sang' ich schon jetzt so schön!
Hör' auf, sprach die Göttin, mit Klagen!
Ich halte, was ich dir versprach.
Doch wisse! in wenigen Tagen
Kommt Reue Verwandlungen nach.
So geh, und entzücke durch Lieder
Den Lenz und die junge Natur!
Sie sprach's: und auf kleinerem Gefieder
Durchschlüpft' er die fröhliche Flur.
Nun weckt er mit zaubernden Tönen
Auroren entzückt aus der Ruh;
Nun weinen ihm blühende Schönen;
Nun hören die Götter ihm zu;
Nun loben ihn spielende Chöre
Der Hirten; ihm jauchzt nun die Stadt.
Nichts fehlt ihm, als Nahrung. Denn Ehre
Macht, leider! die Sänger nicht satt.
Bald sucht er die Nahrung mit Sorgen,
Und singt, wenn er singt, mit Verdruß:
Bald schrecken ihn neblige Morgen;
Bald trifft ihn ein stürmender Guß.
Auf einmal verwünscht er die Lieder,
Die Ehre und kargende Au'.
Mach, Göttin ,so seufzt er, mach' wieder
Den hungrigen Sänger zum Pfau!
Ein mutiges Herz, ein feuriges Genie
Reißt uns entzückt zur Poesie;
Der Eindruck, den sie macht, stärkt sich mit unsern Jahren.
Wir lassen Glück und Wohlsein fahren:
Um was? — den Beifall einer Welt,
Die in dem Augenblick, in der man ihr gefällt,
Uns, unter uns gesagt, für Müßiggänger hält:
Sie lohnt mit Lob, wer aber gibt uns Geld?
Die Mühe konnten wir ersparen.
Der
Adler Jupiters und die Taube der Venus
Nach D'Arnaud
A: Wo, Schmuck der Tauben, eilst du hin?
T: Wo du hin, Favorit des Bändigers der Wetter?
A: Ich fliege zu dem Fuß des Königs der Götter.
T: Ich hüpfe zu der schönen Königin.
A: Kennst du der Götter Aufenthalt?
T: Kennst du des nahen Idas Wald?
A: Aus Zeus Hand muß mich dort Ambrosia erquicken.
T: Hier nähren Blumen mich, die Amors für mich pflücken.
A: Gleich reißt mein Flug von Sterne mich zu Stern!
T: Zu jener Myrte nur soll meiner wieder kehren.
A: Den Donner hier trag' ich zu Jupitern.
T: Die Rose da bring' ich Cytheren.
Das
Turteltäubchen und der Stösser
Eine Fabel für Kinder
Räuber Stösser, satt vom Raube,
Ließ sich auf ein Nest herab,
Wo die alte Turteltaube
Ihren Jungen Futter gab.
Dieser Erbfeind ihrer Brüder
Hatte kaum sie noch erschreckt,
Als ihr kindliches Gefieder
Schon die Mutter überdeckt.
"Närrchen, soll ich vor dir zittern?"
Fing der alte Spötter an.
Deine Mutter laß dich füttern
Und beschützen, wenn sie kann!"
"Beides," sprach sie, lieber Stösser!
Beides tat sie sonst. Und nun,
Nun sie siech wird, und ich größer,
Soll ich minder an ihr tun?"
Der Schoßhund und
der Pudel
Eine Fabel für Kinder
Dich Flegel! schimpft Joli, werd' ich wohl bitten sollen?
Gleich wart' mir auf! Seht, wie der Bengel schleicht!
Aufwarten sollst du mir! — Ich weiß nicht, was Sie wollen!
Versetzt Cartusch, der noch vor lauter Künsten keucht,
Und langsam untern Ofen kreucht:
Hab' ich's denn nicht getan? Im Traum, Hans-Dumm,
vielleicht;
Sonst nirgends! bellt Joli dem Pudel in die Ohren.
Du lügst! — Ich lüge nicht! Sie haben's ja gesehn?
Es war das letzte Stück! Erst macht' ich: Such' verloren!
Alsdann die faule Magd; drauf mußt ich Schildwacht stehn;
Drauf kam ein Purzelbaum; drauf der gespickte Hase;
Drauf — drauf! Der Henker auch! so rase!
Nicht anders, Herr Joli! Ich weiß es noch genau!
Nichts, fuhr Joli ihn an, nichts, Tölpel, magst du wissen!
Ich hätte dir's doch wohl befehlen müssen?
Sie, sprach Cartusch, Sie mir's befehlen müssen?
Das hätt' ich sollen eher wissen!
Denn mir befahl's die gnäd'ge Frau!
Und jetzt befiehlt's Joli! — Ich will dich Mores lehren!
Ich bin ihr Favorit! — Das haben Sie gezeigt;
Und Dank sei Ihrem Glück! — Denn wenn Sie es nicht wären,
So wären Sie von Herzen wenig! — Schweigt!
Schweigt! rief jetzt ihre Frau — Du, kleine stolze Seele,
Gibst ein vortreffliches Bild für meine Kinder ab,
Die, wenn ich dem Gesinde was befehle,
Und dann und wann aus Übereilung schmähle,
Bloß weil das Glück sie mir zu Kindern gab,
Den ganzen Tag befehlen und befehlen,
Und die verdammte Kunst, Unglückliche zu quälen,
Geschickter als ihr Abc versteh! -
Joli, Joli! es wird mir nicht viel fehlen,
Sie haben es dir abgesehn.
Die Biene und die Taube
Eine Fabel für Kinder
Ein Bienchen trank und fiel in den Bach.
Dies sah von oben eine Taube,
Und brach ein Blättchen von der Laube,
Und warf's ihr zu. Das Bienchen schwamm danach,
Und half dadurch sich glücklich aus dem Bach.
In kurzer Zeit saß unsre Taube
In Frieden wieder auf der Laube.
Ein Jäger hatte schon die Flinte drauf gespannt.
Mein Bienchen kam. Pick! stach's ihm in die Hand;
Puff! ging der ganze Schuss daneben.
Die Taube flog davon. Wem dankt sie nun ihr Leben?
Erbarmt euch willig fremder Not!
Du gibst den Armen heut dein Brot;
Der Arme kann dir's morgen geben.
Epilog
An den Leser
Hier, Leser, schließt sich meine Bühne!
Vermutlich auch mit ihr dein Schlaf.
Du lächelst — deine ganze Miene
Sagt leider! mir, daß ich es traf.
Gut! schlafe wohl! Auch für den lieben Schlummer
Verdient ein Dichter seinen Dank.
Mich peinigt nur ein einz'ger Kummer!
Und der? — mein Schauspiel war nicht lang.
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