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Fabeln 3
 
Der Adler und die Ameise
Das Eichhorn und der Mann
Die Priester und die Kolibri
Die Warnung des Gärtners an seine Blumen
Der Gärtner und der Wildfang
Der Gärtner und der junge Baum
Das Kind und der Weg
Der Mensch und dessen Schatten ...
Das Licht und die Farbe
Der Fabelfänger
Der Star, das Vieh und der Storch
Jupiter und der verzückte Regenwurm
Der Sperber und der Krebs

 
Das Gemstier und der Adler
Das Rotkehlchen und der Erdenwurm
Jost und die Glatt
Der Fuchs, ein Meßkünstler
Jupiter und die Tiere
Der von seiner Quelle gewichene Hirsch

 

Der Adler und die Ameise

So satt und voll fraß sich der Adler von
seinem frisch erhaschten Raube, daß
er auf demselben gar entschlief; ihm
träumte von tausend Räubertaten, die teils von ihm
schon ausgeübt waren, teils auszuüben stunden.

Von ungefähr kroch ein Ameise in eines seiner Ohren hinein,
und weckt ihn plözlich auf. Als er das Tierchen fühlte,
sprach er ganz höhnisch zu ihm: Verwegne kleine Bestie!
weich ungesäumt von dieser Stelle, sonst trag ich dich zur Sonne
hin, ihr Brand soll dich in Staub verwandeln.
Ungeachtet dieses Drohens, kroch es noch stets im Ohr umher,
je mehr es aber einwärts kroch, je mehr beschwerte es den Adler.
Er empfand eine benebelnde Taubheit in seinen Sinnen.
Er flog nun auf, sein Drohen auszuüben.
Im Fluge wühlte die Ameise immer fort, und seine Betäubung
nahm zu; er schüttelte das Haupt umsonst, des frechen Tierchens
los zu werden. Er sah itzt die Gefahr, wenn er weiter aufwerts flöge,
daß er ganz von Sinnen kommen könnte. Er entschloß sich,
zwar ungern, in großer Eile zurück zu kehren und sich des Sandes zu bedienen.
Das ist das gewöhnliche Mittel der Vögel, des Ungeziefers los zu
werden. Er wälzt den Kopf darin herum und schüttelt ihn wie zuvor,
bis das Tierchen samt dem Sande aus seinem Ohre zum Vorschein kam.
Der Adler sagte: Was sprichst du nun verwegnes kleines Ungeziefer!

Seine Antwort war nur diese: Du hast, mein Adler, wohl getan,
daß du in Eile zurücke flogst und dich wieder mit mir in den Sand
und Staub der Erde begabest; glaube nur, die Sonne ist doch zu
hoch für Adler, wie für mich und für Esel.


Das Eichhorn und der Mann

Ein Eichhorn lag mit nicht geringen Kümmernissen
Bei stillem kleinen Schatz von abgepflückten Nüssen
In einem ziemlich großen Raum
Von einem hohlen Eichenbaum;
Dieweil ein Mann in aller Eile
Mit starker Faust und scharfgewetztem Beile
Ihn umzuhauen willens war.

In solcher dringenden Gefahr
Ergab das Tier sich dem Geschicke,
Und dacht: damit mich nichts erdrücke,
Verberg ich mich für Sturz und Mann
In meiner Gruft, so gut ich kann.

Bald fiel der Baum, und als er lag,
So kam mit seinem Schatz das Tierchen an den Tag.

Gleich sprach der Mann zu diesem guten Tier:
So findet man die Nüssediebe;
Ich sehe deinen Vorrat hier,
Der zahlt mir reichlich meine Hiebe.
Indessen sollst du, Diebgen, wissen,
Daß deinesgleichen sterben müssen.

Das Eichhorn sagte zu dem Mann:
Eh du die Mordlust an mir büßest,
Und mein unschuldig Blut vergießest,
So höre noch die Frage von mir an:
Schickt man die Menschen auch dem Tod in seinen Rachen,
Die einen Vorrat für sich machen?

Nein, sprach der Mann,
Du Nüssedieb, was geht dich dieses an?
Das Eichhorn sprach: Genug, ich konnte durch dein Nein
Den Zweck von meiner Frag erreichen:
Ich weiß nunmehr, warum so wenig meinesgleichen,
Und auch warum so viele Menschen sein.

Die Priester und die Kolibri

Als einst der Priesterschaft in Surinam
Der Sinn an leckre Bissen kam,
Sprach sie zu jenem kleinen Federvieh,
Dem buntgefärbten Kolibri:
Ihr sollet künftighin, ihr Vögelchen, allein
Die priesterliche Speise sein.
Der Ruhm, die Priesterschaft zu nähren,
Gereicht euch zu besondern Ehren.

Drauf sprach eins dieser Kolibri:
Welch Heiliger gab euch die Regel?
Gibts doch so schwergemästet Vieh,
Gibts doch so viele große Vögel,
So viele Fisch im weiten Meer,
Warum wählt, ihr nicht die vielmehr?
Wie kommts, daß ihr auf uns gefallen seid?
Wollt ihr nur darum uns ermorden,
Weil wir so klein und schön geboren worden?
Steckt in der Farbe denn so große Niedlichkeit?
Wir wollten doch, ihr Herren, gerne hören,
Wovon sich anderwärts auf unserm Erdenkreis,
In Ländern, wo man noch von Kolibri nichts weiß,
Die priesterlichen Bäuche nähren.

Die Priester sprachen drauf mit diesen Worten:
Die Priesterschaft an andern Orten
Speist alles was sich speisen läßt.
Man sieht auf ihrem Tische
Gevögel, Wildbret, Vieh und Fische;
An einem Ort ißt man zum Vogel auch das Nest.

Man hört auf den Bericht die kleinen Vögel sagen
Verdenket man uns denn, daß wir uns klagen;
Hier leidet niemand sonst, als wir allein,
Und dort ist das Unheil allgemein.

Die Warnung des Gärtners an seine Blumen

Nach einem sehnlich langen Warten
Auf neue Pflanzen in dem Garten
Drang endlich durch des Winters Nacht,
Doch allgemach, des Lenzens holde Pracht.
Die Blumen ächzten vor Verlangen
Die Lebenswärme zu empfangen,
Und stritten sämtlich um die Wette,
Wer unter ihnen sich zu erst verschönert hätte.

Der Gärtner gab itzt fleißig acht,
Er war auf jede gleich bedacht.
Doch bei dem unbedachten Eilen
Fand er für gut, nach seiner Gärtnerpflicht,
Den Blumen seinen Unterricht
In allen Treuen mitzuteilen.

Er sprach: Ihr Blümchen, eilet nicht,
Scheint gleich der Sonne helles Licht,
So dürft es sich doch bald verdecken,
Und Morgens euch der rauhe Nord erschrecken;
Seid doch, ich bitt euch , nicht so kühn,
Steigt noch nicht auf die Stengel hin;
Sie sind noch nicht genug verwahrt;
Sie sind für Stürme noch zu zart.
Ist doch der schöne Lenz nicht mehr so weit,
So wartet gern bis zur bequemen Zeit.

Es gaben viele kein Gehöre
Auf ihres treuen Gärtners Lehre.
Sie fuhren fort nach ihren Lüsten
Sich vor den andern aufzubrüsten.

Bald aber kam des Nordwinds Blasen
Mit außerordentlichem Rasen,
Und trieb sie wütend hin und wieder,
Und schmiß die stolzen Blümchen nieder.
Anjetzt bereuten sie zu spät,
Daß sie des Gärtners Rat verschmäht.

Die andern, die den guten Rat erkannten
Erhoben sich nur nach und nach;
Und wuchsen, jedoch allgemach;
Und endlich ward ihr bunter Flor so schön,
Daß man ihn schwerlich prächtiger gesehn.
Sie wurden durch der Farben Glänzen
Zur Zierd' in diesem neuen Lenzen.
Es war ihr Frühling recht beglückt,
Mit Anmut um und um geschmückt.
Es schien, als wollte durch die Strahlen
Die Sonne sie mit voller Kunst bemalen.
Man sah davon bei tausend Wunderspuren
In seltsam ausgekünstelten Figuren,
So die Natur in reiner Pracht
Durch göttlich eingeprägten Fleiß hervorgebracht.
Und von so vielen Wunderspielen
Mußt alles lauter Wollust fühlen.
Bei dieser Art Geschöpfe war noch nie
Solch eine süß empfundne Harmonie.

Der Gärtner und der Wildfang

Als ungefähr in dem Gehege
Ein Gärtner einen Wildfang fand,
Nahm er bald Messer, Beil und Säge,
Samt Bast und Wachs und Moos, zur Hand;
Und faßt den Wildfang unverzüglich;
Er sprach: Du sollst, so bald als möglich,
Wofern mir Schnitt und Hieb gelingen,
Ganz wunderschöne Früchte bringen.

Der Wildfang sprach: Willst du mir schwachen
Ein frühzeitigs Ende machen?
Du kannst es wohl noch mehr verschieben;
Mir graut es noch vor Schnitt und Hieben.
Nach Ansehn hab ich kein Verlangen;
Bisher ists mir noch wohl ergangen;
Den Wohlstand such ich nicht zu bessern,
Ich werde mich von selbst vergrößern.

Der Gärtner sprach: Du weißt noch nicht
Der gut gepfropften Bäume Tugend,
Und folglich nicht, was dir gebricht;
Das tut der Unverstand der Jugend.
Diesmal weiß ich für dich nichts bessers
Als eine Stümmlung deiner Größe,
Als meiner scharfen Säge Stöße,
Und als die Schnitte meines Messers,
Ein Zweig hilft deiner wilden Art,
Dünkt gleich der Handgriff dich zu hart.

Bald tat der Gärtner, was er sagte,
Ob sich das Bäumchen gleich beklagte.

Nach wenig Jahren kam er wieder,
Und saß bei diesem Bäumchen nieder.
Er sprach: Wie bist du schon so groß;
Dir fehlet weder Laub noch Schoß!
Noch mehr, mir scheinen deine Früchte
Mit voller Anmut ins Gesichte.

Das Bäumchen sprach: Nun darf ich mich
Nebst deinen Liebsten sehen lassen;
Ich dank es dir herzinniglich;
Was wär ich, hältst du meinem Willen,
Der Frucht von meinen eitlen Grillen,
Mich jungen Wilden überlassen.

Der Gärtner und der junge Baum

Im Herbst bei ungestümen Wetter
Verlor ein Baum den Schmuck der Blätter.

Wie soll ich schon zu Grunde gehn!
Sprach der noch nicht bejahrte Baum;
Ei, ist es schon um mich geschehn!
O kurze Zeit, o leerer Traum!
Mir fallen alle Blätter ab;
Muß ich denn vor der Zeit ins Grab?
Stets nur in Todesgefahr zu schweben,
Lohnts ja der Mühe nicht zu leben.
Ach, hätt ich dich, du dürres Land,
Und selbst das Leben nie gekannt!

Der Gärtner hörts, und rief ihm zu,
Mein guter Baum was sagest du?
Dein Leben ist noch nicht verloren,
Vermeinst du gleich, du seist erfroren.
Es reißen bei dem rauhen Wetter
Von Jahr zu Jahr der Bäume Blätter;
Wie sie von dir und allen fallen,
So kommt zugleich auch dir und allen
Der Sonne Kraft, des Gärtners Schutz,
Zu seiner rechten Zeit zu Nutz.
Es ist an dem, du würdest dich
Zu sicher auf dich selbst verlassen;
Allein verlasse dich auf mich,
Ich kann nicht meine Pflanzen hassen.
Der deine Blätter fallen sah
Der sorgt für dich, und ist dir nah.
Ich bin es, der dich früh und spat,
Bei Frost und Hitz, im Auge hat.
Deswegen sieh geduldig zu,
Und schicke dich zur Wintersruh.
Du wirst mit neuen Blättern prangen,
Und Früchte werden an dir hangen.

Das Kind und der Weg

Ein Kind kam aus dem Wald zurück,
Und sah da vor ihm eine Straß,
An die es auszuruhen saß.

Es sprach zur Straße: Welches Glück
Für mich verirrtes, führtest du
Mich sicher meiner Heimat zu!

Sie sprach: Kind, das versprech ich dir;
Sei gutes Muts, und folge mir,
Ich will dich bald nach Hause bringen.
Nur mußt du nicht vom Wege springen.

Das Kind sprach: Straße, noch ein Wort,
Es scheint, du wollest meiner lachen,
Du selbst gehst nicht gerade fort,
Ich seh dich manchen Umweg machen.

Die Straße führt in Antwort an:
Ich habe keine Schuld daran,
Zur rechten und zur linken Seiten
Ward ich von wunderlichen Leuten,
Wie sie ihr Eigennutz ermahnt,
Gerade bald, bald krumm gebahnt.
Die einen ließen ohn Entgeld
Mich nimmer durch ihr Weizenfeld,
Und andre nicht durch ihre Matten,
Noch mehr verschränkten mich, die nahe Weinberg' hatten.
Sie wiesen mich noch über Meer,
Wofern es ihnen nützlich war.
Mein Kind, indessen gehe du
Auf mir nach deiner Heimat zu.

Das Kind sprach endlich zu der Straße:
So ists noch gut, wie ich es fasse,
Denn Schiffer könnten nichts gewinnen,
Gings nach der meisten Bauern Sinnen.

Der Mensch und dessen Schatten
die Schande, die Ehre und der Tod

Es sprach der Mensch zu seinem Schatten:
Wie trefflich komm ich dir zu statten?
Dein ganzes Wesen kommt von mir.
Wie dankest du mir auch dafür?

Der Schatten sprach: Nein, meine Pracht
Entsteht von einer höhern Macht.
Ich komme von der Sonne Licht;
Scheint sie nicht, so entsteh ich nicht.
Mir ist an dir nicht viel gelegen,
Laß nur dein Großtun unterwegen.

Der Mensch fing höhnisch an zu lachen,
Und sprach: Wer lehrt dich solche Sachen?
Ich will dir gleich den Mund beschließen;
Denn, leerer Schatten, du sollst wissen,
Wenn nirgend keine Körper wären,
So könnte sie dich nicht gebären.

Es daurte dieser Schattenstreit
Mit ungemeiner Heftigkeit,
Bis sich die Ehre mit in das Gefechte ließ,
Und alle beide schweigen hieß:
Schweigt beide, denn der Vorzug mag
Auf wen er will von beiden kommen,
So liegt ja heiter an dem Tag,
Der Sieg wird nur für mich genommen.

Die Schande legt sich auch darein:
Den halben Teil, sprach sie zur Ehre,
Weist du ja, daß ich insgemein
Für mich zum Eigentum begehre.

Der blasse Tod stand nächst dabei,
Und hörte dieses Zankgeschrei;
Er konnte sich nicht mehr enthalten,
Da diese vier so schrecklich prahlen;
Gleich griff er auf den Menschen zu,
Und sprach: Nur du störst aller Ruh.
Er nahm ihm seine düstre Brille,
Und setzet ihm des Todes auf.
Nun siehst du der Zeiten Lauf,
Sprach er; drauf wards auf ewig stille.

Das Licht und die Farbe

Ich sehe, daß ich etwas bin;
Doch langet mein Verstand nicht hin,
Mir durch mein eigenes Vermögen
Den echten Namen beizulegen.
Ich bin, und bin nicht, wechselweise;
Oft weil ich meine Schönheit preise,
Erfahr ich meine Nichtigkeit,
Doch weichet nur die Dunkelheit;
So heb ich mich aus dem Verwesen
Und werde, was ich erst gewesen.

So ließ sich zu des Lichtes Ehren
Die angestrahlte Farbe hören.
Sie sann dem Handel allgemach
Mit tiefer Überlegung nach,
Bis sie den Zug in sich verspürte,
Der sie zum Licht, dem Ursprung, führte.

Sie rief: O Licht, nun merk ich klar,
Daß ohne dich ich dunkel war;
Daß du mir, wenn du mich bestrahlest,
Das Leben gibst, und mich bemalest.
Gesteh es mir, ich bitte dich,
Und sage doch, wie nennt man mich?

Ei, Farbe heißt du, sprach das Licht,
Du bist mein Kind, du irrest nicht;
Und ohne mich bleibst du gewiß
Versenkt in tiefer Finsternis.
Hingegen scheinst du trefflich schöne,
Wenn ich dir meine Strahlen lehne;
Und wo du solche recht verlangst,
Und sie mit reiner Lust empfangst,
Will ich dich immerfort bestrahlen,
Und dich mit solchem Schimmer malen,
Daß du, gleich mir, durchscheinend wirst,
Und deine Farbe nie verlierst.
Nichts soll mich ewig hinterhalten,
Mit Sorgfalt über dich zu walten.
Doch eins, sieh dich in Demut vor,
Daß dich der Hochmut nicht berücke,
Du wolltest über mich empor,
Sonst zöge sich mein Schein zurücke.
Denn bliebst du Farbe ganz gewiß
Ein Körper voller Finsternis.

Der Fabelfänger

Dem Fabelfänger fiel es einsten schwer;
Von Fabeln sah sein Aug die ganze Gegend leer.
Er schaute hin und her, er sucht' in seinen Taschen;
Verlorne Müh! er konnte nichts erhaschen;
Die Fabeljagd lief fruchtlos für ihn ab,
So, daß er sich der stillen Ruh ergab.
Er dacht: Es läßt sich nichts erzwingen;
Die Fabeljagd ist eine freie Kunst;
Das Auge blendet oft ein unsichtbarer Dunst;
Ein Zufall muß mir Fabeln bringen.
Doch schwur er heimlich bei sich selber:
Mich dünkts, bei meiner Fabel Ehre,
Als wenn das Spiel verzaubert wäre!
Seh ich nur Schnepfen oder Kälber
So schneid ich, was sie tun, in Buchenrinden ein.
Ists denn zu schlecht für Pan, so solls für Hirten sein.
Tut einer was er kann, so hat er gnug getan.

Drauf trifft er gleich zween Wandrer an.
Er denkt: Die will ich reden hören,
Sie sollen meine Fabeln mehren.
Wohin, fragt er, wo wollt ihr beide hin?
Der eine sagt: Ich hab im Sinn,
Vergrabne Schätze zu entdecken,
Sollt ich dabei von Arbeit gleich verrecken.

Der andre Wandrer lachte dessen,
Und sagt: Ein böser Geist hat den besessen:
Was mich belangt, so hab ich edlere Gedanken;
Ich renn in tugendhaften Schranken;
Ich suche weiters nichts in dieser Welt,
Als Glück und Ehr, und schon gemünztes Geld.
Der Fabelfänger dacht: Das gäbe feine Lehren;
Ich will zurück zu meinen Tieren kehren.

Der Star, das Vieh und der Storch

Der Star saß stets beim Vieh in Matten,
Wo beide fette Weide hatten:
Es hatte dies an Gras im Überfluß zu schlücken,
Der Star ergötzte sich an Mücken;
Denn zu der Sommerzeit sind die
Gewöhnlich scharenweis beim Vieh.

Es sprach der Star: Ihr Ochsen und ihr Küh,
Ihr wißt es allbereit von euern Alten
Warum die Staren stets sich zu dem Vieh gehalten;
Warum auch ich so fleißig mit euch zieh;
Den Freundschaftsbund, den sie gemacht,
Nahm ich bisher getreu in Acht;
Ja, euch zum Beispiel, mehr als ihr;
Ich fliege stets zu euch, und ihr kommt nicht zu mir.

Drauf sprach das gute Vieh zum Star,
Da er mit Schwatzen fertig war:
Wir haben längstens wahrgenommen,
Daß dein Geschlecht zu uns gekommen;
Indessen bleibt es uns bisher noch unbekannt,
Wie wir im Freundschaftsbund einander sein verwandt.
Wir sehen wohl, daß du fast immer bei uns bist,
Doch nicht, wann jener Bund gemachet worden ist.
Wir mögen dich daneben gerne dulden,
Zugleich versichern wir die Staren unsrer Hulden.
Es wird, wir wollens dir versprechen,
Von uns die Freundschaft niemand brechen.

Ein Storch, der dort in der Nähe
Bei ihnen an dem Wasser stund,
Sprach zu dem Vieh: Wißt ihr den Grund,
Daß ich so viel am Wasser gehe?

Des Viehes Antwort war geschwind:
Ja wohl! weil Frösche drinnen sind.

Ei! sprach der Storch zum Vieh, drum glaubt dem Schwätzer nicht,
Was er von seiner Freundschaft spricht.
Wißt, daß die Staren sich nur von den Mücken nähren,
Und folglich wenn die nicht alltäglich um euch wären;
So wär zu gleicher Zeit die Freundschaft aufgehoben;
Die Freundschaft fordert andre Proben.

Jupiter und der verzückte Regenwurm

Des Würmervolkes freier Staat
Hielt einen allgemeinen Rat
In einem unterirdischen Gang,
Dahin noch Mensch noch Sonne drang;
Hier fehlten Farbe, Licht und Himmel.
Es war ein seltsames Gewimmel
Von Tieren, die in manchen Reifen
Des Körpers Länge nach sich schleifen.
Die Ursach der Versammlung war
Nicht klein für diese Würmerschar.
Sie redeten von den seltnen Gaben,
Der Macht, dem Adel, und dem Glück,
Die durch ein seltenes Geschick
Die Wurmgeschöpf empfangen haben.

Ein alter Wurm begann den Rat
Indem er diesen Vortrag tat:

Ich habe schon seit vielen Jahren
Manch Volk gesehn, manch Reich durchfahren;
Voraus war ich darauf befließen,
Des Menschen Zustand recht zu wissen,
Wovon man so viel Wesens macht,
Von seiner Kunst, von seiner Pracht:
Doch ist es wenig, was ich weiß,
Und lohnt mir weder Müh noch Fleiß;
Es ist mir eine dunkle Schrift,
Die meinen Witz weit übertrifft.

Er fragte seine Nebenbrüder,
Des Würmerstaates älteste Glieder,
Ob ihnen von des Menschen Stand
Und Tun was gründlichers bekannt?

Er brauchte die Behutsamkeit
Allein die ältesten zu fragen;
Der Jungen Unerfahrenheit
Konnt er vor Weisheit nicht vertragen.
Auch hatten in der Tat die Jungen
Noch wenig Wissenschaft verschlungen;
Bei ihnen war noch tief verdeckt,
Was sonst in alten Würmern steckt.

Er wandte zu Descartes sich,
(So hieß man einen der Gelehrten,
Den er und andre hoch verehrten,)
Descartes, weist du mehr als ich,
So öffne deinen weisen Mund,
Und tu es auch uns andern kund.

Descartes sprach: Der Weg ist weit
Zu dieser höhern Kreatur;
Man rühmt zwar ihre Trefflichkeit,
Jedoch wo bleibt derselben Spur?
Das seh ich wohl, daß ihr Verlangen
Kein anders ist, als uns zu fangen;
Durch List und Mord uns zu zerstören,
Als wenn wir keine Würmer wären.

Er maß in seiner Fantasei
Der Würmer Tod den Menschen bei.
Er wußte nur nicht, daß ein Huhn
Den Würmern könnte Schaden tun,
Und daß ihr Unheil meistens nur
Von Vögeln ihnen widerfuhr.

Ein andrer Großer unter ihnen,
Ihr Leibnitz, sprach mit schlauen Mienen;

Mag auch ein Volk auf unsrer Erden
An Glück mit uns verglichen werden?
Genießet eines größre Lust?
O nein! das ist mir wohl bewußt.
Wir haben jedermanns Ruhm,
Man singt und sagt von unserm Preise.
Wir liegen ja in unsrer Speise,
Und wälzen uns darin herum.
Wir sind die schönsten an Gestalt;
Unüberwindlich an Gewalt;
Von altem Adel, groß an Mut,
Gelenke, schlau, geschickt und gut;
Wer hat mehr Gönner, Kinder, Führer?
Wo sind so künstliche Minierer?
Und kurz, es ist kein Königreich
Hier unterm Boden unserm gleich.
Gut ist es, daß der Menschen Augen
Zu uns nicht durchzudringen taugen;
Wofern sie unsern Wohlstand kennten,
Gewiß, daß sie uns den mißgönnten,
Sie würden lieber Würmer sein;
Sie grüben meilentief hinein,
Und würden uns von Haus vertreiben;
Drum laß ich Menschen, Menschen bleiben.

Drauf nahm ein erzverschmitzter Geist,
Den man alldorten Neuton heißt,
Das Wort, und alle Würmer schwiegen:

Zwar unser Glück ist hoch gestiegen;
Jedoch ihr Würmer wisset wohl,
Ich stieg einst bis zum Sternenpol,
Und sah da wunderbare Sachen;
(Hier mußten alle Würmer lachen,)
So viel ich von dem Menschen kenne,
Sprech ich in Wahrheit nicht zu hoch,
Wenn ich ihn noch beglückter nenne,
Als jeden Wurm in seinem Loch.
Er wohnt in prächtigern Gebäuden,
Und weiß von mehr und größern Freuden.
Und dieses ist der ganze Plan,
Den ich von ihm entwerfen kann.

Der Plan ist ziemlich schwach und leer,
Sprach einer aus dem Würmerheer,
Wenn die Gelehrten nicht mehr wissen
Als dies, so sei man drauf befließen,
Daß wir den weisen Jovem fragen,
Der kann uns, ist's sein Wille, sagen.

Der Rat gefiel dem Würmerstaat,
Ein jeder schrie zu ihm und bat,
Daß er die Lust zur Wissenschaft,
Womit ihr großes Herz behaft,
In diesem Stück befriedigte,
Und ihnen von des Menschen Kräften,
Von seinem Wohl, von seinem Weh,
Von seinen Werken und Geschäften,
Von seinem Reichtum, seinen Freuden
Von seinem Tun, und seinem Leiden
Was gründlichers entdeckte.

Der Gott lenkt sich nach ihrem Willen,
Und ihre Bitte zu erfüllen
Ergreift er einen unter ihnen,
Dem er durch seine Weise Kraft
In einem Nun fünf Sinn' erschafft,
Zu Wissensleitern ihm zu dienen,
Mit einer menschlichen Gestalt;
Und diese wird auch alsobald
Mit Geist, der denkt und schließt, beseelt,
Daß ihm kein menschlich Vorrecht fehlt.

Er wußte nicht, wie ihm geschah;
Er sah, unwissend wie er sah,
Er sah viel Millionen Sachen,
Und wußte nichts daraus zu machen;
Er roch subtile Balsamdüfte,
Er fühlte lau und kühle Lüfte,
Er hörte süßer Stimmen Klang,
Der Vögel fröhlichen Gesang.
Indem er sah, roch, fühlt' und hörte,
Dacht er: Was sind wir Wurmgelehrte:
Auf dieser so geschmückten Erde
Ward ihm sein grober Unverstand
Zur unerträglichen Beschwerde;
Des Herzens Unzufriedenheit
Vermischt ihm alle Lust mit Leid;
Er gaffte nur die Körper an;
Doch als er sich zuletzt besann,
So sagt' er diese Worte her:
Glorwürdig großer Jupiter!

Itzt wies man ihm der Erde Größe,
Der Wolken Zelt, der Sternen Pracht,
Der Sonne Glut, des Donners Macht,
Den Ozean, der Flüsse Gänge,
Der Blumen und der Tiere Menge,
Des Pulvers wütende Gewalt,
Der Schiffe künstliche Gestalt,
Des Glases Wundereigenschaft,
Der Hebewerke große Kraft
In Pompen, Keltern, und in Mühlen;
Samt hundert andern Wunderspielen.

Ach, rief er, ach du mächtiger,
Du weiser, weiser, Jupiter!
Ach, sprach er, würden hier die Zeiten
Zu unbegrenzten Ewigkeiten!

Man zeigt' ihm auch der Würmer Schar,
Von welcher er entsprossen war.
Hilf Himmel! wie er sich entsetzte,
Wie er sie äußerst elend schätzte!

Ei! sprach er, kann bei solchem Leben,
Das besser Tod genennet war,
Ein Wurm mit Hochmut sich erheben?
O unbegriffner Jupiter!

Er machte Proben seiner Glieder,
Itzt ging, itzt sprang er hin und wieder,
So lange bis ihn itzt ein Schlaf,
Von Jupiter gesandt, betraf.
Im Schlaf gab Jupiter sogleich
Ihm Form und Art der Würmer wieder.
Er schickt ihn in das untre Reich,
Wo seine schlankgekrümmten Brüder
Ihn mit neugierigem Verlangen
Nach seiner Wissenschaft empfangen.

Sie sagten zu dem neuen Gast:
Willkommen Bruder! sag uns nun,
Was du seither gesehen hast,
Und was die Menschen droben tun?

Allein man hört ihn mit Bestürzen
Die Reiserzählung sehr verkürzen.

Er sprach nur: Werte Brüder, ach!
Ich bin's zu sagen allzuschwach;
Ich weiß kaum was mir widerfuhr,
Sonst wollt ich euch kein Ding verhehlen;
Man kann in unsrer Wurmnatur
Hiervon nichts denken noch erzählen.
Sagt' einer, wie es wirklich sei,
So hielte man's für Plauderei.
Mein Wurm, begnüge dich zu wissen,
Daß in der Tat die Menschen sind.
Zu mehrerm Wissen bist du blind.

*   *   *

Auch du, mein Mensch, kannst nicht die Grenzen übersteigen;
Du bist ein Mensch, und mußt dich als ein Mensch bezeigen,
Bis Gott durch seiner Allmacht Kraft
Dir einen andern Stand erschafft.

Der Sperber und der Krebs

Der Sperber sprach zum Krebs: Wer sollte glauben,
Daß du ein Raubtier bist? Dein Gang ist träge,
Und schläfrig ist dein Tun. Nur dann bist du geschwinde,
Wenn du zurücke gehst, doch nicht den Rücken kehrst.
Du holest so den Raub, und mir entgeht er oft,
Wenn ich mit voller Kraft der Flügel auf ihn stoße.

Der Krebs antwortete: Du kennst die Krebse nicht;
Kein Raubtier ist gewisser seiner Beute,
Als die von unsrer Art. Selbst unser träger Gang
Macht, daß man sich vor uns nicht hütet.
Wer um sich her nicht stößt, noch beißt, noch schnappt,
Dem traut man leicht. Du magst die Vögel stoßen,
Mein ganzer Witz beruht auf meinen offnen Scheren;
Wer in dieselben fällt, der bleibt darin behangen.
Ich sorge schon, daß er nicht mehr nach Hause kommt,
Den Seinigen mich warnend zu verraten.


Das Gemstier und der Adler

Ein Gemstier stand auf einem steilen Felsen;
Demselben flog ein Adler so recht nahe,
Daß er es mit der Flügel einem stieß.
Der Stoß tat ihm so ziemlich übel.
Es sprach, was soll das sein? stößt man so seinen Freund?

Der Adler sprach: Verzeih es mir,
Ich sah dich nicht als ich vorüber flog.
Dann wandt' er sich und gab im wiederfliegen
Ihm einen Puff, wovon ihm schwindelte.

Es sprach: Das tatest du mit Wissen,
Du gehest mit Verderben um.

Ei nein, erwiderte der Vögel Herr,
Ich wandte mich aus Sorgfalt um,
Zu sehn ob von dem ersten Schlage
Ein Schaden dir geschehen wäre.

Er führt, indem er dieses sprach,
Den dritten Streich auf das unschuld'ge Tier;
Und sprach zugleich: Verwünschte Flügel,
Ihr seid mir allzeit hinderlich,
Wenn ich mit freundschaftsvollem Herzen
Mich zu den Gemsen nähern will.

Indessen taumelte das Tier von seinem Schlage
Die hohe Felsenwand hinunter.
Der Adler fand es dort in seinem Blute liegen,
Er aß es auf, als eine Beute
Die er im offnen Krieg erobert hätte.

Das Rotkehlchen und der Erdenwurm

Das muntere Rotkelchen sprach
Einmal zum schlanken Erdenwurm:
Fürwahr du bist ein armes Ungeziefer;
Hat die Natur sich gegen einen
Stiefmütterlich und karg erwiesen,
So tat sie es gegen dich; was ließ sie dir nicht fehlen?
Die Augen, Ohren, Füße, Flügel —
Was hat sie, Wurm, dir nicht mißgönnet?
Was kannst du mehr als kriechen oder wühlen,
O, welch ein Abstand ist davon zu meinem Leben!
Ich flieg' und fliegen ist für mich nicht Arbeit;
Es ist nur Lust, wenn ich nach Speise fliege.
Da bin ich nicht mit einer Art zufrieden;
Ich wechsle gern, bald speis' ich einen Käfer
Mit goldnen Flecken auf dem Rücken,
Bald einen Wurm von deinen Anverwandten;
Die Spinne bald, die Weberin;
Dann schon ich nicht dem Schmetterling
Um alle seine hohen Farben;
Itzt schmecket mir die zarte Mücke,
Die Biene dann, die süß ist wie ihr Honig;
Ich singe nun, dann hüpf' ich wieder;
Mir öffnet sich die weite Welt,
Wenn dich dein schwarzes Loch verbirgt.

Der Erdenwurm antwortete:
Mich hat der Gott der Kreaturen
Zu allen Lüsten taub gemacht.
Er konnte mir nichts bessers schenken;
Du sagest mir von vielen Freuden,
Wovon ich nicht ein Wort verstehe;
Und was ich nicht versteh, nicht wünsche.
Dann würd' ich unglückselig sein,
Hätt er Begierden mir gegeben,
Die ich unmöglich stillen könnte,
Begierden, wie ein Vogel hat,
Wie deine sind, du munteres Rotkelchen.

Jost und die Glatt

Jost ging im Sommer auf das Land
Und kam zur Glatt, dem stillen Flusse,
Er sah ihn an von seinem Strand
Und sprach zu ihm nach schönem Gruße:

Bist du der schöne Fluß die Glatt?
Du führst den Namen von der Tat;
Bist glatt und liebst die sanfte Ruh;
Geschickt hast du den wilden Flüssen
Durch stille Wege dich entrissen;
Sie rauschen, poltern, stürmen zu,
Freundschaftlich, gütig, fromm bist du.
Ich leugn' es nicht, ein wenig klein;
Was schadet das? Du bist doch rein.
Auch sagt man du seist sonderlich;
Sei immer so, und so bin ich.

Kaum daß er das geredet hat,
So steiget aus der sanften Glatt
Ein nackter Wassermann hervor,
Des Haupt bekränzt mit grünem Rohr.
Jost wollte dem Gespenst entfliehn,
Allein der Geist ermuntert ihn:

Flieh nicht, ich bin die fromme Glatt
Die niemand gern beleidigt hat.
Ich hört' in meinen Wasserhöhlen
Mein Lob mit vollem Mund erzählen;
Und kam hervor den Mann zu sehn,
Der so geschickt mich kann erhöhn.
Und guter Jost bist du der Mann,
Der so manierlich loben kann?
Ich bin, sagst du, ein Sonderling,
Und du bist selbst ein solches Ding;
Ich bin wie du. — Doch lieber hör,
Ich habe meinen Flecken mehr.
Mein Fehler ist, ich kann nicht heucheln,
Ich kann nicht mir noch andern schmeicheln.
Ich schweige meine Fehler nicht,
Darum vernimm, was mir gebricht.
Jost, laufen andre Wasser über,
So werd ich auch mit ihnen trüber,
Als mancher große und starker Fluß.
Entsteht bisweilen ein Erguß
Nur von den nächstgelegnen Bächen,
Mein, welch ein Unrat sammelt sich,
Und welch ein Wust erfüllt auch mich;
Womit ich oft die schönsten Flächen
Des guten Feldmanns überströme,
Und Gras und Bäume mit mir nehme.
Wahr ist's, ich werde wieder klar;
Doch bleib ich immer unschiffbar.
Ich zeuge schleichend Ungeziefer,
Bald bin ich höher und bald tiefer;
Bald bin ich lau, bald bin ich kalt.
Bald lauf ich zahm, bald mit Gewalt;
Bald geb ich Fische, und bald keine,
Bald edler Art und bald gemeine.
Und kurz, nur selten kommt die Zeit,
Daß ich von Mangeln bin befreit.
Wer dieser los zu sein sich dünket,
Derselbe stinkt, mein Jost, er stinket,
Was ist zuletzt mein ganzes Tun?
Ich bin gemacht, nicht zu ruhn.
Hier nahe fall ich in den Rhein
Aus aller meiner Kraft hinein;
Daß ich, wie andre große Flüsse,
Mit ihm ins Weltmeer mich ergieße;
Wo wir, nicht einer ausgenommen,
Vereiniget zusammen kommen;
Dann werd ich Salz und weiters nicht,
Zu Salz wird dann dein Lobgedicht.

Jost sprach: Hör auf, beschwatzte Glatte
Ich habe deiner Antwort satt.

Der Fuchs, ein Meßkünstler

Ein guter Herr gab einem Fuchs,
Den noch der Jugend Unschuld schmückte,
Das Dorfrecht mit den zahmen Tieren,
Und nahm ihn in den Burgfried auf.
Ihm schwur der Fuchs er wollte Freundschaft
Mit jedem Federviehe halten,
Wie einem frommen Fuchs gebührte.
Der Herr sprach: Brichst du deine Treue
Und mordest mir das kleinste Vieh,
So stehet dir die Freiheit drauf;
Ich lasse dich in Eisen schlagen;
Du mußt ein Sklav sein lebenslang.

Der Fuchs blieb eine zeitlang fromm,
Er wandelt' unterm zahmen Viehe
Friedfertig, wie ein frommer Hund.
Indessen wuchsen seine Schenkel,
Ihm wallt' sein Blut mit höherm Strome,
Die Triebe wurden ungestümer,
Die füchsischen Begierden wirkten.
Er griff zuerst in dunkeln Winkeln
Nur Mäuse oder Sperling an;
Bald, da das süße Blut ihm schmeckte,
Verschont er nicht die zahmste Henne.
Er ward auf frischer Tat ertappt,
Und vor dem Richter überwiesen;
Der fällte das gerechte Urteil:

Man sollt ihn in dem Hühnerhofe
An eine kurze Kette schließen;
Damit er da beim Federviehe
Gezwungen Frieden halten lernte.

Das schien ihm ernstlich keine Strafe,
Die Nachbarschaft gefiel ihm wohl;
Er traute sehr auf seine Sprünge,
Die würden ihm noch öfters dienen,
Mit Hühnerblute sich zu speisen.
Doch er betrog sich dieses mal;
Er sah sich zu kurz gebunden,
Und machte nur die Hühner scheue.
Itzt fühlt er erst die ganze Strafe,
Die unter Herden Viehes ihn
Verdammte, Durst nach Blut zu leiden.
Also stand Tantalus im Strome
Und mochte nicht den Strom erreichen.

Itzt schmiegt er sich an sein Pflöckgen,
Er sitzt in traurigen Gedanken,
Und überlegt sein sklavisch Schicksal.
Nach langem hin und wieder denken,
Ermannt er sich mit diesen Worten,
Die er in seinem Herzen spricht:

Mein Herr verstehet sich aufs strafen,
Ich dacht er strafte mich alleine
An meiner Lust herumzustreifen;
Allein er strafte mich noch mehr
An meiner Lust nach Hühnerblute.
Doch, hat er's auch genug erwogen
Und bin ich denn zu kurz gebunden?
Ich fühle was in meinem Kopfe,
Das nach der Freiheit mir geblieben;
Ich hört' oft mein Geschlechte loben,
Die Füchse hätten Witz und List;
Es wird wohl Witz und Schalkheit sein,
Was ich in meinem Kopfe fühle.
Ich will nicht mein Geschlecht beschimpfen,
Man soll nicht sagen, daß ein Fuchs
Im Hühnerhof nach Blut gedürstet.
Ich bin nicht wert ein Fuchs zu heißen,
Wenn meine List mich hier verläßt.
Was tu' ich denn? — Hier ist's erfunden.
Ich messe meine Grenzen aus,
Und schließe sie mit einem Walle;
Der wird im Zirkel aufgeführt.
Weh dann dem Hahn und Weh der Henne,
Die in mein Schloß die Tritte setzen,
Die mich in meiner Stille stören!
Er sprach und fing das Werk gleich an.
Er raffte Holz und Stroh und Bein
Und Stein und Erd und Gras zusammen,
Und warf so weit die Kette reichte
Rund um den Pflock die Festung auf.
Dann hielt er in dem neuen Baue
Sich still, als pflegt er seiner Ruh.

Die dummen Hühner wurden sicher,
Sie nahten dem Werke sich,
Und als sie ihn so still erblickten,
So traten sie darüber hin.
So bald eins drüber hingetreten,
So sprang, der Fuchs aus seinem Lager
Und zog den frischen Raub zu sich,
Die Frucht von seiner neuen List.

Er sprach: Wer seinen Kopf behält,
Der ist noch nicht so ganz verlassen,
Daß er in seiner großen Not
Sich nicht ein wenig helfen könne.

Diese Fabel hat ihren Grund in einer wirklichen Geschichte.

Jupiter und die Tiere

In einer allgemeinen Not,
Die Vieh und Menschen gleich zerstörte,
Rief jedermann zum Jupiter
Um Rettung vor dem nahen Tod.

Der seltne Fisch, der schwimmt und fliegt,
Sprach: Herr der Erden und des Meeres,
Ich mahne dich um deine Hülfe
Bei meinem eifervollen Dienste
Den ich mit Willen nie versäumte.
Du wissest daß ich jeden Tag
Zween Flüge dir zu Ehren flog;
Zween abgemeßne starke Flüge,
Die niemand von mir forderte.

Die Fledermaus rief: Herr der Götter,
Die andern Tiere mögen sterben,
Hast du an ihrem Tode Lust,
Nur schone deiner Dienerin,
Die manches Bröckchen Speck auf deinen Altar legte,
Und voller Andacht dann verschlang.
Wer würde dir solch Opfer bringen,
Wenn du mich von der Erde nähmest?

Der Rabe rief: Beherrscher aller Welt,
Gedenk itzt dran, daß ich einmal
Dir eine Gabel opferte,
Mit einem Heft von klarem Silber?
Ich nahm sie einem armen Manne,
Der nur die einz'ge Gabel hatte.
Ich trug auf deinen Altar dir
Ein ander mal (erinnre dich,)
Ein kostbar Kleinod von Juwelen,
Das ich aus einer Schachtel zog,
In eines Herzogs Palaste.

Die Schnecke rief: O großer Gott,
Du Herr der Menschen und der Schnecken,
Du weist es, daß ich allemal
Auf dich nur mein Vertrauen setzte,
Mach meine Hoffnung nicht zu schanden!
Dir heiligt ich den Bohnenstiel,
Der nächst an meiner Heimat steht;
Zur Ehre dir umwand ich ihn
Alljährlich um und um mit Schleime,
Der mit verschiednen Farben spielte.
Die Ehre, wenn ich nicht mehr bin,
Wird dir kein anders Tier ersetzen.

Das Schwein auch rückte seine Dienste
Dem Herrn des Himmels vor, es sagte:
O reicher Geber alles Guten,
Herr über Tod und über Leben,
Erhalte wenigstens das Schwein,
Das dir bisher so fleißig diente,
Indem ich meines Bauches pflegte.
Um deinetwillen wählt' ich mir
Die Ruh und gab die Arbeit auf.
Mich satt und fett und dick zu essen,
Das war mein Tun bei Tag und Nacht.
Das tat ich, daß einmal die Maus
Von meinem Speck und Schmer bekäme,
Und dir davon ein Opfer brächte.
Noch hat mein Speck die Höhe nicht,
Die er bekommen kann und soll.

Das Schaf bat auch mit seinen Jungen:
Hier sind die Kinder mit der Mutter,
Zu sterben, wenn du's so geordnet.
Zu leben, wenn es dir gefällt.
Das lassen wir an deine Sorge.
Was sind wir dir auf Erden nütze?
Die feine Wolle, die wir tragen,
Ist dein Geschenk, du gibst sie uns;
Und hast sie selber nicht vonnöten,
Nicht zu Tapeten noch zu Kleidern.

Sie hörte Jupiter so bitten.
Was für ein Stolz ihr dummen Tiere,
So sprach der Gott, der Dienst, die Opfer?
Sind euers albern Kopfs Erfindung;
Ich habe sie euch nicht befohlen,
Und habe sie auch nicht vonnöten.
Und alles was ihr geben könnet,
Empfinget ihr zuerst von mir.
Am wenigsten noch dient man mir
Mit weggestohlnem, fremdem Gute,
Wie dieser schwarze Rabe dacht.
Das fromme Schaf mit seinen Jungen
Allein hat unter allen Tieren
Nach meinem Sinne mich gebeten.
Ich nehme sein gelaßnes Herz
Und das Bekenntnis seiner Armut
Für Dienst und für Verehrung an.
Ihr andern lebt mit ihm und lernt,
Wie ihr mir dienen könnt, von ihm.

Der von seiner Quelle gewichene Hirsch

Es wohnt' ein Hirsch in einem fruchtbaren Berge,
An einem Quell von klarem, reinem Wasser.
Er lebte da die angenehmsten Tage,
Und segnete den Quell des Morgens und des Abends;
Und den noch mehr der ihm den Quell gegönnet.
Kaum konnt' er das von sich erhalten,
Daß er ihn aus den Augen ließ.
Doch zwang ihn einst die Neugier, die im Hirsche
Wie in dem Menschen wirksam ist,
Daß er dem Bache nach, der von dem Quell entstand,
Sich in das ebne Land hinunter wagte,
Des Quelles Lauf und Schicksal zu entdecken.
Er trank am Fuß des Bergs von seinem Wasser.

O, sprach er, wie viel hat das Wasser hier
Von seinem lieblichen Geschmack verloren!
Wie wäßrig schmeckt es hier! Er eilte fort
Und kam an einen See, in welchen sich
Derselbe Bach verbreitet hatte.
Es war ein stiller See mit Seekraut stark bewachsen;
Die Winde spielten da nur ungern auf der Pfütze;
Ton war sein Grund und tonig war das Wasser.
Er sah am Ufer dort bewollte Herden gehn,
Und wenn sie dürsteten, die trübe See besuchen.

Ei ekelt es euch nicht, den gelben Ton zu trinken?
So sprach er, und ihm gab ein Schaf zur Antwort:
Wir trinkens weil der Hirt an diesen Ort uns führt;
Gewiß ist's klarer hier als in den tiefern Gründen.

Der Hirsch ging weiter fort, wo aus demselben
Durch schilfichtes Geröhr auf einem weichen Bette
Ein kleiner Fluß sich schleichend krümmte,
An diesen kamen Kuh und Stier' und Pferde;
Den heißen Durst darin zu stillen.

Ihr wohlbeleibten Stier', ihr edeln Pferde,
Fragt' er, was tatet ihr, daß man euch straft,
Das schlammige, das schwarze Naß zu trinken?
Gewiß ihr würdet es aus freier Wahl nicht trinken.
Ihr habt dafür zu viel Geschmack.

Wir trinkens, weil wir hier kein anders haben,
Denn wir sind eingezäunt; mit Dämmen, Graben, Hecken,
Sind wir als im Gefängnis eingeschlossen;
Und unsre Freiheit ist dahin mit unsern Adel.
Bleib dort, wenn du mit uns nicht willst gefangen sein.
Jedoch im tiefern Tal trinkt man unreiners Wasser.

So sprach ein Pferd, und sprach die Wahrheit;
Man hatte dort den Fluß geteilt in viele Bäche,
Und diese durch das Land die Läng und Quer geleitet.
In deren einem sah er Schwein und Ferkel wühlen;
Voll Unflat war der Bach, voll Würmer, voll Gestank.
Doch schien die Herde froh und ganz vergnügt zu sein.
Sie glaubten, was die Hirten sagten,
Der Unflat machte fett und würde Speck und Schmer.
Der Hirsch verweilte nicht bei diesem Unrat.
Er eilte fort und lief die trägen Bäche vor,
Bis wo sie sich in einen einz'gen Arm
Von neuen sammelten; dort rollten sie zusammen
Auf einem Sand- und Kieselbette fort;
Sie waren itzo klar, durchsichtig und gereinigt.
Die Vögel sangen an dem Ufer,
Besahen sich in seinem Spiegelglase
Und wuschen sich darin; sie lobten dieses Wasser
Vorm Nektar und dem Rhein. Ihr Lob verführt den Hirschen,
Daß er es auch versucht. Allein er fand,
So zart war sein Geschmack, noch einen Schnitt darinnen
Von Ton und von Morast, von Kot und Fäulnis.
Wie nimmt man, sprach er, hier das schlimme gern für gut!

Itzt sehnt er sich nach seinem Quell zurück,
Mein er fand den Weg versperrt, die Hirten hatten
Die Waffen wider ihn ergriffen.

Sie riefen: Dieser kam bei unsern Herden
Die Saat der Zwietracht auszustreuen.
Er legt' in jedes Tier den Geist des Mißvergnügens.
Er darf die Hirten selbst verlästern,
Als tränkten wir die uns empfohlnen Herden
Statt Wassers nur mit Ton und mit Moraste.
Das ist zu nah an unser Amt gesprochen,
Und kann nicht ungestrafet bleiben.

Sie zogen auf ihn los, doch seine Läufe trugen
Ihn ohne Müh aus der Gefahr.
Er kam in kurzer Zeit zu seinem Quell zurück,
Und fand das Wasser da beim Durste
Noch eins so wohl geschmackt und kräftig.

Er sprach: Du unverfälschter Quell
Allein bist süß und wohlgeschmackt und klar,
So bald du weiter rinnst so mischen sich
In deinen Fluß die gröbsten Elemente.
Es sei darum, man nenne mich den Dummen,
Wenn mich die Lust herumzuschwärmen
Ein ander mal so töricht übereilt,
Daß ich dich fern von dir verdorben trinke.