Fab.1
Die Gefährten des Ulysses
Dem Herrn Herzog von Burgund
Prinz, einz'ger du, des die Unsterblichen sich freun,
auf deinem Altar laß mich meinen Weihrauch streun.
Spät kommt die Muse, dir im Lied zu huld'gen;
der Arbeit Last mag mich bei dir entschuld'gen.
Mein Geist nimmt ab, indes den deinen man gewahrt
zunehmen stets an Kraft, mit weisem Sinn gepaart;
er schreitet nicht, schwingt sich empor auf Flügeln.
Mit Mühe, wie ein Held, kann er das Feuer zügeln,
zu zeigen sich im Dienst des Mars von gleicher Art.
An ihn liegt's nicht, wenn er, den Sieg an seine Fahnen
fesselnd, in sturmschneller Fahrt
nicht vordringt auf des Ruhmes Bahnen.
Ein Gott hält ihn zurück: 's ist Ludwigs heil'ge Macht,
er, den ein Monat nur zum Herrn des Rheins gemacht.
Grad an der Schnelligkeit war damals viel gelegen;
heute schiene sie vielleicht uns etwas zu verwegen.
Ich schweige, haben doch, wie mir bewußt,
an langen Reden Freud' und Liebe wenig Lust.
Von jeher strahlt dein Hof in solcher Götter Glanze;
sie lassen nicht von dir. Nicht, als sei nicht bewahrt
ein Ehrenplatz auch für Gottheiten andrer Art:
Vernunft und edler Sinn beherrschen dort das Ganze.
Frag bei den letztern an, ob nicht der Griechen Schar
unklug und unvorsichtig war,
sich einem Zauber hinzugeben,
der menschliche Natur wandelt' in Tiergestalt.
Ulyssens Freunde, nach zehnjähr'gem Kriegerleben,
irrten umher, vom Wind getrieben, ohne Halt.
Da landeten sie an Gestaden,
wo Circe, Phöbus' schönes Kind,
haushielt samt ihrem Hofgesind.
Sie ließ zu einem Trank sie laden,
der köstlich mundete; doch war ein Gift darin
das ihnen raubte den Verstand und Sinn.
Bald fühlten an Gesicht und Körper sie den Schaden
des Gifts: Sie wurden Tier' an Antlitz und Gestalt;
sie waren Bären, Leu'n und Elefanten, bald
geschwellt zu unförmigen Massen,
bald winzig klein, daß kaum zu fassen
sie waren mit der Hand, »exemplum, ut talpa«.
Ulyß nur stand unnahbar da!
Er wies den Trank zurück, ihm stieg er nicht zu Hirne.
Da er mit seinem Heldenmute
der Rede süßen Reiz und klugen Rat verband,
so flößte er der Zauberin
ein andres Gift ein, mit dem ihren nah verwandt.
Stets schwatzt 'ne Göttin, was ihr Herz beschwerte.
Als dies ihm ihre Lieb' erklärte,
benutzt Ulyß sogleich die Lag': Der schlaue Mann
verlangt von ihr, sie solle eben
die frühere Gestalt den Freunden wiedergeben.
Die Nymphe fragt: »Wollen sie das, nehmen sie's an?
Geh eilig und versuch, der Schar es vorzuschlagen!«
Ulysses geht und spricht: »Es gibt ein Mittel gegen
das Gift; ich kenn's und will euch Beistand leihn.
Wollt, Freunde, ihr nicht wieder Menschen sein?
Ihr sollt die Sprache wiederhaben.«
Der Leu brüllt ihm ein lautes Nein:
»So toll bin ich nicht! All den Gaben
sollt' ich entsagen, die erst jetzt ich nenne mein?
Fürst bin ich; meinen Feind reiß ich zu Stücken.
Soll mich das Bürgerrecht von Ithaka beglücken?
Du machst mich wieder zum gewöhnlichen Soldaten.
Nein, ich will bleiben, was ich bin.«
Zum Bären eilt Ulyß: »Gefährte meiner Reise,
o weh, wie siehst du aus! Und warst so nett doch einst!«
»Ach nein! Wirklich? Was du nicht meinst!«
brummt der ihn an nach Bärenweise.
»Wie ich ausseh'? So wie ein Bär aussehen muß.
Wer sagt, daß Schönheit nur einer Gestalt verliehen?
Ist deine denn der unsern vorzuziehen?
Der Bärin Liebe ist mir wonniger Genuß.
Mißfall ich dir? So geh und laß mich! Wohlgeborgen
leb' ich hier, froh und frei, mich drücken keine Sorgen.
Ich sag' dir kurz und gradehin:
Nein ich will bleiben, was ich bin.«
Nun eilt der Fürst zum Wolf, auch den zu fragen;
er spricht, auf ähnlichen Bescheid von ihm gefaßt:
»Ach, außer mir, Freund, bin ich fast!
Ich hörte eine junge Hirtin klagen
ob deiner nie gestillten Freßbegier,
du würgtest alle Schafe ihr.
Sonst pflegtest Schutz den Schäfern du zu geben,
du führtest ein höchst würd'ges Leben.
Komm, laß den Wald und will'ge ein,
statt Wolf ein guter Mensch zu sein.«
Der Wolf: »Gibt's die? Kaum einen lass' ich gelten!
Du kommst, um mich ein reißend Tier zu schelten.
Du mich! Wer bist denn du? Hättest ohne mich du hier
die Tiere nicht verspeist, die sich erjagen ließen?
Wär' ich ein Mensch, sag's ehrlich mir,
würd' ich dann wen'ger Blut vergießen?
Ihr würgt euch um ein Wort, um eine Kleinigkeit!
Ob ihr, Mensch gegen Mensch, nicht Wölfe seid?
Alles wohlüberlegt, stell' ich Verbrecher neben
Verbrecher, scheint es mehr Gewinn
als Wolf mir denn als Mensch zu leben.
Nein ich will bleiben, was ich bin.«
Mit gleicher Bitte wandt' Ulysses sich an alle;
ein jeder gab im gleichen Falle
im gleiche Antwort, Groß und Klein.
Wald, Freiheit, ihrer Lust Befriedigung allein
erschien als höchstes Glück den Braven.
Des Ruhms der edlen Tat waren sie längst entwöhnt;
frei wähnt' sich jeder, wenn er seinen Lüsten frönt':
Sie waren ihre eignen Sklaven.
Prinz, einen Stoff, in dem der leichte Scherz sich paart
mit Nützlichem, war ich bemüht dir auszulesen;
die Absicht war wohl guter Art,
wär' leichter nur die Wahl gewesen!
Da endlich fand ich die Gefährten des Ulyß;
viel ihresgleichen gibt's in dieser Welt gewiß,
Volk, das zur Straf' ich überlasse
deinem Gericht und deinem Hasse.
Fab.2
Die Katze und
die beiden Spatzen
Dem Herrn Herzog von Burgund
Ein junges Kätzchen und ein junger Spatz
hatten von jeher beieinander ihren Platz,
ein Zimmer war dem Paar zum Aufenthalt geboten.
Oft neckten spielend sich die beiden, Spatz und Katz',
der mit dem Schnabel fix und diese mit den Pfoten.
Die Katze schont' den Freund, sie macht' ihm niemals
Schmerz,
nur halb erwidernd seinen Scherz;
nicht brächt' sie's über ihr Gewissen,
hätt' sie gekratzt ihn und gebissen.
Der Spatz, nicht so vorsichtig, schlug
sie mit dem Schnabel oft genug.
Als Frau von Welt entschuldigt immer
die Katz' das Spiel höchst nachsichtsvoll:
Aufkommen lassen soll man unter Freunden nimmer,
selbst wenn man recht hat, ernsten Groll.
Da beide längst einander wohlgewogen,
so lebten friedlich sie und in Gemütlichkeit;
bei ihrem Spiel kam's nie zu erstem Streit.
Einst kam ein Nachbarspatz geflogen,
sie zu besuchen, und alsbald gesellt' er sich
zu unsrem Spatzen und der Katze freundschaftlich.
Zwischen den Vögeln war es bald zum Zank gekommen;
die Katze mischt sich drein und spricht:
»Der fremde Herr hat hier sich schön benommen!
Beleidigt meinen Freund! Der Wicht
will ihn in seinem Übermut zu töten sich vermessen?
Bei allen Katzen, nein!« Sie mengt sich in den Strauß
und bringt den Fremden um. »Ei«, ruft sie aus,
»wie schmecken Spatzen! Ein erlesner Schmaus!«
Diese Entdeckung ließ sie auch den andern fressen.
Welche Moral ich wohl aus diesem Falle zieh'? -
denn keine Fabel ist vollständig ohne sie.
Oft glaub' ich sie zu sehn, doch trügt der Schein.
Mein Prinz, ich wette drauf, daß du sogleich sie weißt;
dein Scharfsinn trifft das Ziel, doch meine Muse, nein,
alle neun Schwestern haben doch nicht deinen Geist.
Fab.3
Der
Schätzesammler und der Affe
Ein Mann häuft' Schätze an. Diese Verirrung geht
oft bis zum Wahnsinn, wie ihr seht.
Der Geizhals träumte nur Dukaten und Pistolen.
Liegt müßig solches Gut, dann mag's der Geier holen!
Den Schatz zu wahren unversehrt,
bewohnt der Filz ein Haus, zu welchem Amphitrite*
von allen Seiten her Dieben den Zugang wehrt.
Mit einer Seligkeit, für die ich wenig biete,
die ihn jedoch beglückt, scharrt er zusammen dort,
bei Tag und Nacht in einem fort
rechnend und nachrechnend; und dann spielte
von vorne er das Stück, als ob er Lohn dafür erhielte,
da neue Fehler er beim Rechnen stets wahrnimmt.
Sein Affe wirft manch Geldstück – viel gescheiter
als sein Herr – durchs Fenster fort ganz heiter;
so kommt's, daß nie die Rechnung stimmt.
Da fest verschlossen stets die Stube,
liegt offen da das Geld auf unsres Geiz'gen Tisch.
Einst wollt' ein Opfer gern Bertrand, der böse Bube,
dem Meere bringen – es war zu verführerisch.
Wenn ich des Affen Torenstreiche
mit der törichten Lust des Geizigen vergleiche,
weiß ich nicht, wem den Preis ich zuerkennen soll.
Mancher meint, nur Bertrand verdien' ihn voll;
die Gründe sind zu lang, ich will darauf verzichten.
So nimmt das Tier – nicht Schaden will's anrichten –
manch Stückchen Gold, eins nach dem andern, fort,
Talente hier, Dukaten dort;
dann prüft es seine Kraft und seines Wurfes Kunst
am Golde, das in ihrer Gunst
die Menschen setzen über alles.
Hört' er die Tür nicht gehen und der Schritte Schall
des Geldmanns, der just heimgekommen,
der Affe führte fort, und die Dukaten all'
hätten denselben Weg genommen.
Er hätt' sie allesamt in jenen weiten Schlund
geschleudert, der sich nährt von Schiffbruchsspenden.
Gott schütze jeden, der viel Geld gesammelt und
nicht weiß, es besser zu verwenden!
*Amphitrite,
griech.Meergöttin.
Fab.4
Die beiden Ziegen
Die Ziegen trieb seit ew'ger Zeit
ein Geist der Unabhängigkeit
zum Wanderleben stets, und von jeher erlasen
sie solche Stätten sich zum grasen,
die keines Menschen Fuß betrat.
Dort, wo von steiler Höh' ohne gebahnten Pfad
Felsen und Berge starr in tiefen Abgrund schauen,
scheint's diesen Damen gut, sich einsam zu erbauen;
nichts hemmt das Tier, bis es die Kletterei vollbracht.
Zwei Ziegen, die sich losgemacht,
verließen, dürstend nach der Freiheit Glücke,
das ebne Land, jede für sich allein;
sie schlugen auf gut Glück verschiedne Richtung ein.
Sir trafen einen Bach, ein schmales Brett als Brücke;
zwei Wiesel kämen aneinander kaum vorbei auf diesem Steg.
Auch macht der tiefe Bach den Weg gefahrvoll
und das Herz der Amazonen beben.
Trotzdem tritt auf das Brett die eine; nachzugeben
fiel' nie der andern ein, die auch das Brett betritt.
So, denk' ich, war's, als mit dem Großen Ludwig schritt
Spaniens Philipp der Vierte
weiland nach jenem Konferenzeneiland.
So näherten ganz langsam sich
unsre zwei Abenteuerinnen,
beide von hochgemuten Sinnen.
Zur Mitte waren sie gelangt und keine wich
der andern. Gleicher Stolz erfüllt sie; hoher Ahnen
Gedächtnis will sie gleich ruhmvoller Abkunft mahnen;
jene entstammt der Geiß, die zum Geschenk verehrt
Polyphem, der Zyklop, der Nymphe Galatea,
diese der Ziege Amalthea,
die einst den Vater Jupiter genährt.
So stürzten durch die gleiche hartnäckige Tücke
beide ins Wasser unverhofft.
Solch ein Unfall hat sich schon oft
ereignet auf dem Weg zum Glücke.
Fab.5
Die Katze und die Maus
An den Herzog von Burgund,
der den Verfasser um eine Fabel unter dem Titel
"Die Katze und die Maus" gebeten hatte.
Dem Prinzen zu Befehl, dem Fama will errichten
in meinem Werk ein Ruhmeshaus,
wie soll ich eine Fabel mit dem Titel dichten
"Die Katze und die Maus"?
Zeig' ich 'ne Schöne ihm, die, kalt und hart von Herzen,
obwohl von außen mild, in höchst grausamen Scherzen
mit denen, die ihr Reiz besiegt in leichtem Strauß,
spielt wie die Katze mit der Maus?
Nehm' ich zum Gegenstand Fortunas Spiel? Persönlich
paßt besser nichts auf ihn, auch macht er es gewöhnlich
mit denen, die man hält für seine Freund' im Haus,
ganz wie die Katze mit der Maus.
Nenn' ich 'nen König, den sie, allen weit voraus,
allein erwählt, dem sie, ihr in das Rad zu fallen,
erlaubt, dem eine Welt von Feinden nimmer Graus
erregt und der nach Lust selbst mit den Mächt'gen allen
spielt wie die Katze mit der Maus?
Doch ganz unmerklich führt mich dieser Weg gradaus
zum Spiel; und irr' ich nicht, verdürb' ich mit zu vielen
Strophen das Ganze wohl und käm' um den Applaus.
Dann dürft' der junge Prinz mit meiner Muse spielen,
ganz wie die Katze mit der Maus.
Der alte Kater und die junge Maus
Ein junges Mäuschen, fast ein Kind noch, wollt' es wagen,
des alten Katers Herz zu rühren durch ihr Klagen
und Flehn, und bat daher den alten Mäusegraus:
»Laß mich am Leben! Ist 'ne Maus
von meiner Größ' und meinem Magen
denn eine Last für solch ein Haus?
Meinst du vielleicht, ich hungre aus
dem Wirt samt Wirtin und Gesinde?
Ein Körnchen Weizen ist mein Schmaus,
fett macht mich eine Käserinde.
Jetzt bin ich mager; drum wart' nur noch ein'ge Zeit,
deiner Nachkommenschaft steh' ich zum Mahl bereit.«
So sprach die Maus, als sie der Kater fing. »Dich halt ich«,
sagt' jener, »und du irrst gewaltig!
Wer bin ich, daß du so mit mir zu reden wagst?
Das nützt dir ebenso, als ob du's einem Tauben sagst.
Ein alter Kater und Begnad'gung? Welch Ansinnen!
Nach unsrem Brauch – du kennst ihn doch? –
stirbst du. Marsch! Gleich ins schwarze Loch!
Klag's den drei Schwestern, die dort spinnen!
Für meine Kinder gibt's genug zu fressen noch.«
Wort hielt er. Fragt ihr, was an kalter
und trockener Moral die Fabel bringt zu Tag?
Die Jugend schmeichelt sich, daß alles sie vermag;
und unbarmherzig ist das Alter.
Fab.6
Der kranke Hirsch
In großem Frost erkrankt' ein Hirsch. In Haufen
sah flugs die Freund' herbei man laufen
zum Kranken als Besuch, als Helfer in der Not,
als Tröster mindestens – höchst lästige Gesellen.
»Gönnt, Freund', in Ruhe mir den Tod!
Laßt in der altgewohnten Art, der schnellen
ihr Werk die Parze tun und weinet nicht!«
Umsonst! Der Tröstung traur'ge Pflicht
erfüllten gründlich sie trotz seinem Flehn und Dringen.
Als sie mit Gottes Hilfe gingen,
taten sie's nicht, ohne vorher das vollste
Weiderecht im Forst sich anzumaßen,
indem den grünen Wald ringsum ganz kahl sie fraßen.
Der arme kranke Hirsch fand nun kein Futter mehr;
und war übel dran schon früher,
so ward das Übel jetzt noch schlimmer:
Zur Krankheit kam die Hungersnot,
er starb zuletzt den Hungertod.
Ja, teuer, daß man's nie verschmerzt,
seid ihr, ihr Leib- und Seelenärzt'.
O Zeit! O Sitten! In der Welt
ist nichts umsonst, alles um Geld.
Fab.7
Die
Fledermaus, der Busch und die Ente
Busch, Fledermaus und Ente sahen, daß für alle drei
daheim nichts zu verdienen sei;
drum sind ins Ausland sie gegangen,
dort als Genossen einen Handel anzufangen.
Sie hatten bald Büros, Makler, Buchhalter auch,
die sorgfältig nach Kaufmannsbrauch
Ausgaben und Einnahmen buchten ganz genau.
Alles ging gut, bis einst die Ware –
da zwischen Klipp' und Felsenriff
durch engen Meeresarm das Schiff
segelt', das all ihr Glück getragen –
mit Sack und Pack versank in jenen Grund,
der nah' liegt bei des Hades Schlund.
Brach unser Kleeblatt aus in unfruchtbare Klagen?
Nein, keine Miene, die's verzieht!
Der kleinste Kaufmann weiß: Zu wahren den Kredit,
darf Schaden und Verlust man niemals offenbaren.
Doch der Verlust, von dem die drei betroffen waren,
war unersetzlich und der Fall bald jedem kund.
Nun sind sie mittellos, kreditlos, Tag' und Nächte
bereit, ins Loch zu wandern, und
niemand, der ihnen Hilfe brächte.
Das große Kapital, die schweren Zinsen gar,
Kläger, Gericht, der Häscher Schar
und bei des Morgens erstem Glimmen
die Gläub'ger vor der Tür geschwind
bewirken, daß das Kleeblatt nur auf Mittel sinnt,
zur Milde dieses Volk zu stimmen.
Der Busch hält alle fest, die an ihm vorbeigehn: »Ach,
ihr lieben Herren, weist den Ort uns nach,
wo wir die Waren können holen,
die uns der schwarze Schlund gestohlen!
Die Ente taucht ins Meer, ob sie sie dort entdeckt.
Weit flieht die Fledermaus, sobald der Morgen weckt
die Welt zu neuer Lust und Plage;
verfolgt von Häschern, bleibt bei Tage
in tiefen Löchern sie versteckt.
Manch Schuldner kenne ich, der keine Ente ist,
kein Busch und keine Fledermaus, dem Räuber nichts genommen.
Einfach ein großer Herr ist er und sucht zu jeder Frist
über die Hintertreppe zu entkommen.
Fab.8
Der Streit der
Hunde und Katzen
und der Streit der Katzen und Mäuse
Zwietracht hat immerdar geherrscht in dieser Welt.
Tausend Beispiele gibt's, aus denen klar erhellt,
daß dieser Göttin stets viele zu Füßen liegen.
Denkt an die Elemente, und ihr werdet staunend sehn,
wie zu jeder Stund' in ew'gem Kampf sie sich bekriegen.
Außer den vier Gewaltigen, seht, wie die
vielgestaltigen Wesen einander ewig hassen!
Es war von Hunden voll und Katzen einst ein Haus.
Durch manchen Richterspruch, der feierlichst erlassen,
war streng verboten jeder Strauß.
Geordnet waren Arbeit wohl und Schmaus;
die Peitsche kriegte, wen beim Streit man würde fassen.
So lebt in Eintracht all das Vieh, fast brüderlich.
Ob dieser Einigkeit der zwei feindsel'ger Klassen
von Tieren freun die Nachbarn sich.
Doch bald ist's aus. Ein Teller Supp', ein Knochen,
den einer mehr bekam, versetzt in tolle Wut
die andere Partei, die sich zusammentut,
zu rächen, was an ihr verbrochen.
Des Streites Ursach' war – so meldet ein Chronist –
ein dünnes Süppchen für 'ner Hündin Jammer.
Wie dem auch sei, der Zwist entbrannte
lichterloh in Küche, Flur und Kammer.
Ein jeder nahm Partei, es hieß: »Hie Katz'! Hie Hund!«
Man faßt Beschlüsse, über die die Katzen sich beklagen
und schreien, daß es kaum ist zu ertragen.
Ihr Anwalt zieht herbei manch alt Erkenntnis und
manch frühern Urteilsspruch. Man sucht in Essen
und Winkeln, doch umsonst; es hatten unterdessen
die Mäuse längst sie aufgefressen.
Nun neuer Streit. Dem Volk der Mäuse ging es schlecht:
Manch alter Kater, fein und schlau, dem dies Geschlecht
schon von Natur und seit uralter Zeit zuwider,
fängt nun sie ab und macht sie nieder.
Der Herr des Hauses war nur um so besser dran.
Ich sag' es noch einmal: Auf Erden findet man
kein Wesen, kein Geschöpf, dem nicht gegenüberstünde
sein Widerpart; das ist Naturgesetz. Die Gründe
zu untersuchen, hab' ich nicht besondre Lust.
Gott schuf, was er schuf; mehr ist mir nicht bewußt.
Dies weiß ich: Man möcht' oft vor Wut ersticken,
sieht man, wie eine Kleinigkeit die Eintracht stört.
Menschen, man müßte euch, und wärt ihr sechzig Jahr',
noch einmal in die Schule schicken!
Fab.9
Der Wolf und der Fuchs
Wie kommt's, daß niemand sich bescheidet
mit seinem Rang und Stand?
Es wär' Soldat am liebsten der,
den wieder der Soldat beneidet.
Ein Fuchs möcht' sehnlichst gern vom Stamm
der Wölfe sein. Nun wer kann sagen,
ob nicht auch mancher Wolf, ein Lamm
zu werden, schon Begehr getragen?
Denkt nur: Ein Prinz, der kaum acht Jahr',
macht' eine Fabel draus; indessen
schmied' Verse ich mit grauem Haar –
mit seiner Prosa können sie sich nimmer messen.
Viel Einzelnes ist aufgeführt
in seiner Fabel und vertreten
mehr als beim Dichter; drum gebührt
mehr Lob dem Kind als dem Poeten.
Schalmeien nur und Hirtenflöten
kann blasen ich; allein ich weiß:
Bald greif' zu meines Helden Preis
ich zu Posaunen und Trompeten.
Nicht zähl' ich mich zu den Propheten;
doch les' am Himmel ich: Sein Ruhm
wird nächstens und sein Heldentum
Homere heischen, mehr als einen;
und diese Zeit gebiert wohl keinen.
Doch jetzt beiseite das! Es scheinen
Mysterien. Gehen wir auf unsre Fabel los!
Zum Wolfe sprach der Fuchs: »Mein Freund, oft hab' ich bloß
'nen alten Hahn zum Mahl, ein magres Huhn. Welch Los!
Das ist ein Fleisch, vor dem mir ekeln möchte!
Du nährst dich besser und gegen Gefahr gedeckt:
Ich schleich' in Häuser mich, du bleibst im Wald versteckt.
Zeige mir, wie du's machst, mein Freund! Zu gerne triebe
als erster von dem Fuchsgeschlechte 'nen fetten Hammel
ich für meinen Schnabel auf.
Undankbar wirst du mich finden, rechne drauf.«
»Das will ich«, sagt der Wolf. »Ein Bruder starb mir
neulich;
komm, holen wir sein Fell, du hüllst darin dich ein.«
Er tut's; der Wolf spricht: »So, nun mach es ganz getreulich
mir nach! Zu täuschen gilt's zunächst den Schäferhund.«
Der Fuchs hüllt in das Fell sich und macht getreulich alles
nach, wie's ihn sein Meister lehrte, erst etwas ungeschickt,
dann besser – so viel tut
die Übung – und zuletzt so gut,
daß zur Vollkommenheit er fast nichts mehr entbehrte.
Da kommt 'ne Herde an. Der neue Wolf eilt keck
herbei, verbreitet weit ringsum nur Angst und Schreck.
So mocht' in Angst Patroklus* jagen
Lager und Stadt, als er Achills Rüstung getragen:
Alles lief, Weib, Kind, Greis, zur Tempelpforte hin.
An fünfzig Wölfe glaubt zu schaun das Heer der Blöker;
Hund, Herd' und Hirten konnt' ins Dorf man fliehen sehen,
ein einzig Schaf nur ließ man ihm als Beute stehen.
Der Räuber packt es an. Doch ein'ge Schritt' von dort
hört in der Nachbarschaft er eines Hahnes Krähen.
Da läuft der Schüler hin, dem Hahne nach, sofort,
wirft ab die Schülertracht in Schnelle,
vergißt Schaf, Unterricht und Lehrer gleich und eilt
zum neuen Fange unverweilt.
Was hilft es, daß man sich verstelle?
Man täuscht sich, wenn man glaubt, dies ändre die Natur;
der ersten Lockung folgt man schnelle
wieder in seine erste Spur.
Dein Geist, mein Prinz, vor andern hoch erhaben,
ist es, dem meine Muse alles dankt diesmal:
Thema und Reden und Moral
in dem Gedicht sind deine Gaben.
*Patroklus,
Freund des Achill.
Fab.10
Der Krebs und sein
Junges
Manch Weisen sieht im Krebsgang man begriffen,
rückwärts, das Hinterteil dem Hafen zugekehrt.
Die Schiffer tun's; auch ist es einer von den Kniffen
derer, die, einen Streich verdeckend, listbewehrt
grade den Gegenpunkt scheinbar ins Auge fassen
und gegen diesen dann den Feind anlaufen lassen.
Mein Gegenstand ist klein, dies Vorspiel etwas lang;
auf einen Helden paßt's, der in siegreichem Gang
alleine einen Bund gesprengt, bezwungen.
Was er tut und nicht tut, bleibt ein Geheimnis lang;
doch wird es offenbar, dann sind's Eroberungen.
Umsonst forscht man nach dem, was er verborgen hält;
Schicksalsbeschlüsse sind's: Sie hemmt nicht eine Welt,
gegen den Strom ist niemand noch geschwommen.
Machtlos ist gegen Jupiter der Götter ganzer Schwarm
Ludwig und das Geschick, sie lenken, Arm in Arm,
die Welt. Doch laßt uns jetzt auf unsre Fabel kommen!
Zu seinem Jungen sprach ein alter Krebs: »Mein Gott!
Kannst nicht gradaus du gehn?« Mit Spott
fragt' es: »Wieso? Kann ich auch anders gehen,
als ich's in unserm Haus von Kindheit an gesehen?
Soll grad' ich gehn, wenn Ihr den Weg stets rückwärts
macht?«
Der Junge hatte recht: Die große Macht
des Beispiels, das daheim gegeben,
sie zeigt sich überall im Leben,
gut oder schlecht; sie läßt Weise und Narr'n erstehn –
der letztren mehr. Die List, zum Scheine abzusehn
von seinem Ziele, wird oft gute Dienste leisten,
und auf Bellonas Feld am meisten –
nur muß man es auch recht verstehn.
Fab.11
Der Adler und die
Elster
Der Aar, der Lüfte Fürst, und eine Elster – beide
verschieden an Gemüt, an Geist, Beredsamkeit
und auch im Kleid –
sie flogen über eine Heide;
zufällig treffen sie sich an entlegnem Ort.
Die Elster bebt; der Aar, der satt ist, spricht sofort
ihr gütlich zu und sagt: »Laß uns beisammen bleiben!
Wenn Jupiter, dem sie die Weltherrschaft zuschreiben,
der Langeweile Leiden kennt,
kann ich's wohl auch, da man mich seinen Diener nennt.
Drum komm ganz ohne Zwang, die Zeit mir zu vertreiben.«
Die Elster plappert los von diesem und von dem –
der Mann Horazens, der in stetem Zungenhetzen
Gutes und Böses schwätzt, wenn über Feld er käm',
hätt' keine Ahnung von der Elster ew'gen Schwätzen.
Von allem wollte sie den Aar in Kenntnis setzen,
was nur geschäh' auf allen Plätzen,
ein Hauptspion! Doch schien ihr Vorschlag nicht genehm;
der Adler spricht zu ihr im Grimme:
»Nein, Schätzchen, bleibe, wo du bist!
Leb wohl, Klatschmaul, da kein Gehör für deine Stimme
an meinem Hof zu finden ist.
Von dir, du Elster, habe ich genug!«
Wer Sehnsucht je, in den Olymp zu kommen, trug,
bedenk': Es bringt dies Glück oft auch die schwerste Plagen.
Äußerlich feine Schwätzer gibt's. im Herzen voll von Lug und
Trug;
und dennoch muß wie die Elster klug
auch dort den Mantel man nach dem Winde tragen.
Fab.12
Die Weihe,
der König und der Jäger
Seiner Durchlauchtigsten Hoheit dem Prinzen von Conti
Gut sind die Götter, und so heischen sie's als Pflicht
auch von den Königen: Die Milde
ist ihrer Rechte schönstes, nicht
der Rache süße Lust, die wilde.
So denkst auch du. Der Zorn erlischt im Nu
in deinem Herzen, kaum daß er in ihm entbrannte;
Achill, der seinen Grimm nicht bannte,
war darin weniger ein Held als du.
Nur die, die hundertfach Gutes getan, verdienen,
als Bild der goldnen Zeit, den schönen Namen "Held".
Unter den Großen gibt's heut wenig solche; ihnen
dankt für das Böse, das sie nicht getan, die Welt.
Fern, nachzuahmen ihr Exempel,
sichert manch hehre Tat dir einen Ruhmestempel.
Apollo, des Olymps erhabner Genoss',
will deines Namens Ruhm auf seiner Leier singen.
Ich weiß, dein harrt man in der Götter hohem Schloß;
genügt es dir, dort ein Jahrhundert zuzubringen?
Auf ein Jahrhundert nimmt Hymen bei dir Quartier;
o möchten seine Wonnen dir
ein unaussprechlich Glück bereiten,
das kaum beschränkt vom Lauf der Zeiten!
Du und die Fürstin, ihr seid solchen Preises wert;
Zeug' ist der Liebreiz, der beschert
ihr ward, und all die Wundergaben,
womit verschwenderisch der Himmel euch beglückt
und, da sie in euch selbst nur ihresgleichen haben,
euch eure Jugend hold geschmückt.
Durch Bourbons Geist gewürzt die Anmut scheinen
muß. Der Himmel wollt' in ihm vereinen,
was immer Ehr' und Würden bracht',
mit dem, was unsre Lieb' entfacht.
Mir ziemt es nicht, zur Schau zu legen eure Wonnen;
drum schweig' ich jetzt. Nur gebet acht,
was ein Raubvogel einst begonnen.
*Hymen;
Hymẹnaios der griech. Gott der Hochzeit.
Ein Jäger fing im Nest eine lebend'ge Weih';
drauf fand der Biedermann, es sei
gut, wenn er zum Geschenke sie dem Fürsten mache.
Die Seltenheit des Fangs erhöht den Wert der Sache.
Der Vogel, den der König nicht verschmäht –
wenn wahr ist, was in diesem Falle
erzählt wird -, packt mit scharfer Kralle
die Nase seiner Majestät.
»Des Königs Nase? Wie?« Des Königs, zweifelsohne.
»Dann trug er damals wohl nicht Zepter oder Krone?«
Ob er sie trug, oder nicht, ist gleich: Der Vogel hackt
des Königs Nase, wie er jede andre packt.
Der Schranzen Angst und Jammer zu beschreiben
wär' nur verlorne Müh'. Des Königs Schmerz verrät
kein einz'ger Laut; zu schrein ziemt nicht der Majestät,
ihrer ist' würdig, stumm zu bleiben.
Der Vogel weicht nicht, keinen Augenblick
kann kürzen man das Mißgeschick.
Sein Herr lockt ihn zu sich, erschöpft die Mittel alle,
zeigt ihm das Federspiel – vergeblich ist die Müh'!
Schon glaubt man, daß bis morgen früh
das gottverdammte Tier mit seiner frechen Kralle,
durch all das Lärmen unbeirrt,
die Nacht auf der gesalbten Nase nisten wird;
und mit Gewalt ist bei der Weih' nichts auszurichten.
Da läßt sie los; es spricht der Fürst: »Nicht weiter grollt
der Weihe noch dem Mann, der mich beschenken wollt'!
Die beiden handelten nach ihres Amtes Pflichten,
jene als Weih' und der als Waidmann. Wohl weiß ich,
was Königen geziemt, und will drum gnädiglich
auf jede Sühne nun verzichten.«
Die Schranzen waren voll Bewunderung; denn jederzeit
preisen sie Taten, die zu tun sie nie bereit.
Nur wen'gen Fürsten möcht' das Muster wohl behagen,
der Jäger konnt' von Glück noch sagen!
Des Tiers und seine Schuld war, daß sie ahnungslos
in die Gefahr, dem Herrn zu nah zu kommen, rannten,
da sie bisher nichts weiter kannten als ihren Wald –
war diese Schuld denn gar so groß?
Pilpay verlegt die Mär fern zu des Ganges Strandes.
Kein menschlich Wesen dort zu Lande
legt Hand an Tiere, wohl niemand vergießt ihr Blut;
dem König, tät' er's selbst, bekäm' es nimmer gut.
»Wer weiß, ob dieses Tier«, so hält man uns entgegen,
»nicht vor Troja einst gelegen?
Vielleicht war es ein Fürst, ein weitberühmter Held,
helmbuschumwogt und hochgestellt!
Was einst es war, ist es vielleicht noch heut. Wir ehren
ja der Pythagoreer Lehren,
daß mit dem Tiergeschlecht wir tauschen die Gestalt,
bald Geier sind und Tauben bald,
heut Menschen, morgen Vögel wieder
mit luftdurchrauschendem Gefieder.«
Da in zwei Formen diese Mär bekannt ist,
will ich auch die andre Fassung geben.
Ein Falkner fing einst auf der Jagd von ungefähr
'ne Weihe, und da man nicht häufig solche Beute macht,
bracht' er dem König zum Geschenke sie her
als große Seltenheit;
nur alle hundert Jahr' ereignet sich der Fall,
das Nonplusultra ist's der ganzen Reiherbeize.
Er naht, durchbricht der Schranzen dichten Wall,
glühend vor Waidmannslust – die Sach' hat ihre Reize.
Dies Wunderstück der Gaben all'
sollt' Glück ihm bringen, meint der Jäger.
Da packt der wilde Schellenträger
der undressiert noch, auf einmal
mit seinen Krallen, scharf wie Stahl,
des armen Falkners Nas' und will sie nimmer lassen.
Er schreit; der Fürst und all die Massen
der Schranzen lachen, doch was mich
betrifft, um nichts hätt' ich mich können fassen.
Lacht wohl der Papst? Das wage ich
nicht zu behaupten; doch ein Fürst wär' sicherlich
schlimm dran, sollt' er das Lachen hassen,
ist's doch der Götter Lust! Jupiters heilig-ernste Macht
und das unsterbliche Volk der Olympier lacht.
Im alten Mythos wird erzählt, daß laut er lachte,
als ihm der hinkende Vulkan zu trinken brachte.
Ob die Unsterblichen klug taten oder nicht:
Mit Absicht wechselte sein Endziel mein Gedicht;
denn wenn auf die Moral wir sehen,
was könnt' der Unfall, der dem Jägersmann geschehen,
uns Neues lehren? Zeigt doch aller Zeiten Bild
mehr Falkner dumm als Fürsten klug und mild.
Fab.13
Der Fuchs,
die Fliegen und der Igel
Ein Fuchs, gar fein und schlau, ein alter Waldgenoss',
den wund der Pfeil des Jägers schoß,
fiel in den Kot; bald naht, gelockt von seinem Blute,
jenes schmarotzende Insekt,
die Fliege, die so arg uns neckt.
Die Götter klagt' er an und fand, zu grausam ruhte
des Schicksals Hand auf ihm, das so ihn heimgesucht,
zum Fliegenfutter ihn verflucht:
»Wie? Mich, den Schlauesten des Waldes, gibt es schutzlos
nun preis des Elends bittrem Graus!
Seit wann sind Füchse denn ein gar so leckrer Schmaus?
Was hilft mein Schwanz mir? Ist er nur nutzlos?
Der Himmel mag dich nicht! Du dummes Vieh,
was lebtest du auf andrer Kosten nie?«
Ein Igel – ihn als neuen Helden
auf meiner Bühne anzumelden
sei mir gestattet – wollt' befrein ihn von der Last
des Völkchens, das voll gier'ger Hast.
»Auf meine Stacheln will ich hundertweis sie spießen«,
spricht er zum Fuchs: »Bald sollst du Ruh' genießen!«
»Vorsicht«, sagt jener drauf, »Freund tu es lieber nicht;
laß, bitte, nur ihr Mahl vollenden dies Gezücht!
Die sind nun satt; gehen sie, so werden andre kommen,
von denen werd' ich dann noch ärger mitgenommen.«
Schmarotzer gibt's nur gar zu viel bei uns zu Land,
man findet sie bei Hof, im Rat, im Richterstand.
Ließ Aristoteles doch von den Menschen gelten
dies Märchen; und ihr alle wißt's,
daß die Beispiele gar nicht selten.
Je satter dieses Volk, je weniger lästig ist's.
Fab.14
Amor und die Torheit
An Amor ist höchst rätselhaft
doch alles: Köcher, Pfeil, Fackel, der Kindheit Sage;
die Tiefen dieser Wissenschaft
erschöpft man nicht an einem Tage.
Sie zu ergründen, denk' ich nicht, das wär' ein Spott;
nur zu erzählen, hab' ich hier mir vorgenommen,
wie dieser Blinde – 's ein Gott -,
wie dieser Blinde um sein Augenlicht gekommen;
des Unglücks Folgen dann – oder ist's gar ein Glück? -,
darüber richt' ein Liebender, ich trete gern zurück.
Die Torheit und Amor spielten einst guter Dinge
zusammen; er war damals blind noch nicht.
Dabei kam es zum Streit; Amor begehrt': »Man bringe
es vor der Götter Schiedsgericht!«
Der andern schien zu lang die Sache,
und sie schlug ihm so heftig ins Gesicht,
daß er verlor der Augen Licht.
Venus verlangte Sühn' und Rache.
Mutter und Frau – man kann sich denken ihr Geschrei!
Bestürzt eilt jeder Gott herbei,
Jupiter, Nemesis und auch die drei
Richter der Unterwelt, zuletzt die ganze Bande.
In voller Gräßlichkeit läßt sie den Frevel sehn:
Ihr Sohn könn' keinen Schritt mehr gehn;
zu groß sei keine Straf' und hart für solche Schande,
und auch der Schaden sei schwer wieder gutgemacht!
Nachdem man alles wohl bedacht,
verurteilt' das Gericht – natürlich ließ sich's leiten
nur vom gemeinen Wohl und jenem der Partei'n –
die Torheit, nun für ew'ge Zeiten
Gott Amors Führerin zu sein.
Fab.15
Der
Rabe, die Gazelle, die Schildkröte und die Ratte
An Frau von La Sablière
Gern hätte ich dir einen Tempel hingestellt
im Liede, unvergänglich wie die Welt.
Schon hab' ich seine Dauer fest gegründet
auf jene Kunst, die von den Göttern stammt,
und auf die Gottheit, deren Priesteramt
in diesem Tempel Weihrauchopfer zündet.
Des Tores Inschrift sagte, dir zum Ruhm:
»Dies ist der Göttin Iris Heiligtum.«
Nicht jener, die zu Junos Dienst erschienen;
denn Juno samt der Götter hohem Herrn
huld'gen der meinen, und sie rühmen gern
der Ehre sich, als Boten ihr zu dienen.
Als Wölbung säh' man den Olymp in voller Pracht,
Iris umkleidend mit göttlicher Macht,
sie setzend auf 'nen Thron von Lichtesstrahlen;
und an den Wänden wäre angebracht
ihr Lebenslauf – ein Stoff, gemacht zum Malen,
ob arm auch an Begebenheiten und
Handlungen, dran die Staaten gehn zugrund.
Der Hintergrund sollt' ihr Bildnis schmücken:
ihr holdes Lächeln, aller Augen Lust,
die Anmut, siegreich stets, doch unbewußt,
ihr Reiz, dem alles huldigt voll Entzücken.
Menschen, Heroen und Halbgötter, ja sogar
auch Götter ließ' ich sehn zu ihren Füßen;
kurz, was die Welt verehrt, käm', sie zu grüßen
und Weihrauch ihr zu streuen am Altar.
Der Seele Schätze ließ' ich leuchtend schauen
in ihrem Blick, zwar unvollkommner Art;
denn dieses Herz, das stark und doch so zart
all ihren Freunden stets sich offenbart,
den Geist vom Himmel stammend, der gepaart
des Mannes Stärke mit der holden Frauen
Anmut, kann man nicht schildern, wie man will.
O Iris, die du siegreich, aber still
alles bezauberst, die mit gleicher Liebe
man liebt wie nur sich selbst – nicht von dem Triebe
der Leidenschaften rede ich; denn, wie bekannt,
ist dieses Wort von deinem Hof verbannt -,
laß meine Muse, was mit flücht'gen Händen
ich hier entwarf, ausführend einst vollenden!
Dir zu Gefallen hab' ich meinen Plan
von einer Fabel hier dir kundgetan,
die von der Freundschaft Wert solche Beweise
uns hinstellt, daß sie, wenn ich nicht geirrt,
ein wenig deinen Geist erheitern wird.
Zwar spielt sie nicht in hoher Fürsten Kreise;
doch was du schätzest, ist – fest glaub' ich dran –
ein König nicht, der niemals lieben kann:
Es ist ein Mensch, bereit, sich hinzugeben
für seinen Freund – ach, ihre Zahl ist klein.
Vier Tiere, die in treuer Freundschaft lebten,
mögen den Menschen hier ein Beispiel sein.
Rabe, Gazelle, Ratte und Schildkröte
wohnten beisammen einst in treuer Brüderschaft,
Der Ort war unbekannt den Menschen; das erhöhte
ihr Glück und macht' es dauerhaft.
Doch, ach, es weiß in das Verborgenste zu dringen:
der Mensch. Birg tief in Meeres feuchter Gruft,
in Wüsten dich, flieg in die Luft,
nimmer entgehst du doch seinen geheimen Schlingen.
Harmlos ging die Gazelle einst lustwandeln. Jenes Tier,
das leid'ge Werkzeug roher Gier,
das stets dem Jäger seine Beute
zutreibt, der Hund, hat bald im Gras sie aufgespürt.
Sie flieht. Als nun das Mahl zusammenführt',
die andern drei, fragte die Ratte, warum sie denn heute
nur ihrer drei bei Tische sind?
Hat die Gazelle uns vergessen so geschwind?
Mit lautem Wehgeschrei erwidert
die Schildkröt' auf der Ratte Wort:
»Wär' ich dem Raben gleich gefiedert,
im Augenblick flög' ich fort,
um nachzusehn, wo, festgehalten
durch tück'schen Zufalls feindlich Walten,
unsre leichtfüßige Freundin weilt;
denn was das Herz betrifft, urteilst du übereilt.«
Fort fliegt der Rab' in Windesschnelle;
bald sieht von fern er die leichtsinnige Gazelle,
gefangen durch der Schlinge Zug.
Zu den Genossen kehrt er heim im Flug;
denn mit der Frage, wie, mit welchem Fug
sie käm' an diese Unglücksstelle,
zu vertun die Zeit – wie's, dumm genug,
wohl ein Schulmeister brav und bieder
getan -, dazu war er zu klug.
Der Rab' also fliegt hin und wider
es halten klugen Rat die drei.
Der Rabe spricht: »Eilen wir zwei,
jetzt nach der Stätte zu gelangen,
wo die Gazelle liegt gefangen!
Die dritte bleibt, der Wohnung Hüter sei
sie, denn langsam käm' sie wohl zur Stelle,
und längst verendet wäre die Gazelle!«
Gesagt, getan: Es macht das Paar sich auf in Eil',
der teuren Freundin beizustehn,
dem armen Reh der Bergeshöhn.
Die Schildkröt' nähme gern dran teil;
sie sucht den beiden nachzugehen,
wünschend, daß doch ihr kluger Fuß sie schneller vorwärts
brächt',
und daß ihr Haus nicht schleppen müsse ihr Geschlecht.
Die Ratte Maschenfraß – so hieß sie, und mit Recht –
nagt schnell die Schling' entzwei – wie sie sich freute!
Der Jäger kommt und fragt: »Wer stahl die Beute?«
Doch Maschenfraß hat sich schon in ein Loch gedrückt,
der Rab' auf einen Baum, ins Holz flieht die Gazelle.
Da sieht der Jäger, halb verrückt,
weil neue Beute nicht zur Stelle,
die Schildkröt', und nun ward sein Grimm versüßt.
»Weshalb«, spricht er, »soll ich denn wüten?
Die soll zum Abendbrot den Schaden mir vergüten!«
Er steckt sie in den Sack. Für alle hätt' gebüßt
sie, hätt's der Rabe nicht gemeldet der Gazelle.
Die naht aus dem Versteck in Schnelle,
stellt hinkend sich und läuft dem Jäger in den Weg.
Der jagt sie, wirft, was er gerade trägt, rasch weg,
und Maschenfraß hat Zeit nun, mit Behagen
des Sackes Maschen nacheinander zu zernagen.
So hilft er nun auch jener aus der Not,
auf die der Jäger sich gefreut zum Abendbrot.
Pilpay erzählt es so. Wollt' ich Apollos Gnade
anrufen, machte draus ich einen Heldensang,
der, wenn es dir beliebt, so breit wär' und so lang
wie »Odyssee« und »Iliade«.
Als ersten Helden stellte Maschenfraß ich hin,
obgleich in Wahrheit wohl jeder gleich wichtig wäre.
So schöne Reden hielt' Infantin Buckelhaus,
daß Junker Rab' es sich zur Ehre
anrechnete, Spion und Bote dann zu sein.
Gazellchen fädelte dann höchst geschickt es ein,
daß unsrem Maschenfraß der Jäger Zeit müßt' geben.
Kurz, jeder sollt', bald da, bald hier,
handelnd auftreten wie im Leben.
Der Preis gebührt dem Herzen, ging's nach mir.
Freundschaft, wohin kann sie sich nicht aufschwingen!
Das andere Gefühl, die Liebe – mindrer Ehr'
scheint sie mir wert; dennoch ermüd' ich nimmermehr,
zu feiern sie und zu besiegen.
Ach, meinem Herzen kann sie keinen Frieden bringen!
Du ziehst die Freundschaft vor – von jetzt an stellt
in ihre Dienste sich mein Lied, wie's auch ausfällt.
Mein Meister war Amor; mit einem andern wagen
und seinen Ruhm durch alle Welt
will ich wie auch den deinen tragen.
Fab.16
Der Wald und der
Holzhauer
Ein Holzhauer zerbrach oder verlor den Stiel
von seiner Axt, was ihn gar schmerzlich reute;
ihn zu ersetzen war kein leichtes Spiel,
so daß indes der Wald sich ein'ger Schonung freute.
Demütig fleht' zuletzt der Mann
den Wald um einen Zweig nur an;
er wollt' ihn brechen ganz bescheiden,
um einen Stiel sich draus zu schneiden.
Er wollt' auch anderwärts sein Brot zu suchen gehn;
die Eichen lass' er und die Tannen ruhig stehn,
denen ihr Alter, ihre Schönheit Achtung schaffen.
Harmlos gutmütig gab der Wald ihm neue Waffen.
Er hat es bald bereut; der Schurke braucht' in Eil'
nur das neu hergestellte Beil,
um seinen Wohltäter rasch zu entkleiden
des schönsten Schmuckes, den er trug.
Der Wald, ach, seufzte oft genug:
Die eigne Großmut schuf ihm Leiden.
Das ist der Lauf der Welt: Man nimmt Wohltaten an
und gegen den Wohltäter wendet man sie dann.
Ich schweig' davon. Wenn milde Schattenhallen
so roher Schmach zum Opfer fallen,
wer klagte da nicht schwer genug?
Ach, mag zum Überdruß ich schrei'n und schreiben,
stets werden Undank und Betrug
doch an der Tagesordnung bleiben.
Fab.17
Der Fuchs,
der Wolf und das Pferd
Ein Fuchs, noch jung, doch von den Schlausten einer schon,
erblickt' zum erstenmal ein Pferd in seinem Leben.
Er spricht zum Wolf, der auch ein Neuling: »Komm mit mir;
auf unsrer Wiese grast ein Tier,
schön, groß, noch kann mein Aug' sich nicht zufriedengeben.«
»Ist stärker es als wir?« fragt drauf der Wolf und lacht.
»Bitte beschreib es mir doch eben!«
»Wär' ich ein Maler«, spricht der Fuchs da wohlbedacht,
»hätt' gern ich dir schon jetzt die Freude zugewendet,
die später dir sein Anblick macht.
Doch komm! Wer weiß? Vielleicht ist es uns zugesendet
als Beute, die Fortuna spendet.«
Sie gehn. Das Pferd, das hier zum Grasen hergeschickt,
war nicht so sehr erfreut, als es die zwei erblickt;
vor solcher Freundschaft wär's am liebsten ausgerissen.
»Durchlaucht«, so sprach der Fuchs, »es möchten gar zu gern
Dero Ergebenste auch Ihren Namen wissen«
Das Pferd, das nichts an Klugheit ließ vermissen,
sagt: »Lest ihn, wenn ihr wollt, auf meiner Sohl', ihr
Herrn,
hat einzuschreiben ihn mein Schuster sich befließen.«
Der Fuchs entschuldigt sich: »Bin ein unwissend Kind
von armen Eltern; unser Haus ist nur ein Loch gewesen,
für meine Bildung tat man nichts; dagegen sind
die Wölfe große Herrn. So lernte er auch lesen.«
Der Wolf, geschmeichelt und erfreut,
tritt nah; doch hat er's bald bereut:
Vier Zähne kostet ihn die Eitelkeit; vom Pferde
erhält er einen Schlag – da liegt er auf der Erde,
der Lesekundige, im Blut und arg zerbläut.
»Bruder«, sagt da der Fuchs, »das dient uns zum Beweise
dessen, was Kluge mich gelehrt.
Auf die Kinnbacken schrieb die Lehre dir das Pferd:
Wen er nicht kennt, dem traut niemals der Weise.«
Fab.18
Der Fuchs und die
Truthähne
Vom Fuchs gefährdet, hatten sich
als Festung einen Baum erwählt der Puter Scharen.
Der Schelm umkreist' den Wall; höchst ärgerlich,
sah er, daß alle auf dem Posten waren.
Da rief er aus: »Wie? Dies Gesindel spottet mein!
Und sollen dem Gesetz Trotz bieten sie allein?
Nein, bei den Göttern, nein!« Er tat, wie er beschlossen.
Hell schien der Mond, als wollt' er, ihm zum Possen,
dem Truthahnvolke recht beweisen seine Gunst.
Der Fuchs, kein Neuling mehr in der Belagerungskunst,
hat seinen Schatz ruchloser Listen aufgeboten:
Er setzt, als klettre er, sich auf die Hinterpfoten;
bald stellt er tot sich, bald, als ob erwacht er wär',
Hanswurst könnt' besser nicht als er
so viel verschiedne Rollen spielen:
Er wedelt mit dem Schwanz, springt hoch, macht andre
Späße, wie sie ihm grad einfielen,
indes kein Truthahn einzuschlummern wagt.
Der Feind ermüdet' sie, da sie den unverwandten
Blick stets auf einen Punkt nur spannten.
Die Ärmsten fielen, ganz geblendet mit der Zeit,
der Reihe nach herab; gleich schafft' er sie beiseit,
und schließlich unterlag die Hälfte fast von allen.
Er birgt im Vorratsschrank sie, bis er sie verspeist.
Die Falle allzu ängstlich zu beachten ist zumeist
der beste Weg – hineinzufallen.
Fab.19
Der Affe
Es lebt' ein Affe in Paris,
dem eine Gattin man gegeben.
Als Affe manches Ehemanns erwies
er sich: Er schlug sie. Ach, ihr Leben
verseufzt' das arme Weib, bis sie der Tod befreit'.
In Klagen hat sich überboten
ihr Sohn. Umsonst, wie er auch schreit;
der Vater lacht, da statt der Toten
er andre schon in Lieb' umgirrt,
die er, wie jene, schlagen wird;
oft soll er trunken sich umher in Kneipen treiben.
Von dem Nachäffervolk kam nie was Gutes noch,
mag's Affe sein, mag's Bücher schreiben;
Schriftsteller sind die Schlimmeren jedoch.
Fab.20
Der skythische
Philosoph
Ein strenger Philosoph, in Skythien geboren,
der mildre Lebensart auf einmal sich erkoren,
reiste nach Griechenland, wo er 'nen Weisen sah,
Vergils berühmtem Greise ähnlich, Torheit meidend,
den Kön'gen gleichgestellt, den Göttern ziemlich nah'
und, wie die letztren still, nichts in der Welt beneidend;
sein Glück er in der Pracht 'nes schönen Gartens fand.
Der Skythe sah ihn dort, das Messer in der Hand,
von seinem Obstbäumen unnütze Triebe schneidend,
sie stutzend, und wie er der üppigen Natur
bald Einhalt tat und bald sie schonte,
die seine Mühe ihm mit Wucherzinsen lohnte.
Der Skythe fragt: »Wozu doch nur
all die Zerstörung? Darf der Weise ohne Gnaden
der armen Kreatur antun so bittres Leid?
Gib mir dein Messer her, das Werkzeug tut nur schaden;
laß das dem Sensenschnitt der Zeit:
Die wandern bald genug zu Acherons Gestaden.«
»Das Schlechte schneid' ich fort«, spricht jener, »dann
gedeiht
der Rest zu größrer Fruchtbarkeit.«
Der Skythe, heimgekehrt nach seinem Land, dem kalten,
greift nun zum Messer, stutzt, was nur das Zeug will halten,
rät seinen Freunden und den Nachbarn gleiches dann
und ordnet so ein allgemeines Schneiden an.
Die schönsten Zweige haut er ab in seinem Garten,
verstümmelt jeden Baum ohn' allen Sinn und Grund,
ohne der Jahreszeiten und
der Monde Wechsel abzuwarten.
Nicht lang danach starb alles ab.
Der Skythe gleicht genau
dem Stoiker, der, hart und rauh,
in unsrer Seele sucht zu dämpfen
Sehnsucht und Leidenschaft, ganz gleich, ob gut, ob
schlecht;
der kleinste Wunsch ist ihm nicht recht.
Stets werd' ich dieses Volk, soviel ich kann, bekämpfen;
dem Herzen wird durch sie die beste Kraft zerstört,
und eh' man stirbt, hat man bereits zu leben aufgehört.
*Acheron,
in der griech. Sage Fluss der Unterwelt.
Fab.21
Der Elefant
und der Affe Jupiters
Einst stritten Elefant sich und Rhinozeros
um den Vorrang auf Erden, bis endlich diese Frage
durch einen Kampf zu schlichten man beschloß.
Schon war der Tag bestimmt, da plötzlich geht die Sage,
es schwebe mit dem Heroldsstab
der Affe Jupiters hoch aus der Luft herab.
Der Affe hieß Hanswurst, so meldet uns die Märe;
fest glaubt der Elefant, er wäre
als Bote aus der Götter Land
zu seiner Majestät gesandt.
Er wartet, stolz auf diese Ehre,
auf den Hanswurst und meint, daß er recht säumig sei,
ihm seinen Brief, der ihn beglaub'gen soll, zu Füßen
zu legen. Endlich kommt vorbei
Hanswurst, ihn flüchtig zu begrüßen.
Auf eine Botschaft harrt des Elefanten Ohr.
Kein Wort davon. Der Götter Chor –
er wähnt, daß er auf seinen Streit gespannt war –
denkt gar nicht dran, da er dort nicht bekannt war;
den Himmlischen ist's einerlei,
ob Mücke oder Elefant man sei.
Nun fing er selber an: »Auf seinem hohen Throne
wird sich mein Vetter Jupiter in nächster Zeit zerstreun
an einem lustigen Gefecht, und zweifelsohne
wird dran sein ganzer Hof sich freun.«
»Gefecht?« fragt drauf der Affe. - »Weiß nicht jede
Gottheit, daß mir den Rang«, so spricht der Elefant,
»das Nashorn streitig macht und Elefantenland
mit Rhinozerien drum liegt in blut'ger Fehde?
Man rühmt die Staaten nah und fern.«
»Daß ihre Namen ich von dir jetzt kennenlern',
das freut mich«, sagt Hanswurst. »Kaum ist die Rede
von solchen Dingen je in unsrem hohen Saal.«
Erstaunt und höchst beschämt zumal
fragt ihn der Elefant: »Wozu kamst du hernieder?«
»Ein paar Ameisen bracht' ich einen Halm von droben;
für alles sorgen wir. Auf deinen Streit nun wieder
zu kommen: Niemand kennt ihn in der Götter Reich;
denn Groß und Klein, das ist in ihren Augen gleich.«
Fab.22
Ein Narr und ein Weiser
Ein Narr verfolgt' einst mit Steinwürfen einen Weisen.
Der Weise kehrt sich um und spricht: »Das war von dir
sehr gut gemacht, mein Freund; nimm diesen Taler hier.
Du quälst dich wahrlich sehr, und zu so niedren Preisen!
Denn jede Müh' ist wert des Lohnes sicherlich.
Sieh dort den reichen Mann, der hat viel mehr als ich;
an den halt dich, er wird dir deinen Lohn schon geben.«
Den Narr'n lockt der Gewinn so sehr, daß er den Reichen
mit gleicher Frechheit überfällt.
Er wurde gut bezahlt, doch diesmal nicht mit Geld:
Schnell nahen die Lakai'n, man packt den Kerl beim Kragen,
und er wird krumm und lahm geschlagen.
Bei Hof gibt's solche Narren; ihren Herrn
bringen auf eure Kosten sie zum Lachen.
Möchtet ihr für ihr Schwatzen sie nicht gern
bestrafen gleich? Ihr seid, um das zu machen,
vielleicht zu schwach. Weist sie an einen Mann,
der stark genug ist, daß er Rache nehmen kann.
Fab.23
Der englische Fuchs
An Frau Harvey
In dir ist gutes Herz und grader Sinn gepaart
mit hundert Tugenden – hier ihrer zu gedenken
wäre zu viel -, Adel der Seel' und ein Talent, zu lenken
der Dinge wie der Menschen Art;
mutig bewahrst du treue Freundschaft diesem Kreise
der Freunde trotz Jupiters und der Zeiten Ungunst.
All das verdiente wohl ein Lob voll Pomp und Kunst,
wär' nicht am wenigsten grad dies nach deiner Weise:
Pomp magst du nicht, Lob ist dir widerliche Speise.
Ich mach' es also kurz und schlicht; nur füg' ich bei
ein flüchtig Wörtchen oder zwei
zu deines Vaterlandes Preise.
Du liebst es. Englands Volk ist an Gedanken reich
und tief – darin sind Geist und Herz einander gleich;
gründlich im Forschen, reif an Urteil und Erfahrung,
fördert's der Wissenschaft stets neue Offenbarung.
Nicht leere Schmeichelei sprech' ich damit dir aus:
Mehr als ein ander Volk dringt ihr bis zu dem Grunde;
die Hunde selbst bei euch zu Haus
sind findiger als unsere Hunde.
Auch euer Fuchs ist schlauer; als Beweis
führ' ich dir einen an, der, heiß
bedrängt, 'ne Kriegslist einst erfunden,
auf die, so neu wie gut, er seine Hoffnung setzt'.
Der Schelm, aufs äußerste verfolgt von jenen Hunden
mit feiner Nas' und fast zu Tode schon gehetzt,
kam nah vorbei am Hochgerichte;
dort war manch wildes Tier – vermengt
Dachs, Eule, Fuchs, die argen Wichte –
als warnend Beispiel für den Wandrer aufgehängt.
Bei dem Gebell gesellt sich Reineke den Leichen.
Ich sehe Hannibal, umdrängt von Römern, flugs
sie irreführend, daß von seiner Spur sie weichen
und ihren Händen er entrinnt, der alte Fuchs!
Als an den Ort gelangt der Meute
Leithunde, wo zum Scheine er den Tod sich gab,
bellten sie laut; allein bald rief ihr Herr sie ab,
obwohl zum Himmel auf erschallt' ihr hell Geläute;
auf so scherzhafte List kam nimmer sein Verdacht.
»Ein Loch«, spricht er, »hat ihn in Sicherheit gebracht;
die Hunde schlagen sonst nicht an vor Säulengängen,
daran so nette Burschen hängen.
Der kommt schon noch!« Er kam, gemacht
hat er's nicht gut -, Dachshunde gaben acht.
Emporzuklimmen hatt' Herr Reineke gedacht:
Er meinte voller Zuversicht, es würde ihm gelingen
wie damals, als er aus der Schlinge zog den Kopf;
doch anders kam's, er biß ins Gras, der arme Tropf!
Man muß Abwechslung stets in alle Kriegslist bringen.
Der Jäger selber, gält's auch seine Rettung gleich,
hätt' sicher nimmermehr erfunden solchen Streich;
nicht, weil's an Geist ihm fehlt' – wer möchte' bestreiten,
daß jeder Brite Geist genug hat? Ausgesetzt
nur ist er manchen Fährlichkeiten,
weil er gering das Leben schätzt.
Nochmals zu dir. Doch nicht der Feier
all deiner Tugend gilt mein Sang;
für langer Lobeshymnen Klang
gestimmt ist nimmer meine Leier.
Ein kurzer Vers, ein kleines Lied
voll Weihrauchduft erfreut die Welt und zieht
weit durch die Lande bis zu fernsten Meeres Wellen.
Dein Fürst sagt, lieber jedenfalls
sei ihm ein Pfeil von Amor als
ein Loblied von vier ganzen Seiten.
Nimm dies Geschenk, zu dem noch aufgerafft
sich meine Muse hat in letzten Nöten;
sie bringt's mit schamvollem Erröten,
weil's so gering und mangelhaft.
Könnt's dieser Huld'gung nicht gelingen,
auch ihren Beifall zu erringen,
sie, deren Ruhm erfüllt dein Vaterland, darin
die Besten aus Cythera stammen?
Du siehst: Ich habe Mazarin im Sinn –
die Schutzgöttin der keuschen Liebesflammen.
Fab.24
Die Sonne und die
Frösche
Des Schlammes Kindern hat die Königin der Sterne
Beistand und Schutz von je verliehn:
Krieg, Armut, Ungemach und Not sah nur von ferne
dies neidenswerte Volk an sich vorüberziehn;
wohl hundert Orte zählt' es schon zu seinem Reiche.
Das Volk der Frösche nenn' ich Könige der Teiche –
für kleine Ding' ein großes Wort,
ist das nicht üblich, ganz alltäglich? –
lehnt' gegen die sich auf, die nimmer Schirm und Hort
ihm war, und ward fast unerträglich.
Hochmut und Unverstand, Undank dazu,
des Glücks mißratne Kinder, machten,
daß diese Lästigen ein groß Geschrei vollbrachten –
kein Viertelstündchen hatt' mein Ruh'.
Es müßten, wollt' man auf ihr Murren hören,
sich Groß' und Klein gegen das Gottesaug' empören.
Die Sonne, meinten sie, richt' alles noch zugrund';
jetzt gält's, sich schnell zu wappnen und
'nen starken Heerbann auszuheben.
Ging' sie noch weiter, schicken werde
man Botschaft ohne Zögern
in jedes Land der Erde.
Hätt' man ihnen glauben sollen,
müßte sich des Erdballs Rollen
und die Welt, ohn' stillzustehn,
um vier sumpf'ge Pfützen drehn.
Diese unverschämten Klagen
dauern fort; doch sollten die
Frösche nicht zu murren wagen,
und am klügsten schwiegen sie.
Sollt's der Sonne mal nicht passen,
tränkt sie's ihnen gründlich ein;
und das dürfte wohl der nassen
Republik empfindlich sein!
Fab.25
Der Bund der Ratten
Ein Mäuschen fürchtet' eine Katz',
die ihm auflauert' längst auf allen Wegen.
Was tun? Vorsichtig, doch um guten Rat verlegen,
eilt' es zum Nachbar hin; dies war ein Meister Ratz,
der als durchlaucht'ge Oberratte
in einem guten Wirtshaus seine Wohnung hatte
und hundertmal sich rühmte, wie man sagt,
er fürchte Kater nicht noch Katzen,
weder ihr Beißen noch ihr Kratzen.
»Frau Maus«, spricht unser Prahlhans, als sie ihn gefragt,
»bei Gott, wollt' ich's auch wagen,
die Katze, die dir droht, kann ich allein nicht jagen;
doch rufen rings die Ratten wir sogleich
zusammen, und ich spiel' ihr einen Streich!«
Die Maus macht einen tiefen Knicks; entschlossen
eilt schnell der Ratz hinab die Sprossen
zum Vorratskeller, wo als lustige Genossen
er traf in Saus und Braus der Ratten ganze Schar
beim Schmaus, dem Wirt zum Possen.
An kommt er, hoch gesträubt das Haar
und außer Atem ganz und gar.
»Was hast du denn?« fragt ihn eine. »Leg's uns dar!«
»Was ich will«, spricht er, »ist gesagt in wenig Worten:
Zu helfen gilt's der Maus, und zwar in höchster Eil';
denn unsres Hauses Katze
mordet jetzt furchtbar allerorten.
Der Teufel unterm Katzenhauf,
hat keine Maus er mehr, frißt er uns Ratzen auf!«
Man ruft: »Ja, wahr ist's! Laßt uns Waffen holen!«
Zwar ein'ge Ratten, sagt man, weinten ganz verstohlen;
doch edel ist das Ziel, und nichts hemmt ihren Mut:
Es rüstet jede sich geschwinde,
tut schnell in ihren Sack ein Stückchen Käserinde
und schwört zu kämpfen dann mit Gut und Blut.
Mit heitrem Herzen, freiem Kopfe
ziehn sie hinaus, als ging's zum Fest;
doch auch die Katz' ist schlau und läßt
das Mäuschen nicht, das sie schon hat beim Schopfe.
Im Sturmschritt rücken kühn sie vor,
die gute Freundin zu befreien;
die Katz', die's Mäuschen nicht verlor,
geht knurrend los jetzt auf die feindliche Armee.
Doch kaum ertönt der Katze Knurren,
als schon, das Unheil fürchtend, das verruchte,
ohn' allen Kampf das kluge Rattenheer
sein Heil in schnellstem Rückzug suchte.
Schleunigst flieht jede Ratt' ins Loch;
guckt eine raus: »Paß auf! Die Katz'!« heißt's heute noch.
Fab.26
Daphnis und Alcimadura
Nach Theokrit
An Frau von La Méangère
Du holdes Kind der anmutsvollen
Mutter, die Tausende von Herzen stets gewinnt –
die nicht gezählt, die dir als Freunde gelten wollen,
und ein'ge, die durch Lieb' an dich gefesselt sind -,
ich muß euch beiden Huldgenossen –
wem gebührt der Preis? -
den Weihrauch teilen, dem Parnaß entsprossen
und dem gar süßen Duft ich zu entlocken weiß.
So sag' ich dir – doch alles sagen,
zu viel wär's; drum sei ausgewählt,
was Stimm' und Leier noch vertragen,
denen's, ach, nur bald an Kraft und Muße fehlt.
Ich will hier nur ein sanft empfindend Herz preisen,
Adel der Seel', Anmut und Geist; wem fiel' es ein,
als deine Meisterin darin sich auszuweisen,
wenn ihr nicht, deren Lob des deinen Widerschein?
Schau, daß nicht zu viel Dornen tragen
die Rosen, tritt einmal heran
Amor, dir Ähnliches zu sagen –
er sagt es besser, als ich's kann;
auch straft er ganz gewiß, die seinem Rat verschlossen.
Gleich sollst du's sehn, gib acht.
Ein junges Mädchen, reizumflossen,
verachtete den Gott und seine Wundermacht.
Alcimadura hieß die Stolze,
ein Wildfang, unbeschwert durcheilend Wies' und Wald,
auf Rasen tanzend, sich bergend im dichsten Holze,
der in der Welt nichts heilig galt
als ihre Launen; sonst der schönsten Schönen gleichend,
die Grausamste mehr als erreichend
und doch liebreizumhüllt trotz ihrer rauhen Art –
wie erst, wär' alles dies mit Mild' und Huld gepaart!
Daphnis, ein junger Hirt, von edlem Stamme,
liebt' sie – zum Unglück: Nie gewährte seiner Flamme
nur einen flücht'gen Blick, ein Wörtchen, noch so klein,
noch die geringste Gunst dies Herz, so hart wie Stein.
Müde, noch länger fort so hoffnungslos zu werben,
sucht er den Tod; Verzweiflung reibt
ihn auf, zu der Grausamkeit treibt
sie ihn, vor ihrer Tür zu sterben.
Den Winden klagt er seinen Schmerz, den herben;
man öffnet nicht, verschlossen bleibt
das Unglückshaus, in dem, von Freundinnen umgeben,
die Arge, zu erhöhn des Wiegenfestes Glanz,
der eignen Schönheit Blütenkranz
noch durch den Flor der Gärten sucht zu heben.
»Vor dir zu sterben war mein letztes Hoffen fast;
allein ich bin dir zu verhaßt!«
rief er. »Nicht staun' ich, daß den Haß du steigerst,
daß mir auch diesen Wunsch du weigerst.
Nach meinem Tode soll mein Vater – dahin geht
mein Auftrag – dir zu Füßen legen
das Erbe, das du stolz verschmäht,
die Weidetriften und der Wiesen reichen Segen,
all meine Herden, meinen Hund.
Man soll alsdann auf meinem Grund
und Boden einen Tempel bauen,
darin dein Bildnis ist zu schauen.
Stets schmückte den Altar ein frischer Blumenflor;
ein einfach Denkmal steh' nah bei des Tempels Tor,
und diese Inschrift trag' sein Rahmen:
>Steh, Wanderer, und wein! Hier starb den Liebestod
Daphnis; er unterlag, sich beugend dem Gebot
Alcimaduras, der Grausamen.< «
Bei diesem Namen schnitt die Parz' ihm ab das Wort;
gern spräch' er weiter, doch es rafft der Schmerz ihn fort.
Die Stolze tritt heraus, mit einer Blumenkrone
geschmückt. Vergebens fleht man sie um einen Blick;
um eine Träne für des Liebenden Geschick;
nur ihren Hohn übt sie an Cythereas Sohne:
Zu seinem Standbild führt, seinem Gebot zum Spott,
sie die Gefährtinnen, sich dort im Tanz zu wiegen.
Sie stürzt und nieder schlägt im Fallen sie der Gott.
Eilende Wolken sieht man fliegen,
und eine Stimm' erschallt in Lüften weit umher:
»Nun liebe jeder! Die Herzlose ist nicht mehr!«
Des Daphnes Schatten, der zum Styx hinabgestiegen,
bebt, wie er sie erblickt. Der ganze Hades sieht
die schöne Mörderin vor ihrem Schäfer tief bereuen.
Umsonst! Er flieht sie, wie Ajax Ulyssen flieht,
wie den Äneas flieht Dido, den Ungetreuen.
Fab.27
Der Richter,
der Krankenpfleger und der Einsiedler
Drei Heil'ge, gleich besorgt um ihrer Seele Ruh',
strebten im selben Geist demselben Ziele zu,
doch nicht auf gleichem Pfad. Es führen, wie wir wissen,
die Wege all nach Rom; drum schien es unsern drei'n,
am besten schlüge man verschiedne Straßen ein.
Der erste, stets im Kampf mit Sorg' und Hindernissen,
wie bei Prozessen sie nicht zu vermeiden sind,
erbot sich, ohn' Entgelt zu richten alle Sachen;
er dachte nicht daran, hienieden Geld zu machen.
Da es Gesetze gibt, so ist ein jedes Menschenkind
zu Zank und Streit verdammt die Hälfte seines Lebens.
Die Hälfte? Mehr, und oft sein ganzes Leben lang.
Der Heiland hoffte noch zuletzt, den tollen Drang,
die schlimme Leidenschaft zu heilen, doch vergebens.
Der Krankenpflege hat der zweite sich geweiht.
Ich lob' ihn; diese Form der Menschenfreundlichkeit
scheint die vorzüglichste mir ohne jede Frage.
Die Kranken, damals ganz genau wie heutzutage,
machten das Leben oft dem armen Pfleger schwer
durch Mißmut, Ungeduld, Klagen, die nimmer schwiegen:
»Um den und jenen kümmert er sich mehr!
Die hat er gern, mich läßt er liegen!«
Viel schlimmer noch als dies war die Verlegenheit
für den, der eingesetzt als Richter in dem Streit:
Er macht' es keinem recht; was auch sein Spruch besage,
ihn lobte keine der Partei'n;
der Richter hielt, nach allen zwei'n,
doch ungleich stets des Rechtes Waage.
Dergleichen Zank verdroß den Richter, und er eilt'
zum Krankenhause, wo sein Freund als Pfleger weilt'.
Da beide nichts zum Lohn als Klag' und Murren hatten,
legen betrübt ihr Amt sie nieder, Trost im Leid
und Lindrung suchend in des Waldes Einsamkeit.
Dort, unter rauhem Fels, an klarem Quell, im Schatten
der Stille, der nicht Sturm noch Sonne jemals naht,
finden den dritten sie und fragen ihn um Rat.
»Den kann«, versetzt ihr Freund, »sich jeder selbst nur
geben.
Wer außer euch weiß, was euch not?
Sich selbst erkennen ist das wichtigste Gebot,
das allen Sterblichen der Ewige gegeben.
Habt in der bunten Welt ihr je euch selbst erkannt?
Man kann's nur, wo man Ruh' und traute Stille fand:
sucht einer anderswo dies Gut – vergeblich Streben!
Trübt Wasser: Blickt dann euer Bild heraus?
Rührt dies hier auf; Wie sehn darin wir alle aus?
Ihr sehet Schlamm nur, schmutzig-grauen,
der jedem Spiegelbild sich grade widersetzt.
Nun, Brüder, wartet ab, bis es sich wieder setzt,
dann werdet euer Bild ihr schauen.
Sucht Selbstbetrachtung ihr, so wählt die Wüstenei.«
So sprach der Eremit; es taten
gläubig die zwei, wie er zu ihrem Heil geraten.
Nicht, daß ein jedes Amt gleich abzuschaffen sei!
Solang' es Streit und Tod und Krankheit gibt im Leben,
stellen von selbst sich Ärzt' und Advokaten ein –
an beiden, Gott sei Dank, wird nimmer Mangel sein;
dafür mag Ehr' und Geld uns sichre Bürgschaft geben.
Doch wer für öffentliche Dinge lebt, mit Sicherheit
verliert er sich. Ihr, die fürs Volk ihr tragt der Sorgen
Last,
Fürsten, Minister und Beamte,
die zu rastloser Hast das Schicksal oft verdammte,
gebeugt vom Unglück und vom Glücke leicht betört –
vom eignen Herzen nicht, von keinem habt ihr Kunde.
Ruft zum Nachdenken mal euch eine günst'ge Stunde,
gleich kommt ein Schmeichler, der euch stört.
Mit dieser Lehre findet auch dieses Buch sein Ende;
brächt' künft'gen Zeiten sie nur Vorteil und Genuß!
Den Fürsten leg' ich sie, den Weisen in die Hände.
Sagt, gibt es einen bessren Schluß?
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