Fabelverzeichnis
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Buch 3
Prolog
 

Buch 2
 
Die Gartenlust
Der Adler und der Schmetterling
Die zwei alten Weiber
Die zwei Weisen in Peru
Der Bäcker und die Maus
Der Hänfling
Der Hühnerhund
Die zwei Jupiter
Der Vogel Platea und die Reiher
Die wilden Schweine
Der junge Kater
Der Kapaun und das Huhn
Der Esel und die Dohle
Der Wandersmann und die Sonnenuhr
Der Rhein
Der Weise und der Alchimist
Das Reichsgericht der Tiere

 
Der Maler
Die Fische
Der Priester und der Kranke
Jupiter und die Winde
Der Maulwurf
Der Satyrenschreiber
Des Vulkanus drei Ehen
Sokrates und der Witwer

 

Die Gartenlust

Ein Knabe, der die Welt, und was darauf geschah,
Nur durch das Stubenfenster sah,
Und niemals aus dem Hause kam,
Empfand so große Lust, ein wenig auszugehen,
Daß ihn auf wiederholtes Flehen,
Der Vater endlich mit in einen Garten nahm.
O wie erstaunt das Kind, als es ein Beet erblicket,
Darauf der Flora Wunderhand
Des Frühlings größten Schatz verwandt,
Und alles göttlich ausgeschmücket;

Der Knabe machte sich in die belaubten Gänge,
Auf denen eine ganze Menge
Verirrter Nachtigallen sang;
Er kam an einen Fels, allwo von allen Ecken
Das Wasser in ein Marmorbecken
Mit silberhellen Wirbeln sprang.
Der Knabe sieht, und meint ein Paradies zu schauen.
Ach Vater, spricht er, laßt mich hier,
Das ist der Götter Lustrevier;
Ich wünsche lebenslang dies Gartenfeld zu bauen.
Wen rührt nicht frommer Kinder Flehn?
Der Vater mußte weiter gehen,
Und ließ den Sohn vergnügt zurück.
Ihm kürzte Lust und Fröhlichkeit
Die angenehme Sommerzeit,
Er lobte täglich sein Geschick.
Bald band er einen Blumenstrauß
Von Rosen, bald von Nelken wieder,
Bald las er sich zur Kost die schönsten Äpfel aus,
Und legte sich sodann auf grünen Rasen nieder.

Indessen wuchs das Jahr, die Tage wurden klein,
Der angenehme West zog seinem Odem ein,
Des Gartens schönster Schmuck, die Rosen und die Nelken,
Begannen endlich zu verwelken;
Der Nordwind zog dem Baum die Sommerkleidung ab;
Der Winter kam heran, mit ihm die weißen Flocken,
Der Schnee, des grünen Laubes Grab.
Die Vögel zogen heim, der Quell hub an zu stocken,
Und unser Knabe empfand des Frostes Grausamkeit.
Bei dieser kalten und rauhen Zeit,
Da ihm schon Hand und Fuß erstarrten,
Schien ihm der ehemals schöne Garten
Ein Höllenort, ein Ort der Pein,
Er wünschte schon heraus zu sein.
Indem er nun betrübt und schwach herum spazierte,
So kam der Vater an, der ihn nach Hause führte.

*   *   *

Dieser Garten ist die Welt,
Die im Frühling junger Jahre
Uns mit ihrer bunten Ware
So ausnehmend wohl gefällt.
Aber wenn wir älter werden,
Wenn der Reif das Haupt umzieht,
Und die Kraft der Jugend flieht,
So verfliegt die Lust der Erden,
Und zerstiebt in die Luft:
Drum, so danke Gott mit Freuden,
Wenn er dich aus diesem Leiden
Wiederum nach Hause ruft.

Der Adler und der Schmetterling

Ein Sonnenadler, den sein Flug
Bis an die höchsten Wolken trug,
Ward durch den Wald von tausend Zungen
Als aller Vögel Fürst besungen.
Lob zeigt den Neid, ein Schmetterling,
Ein kleines, aber stolzes Ding,
Vermaß sich ohne Scheu dem Adler gleich zu fliegen,
Wo nicht, ihm annoch obzusiegen.

Der Adler nahm den Wettstreit an,
Als man ihm solches kundgetan,
Und ließ dem Molkendiebe* sagen,
Es morgen früh mit ihm zu wagen.
Der Adler war schon lange da,
Eh sein Bestreiter kam, der auf der kurzen Reise
Auf manches Blümchen flog, und da und dorthin sah,
Nach aller Schmetterlinge Weise.
So kam er an, und gleich darauf
Erhob der Adler sich zu den saphirnen Höhen.
Der kleine Harlekin rafft sich nun gleichfalls auf,
Und läßt die bunten Flügel gehen.
Allein, er war nicht weit, als schon ein Wirbel kam,
Der ihn vor aller Augen nahm,
Und rücklings mit herunter brachte:
Es war kein Vogel, der nicht lachte.

*   *   *

Ihr kleinen Dichter, merkt's, und wagt euch nicht zu viel,
Gebietet eurer Eigenliebe,
Sonst geht es euch wie dem Molkendiebe,
Aus einem Bav wird kein Virgil.

*
Laut einem deutschen Wörterbuch, ein anderes Wort für Schmetterling

Die zwei alten Weiber

Die Uhr tat in der Nacht elf Schläge,
Da ging ein altes Weib in einem hohlen Wege,
Ein andres altes Weib kam in dem Weg heran,
Die Toren sahen sich für zwei Gespenster an,
Und stunden starre da, als ob sie Säulen wären,
Sie standen, bis der Morgen kam,
Da jede brummend Abschied nahm.

Wir hindern in der Welt einander mit Chimären.

Die zwei Weisen in Peru

Es sah Peru einst zwei Lehrer
Der Sonne brünstige Verehrer
Den Ausbund strenger Heiligkeit.
Ihr Ruhm war gleich im ganzen Süden,
Ihr Eifer wenig unterschieden,
Ihr Lehrgebäude himmelweit.

Der eine sah, trotz ihrem Lichte,
Der Gottheit kühnlich ins Gesichte;
Sein Auge ging ihr immer nach,
Die Tränen strömten von den Wangen,
Und das Gesicht war vergangen,
Eh er sein Schauen unterbrach.

Der Andre glaubt, daß Menschenaugen
Gott auch im Werk zu schauen nicht taugen,
Noch wie ihn die Natur verklärt;
Weil die Vernunft im Schließen wanke,
So sei der witzigste Gedanke,
Den man von Gott macht, tadelnswert.

Um nun die Sonne nicht zu schauen,
So ließ er eine Höhle bauen,
Wohin die Sonne niemals kam.
In dieser ward, bei langer Weile,
Der finstre Heilige, die Eule,
Der Welt, sich und der Sonne gram.

So wurden diese teuren Männer
Der Sonne würdige Bekenner,
Durch Dunkelheit und Vorwitz blind,
Und lehren, daß in Glaubensdingen
So Dummheit als verwegnes Schwingen
Zwei Mittel der Verblendung sind.

Der Bäcker und die Maus

Ein Mäuschen, daß an einer Semmel
In eines Bäckers Laden fraß,
Versah's und nahte sich dem Schemel,
Darauf der Meister lauschend saß.

Und sieh! da hatt' er sie beim Felle,
So, so! Herr Mausekopf, rief er,
Bist du mein Dieb? Steht auf Geselle,
Und holet unsern Kater her.

Ich? sprach die Maus, ein Dieb? das wäre
Ein Schimpf für mich und mein Geschlecht!
Gottlob, ich halte noch auf Ehre,
Beleidigt nicht das Völkerrecht.

Ich bin ein Fremder, lieber Bäcker.
Was Völkerrecht? warf dieser ein,
Du hast den Tod verdient, du Lecker,
Du magst Frank' oder Schwabe sein.

Wie? sprach die Maus, wenn ich Euch sage,
Und was? was hier geschehen ist.
Der Knecht hat — — Rede! — dieser Tage
Dein Weib — — Was hat er sie? — geküßt.

Der Bäcker geht dem Knecht zu Leibe,
Er schäumt, er flucht, der Knecht erschrickt,
Die Maus entwischt, Gott helf dem Weibe.

*   *   *

Wer leichtlich zürnt, wird leicht berückt.


Der Hänfling

Ein Hänfling, den der erste Flug
Aus seiner Eltern Neste trug,
Hub an, die Wälder zu beschauen,
Und kriegte Lust, sich anzubauen,
Ein edler Trieb, denn eigener Herd
Ist, sagt das Sprichwort, Goldes wert.

Die stolze Glut der jungen Brust
Macht ihm zu einem Eichbaum Lust.
Hier wohn ich, sprach er, wie ein König,
Dergleichen Nester gibt es wenig.
Kaum stand das Nest, so ward's verheert,
Und durch den Donnerstrahl verzehrt.

Es war ein Glück bei der Gefahr,
Daß unser Hänfling auswärts war.
Er kam, nachdem es ausgewittert,
Und fand die Eiche halb zersplittert.
Da sah er mit Bestürzung ein,
Er könnte hier nicht sicher sein.

Mit umgekehrtem Eigensinn
Begab er sich zur Erde hin
Und baut in niedriges Gesträuche,
So scheu macht ihn der Fall der Eiche.
Doch Staub und Würmer zwangen ihn
Zum andernmal, davonzuziehen.

Da baut er sich das dritte Haus
Und las ein dunkles Büschchen aus,
Wo er den Wolken nicht zu nahe,
Doch nicht die Erde vor sich sahe,
Ein Ort, der in der Ruhe liegt,
Da lebt er noch und lebt vergnügt.


*   *   *

Vergnügte Tage findet man,
Woferne man sie finden kann,
Nicht auf dem Thron, und nicht in Hütten,
Kannst du vom Himmel es erbitten,
So sei dein eigner Herr und Knecht,
Dies bleibt des Mittelstandes Recht.

Der Hühnerhund

Des kranken Mopses gutes Leben
Begehrt der neidische Bellin,
Bellin, vor dem die Hasen beben,
Das Rebhuhn fällt, die Füchse fliehn.

Da sieht man, wem das Glück grünet!
Seht, spricht er, diesen Brotdieb an,
Zeitlebens hat er nichts getan,
Doch wird er wie ein Abt bedient.

Das Brot vom schönsten Weizenkorne
Und Lerchenbrüste nähren ihn;
Seht, wie sich Herr und Frau bemühn,
Da ist Mops hinten, Möpsen vorne.

Ich bin gesund. Was ist mein Dank,
Wenn ich Feld, Busch und Tal durchkrochen?
Des Tages Prügel, abends Knochen.
Warum bin ich nicht gleichfalls krank?

Es hat, nach des Fontaines Lehren,
Das Glück zu gewisser Zeit
Die grausame Gefälligkeit,
Der Toren Wünsche zu erhören.

Bellin wird krank und Mops gesund.
So bald der Hausherr es vernommen,
So ließ er seinen Jäger kommen,
Und sprach: Erschießt den Hühnerhund.

Der arme Hund erschrak sich heftig,
Als er den Todesspruch empfing,
Und dieser Schrecken war so kräftig,
Daß ihm sein ganzes Weh verging.
Er säumte nicht, davon zu scheiden.

*   *   *

Sieh! Neid, wie töricht du verfährst,
Du kannst im Elend uns beneiden,
Darin du längst versunken wärst.

Die zwei Jupiter

Ein reicher Heide wurde Herr
Von einem töpfernen und goldnen Jupiter.
Der töpferne hub an sich heftig zu beschweren,
Man wolle ihn nicht genug verehren.
So lange ich in dem Hause bin,
So habe ich, prüfe dein Gewissen,
Von kalter Küche zehren müssen.
Ein wenig Salz und Mehl ist all mein Gewinn,
Hingegen jenes Herd wird fett vom Opferblute,
Die Rosen schmücken ihn, der Wein fließt um ihn her,
Mir aber tust du nichts zugute,
Bin ich nicht Jupiter wie er,
Ein Fürst der Sterblichen und Vater aller Götter,
Hab' ich nicht ebenfalls den Donner in der Hand
Weswegen wird der Kern dem stolzen goldnen Vetter,
Und mir die Hilfe zugewandt?

Herr Tongott, haltet es mir zu Gnaden,
Versetzte der Heide drauf, was habt ihr mir genutzt,
Verhütet ihr den kleinsten Schaden,
So lange ihr auf dem Herde sitzt?

Hat den der goldne mehr getan?
Hub hier der Götze wieder an.
Gar wenig, sprach der Mann, allein, das Gold ist teuer,
Sein Wert ist groß, und bleibet mir,
Doch eures gleichen kauf ich hier,
Herr Tongott, zwei um einen Dreier.

Es ward der arme Zeus dadurch so aufgebracht,
Das die Glasur an ihm zerbarst.

*   *   *

O wer doch sein Verdienst erforschte,
Eh er durch Bettelstolz sich zum Gelächter macht!

Der Vogel Platea und die Reiher

Der Vogel Platea, nach andern Pelikan,
Nach andern Löffelgans (das Tier hat viele Namen,)
Griff eines Tages zwei Reiher an,
Die aus dem nächsten Wasser kamen,
Und jagte diesen Herrn die Fische wieder ab,
Die sie im Teiche weggefangen,
Und strafte sie dabei, daß sie den Raub begangen,
Da denn ein Wort das andre gab.

Oh, rief ein Reiher, das ist schnöde,
Wir fangen unsre Kost mit Müh,
Ein fauler Schlemmer speiset sie.
Hier fiel der Platea ihm trotzig in die Rede:
Wie? Du begehrst noch ungescheut
Gestohlne Sachen zu behalten?
Eh soll man euch die Köpfe spalten,
Es lebe die Gerechtigkeit.
Es ward der Raub hierauf sofort verzehret.

*   *   *

Ein solcher Vogel wohnt noch jetzt in mancher Stadt,
Der ebenfalls, wie der, viele Namen hat
Und die Gerechtigkeit zu seinem Vorteil ehret;
Man klagt darüber hier und da,
Wer zweifelt, frage nur die Leute.
Er straft die Dieberei und nährt sich von der Beute,

Als wie der Vogel Platea.

Die wilden Schweine

Ein ungeheures wildes Schwein,
Das oft die Winzer rasend machte,
Ging auf den Raub, und brach bei Nacht
In einen reichen Weinberg ein.
Es ward der Berg durchwühlt, da ging in einer Stunde
Der Schweiß des ganzen Jahres zugrunde.
Der Eber fand hierfür für gut
Sich weiter umzusehn. Seht, was der Zufall tut!

Des Winzers Hütte steht offen,
Der Winzer selbst schlief besoffen,
Ein neues Glück für ihn. Der Trunk schmeckt auf die Kost.
Der Eber fand ein Faß voll Most,
Er tunkt den Rüssel ein, o das sind Göttersäfte,
Hilf, Bacchus, hilf! wie schlürft das Schwein,
Und schluckt das Öl der Trauben ein,
Schluckt, und versäuft Gehirn und Kräfte.
Es taumelt hin und her, fällt zu der Tür hinaus,
Kommt wieder in den Wald, stößt sich an alle Bäume,
Er stolpert, grunzt und schnaubt, und tut als ob es träume.
Es hörts sein Weib, die Sau, uns läßt ihr sumpfiges Haus,
Die ganze Freundschaft folgt; das Schwein wühlt in der Erde,
Haut nach der Mutter und dem Sohn.
Flieht, Kinder, sprach die Sau, eh eins beschädigt werde,
Die Schweine folgten ihr, und flohn.

Der Trunkenbold fiel ohne Sorgen
In den Schlamm, und schlief bis in den Morgen,
Vom Morgen bis den Mittag drauf,
Da stand er ganz gelassen auf,
Und wollte, wie zuvor, sich seiner Freundschaft nahen,
Da kommt das tolle Schwein! schrie die erschrockne Schar.
Sie flohn das gute Schwein, ob es schon nüchtern war,
So bald sie es von weitem sahen.

*   *   *

Ihr dummen Sauen ihr, wie daß ihr euch nicht schämt?
O wenn ihr unter Menschen kämt,
Ihr würdet, ohne weit zu gehen,
Dergleichen Tolle häufig sehen.

Der junge Kater

Der Ausbund eines schönen Katers,
Den Mut und Alter mündig sprach,
Bekam die Würde seines Vaters,
Und stellte Mäus' und Ratten nach.
Er folgte der gemeinen Weise;
Des Räubers Sohn wird gern ein Dieb,
Das Wölfchen fühlt des Wolfes Trieb,
Ein junger Kater wünscht sich Mäuse.

Es tat der junge Herr so keck
Als wie ein andrer Skanderbeg,*
Sein Hirn war voller Mäus' und Ratten,
Die seine Klauen noch nicht hatten.
Wer ihn gesehen haben mag,
Der hätte wirklich sollen schwören,
Dies sei der Mäuse jüngster Tag,
Die sich auf Deutschlands Boden nähren.

Die dunkle Nacht bezog das Land,
Der Tau wusch die bestaubten Fluren,
Als unser Held noch keine Spuren
Des längst gesuchten Wildbrets fand.
Das Warten löschte sacht und sachte
Des Katers erstes Feuer aus,
Er sah und hörte keine Maus.
Ein Ding, das ihn verdrießlich machte.

Er saß und putzte sich das Kinn,
Da schlich ein Wiesel zu ihm hin.
Was suchst du? sprach der Kater leise;
Ich suche, war die Antwort, Mäuse.
O weh! soll ich mein bißchen Brot,
Fing Murner heimlich an zu heulen,
Mit einem schlimmen Wiesel teilen,
So leide ich endlich selber Not.

Auf beßre Kundschaft sich zu legen,
Kroch er bis auf das Scheunendach,
Da flog ihm Jungfer Eule entgegen.
Schatz, fragte er, bist du auch noch wach?
Ja, sprach das schleirichte Gesichte,
Ich warte hier auf ein Gerichte,
Auf einen guten Abendschmaus.
Auf was denn, Kind? Auf eine Maus.

Die Antwort ärgerte den Kater,
Er steigt herab, steht auf den Mist,
Da ist ein Igel, der was frißt.
Viel Glück zur Mahlzeit, alter Vater,
Was schmeckt dir denn allhier so gut?
Ein Mäuschen, sprach er, ist mein Essen,
Ei, daß du müßtest Kohlen fressen!
Gedachte jener voller Wut.

Hier, seufzte er, ist nichts mehr zu naschen,
Fort, auf das Feld! vielleicht kann ich
Noch eine dicke Feldmaus haschen,
Mit dieser Hoffnung stärkt er sich.
Er kam aufs Feld, und traf im Gehen
Den Fuchs voll Zorn und Rachgier an,
Aus Neugier blieb der Kater stehen,
Und sprach: Wer hat dir was getan?

O ließ der Fuchs sich fluchend hören,
Ich wußte ein volles Mäuseloch,
Und dachte diesen Abend noch
Es mit Vergnügen auszustören.
Doch als ich in dem Walde bin,
So geht der Schelm, der Sperber hin,
Und leert, so geht es mir, das Geniste
Daß er davon zerbersten müßte!

So bald der Kater mit Verdruß
Des Fuchses letzte Worte hörte,
So wandte er traurig Kopf und Fuß,
Damit er stracks nach Hause kehrte.
Ach! sprach er, wenn so viele sind,
Die nach dem Mäusefleische streben,
Was hoff' ich noch, ich armes Kind,
Von diesem Handwerk auch zu leben.

Indem er also bei sich dachte,
So fing er eine Maus im gehen,
Die ihn auf die Gedanken brachte,
Den Mäusen dennoch nachzustehn.
Er tat in kurzen Heldentaten,
Die Praxis machte ihn dick und fett,
Es ging ihm, unter uns geredt,
Als wie den jungen Advokaten.

*
Skanderbeg: 1403-1468; Führer im Freiheitskampf der Albaner
gegen die Türken.


Der Kapaun und das Huhn

Es machte sich ein junges Huhn
Und ein Kapaun, bei großer Hitze,
Zu einer nah gelegnen Pfütze,
Um einen guten Zug zu tun.
Es hatte der Kapaun die Schwachheit des Narzissen,
Daß er, sich zu besehn, gern an das Wasser ging.
Ein Spiegel ist ein köstlich Ding,
Wie Junggesellen und Jungfern wissen.
Die Pfütze war so ziemlich klar,
Und alles, was am Ufer war,
Erschien und malte sich auf ihrer glatten Fläche,
Auf dieser konnte sich der prächtige Kapaun
In seinem vollen Putze schaun;
Hier sah und liebte er seine Schwäche.

O Jungfer, seht ein bißchen her,
So sprach der Stutzer zu der Henne,
Und sagt mir nur ungefähr,
Ob ich nicht artig heißen könne?
Herr, sprach das lose Huhn, das muß ich euch gestehn,
Ihr seid geputzt und wunderschön,
Die Federn stehen euch gut, ihr seid schlank von Leibe,
Nichts fehlt euch weiter als ein Kamm,
So nehme ich euch zum Bräutigam,
Ihr habt zu viel von einem Weibe.

Der Esel und die Dohle

Ein Esel mochte lüstern sein,
Und wollt auf öffentlichen Gassen
Sein lieblich Stimmchen hören lassen,
Er hub erbärmlich an zu schrein.
Die Leute, die vorübergingen,
Verwünschten, schimpften ihn dafür.
Pfui, sagte man, das garst'ge Tier,
Es brüllt, das uns die Ohren klingen.

Nur eine Dohle saß dabei,
Die das ertönende Geschrei,
Das alle kluge Welt verfluchte,
Mit Fleiß bewunderte und nachzuahmen suchte.

*   *   *

Ein Narr trifft allemal noch einen größern an,
Der ihn nicht genug bewundern kann.


Der Wandersmann und die Sonnenuhr

Bei einer Sonnenuhr blieb einst ein Wandrer stehn,
Die Morgensonne schien, die Uhr wies auf halb achte,
Der Mann sprach: Es ist früh, ich will bis Mittags gehen;
Indem er sich darauf bedachte,
So kam ein dickes Wolkenheer,
Die Sonne ward verhüllt. Der Wandersmann sah wieder
Nach seiner Sonnenuhr, und er rieb die Augenlieder:
Die Uhr wies keine Stunden mehr.

*   *   *

O, sprach er, falsches Ding, das an das Glück sich bindet!
Hinweg mit einem solchen Freund,
Der mich so lange kennt, als mir die Sonne scheint,
Und wenn sie nicht scheint, mir verschwindet!

Der Rhein

Der alte Rhein beschloß, der Währmann deutscher Grenzen,
Die Zahl der Männer zu ergänzen,
Und suchte sich ein Ehgemahl.
Die schönste Nymphe traf die Wahl,
Ein Reis aus einem edlen Hause.
Der graue Bodensee, die Mosel und die Aar,
Der Neckar nebst dem Main, der Bräutigamsführer war,
Erschienen nach Gebühr, und tanzten auf dem Schmause.
Das Schilf war ungefähr zum dritten male grün,
Als die beglückten Ehegatten
Ein Kleeblatt schöner Kinder hatten.
Der Vater sparte nichts, sie löblich zu erziehn,
Und liebte sie mit Recht als seines Hauses Säulen.
Die Liebe gab ihm ein, sein großes Wasserreich
Mit seinen Söhnen gleich zu teilen,
Sein Herz ward ihm vor Freude weich.

O Ehre! drei erwachsne Söhne,
Die aus des Vaters Schoß mit brüllendem Getöse
Ins Meer als große Ströme ziehn,
Ein Reiz, der unserm Rhein unüberwindlich schien.
Er macht die Jünglinge zu Flüssen,
Gibt einem jeden seinen Strich,
Den sie mit Macht durchströmen müssen,
Er gibt, schenkt, und erschöpft sich,
Bis daß sein eigner Strom dadurch so abgenommen,
Daß er mit großer Not sich an der See hinschlich,
Allwo er einem Graben glich.

*   *   *

Es ging dem guten Rhein wie Ludwig dem Frommen.

Der Weise und der Alchimist

Gesund und fröhlich, ohne Geld,
Lebte einst ein Weiser in der Welt.

Ein Fremder kam zu ihm und sprach: Auf meinen Reisen
Hörte ich von deiner Redlichkeit;
Du bist ein Phönix unsrer Zeit.
Nichts fehlt dir als der Stein der Weisen.
Ich bin der Trismegist,* vor dem sich die Natur
Stets ohne Schleier zeigt; ich habe den Merkur,
Dadurch wir schlechtes Blei in feines Gold verkehren,
Und diese Kunst will ich dich lehren.

O dreimal größter Trismegist!
Versetzt der Philosoph, du magst nur weiter reisen,
Der ist kein Weiser nicht, dem Gold so schätzbar ist.
Vergnügt sein ohne Gold, das ist der Stein der Weisen.

*
Trismegist, ein Beiname des ägyptischen Hermes oder Merkur.

Das Reichsgericht der Tiere

Der Tiere Häupter machten Friede,
Des innerlichen Krieges müde,
Doch mit Bewilligung des tierischen Geschlechts,
Und Vorbehalt jedweden Rechts.
Ein Reichsgericht soll, was streitig blieb, entscheiden,
Man willigte darein mit Freuden.

Die Schlange, ein kriechend Tier, ward, weil ihr Witz bekannt,
Zum Reichs-Schultheißenamt ernannt.
Beisitzer waren Murmeltiere,
Wenn einer wachte, schliefen viere.
Schildkröten von bewährter Treu
Verwalteten die Kanzlei,
Die Schnecken wurden Advokaten,
Die hundertjährige Fristen baten.

Man sagt, daß dies Gericht nie jemand Unrecht tat,
Und daß von seinem Spruch nie jemand appellierte,
Den eh der Reichs-Schultheiß ein Urteil publizierte,
Verstarb Partei und Advokat.

Der Maler

Ein alter Maler ward halb blind,
Und wie die alten Maler sind,
So mocht' er dennoch gern Gemälde sehn und richten,
Denn den gewohnten Trieb kann bloß der Tod vernichten.
Einst sah er in dem Vatikan
Das Kunststück Raphaels, das Bild des Schöpfers an,
Wo uns die Majestät des, der die Welt regieret,
Mit einem heiligen Schauder rühret.
Der Maler sah es an, und schüttelte den Kopf.

Euch um mich Stehenden muß ich doch was entdecken,
Der Raphael, sprach er, das war ein schlechter Tropf,
Sein Kunststück hat zwei große Flecken.

Nein Freund, wir werden nichts gewahr,
Antwortete man ihm, du aber hast den Star,
Die Flecken sind in deinen Augen,
Des Blinden Urteil kann von Farben gar nichts taugen.

Die Fische

Der Hochmut kam einmal ins Meer,
Und fuhr den Fischen in die Köpfe,
Es war vom Blackfisch* bis zum Stör
Kein so geringes Seegeschöpfe,
Es wünschte was zu sein. Des Fischmonarchen Haus
War damals voller Supplikanten,
Die meisten wirkten sich besondre Titel aus,
Darinnen sie sich selbst verkannten.
Dem Stockfisch kam der Rang zu allerletzt in den Sinn,
Er schwamm zum Walfisch hin, und klagte nach der Länge,
Daß Stockfisch schlechtweg künftighin
Ein wenig zu verächtlich klänge.
Nein, Stockfisch sollst du ferner sein,
Fiel ihm der Fische König ein,
Doch hast du dich des Ranges noch über Stör und Haien
Auf ewig künftig zu erfreuen.

Vergnügt schwamm er davon. Der Ruf durchdrang das Meer,
Und kurz darauf erschien ein Supplikantenheer,
Die Fische drängten sich zu Haufen,
Den Stockfischtitel zu erkaufen.

*   *   *

Räumt erst dem Esel Würde ein,
Und lasset ihm den Sack zum Ehrenzeichen tragen,
So will ein jeder Esel sein,
Man wird sich um die Säcke schlagen.

*
Tintenfisch

Der Priester und der Kranke

Es rasten Pest und Tod in einer großen Stadt,
Die Priester wurden heisch,*
die Totengräber matt.
So wuchs der Kranken Zahl, so häuften sich die Bahren,
Geschlechter starben aus, viele Junge vor den Jahren,
Viele Alte, doch nicht gern: das sah kläglich aus.

Einst kam ein Ordensmann in ein gewisses Haus,
Hier lag ein kranker Greis, und stritt mit seinem Ende,
Sein Pfühl war mürbes Stroh, sein Hüter kahle Wände,
Zwei Sägen und ein Beil sein ganzes Hab und Gut.
Mein Freund, hub jener an, faßt einen frohen Mut
Der Kerker dieser Welt wird euch nun aufgeschlossen,
Wo ihr der Wehmut viel und wenig Lust genossen.
Verzeiht! antwortete der arme kranke Mann,
Ich habe gut gelebt, so weit ich denken kann.
Mich quälten weder Neid, noch Haß, noch Nahrungssorgen,
Mein Werkzeug, das hier liegt, erwarb mir alle Morgen
Des Tages Unterhalt. Von Schulden war ich frei,
Gesund, mein eigner Herr, was fehlte mir dabei?
Der Pfarrer wußte nicht, was er denken sollte,
Doch fragte er, ob er denn auch gerne sterben wollte?
Warum nicht? sprach der Greis, da, wie ihr sehen könnt,
Mir Gott so lange Zeit des Lebens Lust gegönnt?

*   *   *

O möchten Groß und Klein des Alten Lehre fassen!
Wer sich begnügen läßt, lebt fröhlich, stirbt gelassen.

*
heiser

Jupiter und die Winde

Dem Jupiter fiel ein, zu reisen,
Wohin? wohin als in die Welt,
Er sprach, der Augenschein mag weisen,
Wie die Natur mein Recht bestellt.
Kein Schwanenkleid verbarg die Glieder,
Kein goldner Tau fiel mit ihm nieder,
Kein Übel macht' ihn unsichtbar.
Er zeigte sich so, wie er war.

Aus seiner Rechten strahlen Blitze,
Die Linke schmückt ein goldner Stab,
Ein Adler dienet ihm zum Sitze,
So fährt er auf die Erd' herab.
Es hob sich alles an zu regen,
Die Nymphen sangen ihm entgegen,
Die Faunen tanzten vor ihm her,
Die Erde jauchzt, es horcht das Meer.

Ihr Brüder! rief ein Fürst der Winde,
Der Götter Haupt kehrt bei uns ein,
Und alles liegt voll Staub, geschwinde,
Die Straßen müssen sauber sein.
Wohlan, laß uns die Backen füllen,
Hob Bruder Sturmwind an zu brüllen,
Es merke Zeus, daß auch kein Heu
In einem klugen Windkopf sei.

Sie fahren stracks, wie wilde Drachen
Durch Süd und Nord, durch Ost und West,
Um Bahn und Wege reinzumachen,
Durch die der Gott sich fahren läßt.
Ihr Blasen füllt die Luft mit Staube,
Mit Dünsten, Sand und dürrem Laube,
Ein schwarzer Dampf bezog das Land,
Es wurde Nacht, und Zeus verschwand.

*   *   *

Seht doch der falschen Weisheit Früchte!
Rief der erzürnte Zeus allhier,
Eh ihr erschient, war alles lichte,
Wer macht den Staub als eben ihr?
Er winkt und droht den tollen Winden,
Und Staub und Finsternis verschwinden:
Zur Bessrung schreite mit Bedacht,
Weil Sturm oft Übel ärger macht.


Der Maulwurf

Ein Maulwurf, der durchaus ein Weiser heißen wollte,
Warf vor Betrachtungen, darin er sich verlor,
Fast keinen Haufen auf; er schloß auch noch zuvor
Die Augen zu, daß ihn ja nichts zerstreuen sollte.

Die Nachbarn nötigten einst diesen Sonderling,
Mit ihnen einmal auszufahren.
Und da geschah's, da ihm die Augen offen waren,
Daß er ein Quittchen fand, das noch am Zweige hing.
Er rief dem einen zu, der ihm erklären mußte,
Was dieses Ding wohl sei, und hörte den Bericht
Verächtlich an, und sprach: Man wundere sich nur nicht,
Daß ich es nicht zu nennen wußte.
Ein weiser Denkender, der sich in sich vergißt,
Kann so gemeines Zeug nicht in dem Kopfe tragen,
Doch will ich euch dafür jetzt eine Wahrheit sagen,
Die allen ein Geheimnis ist.

Was hilft's, daß ihr den Kot stets durcheinander werfet?
Glückselig ist, wer in der Ruh
Die Kräfte des Verstandes schärfet,
Jedoch genug hiervon: Hört zu.
Der runde Kloß, die ihr mir eine Quitte nennet,
Hängt selber an des Zweiges Fuß,
Der Zweig hat einen Riß, wie ihr hier sehen könnet,
So folgt, daß er an was gehangen haben muß.
Der Zweig ist stark, das Ding hingegen
Daran er hing, muß stärker sein,
Sonst hätt' es ihn nicht tragen mögen,
Dies Stärkre hängt vielleicht an einem andern fest,
So demnach stärker ist, wie sich leicht schließen läßt,
Dies hängt vielleicht an einem dritten,
So stärker, als die zwei zugleich samt Zweig und Quitten.
Hieraus mach' ich den Schluß: es können Zweige sein,
Die demnach dicker sind als unser drei vom Leibe.
So warte, bis man dir, fiel ihm ein andrer ein,
Die Schuppen von den Augen reibe.
Du Wurm! machst du so großen Wind,
Und weist noch nicht, daß Bäume sind?

Der Satyrenschreiber

Es setzte sich ein Dichter hin,
Und schrieb ein ganzes Buch Satyren;
Der Pöbel sprach davon nach seinem Eigensinn,
Es hieß: ein jeder Tor will jetzt philosophieren;
Seht diesen neuen Elihu!
Er wird die Türken noch bekehren,
Das Strafamt kommt dem Priester zu,
Man wird es zu rechter Zeit schon von der Kanzel hören,
Wer sich an seiner Pflicht versäumt.

Hört, sagte der Poet, was tut ihr denn so spröde?
Der Priester predigt euch in ungebundner Rede,
Und meine Predigt ist gereimt.
Zum Lehramt steigt man durch unterschiedne Stufen,
Ich durch die Poesie, ein andrer neben mir
Durch seine Redekunst. — Wer hat dich denn berufen?
Ach, ihr bedenkt es nicht, ihr guten Kinder ihr,
Wer den Beruf erwarten wollte,
Ich glaube, daß er wohl Zeitlebens warten sollte.

*   *   *

Der Trieb, den Gott ich jedem schuf,
Ist sein natürlicher Beruf.

Des Vulkanus drei Ehen

Vulkanus traf den Mars daselbst von neuem an,
Wo er ihn ehedem in einem Netze haschte,
Als er verbotne Früchte naschte,
Nie hätt' ihm, wie man sagt der Kopf so weh getan.
Beim Styxe! rief er aus, ich will das Ding nicht leiden,
Man stellt ihm Hölle und Himmel vor,
Umsonst, der Grimm verschloß sein Ohr,
Er ließ sich von der Venus scheiden.

Ein Gott der Schmiede kann nicht lange Witwer sein,
Die Eris trat an Venus Stelle.
Vulkanus fiel zu seiner Pein,
Vom Fegefeuer in die Hölle;
Der Eris Antwort fing sich stets von Aber an,
Nein war das Schlußwort ihrer Rede.
Aus ihrem Munde wuchs der Zwiespalt und die Fehde,
Nichts war ihr möglich zu bejahn.
Er hatte kaum geredet, so strafte sie ihn Lügen,
Er schwur, daß er's gesehen; sie sprach: Die Sinne trügen,
Er sagte Ja, sie Nein; Das schadet; Immerhin.
Das war ein rechter Eigensinn.
Vulkanus ward des Dinges müde,
Und als sie ihm das Widerspiel
Einst allzu heftig hielt, nahm er den Hammerstiel
Und jagte sie aus seiner Schmiede.

Der guten Dinge gibt es drei,
Die Echo ward von ihm zur dritten Frau erlesen,
Die ihrer Jungfernschaft schon lange gram gewesen;
Vulkanus war vergnügt dabei,
Was er für gut befand, das lebte sie zur Stunde,
Kein Aber kam aus ihrem Munde,
Sie wiederholte nur, was ihr Vulkan befahl.
Er pfiff, sie auch, er flucht, sie fluchte,
Ich dächte, sprach der Mann, ich dächte, rief sie nach,
Ja! rief er, ja! rief sie. — Kurz, wie er es auch versuchte,
So sprach die Echo doch, was ihr Vulkanus sprach.
O seufzte Vulkan zuletzt, Kind! sprichst du denn zu allen
Sonst weiter nichts als Ja? Ja, fiel die Antwort, ja.

Hilf, Himmel! sitzt der Knoten da,
Das heißt aus Hitze in Frost gefallen,
Die Eris quälte mich mit Nein,
Und die will mir mit Ja vergeben;
Geh fort, du Affe, du! ich will alleine leben,
Du Affe! sagte sie, und ließ den Mann allein.

*   *   *

So fügt das Glücke nicht den Freiern überall,
Der zeugt mit seiner Frau nicht Kinder seines Leibes,
Der freit ein böses Weib, und mancher statt des Weibes,
Nur einen schönen Widerhall.

Sokrates und der Witwer

Das frömmste Herz, der schönste Leib,
Das inniglich geliebte Weib
Wird ihres jungen Mannes Küssen
Durch einen frühen Tod entrissen.
Untröstlich über den Verlust
Zückt er den Dolch auf seine Brust,
Gehindert von getreuen Händen
Zerstößt er sich die Stirn an Wänden.
Kaum zähmen Bande seine Wut,
Daß er sich nicht ein Leid antut.
Auf Bitte wird er losgebunden,
Allein, vom Schmerz ganz überwunden,
Begibt er sich zu dem Sokrat,
Und bittet flehentlich um Rat.

Ach! sprach er, Weisester auf Erden,
Kann meiner Not geholfen werden?
Ich soll nicht sterben, da das Licht
Mir dennoch tausend Geißeln flicht.

Der Weise schlug die Augen nieder.
Kommt, sagte er, nach acht Monden wieder.
Ja, nach acht Monden, welche Zeit!
Da hatte er wiederum gefreit.