Der Mond und der Komet
Die Zeit verbarg des Tages Schein,
Die Nacht schwang ihre feuchten Flügel
Schon über die betauten Hügel,
Und schlummerte den Erdkreis ein.
Ihr Schatten wich dem Sternenlicht,
Der Mond strich sein verhüllt Gesicht
Mit silberfarbnen Hörnern an.
Nicht weit von ihm stand ein Komet,
Der seinen Schweif in schiefer Bahn
Nach dem bestirnten Süden dreht.
Weißt du auch, Nachbar, sprach der Mond,
Wie schrecklich von dir auf der Erde
Von manchem Volk geredet werde,
Das ihr verdunkelt Rund bewohnt?
Man sagt, du seiest ein Unglücksbote,
Der Hunger, Pest und Würgen drohte.
Dein Anblick schreckt was sterblich ist,
Ja es besorgt der Mensch nicht selten,
Wenn du am Himmel sichtbar bist,
Den nahen Umsturz aller Welten.
Wie? ich? O Mond, wo denkst du hin?
Rief der erstaunte Komet,
Ich sei ein Pest- und Kriegsprophet?
Weiß denn die Erde, daß ich bin?
Ja, fiel die Antwort, alle Schritte,
Die du getan, und alle Tritte,
Die du noch tun sollst, sind bestimmt.
Man hat das Maß von deinem Gange,
Und wenn dein Strahl den Rückweg nimmt,
Das weiß man auf der Erde lange.
So wissen, fiel der Schwanzstern ein,
Vermutlich auch die Erdenleute
Die zwischen uns gesetzte Weite,
Wie kann ich ihnen schrecklich sein?
Warum nicht? sagte der Planet,
Man hat gemerkt, wenn ein Komet
Sich unsern Erdenball genaht,
Daß Teuerung, Seuchen, Krieg entstunden,
Und da es niemand anders tat,
Ward der Komet für schuldig befunden.
Wahr ist's, man hört genug von Pest,
Von Teuerung und von Kriegsgetümmel,
Wenn auch dein Stern im obern Himmel
Der Erde sich nicht sehen läßt.
Hier wurde der Komet entrüstet:
O, wenn ihr meinen Ursprung wüßtet,
Verleumderisches Geschlecht! sprach er,
Was mögt ihr auch für Fallen graben,
Da nicht einmal die Sterne mehr
Vor euch am Himmel Frieden haben.
Die Hirsche
Es ging ein starker Hirsch, der sein Gehörne nur
Vor kurzem abgesetzt, auf Wermsdorf fetter Flur,
Mit seinen Weibern, Kindern, Vettern,
Und kam zu einer Saat; allein da stutzt die Schar,
Weil zwischen Wald und Saat ein Sumpf vorhanden war,
Voll von geschmolznem Schnee und dürren Birkenblättern.
Ihr Kinder, sprach der Hirsch, folgt mir nur Schritt für
Schritt,
Sonst werdet ihr euch sehr bespritzen.
Drauf ging er durch den Pfuhl, die Kleinen liefen mit,
Und kamen glücklich aus der Pfützen.
Jedoch so rein ging es nicht ab,
Daher es was zu spotten gab.
Ein Schmaltier, so zurück geblieben,
Rief ihnen hämisch nach, und sprach: Ihr Herren! mit Gunst,
In Kot zu gehen ist keine Kunst.
Ihr seid ja voller Schmutz, und glänzet wie die Sauen,
Seht her, ihr sollt was anders schauen.
Drauf tat der Spötter einen Sprung,
Daß alles um ihn pfiff; allein wie ging es dem Toren?
Meint ihr, daß ihm der Satz gelung?
Er fiel in den Schlamm bis an die Ohren.
* * *
Jeder prüfe seine Stärke,
Eh du andre höhnst, so merke,
Ob du nicht dem Orte nahst,
Wo du jene straucheln sahst.
Die Flinte und der Hase
Ein Jäger schlief im Haberschwaden
Und stützte sich auf seine Hand,
Sein Rohr, mit grobem Schrot geladen,
Lag ihm zu Füßen aufgespannt.
Ihn sah und floh ein blöder Hase,
Der doch die Furcht bald fallen ließ
Bald näher kam und mit der Nase
An die geladne Flinte stieß.
Verwegner! geh, hub hier die Flinte
Mit drohenden Gebärden an,
Wie? weißt du nicht, daß ich noch hinten
Dich nach der Hölle schicken kann?
Vor meinem Blitz erschrickt der Tiger,
Der Löwe, Bär, das Schwein und Rind,
Die alle mutiger und klüger
Als ein verzagter Hase sind.
Mein Freund! Du irrst in deinem Satze,
Warf ihm das Langohr lachend ein,
Vor deinem Drohn läuft keine Katze,
Dein Herr ist's, den wir alle scheun,
Solange dessen Augen wachen,
So fürchtet dich auch jedes Tier;
Allein, wenn sie sich dunkel machen,
Dann hat es keine Not allhier.
* * *
Was hilft Gesetz, was helfen Strafen,
Wenn Obrigkeit und Fürsten schlafen?
Der Fuchs und der
Marder
Ein Fuchs, der manches Huhn den Bauern abgenommen,
Ließ Nachbar Marder zu sich kommen.
Freund, hub er an, ich bin betagt
Und, wie du siehst, nicht weiter tüchtig
Den Hühnern nachzugehn; mein Fuß ist zwar noch flüchtig,
Allein der Schnupfen der mich plagt,
Benimmt mir alle Kraft, das Wildbret aufzuspüren,
Deswegen könntest du mich führen,
Es mangelt dir nicht an der Spur.
Zu dienen, sprach der Freund, mein Herr befehle nur,
Vor mir mag sich kein Raub verkriechen,
Ich kann ihn auf die Meile riechen,
Es sei Huhn, Täuber oder Hahn.
Mittlerweile sah der Fuchs des Führers Rüssel an,
Und sieh, es guckt auf allen Seiten
Das Zahnfleisch durch die Schnauze vor.
Was ist das? sprach der Fuchs, der schon den Mut verlor.
Ach nichts, versetzte der. - Wie? gar nichts? -
Kleinigkeiten,
Doch aber? - Je mein Herr! fing Nachbar Marder an,
Der Dorfhund, Greif, hat es getan,
Der Bube hat mich so gebissen,
Und mir das Maul mit aufgerissen.
O! seufzte Reineke, wenn diesem also ist,
So werde ich keine Feder rupfen,
Dir fehlt die Nase, ich schwimme in Schnupfen.
* * *
Wer Schwache leiten will, der sei
Von ihrer Schwachheit selber frei.
Der Hamster
Es zog der schnöde Geiz bei einem Hamster ein,
Nie mag ein Tier so karg wie er gewesen sein.
Er schwatzte stets von Korn, und träumte nur von Garben,
Sein Abgott war Gewinnst, sein Zweck, sich reich zu darben.
Der Bissen tut ihm weh, den er des Tages aß,
Die Früchte schmeckten ihm, die er nicht selbst besaß,
Und endlich ließ der Filz sein Weib vor Hunger sterben,
Er tat es, o des Schimpfs! um mehr von ihr zu erben.
Er ward im Hamsterrat auch peinlich angeklagt,
Die Mordtat im Verhör von Zeugen ausgesagt,
Und von dem Täter selbst in den verjährten Banden,
Vielleicht aus Überdruß, freiwillig eingestanden.
Man ließ, was fehlte mehr? den Rechten ihren Lauf,
Und viele knüpften ihn schon in Gedanken auf.
So sicher schien sein Tod. Allein das Urteil wollte,
Das er sofort der Haft entlassen werden sollte,
Und weil, so schloß es sich, Beklagter selbst bekannt,
Daß seine Frau den Tod durch seine Kargheit fand,
So werden ihm von uns, sich besser zu verpflegen,
Zwei Scheffel Korn geschenkt, und das von Rechtes wegen.
Die ganze Hamsterwelt ward auf die Richter toll,
Wer ist des Todes wert, wenn dieser leben soll?
Macht man den Frauenmord zu einem Mitteldinge?
Beschenkt man einen Schelm, der noch zu gnädig hinge?
So sagte jedermann, der Geizhals läßt sie schrein,
Er scharret das Geschenk in seine Speicher ein,
Er ißt für Geiz nicht mehr, die Furcht wehrt seinem Schlafe,
Er starb bei seinem Schatz, und das war seine Strafe.
Die Mäuse
Es sprach unlängst im Rat der Mäuse
Ein junger Ratsherr von der Reise,
Die er getan, und was dabei
Ihm selber zugestoßen sei.
Was unter finstrer Dächerhöhlen
Er hörte, schmeckte, sah und roch,
Berührte, speiste, fand, bekroch,
Das wußt' er deutlich zu erzählen.
Ja, fuhr er fort, auf manchen Böden
Sind Tiere, die wie Mäuse reden,
Sie sehn uns gleich vom Kopf zum Bauch,
Sie sind geöhrt wie wir und rauch.
Doch hört, ich sage keine Lügen,
Sie hüllen sich, so groß als klein,
In dünne, braune Mäntel ein,
Darinnen sie wie Vögel fliegen.
Da riefen zwei erfahrne Greise,
Du Narr, das waren Fledermäuse,
Die man hier täglich sehen kann,
Um dieser willen brauchte man
Dich nicht in fremde Länder zu senden.
* * *
Und so verreisen viel ein Lehn,
Um in Paris ein Ding zu sehn,
Das sie umsonst zu Hause fänden.
Der Kobold
Die Zeit zermalmt Stahl und Stein,
Thron, Schönheit, Schwert und Buch zerstiebt durch ihre
Feile,
Sie wirft auch Mausoleen ein,
Ihr Zahn vertilgt die Vorurteile.
Jetzt ist nichts unterm Himmel leer,
Jetzt darf die Erde sich, trotz Ketzermachern, drehen,
Jetzt verbrennt man keine Hexen mehr,
Jetzt kann ich ohne Furcht auf Gegenfüßlern*
stehen.
Ich lobe mir die Zeit, in der wir jetzt sind,
Wenn unsre Väter, wie wir lesen,
Der Eitelkeit mehr feind gewesen,
So sind wir Kinder nicht so blind.
Als noch der böse Nix die Wöchnerinnen schreckte,
Der Kobold hübsche Mädchen neckte,
Die weiße Frau dem Knecht das Deckbett nahm,
Und der verwünschte Mönch des Nachts zur Köchin kam,
Ließ auch auf einer Burg ein Poltergeist sich sehen,
Klein wie ein Zwerg, von Ansehen alt,
Wie ein bejahrter Greis gestalt,
Gekleidet, wie die Pilgrims gehen.
War je ein Kobold lobenswert,
So war es dieser hier; er stand für Stall und Herd,
Doch durfte man durch Spott es nicht mit ihm verderben,
Sonst folgten Schläge, Beulen, Scherben.
Dabei besaß er auch die Kunst zu prophezeien.
Nie fiel ein Sterbenstag bei seiner Herrschaft ein,
Da man nicht, eh der Fall geschehen,
Den Zwerg in Boy verhüllt gesehen.
So suchte dies Gespenst durch Dienst und guten Rat
Dem Geisterpöbel vorzudringen.
Ich will nur einen Streich besingen,
Den allerklügsten Streich, den je ein Kobold tat.
Es sah das Schloß nicht ohne Schauer,
In plötzlich in der tiefsten Trauer.
Ein abgekrempter Hut, der fast den Mann verbarg,
Ein ungeheurer Flor, der sich nicht enden wollte,
Dies alles wies, daß bald ein Großer sterben sollte.
Die meisten deuteten es auf des Burgherrn Sarg,
Viel rieten auf den Sohn und Erben,
Ja mancher sah sie beide sterben.
Man riet sich endlich ungesund,
Indessen starb des Burgherrn Hund.
Hier hörte man den Herrn auf seinen Kobold schmälen
Was? willst du einen Hund zu meiner Freundschaft zählen?
Nur nicht zu hitzig! rief der Geist,
Wer ward von dir geküßt? aus deiner Hand gespeist?
Wer lag an deiner Brust? wer schlief in deinen Armen?
Wer war dein Augentrost, und fand bei dir Erbarmen?
Wer anderes als dein Hund? es fiel mir also ein,
Daß er vielleicht dein Bruder wäre.
* * *
Hier schämte sich der Herr. Du merke dir die Lehre,
Wer Tiere als Menschen liebt, der scheint kein Mensch zu
sein.
*oder
Antipode, ist die Bezeichnung für die Menschen, die auf der
anderen
Seite der Erdkugel uns gegenüber leben (sozusagen mit ihren
Füßen unseren
Füßen zugewandt).
Die Kinder
Zwei Kinder spielten einst hart an des Pico*
Fuß,
Und faßten kühnlich den Entschluß,
Um ihre Fertigkeit zu zeigen,
Des Berges Gipfel zu ersteigen.
Sie mochten kaum zehn Schritt hoch sein,
Da hörte man sie jauchzend schrein:
O welch ein entzückendes Vergnügen!
Wir haben schon den Berg erstiegen!
* * *
Es blies sich einer auf und sprach:
Ich gehe der Gelehrtheit nach.
Ein andrer rief: Vernehmt, daß ich nach Weisheit reise.
Kaum hatten sie fünf Schritt getan,
So schrieen sie:Menschen! seht uns an,
Ich bin gelehrt, und ich bin weise.
*Pico
del Teide der 3.718 Meter hohe Berg Teneriffas.
Charon und Merkur
Der Fährmann jener Unterwelt,
Herr Charon, war sehr reich; in vier, fünftausend Jahren
Kann sich ein Fährmann schon was sparen,
Zumal ein Wirt wie er, der kein Gesinde hält,
Der weder ißt noch trinkt, nicht in die Schenke geht
Und keinen Rock gebraucht, seit er im Amte steht.
Es faßte Charon den Entschluß,
Sich in Elysien ein Grundstück anzukaufen,
Wozu man gut Geld haben muß.
Hingegen war sein Sold in Kupfer eingelaufen.
Einst, als er auf dem Styx nach frischen Seelen fuhr,
So wandt' er sich zu dem Merkur,
Und bat ihn, einen Teil von seinen großen Schätzen
Auf unsrer Oberwelt in Silber umzusetzen.
Der Gott des Handels und der Diebe
Tat es dem Charon auch zuliebe,
Er nahm den Plunder an, und wandte seinen Flug
Nach Deutschlands Grenzen hin, woselbst er einst bei Nachte
Den Scheidemünzenwust in die Gewölbe trug,
Und lauter Silbergeld dafür dem Charon brachte.
Seit dieser schlimmen Nacht hat sich das Kupfergeld
Zu Millionen eingefunden,
Die Drittel aber sind verschwunden,
Und wuchern in der Unterwelt.
Die zwei Kaninchen
Unter eines Kirschbaums Schatten
Hielten zwei Kaninchen Rast,
Zwei Kaninchen, Wirt und Gast,
Und als sie geruhet hatten,
Scherzen sie im Gras herum,
Treten manches Blümlein krumm,
Das erst gestern aufgeblühet,
Hüpfen hin, und hüpfen her,
Bis der Gast von ungefähr
Über sich was fremdes siehet.
Gleich hebt er den Kopf empor,
Macht ein Männchen, spitzt das Ohr,
Und erblickt einen Schützen,
Zwar von Stein (das wußt er nicht),
Der sein Rohr auf ihn gericht,
Um ihm auf den Pelz zu blitzen.
Unserm Häschen wird so heiß,
Daß es nicht zu bleiben weiß.
Endlich merkte es sein Geselle.
Freund!«rief er, was soll das sein?
Jagt dir etwas Schrecken ein?
Freilich grauet meinem Felle
Vor dem Jäger, der dort liegt.
Ach! sprach jener, sei vergnügt,
Der hat keinen ausgerottet.
Wisse, dieser böse Mann,
Zielt, so lange ich denken kann.
* * *
Zorn mit Ohnmacht wird verspottet.
Die Nachtigall
und der Gimpel
Der Menschen Lust, der Vögel Zierde,
Die Nachtigall, ließ vor Begierde
Nach fremder Luft ihr Vaterland,
Der Wald schien leer, da sie verschwand,
Die Zahl der Trauernden unzählig,
Nur ihre Neider waren fröhlich.
Ein junger Gimpel, schön vor andern,
Entschloß sich willig mit zu wandern.
Sein Ansehn war ihr wohl bewußt,
Ein feurig Rot brannte auf der Brust,
Der Kopf war schwarz und grau der Rücken,
Mag sich ein Vogel schöner schmücken?
Es trugen sie die leichten Flügel
Bald über Seen, bald über Hügel.
Sie flogen endlich manchen Tag,
Bis einst ein Wald vor ihnen lag.
Was kann die Vögel mehr vergnügen?
Sie säumten nicht, herab zu fliegen.
Sie senkten sich noch fliegend beide,
Als schon den Bürgern dieser Heide
Der Ruf von ihnen Nachricht gab.
Inzwischen flogen sie herab,
Und fanden ganze Vogelscharen,
Die sie zu sehen gekommen waren.
Des Schiffes Lauf bestimmt das Segel,
Ein bunter Schmuck den Ruhm der Vögel,
Der Menschen Wert gar oft ein Kleid.
Man pries des Gimpels Kostbarkeit.
Ei, sprach man, was für innre Gaben
Mag nicht ein solcher Stutzer haben?
Die Nachtigall fand wenig Ehre,
Es hieß, daß sie der Diener wäre.
Man schloß, wie viele kleine Herrn,
Bloß von den Schalen auf den Kern.
Der Gimpel wird ersucht zu singen,
Man glaubt, es würde himmlisch klingen.
Der Gimpel sang, Die Vögel lachten,
Als sie nicht fanden, was sie dachten,
Er sang wie ein Dompfaffen-Sohn
Langweilig, stets in einem Ton.
Hier sah man mit Mißvergnügen,
Das Putz und Schönheit öfters trügen.
Jetzt läßt sich Philomele hören,
Es wechseln in der Vögel Chören
Verwunderung, Lust und Achtsamkeit,
Ihr Lied bezauberte selbst den Neid.
Die Stärke und Göttlichkeit des Klanges
Rührt alle Töchter des Gesanges.
Die Schönheit, rief man, deiner Lieder
Beschämt, o Fremdling, dein Gefieder.
* * *
So mehrt des Körpers schlechtes Kleid
Erhabner Geister Trefflichkeit,
Anstatt, daß wir in schlechten Seelen,
Die Schönheit zu den Fehlern zählen.
Das Kamel
Es ließ sich ein Kamel, das mit gebognem Knie
Vor seinem Meister lag, mit Waren stark belasten,
Man brachte Sack und Pack und manchen schweren Kasten,
Dies alles litt das gute Vieh.
Es seufzte nicht einmal, bis es bei sich verspürte,
Daß es die volle Ladung führte.
Da stand es wieder auf; allein des Meisters Hand
Zwang es, sich abermals zu bücken,
Der auf das arme Tier noch viele Lasten band,
Er band, und sieh, es warf die ganze Fracht vom Rücken.
* * *
Gebt Achtung, wenn ihr Kinder lehrt,
Daß ihr auf einmal nicht sie allzu stark beschwert,
Es geht den Jungen wie den Alten,
Wer alles fassen soll, wird endlich nichts behalten.
Der Löwe und der
Ziegenbock
Der Löwe war nicht aufgeräumt,
Und hatte ihm nicht vom Alp geträumt,
So war ihm sonst was widerfahren,
Der Fuchs und Bär verkrochen sich,
Weil dabei gemeiniglich
Des Lebens nicht gesichert waren.
Es hörte damals ganz allein
Der Geißbock, ohne sich zu scheun,
Den Löwen poltern, zanken, wittern.
Da war kein Fluch, er mußte dran,
Da sollte stracks vor seinem Zahn
Der Wald und alle Tiere zittern.
Nachdem er sich recht satt geflucht,
So wandte er seine Donnerstimme
Zum Bock, und fragte im halben Grimme,
Weswegen er ihn jetzt besucht?
Der arme Geißbock war zur Stunde
Mit einer guten Antwort da,
Sie hatte Not und Recht zum Grunde.
Doch da hieraus der Wüterich sah,
Daß dieses nicht verfangen wollte,
So sprang er jählings auf ihn zu,
Und schrie, als ob er bersten sollte:
Du Bösewicht, du Bube du!
Wie hast du dir das Herz genommen,
Mit einem Bart zu uns zu kommen,
Da du schon längst berichtet bist,
Daß uns ein Bart zuwider ist?
Du himmelschreiendes Verbrechen!
So große Bosheit muß ich rächen.
Was? einen Bart? das ist zuviel!
Der Tod des Bockes beschloß das Spiel.
* * *
Des Narren Zorn entbrennt noch mehr,
Wenn er nichts hat, ihn anzublasen,
Und bloß darüber raset er,
Daß er nicht Ursach hat, zu rasen.
Die blinde Kuh
Thoms, Merten, Görge, Hans, vier abgefeimte Jungen,
Des Unfugs Vorlauf, tanzten, sprungen
In einem Bauernhof. Thoms rief den andern zu:
Kommt her und spielet blinde Kuh!
Man warf das Los, das Los traf Görgen,
Und Görge wird sogleich verbunden ausgeführt,
Und sucht die andern auf, die sich geschwind verbergen.
Hört, rief die blinde Kuh, tut auch, was euch gebührt,
Sobald ein Fußwerk irre geht,
Und sich dem Pfeiler naht, der bei der Türe steht,
So ruft mir zu: Es brennt! - Ja, riefen alle,ja!
Und Görge taumelt fort, ruft endlich: Hört, ihr Brüder,
Und sagt: Bin ich dem Pfeiler nah?
Du bist noch weit davon, erschallt die Antwort wieder.
Der Görge haspelt sich im Traume weiter fort,
Geht rückwärts wie ein Krebs und nahet schon dem Ort,
Daran der Pfeiler stand. Er fragt: Ist hier der Pfeiler?
Noch nicht,schrein die verlognen Mäuler.
Und Görge, der betrogne Tropf,
Springt zu, und stößt mit dem Kopf
Derb an den Pfeiler an, daß ihm die Ohren klungen.
Die Peitsche lohne euch, falschen Jungen!
Rief Görge mit gebleutem Haupt,
Ein Narr, der euch weiter glaubt.
* * *
Mensch, dieser Görge hier bist du,
Du spielst mit dir selbst blinde Kuh,
Du bist, und weißt es nicht, auf deinem Todesgange,
Jetzt ruft der Geiz: Du lebst noch lange,
Jetzt stimmt die Ehrfurcht ein: Du stirbst sobald noch
nicht,
Noch lange, lange nicht! hörst du die Wollust singen.
Du traust dem fälschlichen Bericht,
Läufst blindlings in den Tod und oft in vollen Sprüngen,
Wenn Wollust, Ehr' und Geiz noch ruft,
So stürzest du schon in die Gruft.
Die Wespe und der Knabe
Eine kühne Wespe stach
Hänschen, als es Äpfel brach,
In die Hand, eh er es dachte.
Hänschen, das erbärmlich schrie,
War so glücklich, daß er sie
Auf der Flucht noch feste machte.
Gnade! rief die Täterin,
Weil ich gar nicht strafbar bin;
Willst du Blutschuld auf dich laden?
Meinen Stachel, der dich kränkt,
Hat mir die Natur geschenkt,
Und ich muß gezwungen schaden.
Mußt du? fragt der kleine Mann.
Ja, da ich's nicht ändern kann!
Eben drum, versetzt der Knabe,
Weil dir das unmöglich fällt,
Schaff ich dich auch aus der Welt,
Daß man Friede vor dir habe.
Die Krähe und die
Elster
Zwei abgelebte Lügenschwestern,
Sibyllen in der Kunst zu lästern,
Die Elster und die Krähe, ein auserlesnes Paar,
Verplauderten das ganze Jahr,
Und lachten über andere Leute,
Bis sie ihr Handwerk selbst entzweite,
Und die erhitzte Krähe, jähzornig von Natur,
Der Elster ewige Feindschaft schwur.
Die Elster blieb beherzt, ob ihr gleich viele rieten,
Bei guten Zeiten auszuziehn
Und anderswo sich einzumieten.
Wie? sagten sie, du willst nicht fliehn?
Die Krähe drohte dir, die Augen auszuhacken.
Das ist die Folge nicht, deswegen einzupacken
Versetzt die Elster drauf, habt nur Acht auf sie,
Je grimmiger sie scheint zu wüten,
Je leichter kann ich mich auch hüten.
Der Mond ward wieder neu, als eines Morgens früh
Man unsrer Elster wieder sagte,
Der Krähe Zorn sei meist vorbei.
Warum? weil sie nicht mehr sich wie zuvor beklagte,
Und von der Elster stille sei.
Nein? ließ sich diese wieder hören,
Jetzt muß ich meine Sorgen mehren,
Dies schreckt mich ärger als ihr Zorn.
Es ward nunmehr der Elster bange,
Sie flog behutsam aus, und blieb nicht allzu lange.
Mittlerweile reifte schon das Korn,
Da fanden sich die Freunde wieder,
Getrost, wirf Furcht und Schwermut nieder,
Die Krähe schenkt dir die alte Zärtlichkeit,
Und zum Beweis: Sie hat nur in vergangner Wochen,
Mit vielem Ruhm von dir gesprochen.
Nun sprach die Elster, hab ich Zeit,
Sie liebt mich, ach wie schlau! Die offenbaren Feinde
Sind arg, noch ärgere die, die still und heimlich gehen,
Doch wißt, die Lebenden sind ärger als die zwei,
Ich geh von hierher, lebt wohl, ihr Freunde.
Mann und Frau
Ein Mann, dessen Blut sich
Die Mücken um die Wette tränkten,
Und um des Nachts so manchen Stich,
So manche dicke Beule schenkten,
Schlug in den Ärzten nach, und fand,
Daß das Zypressenholz das Mückenvolk verjage,
Ob es an dem? ist nicht die Frage.
Genug! der Alte nahm das Mittel gleich zur Hand,
Legt' einen grünen Zweig aufs Bette,
Und schlief der Frau darauf so sanft in den Armen ein,
Als ob er nichts zu fürchten hätte.
Indessen mit der Nacht kam auch die alte Pein,
Der kleine und arge Feind schlug ihn mit seinen Pfeilen.
So viele Wunden, Löcher, Beulen,
Daß er sich fast nicht ähnlich sah.
Ei, lieber Eheschatz! ist denn dein Mittel da,
Daß man das Mückenzeug dir von dem Leibe banne?
Sprach früh die Frau zu ihrem Manne.
Was Mücken? sprach der Mann, das sind die Mücken nicht,
Hier liegt Zypressenholz, das hat sie längst vertrieben,
Allein das ist Geschwulst, die aus dem Innern bricht.
So hat der Mann gesagt, und ist dabei geblieben.
* * *
Was sich ein Narr in den Kopf gesetzt,
Das hält wie eine Schrift, die man in Marmor ätzt.
Ich glaube, sagt er, was große Männer sagen;
So lehret ein Kujaz, ein Gerhard, ein Kornar
Und ein Katesius, deswegen ist es wahr,
Ich lasse mich dabei erschlagen.
Damon und Pythias
Wer hat den größten Schatz auf Erden,
Und wo mag er gefunden werden?
So fragte, wenn man es glauben soll,
Der Grieche Damon einst den delphischen Apoll.
Des Gottes Antwort war: Du hast ihn längst besessen,
Und weißt es nicht, vor deiner Tür
Wirst du ihn finden, traue mir.
Wie schnell fliegt Damon fort? itzt geizig, erst vermessen.
Wie? denkt er, scherzt Apoll? Nein! Göttern ziemt kein Spaß.
Itzt sieht er schon sein Haus; da steht sein Pythias,
Mein Teurer! ruft er ihm von weiten,
Ein Schatz, der größte Schatz liegt hier,
Komm eilends, halb gehört er dir.
Sie bewaffnen sich mit Grabescheiten,
Der Ort wird umgewühlt, sie graben in die Nacht,
Kein Feierabend wird gemacht.
Kein Schatz erscheint. Doch seht! mit lächelnder Gebärde
Wirft Damon unverhofft sein Werkzeug auf die Erde.
O, rief er, bin ich nicht ein Tor?
Freund! den die Tugend mir erkor,
Komm, Pythias! laß dich umfangen,
Du bist der größte Schatz, kann Damon mehr verlangen?
Ich billige des Griechen Satz:
Ein treu erfundner Freund, das ist der größte Schatz.
Das Pferd
Ein aufgezäumtes Roß stand länger als zwei Stunden
Vor einer Haustür angebunden.
Die Fliegen stachen es, ihm fiel bei dieser Pein
Die Härte seines Schicksals ein.
Hat wohl ein andres Tier mehr Plagen?
Bald muß es seinen Herrn und sein Gepäck tragen,
Bald den beladnen Wagen ziehn,
Und mehr als möglich tun, der Peitsche zu entfliehn.
Nie tut es einen Schritt als mit des Reiters Willen,
Oft läßt sein Meister ihm nicht Zeit,
Mit einem Trunk den Durst zu stillen.
Der Jugend Kraft verfliegt ihn steter Dienstbarkeit.
Was ist sein Lohn dafür? Die kurze Ruh im Stalle,
Ein wenig Hafer, Heu und Stroh;
Des Lebens wird es nimmer froh.
Hier regte sich des Pferdes Galle,
Es riß im Grimm den Zaum entzwei,
Setzt über Fels und Fluß, und sprang mit schnellen Füßen
Dem dicken Walde zu. Nun war er endlich frei,
Doch eine Stunde drauf ward es vom Wolf zerrissen.
* * *
Der Knechtschaftstand ist hart, doch besser jederzeit,
Als Freiheit ohne Sicherheit.
Die ungestalte Tochter
Ein armer Bauersmann zog unter sieben Kindern
Nur eine Tochter groß, von häßlicher Gestalt.
Wer wollte solche frein? Geduld! es wies sich bald,
Die Freier ließen sich durch die Gestalt nicht hindern.
Ein Bärenführer kam, und wünschte sie zur Braut,
Der Vater war ein Mann von altem Schrot und Korne.
Herr, sprach er, deutsch gesagt, mein Kind ist schlecht
gebaut.
Ach, dieses irrt mich nicht. Das Rückgrad steht ihr vorne.
Gar wohl. Die Haut ist wie ein Sieb
Voll Löcher. O das ist mir lieb.
Die Nase fehlt ihr. Immer besser!
Sie ist vier Schuh hoch und nicht viel größer.
Vortrefflich! Aber hört, die Beine stehn ihr krumm,
Sie hat die Wassersucht, ist grindig, taub und stumm.
Was? ihr entzücket mich, erwiderte der Freier,
Ich suche längst ein solches Weib
Dergleichen ungeschaffner Leib
Ist dieser Zeiten ziemlich teuer.
Allein, was nützt sie euch? sie ist ja lahm und krumm.
Gar viel. Ich ziehe fast in aller Welt herum,
Und zeige, doch für Geld, dem Volke fremde Tiere,
Das bringt mir manchen Taler ein.
Wenn ich nun dieses Mädchen im Kasten mit mir führe,
Wie reich will ich in kurzem sein!
* * *
Nichts ist so häßlich zu ergründen,
Es wird ein paar Verehrer finden.
Die Eule unter den
Vögeln
Als vor kurzem Jungfer Eule
Vor Verdruß und Langeweile
Unter andre Vögel kam,
Wurde sie als ungeschliffen
Von den andern ausgepfiffen,
Daß sie endlich ihren Rückweg wiederum nach Hause nahm.
Ei, da schimpfte sie auf die Zeit,
Lobte und rühmte die Einsamkeit.
* * *
Liebe zur Geselligkeit ist uns von Natur gegeben,
Wer mit niemand Umgang hält,
Schilt auf die verdorbne Welt,
Sagt es doch nur deutsch heraus: Herren! ihr wisset nicht zu
leben.
Die Schnecke und
die Grille
Recht langsam, Schritt vor Schritt, mit viel Behutsamkeit,
Kroch eine wohlbeladne Schnecke
Zu einer nah gelegnen Hecke.
Der Weg, so kurz er war, war für die Schnecke weit,
Ein Zeiger an der Uhr kann nicht so sachte gehen.
Jetzt zieht sie Hörner ein, jetzt streckt sie Hörner aus,
Jetzt bleibt sie eine Weile stehen
So drückte sie das Schneckenhaus.
Hier pries sie das Geschick der Grille,
Die an dem Wege saß und sang.
Wie leicht ist sie, wie schnell ihr Gang!
Sie lebt und singt in edler Stille.
Ein Sprung setzt sie in Sicherheit,
Wenn meine Wohnung mich verbindet auszuhalten,
Und in der Sorge zu veralten.
Die Grille nahm sich hier die Zeit
Die Schnecke heimlich zu belauschen,
Darauf zwitscherte ihr sie zum Trost die Worte zu:
Wie gerne wollte ich mit dir tauschen?
Wenn mich die Witterung plagt, so liegst und ruhest du
Bequemlich, zugedeckt, verschlossen,
Oft such ich in der Nacht kalt, hungrig und verdrossen
Die Ruhe, die dich längst mit sanften Flügeln deckt,
Wenn mich der Winterschnee, mit Tod und Krankheit schreckt.
Wenn ich mich mit dem Hunger quäle,
So nährst du dich in deiner Höhle.
Hier ist die Grille fortgehüpft,
Ich schließe so aus ihrer Klage:
Wer ledig ist, hat seine Plage,
Und eine Haushaltung ist auch mit Not verknüpft.
Die wächserne Nase
Das Unglück traf einst einen Alten,
Daß er um seine Nase kam,
Was für ein Zufall sie ihm nahm,
Hat uns die Zeit nicht aufbehalten.
Ein Dach, das keine Traufe hat,
Ein Kolben ohne Hals, ein Antlitz ohne Nase,
Sind alle mangelhaft! Man macht an ihrer statt
Dem Manne Nasen an, von Pappe, Holz und Glase.
Doch eine wächserne behielt zuletzt den Preis,
Sie schien die Ungestalt am meisten zu vermindern.
Er ging damit zu seinen Kindern,
Und sprach: Was dünket euch? Betrachtet mich mit Fleiß,
Steht mir die Nase nicht? Sie steht noch nicht gerade,
Antwortet Kunz der ältre Sohn,
Er drückt sie etwas ein. Nein! sagte der Pompon,
Mein Bruder drückt zu stark, ich will sie rücken. Gnade!
Rief hier der Vater, laßt mich gehen,
Ihr wollt die Nase in Stücke drehen.
O haltet nur ein wenig stille,
Rief hier die Tochter, die Lucille,
Die Nase steht euch schief, Herr Vater! kommt zu mir,
Ich will sie besser drehn. Sie hub drauf an zu rücken,
Und brach die Nase gar in Stücken.
Ihr Dölpel, rief der Mann, mit gräßlichem Gesicht,
Nichts könnt ihr alle, sagte ich es nicht?
Flieht, oder seid des Stocks gewärtig!
Da hieß es: Allzu scharf macht schärtig.
Die Kröte und die
Wassermaus
Von dem Ufer einer See
Krochen abends späte
Eine Wassermaus und eine Kröte
An den Bergen in die Höh'.
Aber mitten in dem Wandern
Rollt die eine mit der andern
Plötzlich in den See herab,
Und wie sehr die Kröte rang,
Und den Leib zu schwimmen zwang,
Fand sie doch allhier ihr Grab.
Also ging's der armen Kröte.
Ihr Gesell, die Wassermaus,
Machte sich nicht viel daraus,
Sie treibt ihr Gewerbe in Flüssen,
Wenn es auf der Erde ruht.
* * *
Also, sag ich, ist es gut,
Mehr als eine Kunst zu wissen.
Vater und Sohn
Des reichen Pächters Kind, ein hoffnungsvoller Sohn,
Studiert, und promoviert im dritten Jahre schon,
Und kommt von Erfurt, o welch ein Glück!
Mit einem großen D zurück.
Der beste Schöps muß an den Spieß,
Und wer im Städtchen Vetter hieß,
Der lief, als er das Ding vernommen,
Und schrie: Herr Doktor, seid willkommen!
Der Ruhetag folgt auf dem Schmaus.
Da packt der Herr Doktor aus,
Und zieht ein Buch hervor, von dessen Größe und Schwere,
Der Vater fast gelaufen wäre.
Ei, rief er, Kind ich bitte dich,
Was hält dieses dicke Buch in sich?
Dieses Buch, versetzt der Sohn, und seines Körpers Bürde
Ist schuld an meiner Doktorwürde.
O dieses Buch ist ein Buch; denn, lieber Vater! wißt,
Daß es das Corpus Juris ist.
Die großgedruckte Schrift, im Mittelpunkt der Seiten,
Das heißt der Text, und hat gar wenig zu bedeuten;
Allein der kleine Druck, am Rande hier und da,
Das sind die Glossen, Herr Papa,
Die von Juristenfinten handeln.
Der Kern des ganzen Rechts, das Ränke und Griffe lehrt,
Wodurch sich Recht in Schuld verkehrt,
Dadurch wir schwarz in weiß, und weiß in schwarz verwandelt.
Der Vater merkte sich das Ding,
Bis nachmittags der Sohn zu seinen Freunden ging.
Er hatte kaum die Tür in Händen,
Da gürtete daheim der Vater seine Lenden,
Fiel ohne Scham und Scheu vor dem Justinian,
Mit einer Schere, o Trotz! das Corpus Juris an,
Und schnitt mit einer Wut, auf die ich selber fluche,
Die Glossen aus dem ganzen Buche.
Da hatte keine Gnade statt,
Die Schere schnitt von Blatt zu Blatt.
Jetzt kommt der Sohn zurück. Er tritt in seine Stube,
Und glaubt, er sehe sich in einer Mördergrube;
Da lag der halbe Rumpf von dem Accursius,*
Und dort des Baldus rechter Fuß,
Das Auge entdeckte hin und wieder,
Zerstümmelte Legisten Glieder.
Ach Vater, hub er endlich an,
Und sagt, was habe ich euch getan?
Wäre ich nicht Kind, bei meiner Ehre!
Gemach! versetzt der Alte, höre,
Du handelst wunderlich, wenn dich das Ding verdrießt,
Durch diese deine feinen Glossen,
Juristenfintchen, Ränke und Possen
Hab ich ein schön Stück Feld vor kurzem eingebüßt.
Hätt' ich die Schere nicht zur Hand genommen,
Wir wären noch zuletzt um Haus und Hof gekommen.
*Accursius
(*1182/85 in Bagnolo all'Impruneta bei Florenz; †1260/63 in
Bologna) Accursius verfasste die so genannte Glossa
ordinaria
(Zusammenfassung der bis dorthin geschriebenen Glossen).
Diese Glossierung umfasst etwa 97.000 Glossen.
Der Bock und der Bär
Ein junger Bock, schnell als ein Reh,
Verließ aus Lüsternheit die Herde,
Und stieg mit witziger Gebärde
An den Gebirgen in die Höh.
Hier fand sich eine tiefe Höhle,
In diese wagte sich der Tor,
Und plötzlich fuhr ein Bär hervor,
O wie erschrak des Geißbocks Seele!
Was tust du hier? so sprach der Bär.
Ich lief, versetzte der Bock, voll Schrecken,
Mich vor dem Löwen zu verstecken,
Und seht, da kommt er selber her.
Der Bär erschrak, und lief zurück,
So schüchtern ist ein Bösewicht!
Der Geißbock lief mit gleichem Glück
Ins Tal. Notlügen schadet nicht.
Der Springer
Dem Angesicht der muntern Briten
Stellt sich mit kühn und schnellen Schritten
Ein unbekannter Springer dar,
Er überrascht, o wie verwegen!
Sein Umschwung über bloße Degen
Die vor Verwunderung stumme Schar.
Gewiß! der Sprung ist wohl geraten,
Schrieen Edle, Bürger und Prälaten,
Der Mensch springt in der Tat recht gut.
Es scheint, als ob er Flügel hätte;
Hört, rief ein Lord, was gilt die Wette,
Daß er noch beßre Sprünge tut.
Jetzt wirft er sich schnell in die Höhe,
Hilf Gott! mir schwindelt, wenn ich sehe,
Wie kühn er durch die Lüfte fährt.
Jetzt senkt er sich mit leichten Gliedern,
Der Sprung ist, hieß es, unter Brüdern
Zweihundert Pfund und drüber wert.
Er überschlug in einem Kreise
Sich sechsmal wunderbarer Weise,
Und übersprang gar oft das Ziel.
Das Volk nicht müde, ihn hoch zu schätzen,
Folgt taumelnd den verwegnen Sätzen,
Und jauchzend, weil er niemals fiel.
Hart an der Bühne Vorderteile
Erhob durch Kraft der Zimmerbeile
Ein stolzer Bau sich in die Luft.
Der Springer steigt auf das Gerüste;
Man wünscht, als ob er springen müßte,
Ihm Glück zu der gewissen Gruft.
Jetzt zeigt der Jüngling sich von oben,
Man hört nicht auf die Tat zu loben,
Durch die er sich verewigen wird.
Doch horcht! er hat was vorzubringen.
Ich, ruft er, soll herunter springen?
Das denkt ihr, Briten! doch ihr irrt.
Nicht war? da tät ich euch Genüge,
Wenn ich mir Arm und Bein zerschlüge;
Doch dies soll heute nicht geschehn,
Ich bin auf diesen Ort gestiegen,
Und hier allein, und mit Vergnügen
Der andern Kämpfer Kunst zu sehn.
Mit Murren hört man seine Rede,
Dem schien er klug und jenem blöde,
Das ist der Welt bekannter Lauf.
Singt schön, singt feurig, muntre Dichter!
Erzwingt das Lob der strengsten Richter,
Doch hört auch, wenn es Zeit ist, auf.
Die Nachbarn
Ein Mann hatte einen Baum, der goldne Früchte trug.
Sein Nachbar hieb aus Neid bei Nachte
Viele Äste von dem Baum; allein er war nicht klug,
Weil er das Jahr darauf dreifache Früchte brachte.
* * *
So nützlich ist uns oft ein Feind:
Er dient, wenn er zu schaden meint.
Die Schwalbe und
der Sperling
Die Schwalbe sann nach alter Weise
Im späten Herbst auf ihre Reise.
Ein Sperling sprach: Das tut mir leid,
Daß wir dich jetzt verlieren müssen,
Indessen möchte ich dennoch wissen,
Wo ihr des Winters über seid?
Freund! war die Antwort, deine Frage
Ist kühn, doch höre, was ich sage:
Kaum ist der Winter vor der Tür,
So sterben wir, und unsre Leichen,
Ruhn in den Bäumen, in den Teichen,
Und mit dem Lenz erwachen wir.
So soll ich denn nach wenig Tagen,
Versetzte er, deinen Tod beklagen?
Armselige! Du stirbst zu früh,
Denn für die Hoffnung, aufzuleben,
Möchte ich nicht eine Mücke geben,
Nein! wieder aufstehn wirst du nie.
Wohl! sagte sie, jetzt muß ich schweigen,
Der Frühlig soll dich überzeugen.
Allein, da war der Spatz nicht mehr.
Oh, möchte dies dich, Freigeist, rühren,
Der Tag kommt, dich zu überführen,
Allein zu spät, das fürcht ich sehr.
Epilog
O Leser! also hat die Muse mir erzählet,
Die ich mir dieses mal zur Führerin erwählet,
Dies war es, was der Mund der Tiere und Bäume sprach,
Sie wiederholt' es mir: ich schrieb es treulich nach.
Vielleicht war ich zu schwach, der Muse Sinn zu fassen,
Vielleicht hab' ich verhört, und manches ausgelassen;
Der Wille war doch gut, und dem gebührt ein Lob,
Ein jeder höret nicht so leise, wie Aesop.
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