Das Storchenland
Ein Reisender verirrte sich in ein abgelegenes Tal, darin er
keine Stimme hörte als
quakende Frösche; er konnte nicht weiter, alles war Sumpf.
Doch ehe er zurückging,
fragte er noch einen Frosch, warum hierzulande alles quake.
— Der Frosch erwiderte:
unser glückliches Land ist wie kein anderes, bis auf seine
hintersten Winkel für unseren
Gott organisiert. — Und wer ist denn euer König, sagte der
Fremde. Der Frosch
antwortete: der Storch.
Das kranke Bäumchen
Sein Vater hatte es gepflanzt — es wuchs mit ihm auf, es
liebte es wie seine Schwester
und wartete seiner wie seiner Kaninchen und seiner
Schäfchen.
Aber das Bäumchen war krank; täglich welkten seine Blätter.
Das gute Kind jammerte,
riß ihm täglich die welkenden Blätter von seinen Ästen.
Aber einmal neigte das leidende Bäumchen seinen Gipfel gegen
das liebende Kind,
und sagte zu ihm: mein Verderben liegt in meinen Wurzeln,
wenn du mir da hilfst,
so werden meine Blätter von selbst wieder grünen.
Da grub das Kind unter das Bäumchen und fand ein Mäusenest
unter seinen Wurzeln.
Was ist der Mensch – Blatt oder Stamm?
Mißmutig über den Tod seiner Erschlagenen, neigte ein
siegender König sein Haupt
gegen den Boden. Ein Schmeichler, der merkte, was den
Fürsten drückte, zeigte ihm
zahllose am Boden liegende Blätter unter einer Linde, bei
der sie eben standen,
und fragte den König: — werden diese nicht wieder wachsen? —
Das empörte einen edlen Mann, der neben ihm stand. Dieser
führte den König in das
Dickicht des Waldes, zeigte ihm tausend vom Sturme
niedergestürzte Tannen und sagte
zu ihm: werden denn diese auch wieder wachsen?
Alte Zeit, gute Zeit
Die Alten machten alles ohne Wirtschaft. Ich wollte aus
einer solchen Eiche zwölf
dergleichen Ruhebänke machen, sagte Schaffner Christoph zu
seinem Herrn, der eben
auf einer Eiche saß, die sein Ahnherr zu einer Ruhebank vor
sein Haus hatte legen ließ.
Nun, so nimm eine solche Eiche, antwortete sein Herr, und
mache zwölf dergleichen
Ruhebänke daraus. — Der Schaffner tat es; aber die Ruhebänke
sind schon alle wieder
verfault, und des Großvaters Eiche liegt noch da.
Die Unverschämtheit des unbrauchbaren Mannes
Wie darfst du dich auch neben mir zeigen? sagte ein
unbrauchbarer Mahlstein zu einem
abgeschliffenen alten, der neben ihm lag.
Dieser antwortete ihm: wir sind jetzt freilich beide
unbrauchbar; aber ich, weil ich
ausgebraucht bin, und du, weil man dich nie gebraucht hat
und nie brauchen wird.
Das Schuhmaß der Gleichheit
Ein Zwerg sagte zum Riesen: ich habe mit dir gleiches Recht.
Der Riese erwiderte:
Freund! das ist wahr, aber du kannst in meinen Schuhen nicht
gehen.
Die Welle und das Ufer
Das Ufer sagte zur Welle: warum beschädigst du mich?
Die Welle antwortete: die Gewalt meines Stromes wirft mich
zu meinem eigenen
Verderben an dich hin.
Ein Esel und ein Löwenschädel
Ein Esel fand einen solchen, — es schauerte ihm noch vor
dem toten Gebiß.
Der Schädel, der es sah, sagte ihm spottend: siehe da neben
mir den großen
Elephantenzahn; das ist etwas zum Zittern!
Aber der Esel antwortete ihm: nein, nein! dieser sagt mir
nur, tue recht! du aber sagst mir,
ich fresse dich.
Eis und Eisen
Du drückst mich eben, wie das Stück Eisen, das neben dir
liegt, also sagte die Erde zu
einer Eisscholle, die der Bach auf sie hinwarf.
Diese antwortete: ja! aber beim ersten lieblichen Tag
vergehe ich wieder.
Darauf sagte das Eisen: ich vergehe ja auch, wenn die Hitze
groß genug ist.
Aber die Erde erwiderte: behüte mich Gott! daß sie jemals so
groß werde.
Und der Eisklumpen setzte noch hinzu: es ist nicht einmal
wahr, daß du jemals vergehst.
Wenn du auch in der höchsten Glut fließend, wie wallendes
Feuer scheinst, so bist du
doch Eisen, und wenn du geschmolzen wieder erkaltest, so
bist du nur anders geformt.
Die verwandelten Schafe
Die Herden des größeren Viehes vertrieben die schwächeren
Schafe aus allen Ebenen bis
an die steilen Gebirge.
Dahin verjagt, jammerten sie für ihr Leben. Da erbarmte sich
Jupiter, der aller Armen
Vater ist, ihrer gedrängten Schwäche, schuf ihnen starke
Gelenke zum Springen, Hörner,
sich in die Felsen zu klammern und eiserne Schädelgebeine.
Also ward das wilde Gemsgeschlecht, das in glücklichen Höhen
sein Gras findet,
erschaffen, und lebte Jahrhunderte ferne von den
gefürchteten Menschen und Herden.
Aber einst gelüstete ein weibliches Gemstier beides, auf den
Bergen und in den Tälern zu
leben, und bat um ein Herz, das sich nicht mehr vor Menschen
und Herden entsetze.
Jupiter erhörte auch diesen Wunsch und machte sie zur
Stammutter der elenden Ziegen.
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Die ungleichen Herren
Der eine darf trauen und glauben, der andere muß lauern und
fangen. Darum liebt der
eine das Recht und die friedliche Weisheit, der andere
Arglist und derbe Gewalt.
Der Halbfuchs und der Ganzfuchs
Ein junger Fuchs kam nur mit drei Beinen ins Nest. Seine
Mutter jammerte darüber,
aber der Vater schalt sie und sagte: wir Füchse müssen uns
dessen versehen und ruhig
sein, wenn unsere Kinder alle also, und wenn sie auch gar
nicht mehr ins Nest kommen.
Die Mutter erwiderte: auf diese Art wollte ich lieber eine
Schafsmutter sein und ein
Schafsherz im Leibe tragen.
Pfui! sagte der Vater, ein echter Fuchs muß eher im
Fangeisen ersticken, als einen
Augenblick anders als ein Fuchs denken.
Er hatte recht. Wer Fuchs ist, muß es ganz sein, oder er hat
ein unangenehmes Leben.
Das Menschenvertilgen
Es entstand einst im weiten Reiche der Tiere ein großes
Geflüster, sie müßten sich alle
miteinander vereinigen, ihre grausamen Feinde, die
allmörderischen Menschen zu vertilgen.
Aber die Elephanten, die Löwen, die Tiger und die Bären
wollten nichts mit dieser
Vereinigung zu tun haben. Sie sagten: wenn uns jemand
angreift, so wollen wir uns wehren.
Die Schlange hingegen klagte über den Mangel an Gemeingeist
unter den größeren Tieren
und bot ganze Haufen Gift an gegen die Menschen, das sie an
geheimere Orte verborgen
hatte.
Der Fuchs bot alle seine List an.
Der Esel meinte: wenn nur ein jedes Tier hartnäckig genug
wäre, sich eher zu Tod
schlagen zu lassen, als das zu tun, was die Menschen von ihm
forderten, oder nötig
hätten.
Die Kuh meinte: wenn nur ein jedes Tier sich Hörner
aufsetzen ließe, wie sie ein Paar auf
dem Kopfe trage, und dann dem ersten besten Menschen
wenigstens eins davon in den
Leib hineinstoßen würde, so könnte der Krieg mit den
Menschen nicht fehlen.
Der Affe sagte: wenn nur jedes Tier so ein paar Kletterbeine
wie ich hätte, so könnten
wir die Menschen ohne Gefahr von den Bäumen herunter mit
Steinen zu todwerfen.
Das Stärkste aber trugen die Hunde an. Sie meinten, man
könnte die Menschen mit dem
Maulbrauchen vertilgen und behaupteten, diese ihrem
Geschlechte eigene Kraft sei dem
Menschen so fürchterlich, daß sich sicher eine Möglichkeit
denken lasse, sie alle
miteinander — — zu Tode zu bellen.
Das hohe Roß und der Zwerg
Ein Zwerg wollte hoch scheinen, dafür setzte er sich auf das
höchste Roß, das im Lande
war.
Ein Bauer, der ihn antraf, glaubte, es sitze ein Kind auf
diesem Roße und sagte zu ihm:
du hast gewiß keinen Vater daheim, daß man dich auf das
höchste Roß setzt. Komm! ich
will dir herunterhelfen; du könntest sonst zu Tode fallen.
Man denke sich jetzt die Augen des Zwerges, aber auch das
Lachen des Bauers, da er
sah und erkannte, wen er vor sich hatte.
Das zerrissene Herz
Als ein Hahn ein Küchlein aufs Blut pickte, und die Mutter
dem Hahn ohne Gegenwehr
zusah, entfloh das verwundete Küchlein unter einen Holzstoß,
und kam nicht mehr hervor,
so sehr auch die Henne ihm lockend rief. Es blieb
unbewegt unter dem Holzstoß,
und starb voll gleichen Entsetzens über das picken des
Vaters und über das Zusehen der
Mutter.
Der gute Rat
Haltet nur eure Nester gut in der Ordnung, so seid ihr so
glücklich, als es euer Geschlecht
nur immer werden kann. Also sprachen einmal die großen Vögel
zu der Schar der
Kleinen. Diese antworteten ihnen: was ihr sagt, ist wahr;
aber es ist für uns kein Nest in
Ordnung, zu dem ihr leicht kommen könnt; denn ihr eßt gerne
Eier.
Der Wind und der Schiffer
Wenn ich hinauf will, so wehst du hinab, und wenn ich hinab
will, so wehst du hinauf.
Also sprach der Schiffer für gut derb zum Windegott Aeolus.
Weißt du was? erwiderte dieser. Wenn ich hinabblase, so
fahre du hinab, und wenn ich
hinaufblase, so fahre du hinauf. Dient dir aber das nicht
und findest du mich dennoch dir
entgegen, so arbeite du gegen mich, wie ich gegen dich.
Der Hirt und das Schaf
Dieser Zustand unleidlich, sagte ein Schaf, da es aus einer
reinen Herde in eine
angesteckte versetzt wurde.
Der Hirt antwortete ihm: ich will dich gerne besonders
versorgen, aber sage doch den
andern Schafen nicht, daß du ihren Zustand unerträglich
findest.
Hierauf erwiderte das Schaf: wenn ich ein eigensüchtiger
Hund wäre, so würde mir deine
Antwort behagen, da ich aber ein Schaf bin, so finde ich sie
abscheulich.
Hirt: Gutes Tier! überlege es doch, die Herde fühlt
ja nicht einmal, daß ihr etwas fehlt.
Schaf: wenn ich auch keinen Grund hätte, der Herde
ihre Gefahr nicht zu verhehlen,
so wäre mir dieser genug, daß sie dieselbe nicht einmal
kennt.
Hirt: deine Grundsätze sind der Herde selber
verderblich.
Schaf: vielleicht! aber sicher nur insoweit du ein
schlechter Hirt bist.
Der Zankapfel
Affenkinder baten ihren Vater um einige Äpfel aus dem
Vorrate, den er vor ihnen verborgen
hatte. Er antwortete ihnen: ihr seid mir lieb,
aber der große Jupiter hat euch Hände
und Füße gegeben wie mir; also seht! wie ihr selbst
Äpfel findet. Indessen warf er ihnen
einen, aber nur einen dar. Und sie zerrissen sich ob
demselben alle miteinander
die Haut.
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Ein alter Elephant
Er war eben nicht der Klügste, aber ordentlich und
sorgfältig, und hatte 1000 Jucharten,
so wohl verwaltet, daß die Tiere aus 100000 Jucharten ihn
baten: Sei unser König!
Er wollte im Anfange nicht und sagte: ich will bei meinen
alten Tieren leben und
sterben. Aber auch diese baten ihn und sagten: nimm die Ehre
an und werde ein König!
Die Toren! Das alte Tier war zu kleinlich für ein
Königreich, und durch sein Königreich zu
zerstreut für seinen alten Forst.
Der Tiere Gerechtigkeitspflege
Der Löwe zerreißt das beklagte Tier; denn es steht in seinem
Rachen geschrieben:
es ist
des Todes schuldig.
Und die Wahrheit von dem Beklagten zu ergründen, schlägt ihm
der Stier seinen
Farrenschwanz über den Rücken.
Der Hund sucht sein Bekenntnis durch die Beängstigungen des
Bellens und die Qualen
des Beißens zu erzwingen.
Der Elephant hingegen, fragt das beklagte Tier; aber auf
eine Art, daß er dasselbe,
wenn es sich im dritten Verhöre nicht selbst verstrickt hat,
mit Sicherheit aus seinem
Gehege lassen kann.
Der Affe fragt das dasselbe auch, aber wie ein Affe, und
wenn er dann mit seinen
Affenfragen nichts herausbringt, so wird er wild und nimmt
zu den Maßregeln des Hundes
und des Stieres seine Zuflucht.
Die Affengerechtigkeit
Der Thron des Tierreichs fiel einmal auch den Affen anheim.
In diesem Zeitpunkte redeten einige Hauptaffen miteinander
ab, sie wollten in keinem
Falle eine Ungerechtigkeit an sich kommen lassen. Die armen
Tiere! sie wußten nicht
einmal, daß sie wegen ihrer Natur nicht anders können, als
verstellte, heuchlerische,
naschende und beißende Tiere zu Handlangern ihrer
Gerechtigkeit anzustellen.
Die Spinnengerechtigkeit
Auch die Spinne wollte einst gerecht sein und sagte der
Besenfrau, welche alle Wochen
einmal ihr Haus in den Staub legte, sie sei gewiß kein so
böses Geschöpf, als man sie
allgemein dafür halte; es sei freilich wahr, sie empfinde
nicht alles immer richtig, was an
den äußersten Spitzen ihrer langen Spindelgebeine vorgehe,
und wenn sie zuzeiten
genötigt sei, ein unglückliches Tier wegen Frevel und
Unruhe, so selbiges in ihrer
verfassungsmäßigen Existenz anrichte, zu ihrem Haupt bringen
zu lassen, so sei sie ganz
unschuldig, wenn ihre gefühllosen Fingerspitzen ein solches
Tier etwa zu hart in die
Klauen fassen.
Die Katzengerechtigkeit
Wo wir uns nur zeigen, da heißt es: hier sind die
diebischen Katzen! Könnten wir nicht
auch zu Futter und Mahl kommen, ohne diesen bösen Namen?
Also sprach neulich eine Katzenschar, da ein paar von
ihnen über der Tat ertappt,
mit wundem Felle ihrer Strafe entrannen. Eine fette
Schoßkatze antwortete ihnen:
Kinder! schmeichelt den Menschen, und sie werden euch
füttern, wie mich die Tante,
die mir alle Sorge des Stehlens, und alle Mühe des Mausens
mit ihrem eignen Brot und
mit ihrem eignen Braten erspart.
Das hilft nur, sagte eine arme, magere, wenn man ein
Fell hat, das dem lüsternen
Manntier gefällt oder sonst so glücklich ist, eine
Katzentante zu finden, wie du eine
hast.
Ja, ja, die Schoßkatzen haben gut reden, schrieen jetzt
alle mageren Katzen,
wir anderen mögen lange miauen; es bringt uns dafür niemand
weder Braten noch Brot.
Das verdroß die alte Schoßkatze; sie sagte zu ihrer
Nachbarin: das Bettelvolk ist
allenthalben gleich, es läßt sich nie raten; wenn sie
Verstand hätten, so würden sie doch
an meinem Sessel und an meinem Tische merken, daß ich es
wohl verstanden habe,
mich durch die Welt zu ziehen. Mit dem schlich sie sich
fort.
Darauf sagte die arme Magere: ärgert euch nicht, sie meint
es nicht böse; aber das
Sesselsitzen macht alle Katzen zu Narren. Mich hat es nicht
verderbt; mein mageres Fell
zeugt, daß ich alles Katzenelend selbst erfahren und selbst
getragen habe. Ich weiß also
aus sicheren, eigenen Erfahrungen nicht bloß, wo es uns
fehlt, sondern auch noch, wo es
uns in Zukunft fehlen wird.
Auf diese Erfahrungen gestützt, glaube ich, es sei ein
einziges Mittel zu unserer
Errettung übrig. Wir müssen uns nämlich mit den Mäusen
vergleichen, daß sie uns Futter
und Mahl selbst zusammentragen, und wir hingegen sie dann
nicht mehr fressen.
Erstaunt stand die Katzenschar da. Der Vorschlag schien
ihr eine wesentliche
Neuerung gegen die uralte Verfassung der Welt und gegen die
ursprünglichen
Naturansprüche und Gewaltsrechte ihres Standes.
Doch allmählich wurden sie mit dem Gedanken an eine
solche Vereinigung vertrauter
und fingen an, ihn allerdings mit dem Geist der Zeit und der
Umstände übereinstimmend
zu finden. Er gefiel vorzüglich den Armen und Mageren. Von
den Jungen und Starken
hingegen sagten einige, die so allenthalben
zusammengetragene Mäusespeise kann uns
nicht dienen, und es ist uns ewige Schande, also an der
Mäuse Kost zu kommen und von
ihnen das Gnadenbrot zu essen.
Andere hingegen behaupteten: diese Ehrenbedenklichkeit
gegen Mäuse sind weit unter
uns, und jetzt gar zur Unzeit. Was uns Tiere bringen, die
wir fressen könnten, kann uns
in Ewigkeit keine Schande sein.
Eine arme Magere, die diese Ehrenbedenklichkeiten auch
zur Unzeit angebracht fand,
sagte noch: glaubt mir, ich habe es erfahren, Mäusespeisen
sind Leckerbissen, und wenn
sie es auch nicht wären, so bedenkt, wenn wir uns forthin
ohne eine Nachhilfe, bloß mit
Mäusefleisch erhalten wollen, so müssen diese Tiere, sie
könnten nicht anders, nach und
nach aussterben, und dann wird das hartherzige Manntier, das
uns nicht ferner brauchen
kann, uns zu Tausenden zu Tode schlagen.
Vor diesem Gedanken entsetzten sich alle Katzen, und
hoch schwoll jetzt in ihrem
Herzen der Wunsch, mit Mäusebrot versorgt, ein ehrliches und
gerechtes Auskommen zu
haben und die Mäuse dann nicht mehr zu fressen.
Diese wurden also versammelt, die mürben Katzen gaben
ihnen Geleitbriefe, und eine
katzenfeindliche Dogge war ihnen für das Worthalten
Gewährsmann.
Indessen hatten es die schlauen Tiere durch Hoffnungen,
die sie bei einigen Mäusen
erregten, beim einzuführenden Katzentribut als Kommissäre
angestellt zu werden,
dahingebracht, daß ihre Gesandtschaft mit großen Ehren
empfangen und mit einer
feierlichen Anrede bekomplimentiert wurde, deren Auszug den
Akten beigefügt ist.
Sobald die Komplimentiermaus ausgeredet hatte, so trat
dann der Katzengesandte mit
gemessenem Schritte hervor, stellte sich ganz bescheiden an
die Seite seines
Gewährsmannes, dankte vorläufig für den freundlichen,
ehrenhaften Empfang und
versicherte darauf von aller Katzen wegen, ihr jetzt
lebendes Geschlecht sei mit dem
Geiste der Zeit unendlich vorgeschritten und habe selbiges
an der Liebe, die nunmehr
alle Tiergeschlechter zur Gerechtigkeit, zur Mäßigung und
zur Sittlichkeit zu zeigen
anfangen, sein größtes Wohlgefallen. Sie wünschen auch
nichts mehr und nichts
sehnlicher, als das goldene Zeitalter, in welchem alle Tiere
friedlich untereinander lebten,
wiederherzustellen und besonders schickliche Mittel
ausfindig zu machen, den alten
Zwist, der zwischen ihrem gewaltigen und starken Geschlechte
und dem gutmütigen,
bescheidenen, aber schwächeren Mäusegeschlecht seit der
Erschaffung der Welt
unglücklicherweise obgewaltet hat, ein beförderliches und
glückliches Ende zu machen.
Sie seien auch ihrerseits fest entschlossen, das
Mäusegeschlecht von nun an nicht mehr
als ein ihnen mit Leib und Blut zu dienender Fraß, sondern
als ein ihnen freiwillig und
rechtlich verbundenes Volk anzusehen und zu betrachten;
hoffen dann aber, daß die
Mäuse hierin ihren Edelmut ganz erkennen und auch ihrerseits
alles dasjenige tun
werden, was unumgänglich erfordert werde, eine so glückliche
Vereinigung des
gegenseitigem Interesses beider Geschlechter zustande zu
bringen.
Darauf ließ sie von der Spitzmaus, welche die Feder
führte, das weitläufige Projekt
dieser ewigen Vereinigung ablesen; und nachdem dieses
geschehen war, sagte sie dann
noch mit katzenfreundlichen Worten: Es ist ja nur eine ganz
unbedeutende Kleinigkeit,
was die mächtigen und edelmütigen Katzen von euch zu fordern
geruhen; und ihr könnt
jetzt, was ihr nie hattet hoffen dürfen, Sicherheit, Leben
und häusliche Ruhe mit
unglaublich kleinen Dienstleistungen erkaufen.
Aber kaum hatte sie ausgeredet, so trat eine Maus, deren
Kühnheit sie zum Sprecher
ihres Geschlechts machte, auf und sagte: Brüder und
Schwestern! bisher fingen uns doch
nur die Menschen mit Speck; laßt uns nicht dahin versinken,
selbst am Katzenspeck
anzubeißen und uns durch Verräter aus unserer Mitte und ihre
freche Beredsamkeit
selbst dahin zu verführen, uns, unsere Kinder und Nachkommen
zu ewigen
Katzenknechten zu machen. Die Natur, fuhr sie fort, hat uns
gelehrt, unser Heil in
unseren Löchern zu suchen und es unserm Herzen verboten,
dasselbe jemals von
Katzengunst und Katzengnade zu erwarten.
Das war allen guten Mäusen wie aus dem Herzen geredet;
sie flohen in ihre Löcher,
und was auch die Komplimentiermaus immer tat, es zu
verhüten, so konnte sie die
Mäuse nicht mehr zum Stehenbleiben bringen, und die
deputierte Katze mußte mit dem
Bericht zurück, wenn sie leben wollen, so müssen sie sich
forthin allen Beschwerden des
Lauerns, allen Mühseligkeiten des Mausens und allen Gefahren
des Stehlens unterziehen.
Die unnatürlichen und verstockten Maustiere seien ganz
unmöglich dahinzubringen,
ihnen aus freiem Willen ein ehrliches und gerechtes
Auskommen zu versichern.
Das hatten die stolzen Katzen nicht erwartet; sie
glaubten im Gegenteil, die Mäuse
würden alles in der Welt tun, um sich von ihrem Blutrecht
loszukaufen. Da es aber also
nicht geschah, schrieen sie wie aus einem Munde: »Es ist
nichts daran gelegen,
wir wollen es ihnen jetzt schon machen.« Doch miaute noch
eine zwischen hinein:
Es ist verflucht, daß wir mit diesem unvorsichtigen Antrage
unsern ganzen Katzenstand
kompromittiert haben, aber wenn ich dabei gewesen wäre, so
wäre es gewiß nicht
geschehen.
Die Menschengerechtigkeit
Weibel und Schulze wünschten ihm Glück. Der neue Richter
antwortete: ich will mich
einmal nicht bestechen lassen.
Der Schulze erwiderte: das ist recht und wohlgetan. Tugend
und Rechtschaffenheit sind
immer die ersten Stützen des Staates, und hierin wird dem
Herrn, er darf es versichert
sein, unserseits gewiß niemand etwas in den Weg legen. Aber
in die vorläufigen Abreden,
die wir in jedem Falle miteinander treffen, wird der Herr
doch hoffentlich auch eintreten!
Der neue Richter wußte gar nicht, was das sagen wollte.
Allein der Weibel, der sein alter
Schulkamerad war, nahm ihn beiseite und sagte: es ist einmal
bei uns so, eine Hand
wäscht die andere, und wenn du es nicht mithalten wolltest,
so würde es mit dem Nutzen
und mit der Ehre deiner Stelle nicht viel sein.
Der neue Richter antwortete: ich will natürlich auch daraus
ziehen, was jeder andere.
Der Schulze, der bald sah, daß er es näher gab, schlug ihm
auf die Achsel und sagte:
ich sehe schon, der Herr wird als ein freundlicher, braver,
neuer Gerichtsbruder das Utile
und das Honorificum seiner Stelle sich nicht
schmälern lassen, sondern auch,
wie unsereiner, dahin trachten, daß das, was wir von unsern
Voreltern empfangen haben,
auch ungeschmälert auf unsere Nachkommen herabfließe.
Der neue Richter. Ich werde das in jedem Falle zu
meiner heiligsten Pflicht machen.
Schulze. In diesem Falle kann der Herr dann auch
meines Armes sicher sein, wann und
wo er ihn für sich und die lieben Seinigen brauchen wird.
Weibel. Es wird dir freilich am Anfange gar nicht alles
gefallen, was wir in unsern
Nebenstuben miteinander verabreden; aber wenn du einmal ein
paar Jahre
dabei gewesen sein wirst, so wirst du sicher finden, es sei
in jedem Falle besser, daß wir
uns verabreden und Freunde bleiben, als daß wir uns zanken
und Feinde werden.
Ja, ja, antwortete jetzt der neue Richter, Streit und Zank
ist in jedem Falle immer das
allergrößte Übel.
Aber von sich bestechen lassen, und von der Tugend und
Rechtschaffenheit, als den
ersten Stützen des Staates, war doch keine Rede mehr.
nach oben
Der allgemeine Tierfortschritt in der Gerechtigkeit
In der Gaukelzeit, in welcher die wilden fleischfressenden
Tiere, eben wie die
krautfressenden, allgemein über die Gerechtigkeit
untereinander ein großes Maulwaschen
hatten, versammelten sich die fleischfressenden einmal, um
sich zu beraten, wie sie sich
unter obwaltenden Umständen zu benehmen haben.
In dieser Versammlung riet ihnen der Fuchs, fürohin und in
Zukunft niemals mehr ganze
Herden von Vieh miteinander anzugreifen; zweitens keine
Ställe und keine Wohnungen
mehr gewaltsam zu erbrechen; und drittens vorzüglich unter
allem Vieh dem verirrten,
verlaufenen und unbekannten aufzulauern und sich wo immer
möglich, mit dem Fraß von
Tieren von dergleichen Tieren zu begnügen.
Der Fuchs erklärt das Wort Usurpation
Als dieses Wort durch widerliche Umstände auch unter den
größeren Tieren zur Sprache
kam, fragte König Löwe, was es auch eigentlich bedeute.
Sire! antwortete der Fuchs, es ist in seinem Wesen nichts
anderes als eine abscheuliche
Folge der irrigen und gefährlichen Lehre von einem
Krautfresserrecht, dem man uns,
die wir keine Krautfresser sein wollen, wider unsere Natur
und wider unsern Willen zu
unterwerfen, sich freventlich anmaßt.
Fuchs und Esel beurteilen den Löwen
Da einst ein Löwe, so gut er konnte, gerecht war, das heißt,
da er die Tiere seines
Waldes nicht bloß zu seiner Lust zu Tode jagte, sondern nur
zu seiner Erhaltung auffraß,
erhub ein Esel gegen den Elephanten ein großes Geschrei und
sagte: Du großer
Baumnascher! komm und siehe, ob es wahr sei, was du immer
behauptest, daß die
Löwen zu regieren nichts taugen?
Der Elephant ließ ihn reden und pflückte Nüsse von seinem
Baume. Aber ein Fuchs,
der eben jetzt nicht im Löwendienst war, antwortete ihm:
wenn du nicht ein Esel wärest,
so würdest du begreifen, daß ein Tier, welches das andere
frißt, nie kann gerecht sein.
Ich einmal möchte mich mit dieser — weiß nicht was —Tugend,
nicht breit machen.
Das denk ich Du; — aber Er ist doch gerecht, unser Herr,
erwiderte der Esel.
Und der Fuchs: ja, er hat eben gestern, ich denke aus
Vollmaß seiner Gerechtigkeit,
ein Pferd zerrissen, weil es gesagt hat, er regiere um
seiner selbst und nicht um des
andern Viehs willen.
Der Esel war unterrichtet und antwortete: Der Fall, wie du
ihn erzählst, ist entstellt.
Der Löwe hat das Tier nicht um der Gerechtigkeit willen
zerrissen, er hat es um der
öffentlichen Meinung willen tun müssen.
Wie die Tiere überhaupt regieren würden
Wenn wir jetzt auch Menschen wären und wie sie die Erde
regieren könnten,
was würden wir auch tun? Also sagte ein Affe zu einer
Tierschar.
Der Löwe antwortete: Ich würde tun, was mich gelüstet
und es dann darauf
ankommen lassen, was daraus entstünde.
Der Esel sagte: Ich würde in eine Schule gehen, und was
ich darinnen lernen würde,
das müßten mir Menschen und Tiere dann alle auch lernen und
treiben.
Das Schwein sagte: Ich würde die ganze Erde mit Eicheln
besäen und dafür sorgen,
daß die gemästeten Tiere allenthalben Pfützen fänden, sich
darin zu erquicken.
Der Hund sagte: Ich würde, denke ich, auch dann ein Hund
bleiben und also den
lecken, der mich streichelte, und den anbellen, an den er
mich hetzte.
Der Stier sagte: Ich würde eine große Ratsstube erbauen;
alles müßte mir beim
offenen Mehr verhandelt werden, und Recht sein, was das Mehr
wollte.
Der Fuchs sagte: Die Stierenordnung würde mir recht
sein; aber ich würde mich hinter
den Ratsbänken hindurch in ein Geheimnest unter den Thron
hinschleichen und dann da
freilich nicht für das Stierenmehr, sondern für meine
Fuchsgelüste zu arbeiten suchen.
Die Schlange sagte: Sie wolle der Tiere Teufel sein, und
sie durch Entsetzen zu allem
dem hinführen, was ihre weiseren Obertiere von ihnen fordern
würden.
Der Rehbock fand den Antrag der Schlange abscheulich und
trug seinerseits an,
die Tiere von des großen Jupiters wegen und mit lauter Liebe
zu eben diesem Endzwecke
hinzuführen.
Der Affe sagte: Bald denke ich, ich wollte alle Tiere
tun lassen, was sie gelüstete,
und Freude haben am Spiel ihrer Freiheit, bald aber, ich
wollte mich auf einen Thron
setzen, der wie die Sonne glänzte, und alle Tiere der Erde
müßten mir mit dem Schild
meiner Herrschaft, auf ihrem Hintern bezeichnet sein.
Der Elephant wollte lange seine Meinung nicht sagen; da
aber vom Löwen an bis zum
Esel hinunter alles in ihn drang, sagte er: Wenn ich
regieren müßte, so würde ich
glauben, nur insoweit gut zu regieren, als ich verhüten
könnte, daß von allem dem,
was ihr in diesem Falle tun würdet, gar nichts geschähe.
Ich würde also trachten, daß König Löwe gar nicht tun
dürfte, was ihn gelüstete.
Ich würde dem Ratsherrn Esel bedeuten, die Eseleien
seiner Schuljahre für sich selbst
zu behalten und sie gar nicht zu Normalformen der
allgemeinen Bildung des Viehreichs zu
machen.
Ich würde dem Gemeinmann Schwein sagen, daß Menschen und
Vieh nicht allein von
Eicheln leben und daß die Pfützenordnung, die ihm so lieb
sei, den meisten anderen
Menschen das Fell verderbe.
Dem Allerweltsknecht Hund würde ich erklären, daß er
kurzum nicht mehr Hund sein
oder nicht regieren müsse.
Dem Innungsmeister Stier würde ich sagen, daß bei einem
Stierenmehr, alles zu
kurz komme was nicht Stier sei.
Dem Geheimrat Fuchs würde ich seine Höhle unter dem
Thron mit einer Glastüre
beleuchten, und ihm alle Schleichwege hinter den Ratsbänken
verrammeln.
Dem infamen Affen würde ich das Viehmäßige, beides
seiner Freiheits- und seiner
Regierungsgelüste mit der Knute auf seinem Hintern
austreiben.
Die satanische Schlange würde ich fangen und würgen, wo
ich sie fände.
Der geweihten Einfalt des Rehbocks würde ich die Schädel
aller wilden Tiere an seine
Hörner aufhängen, damit er sich anatomisch überzeugen lerne,
wie groß die Torheit sei,
Menschenwahrheit und Menschenrecht in Löwenschädel, in
Stierenköpfe, in Hundsbäuche
und in Schlangenhäute hineinpredigen zu wollen.
Der ganze Tierkreis schnitt lange Gesichter, aber er
schwieg. Nur der Löwe
antwortete: Ich weiß es schon lange, daß du den Adel aller
Bluttiere verachtest, und dich
allein den hinterlistigen Feinden unseres Geschlechts gleich
glaubst.
Der Elephant versetzte: Von mir sagte ich nichts, aber
was ich über euch urteilte,
das ist Wahrheit. Ihr seid alle an Hirn und Herz nicht so
beschaffen, daß es gut gehen
könnte, wenn ihr regieren würdet, den Fall ausgenommen, wenn
ihr mit Gewalt gehindert
würdet, nach eurem Herzen und nach eurem Kopfe zu regieren.
Aber das würden wir in keinem Falle leiden, schrie jetzt
der ganze Tierkreis, und der
Elephant antwortete: Ebenso schreien auch unter den Menschen
alle die, so euch
gleichen, wenn Recht und Gesetze sie hindern wollen,
gewalttätig, hinterlistig,
niederträchtig, dumm, herzlos und affensüchtig, das heißt so
zu regieren, wie ihr es
allenfalls auch könntet, wie ich es aber in keinem Fall
möchte.
Der Elephant motiviert sein Urteil über die
Regierungsunfähigkeit der Tiere
Ein Mensch, der diese Elephantenäußerung hörte, sagte zu
ihm: Ich wünschte zu
wissen, wie du dein Urteil über die Regierungsunfähigkeit
der Tiere gegen sie einzeln
begründen könntest.
Der Elephant erwiderte: Beim Löwen sind, außer seinem in
Blutsachen allen Verstand
tötenden Rachegefühle, noch seine allgemeine Verachtung der
Tiere, sein stolzer
Anspruch an ungestörte Ruhe und seine den Mord, wie ein
Nichts, vollbringende
Organisation, ein ewiges Hindernis der Teilnehmung, ohne die
keine Regierungsfähigkeit
statt hat.
Daß auch die Esel gerne regieren möchten, ist sehr
natürlich, indem ihnen kein
anderes Mittel übrigbleibt, sich einem elenden Leben zu
entziehen, als dieses einzige.
Aber ewig lebt unter einem abgeriebenen Fell die Beruhigung
nicht, ohne die keine wahre
Regierungsfähigkeit statt hat.
Auch ein Stier wird am Pfluge zu müde, als daß er sich
zu einer ruhigen, von
Selbstsucht freien Gemeinnützigkeit emporheben könnte.
Der Hund ist zum Knechte geboren. Lecken und Bellen in
einem Munde, gehört ewig
an die Kette.
Der Fuchs vereinigt, neben der Mordlust des Löwen, die
ängstliche Besorgnis, selbst
gefressen zu werden. Hieraus entspringt eine Gemütsstimmung,
die die Teilnahme und
die Zuverlässigkeit zugleich ausschließt.
Die Schlange ist nichts anderes als ein Fuchs ohne Beine
mit noch tausendmal stillerer
Mordkraft.
Der Rehbock kommt durch die Eitelkeit, die neben seiner
Gutmütigkeit unter seinem
Horn und hinter seiner Nase sitzt, alle Augenblicke in
Gefahr, in seinem Einfluß auf die
friedlichen Tiere, ein Spiel der Fleischfressenden zu
werden.
Der Seelenverkäufer
Er hatte sie jetzt alle an Bord; aber sie serbten auch
alle. Das Unrecht, das sie litten,
drohte den Edelsten unter ihnen den Tod.
Es ging dem Räuber selber ans Herz. Er setzte sich unter
sie hin, redete mit ihnen und
sagte: Ihr werdet an dem Orte, wo ich euch hinführe,
glücklicher sein, als ihr zu Hause
wart. Während der Reise will ich euch alles gestatten, was
ich immer kann, und wenn
sich einer über irgend etwas zu beklagen hat, so rede er,
ich will ihm Recht schaffen.
Die Sklaven bogen ihr Haupt. Die meisten schwiegen, aber
einer sagte: Wir sind durch
Unrecht und böse Gewalt in deiner Hand, und ich für mich
will lieber sterben, als einen
Mann wie du bist von Recht und Gerechtigkeit reden hören.
Der Seelenverkäufer antwortete: Du bist ein exaltierter
Mensch und könntest mich in
Zorn bringen; aber ich will deiner schonen, und allen die
auf meinem Schiffe sind, zeigen,
daß ihr es in der Tat besser haben sollt, als irgend jemand,
der in eurer Lage ist.
Der Sklave erwiderte: Dem sei wie ihm wolle! Es bleibt
gleich wahr, daß zwischen dir
und uns kein Recht statt haben kann, solange wir auf deinem
Schiffe, und an deinen
Ketten sind.
Seelenverkäufer. Aber warum sollte ich nicht
zwischen Leuten, die allerseits in meiner
Gewalt und auf meinem Schiffe sind, Recht und Gerechtigkeit
ausüben können?
Sklave. Gott schenke dir Unrecht! Und in der
Stunde deines tiefsten Leidens, wird er
unauslöschlich das Wort in deine Seele legen: Es hat kein
Recht statt, und kein Glaube
an das Recht, solange das Unrechtleiden nicht aufhört.
Seelenverkäufer. Mann! du hast recht. Ich war ein
Gefangener, und in der Stunde
meines tiefsten Leidens hat Gott sein Wort, wie du es
aussprachst, in meine Seele
gelegt; aber ich habe es wieder vergessen. Steuermann! kehre
zurück! Die Gefangenen
sind frei, und du, den ich nicht freimachen kann, weil dein
Herz dich in meinen Banden
frei läßt, edler Mann! wenn du auf dem Boden deines Landes
angekommen sein wirst,
so frage dich selbst, ob du mein Freund sein könnest.
Der Regentropfen
Die Erde sagte zu ihm: wer bist du?
Er antwortete: ich erscheine in meiner Geburtsstadt, als das
nichtigste aller verachteten
Wesen, ich stehe auf dem Boden als Nebel, in den Höhen trage
ich die Farbe des
Elends; — aber von ihrem Verderben entzündet, durchblitze
ich mich selber im
Lichtglanze; die tote Straße und den unbesäten Acker
verwandle ich in Kot; aber ich
segne die Saaten des Landes — und wenn mich die kalten
windigen Höhen der Obwelt
ergreifen, und drängen, so falle ich als verhärteter Stein,
und als verheerender Guß aus
den Wolken.
Der Kiesel und der Fels
Was nützt es, daß du dein Haupt über die Wellen empor hebst?
— du haltest seinen Lauf
doch nicht auf — also sagten neidische Kiesel, die der Strom
fortrollte zum Felsen, der in
den Wellen stehen blieb.
Aber der Fels antwortete ihnen: ich liebe das stehen
bleiben, auch wenn ich nichts nütze,
und ein Kranich der auf dem Fels stand, rief lächelnd in die
Fluten hinab zu den rollenden
Steinen: wenn euch der Strom einmal an den Felsen anlegt und
ihr dann selber zum liegen
bleiben kommt, so werdet ihr dann
auch nicht mehr sagen, daß er nichts nütze.
Der Hunde Bescheidenheit
Als einst der Löwe dem Hund das Zeugnis gab: ich habe ihn
immer bescheiden gefunden,
antwortete ein armer Esel: er mag wohl bescheiden sein, aber
er ist es gewiß nicht gegen
einen armen Esel.
Als ich dem Schneider Mixli sagte: Junker Großaug sei ein
guter Mensch, antwortete er
mir ebenso: er mag wohl ein guter Mensch sein, aber gewiß
nicht gegen einen armen
Schneider.
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