35.
Die Elster und das Spötterchen
Das Spötterchen hört den Gesang der Philomele,
Und wollte ihn mit seiner Kehle
Nach aller Spötterchen Gebrauch,
Der Alten und der Jungen auch,
So dichtermäßig imitieren, —
Die kluge Elster hörte es,
Der Frevel machte sie recht bös,
Sie hielt es für ihre Pflicht,
Den Nachahmer zu korrigieren: —
Schweig! Lieber, sagte sie: — du kannst es nicht.
36.
Die alte und neue Philosophie
Die beiden Frauen Philosophien
In nicht gar guten Harmonien
Gerieten oft in einen Streit,
Von unverstandner Hitzigkeit
Die Frag war, welche besser sei? —
Von beiden Träumereien, die alte oder neue? —
Die neue hat das Feld erhalten,
Trotz allem Bliktri, vor der alten,
Warum? — sie sagt es selbst: ich denk gesünder,
Beweise mehr, — und schreie minder.
37.
Der Esel und das
Einhorn
Das Einhorn sah mit einem Karren
Das Tier mit langen Ohren fahren,
Und sagte: — he! was fährst du da? —
Es waren alte Folianten
In abgeschmutzten schweinern Banden,
Und Manuskript, auch welche hundert Bogen,
Dies sprach der Esel: sieh! sind lauter Theologen,
M * * * B * * * und la K * * *
D * * * S *** St, et cetera, et cetera.
Die fahr ich in die Krämerlade! —
Das Einhorn spricht,
Nach aller klugen Kritikpflicht! —
Fahr zu! — fahr zu! — da ist kein Schade! —
38.
Der Wolf und das Kalb
Der Wolf wollt sich vor einem Kalb verstellen,
Und kleidet sich in weißer Schafe Felle,
So suchte er's als einen fetten Brocken,
Ein bißchen näher zu sich zu locken! —
Doch da er sich
Durch seine Stimme verrät,
Sagt ihm das Kalb: ich kenne dich,
Bei mir kommst du zu spät,
Enthülle nur dein schwarzes Angesicht,
Denn Schafe heulen nicht.
39.
Der Autor und das Buch
Mit nächsten bin ich nun gesinnt,
Dich in die Welt hinaus mein Kind!
Im großen Folio zu schicken,
Und in der Nachwelt Ruhmregister
Den Namen deines Vaters einzurücken! —
So sagt der Autor zu dem Buche. —
Das arme nackte Büchchen spricht:
Ach lieber Vater! — du wirst sehen,
Wie es mir deinem Kind wird gehen! —
Zu betteln schäm ich mich, — und nützen kann ich nicht —
Drum bitt ich dich, mach gänzlich über mich,
Was Autorn sonst zwar selten tun — den Strich.
40.
Der Mäzenat und
der Gratulant
Schön, ja! recht schön, sind meine Verse,
So schwärmte dort ein Gratulant,
Der jedem Mäzenat die Hand
Durch seinen armen Zauberklang
In seinen vollen Beutel sang. —
Ja schön sind sie! — sprach Mäzenat:
So schön, wie man es von euch zu hoffen hat. —
Noch schöner aber meine Börse. — —
41.
Die Eule, der
Esel und der Fuchs
Die Eule schrieb ein schön Gedicht,
Der Esel las es, und wie alle Esel pflegen,
Er las es, und verstund' es nicht,
Und wollt es dennoch widerlegen. —
Dies ganze Werk, sagt er: — ich red' es frisch,
Ist . . ja! zum mindesten noch im Grunde ketzerisch. —
Reineke merkte still dem Langohr zu, —
Und sagt: — ein gut bekannter Sennenzwickl,
Urteilte von dem Haller just wie du.
42.
Die Fabel und Merkur
Der Flügelbote der schönen Dame
Der überall beliebten Fame,
Merkur stößt jäh im Botengehn,
Auf ein verwirrtes Fabelchen! —
Hast du nicht, sagt sie ihm, — mein Freund? —
Je eines meiner Schwesterchen geseh'n?
Merkur weiß sich nicht gleich zu fassen,
Wie hast du dies gemeint? —
Fragt er, ich sah auf dieser Straßen,
Noch heute keinen Menschen gehn. —
Doch sage mir! wer bist du denn?
Sie sagt, — ich bin das Fabelchen! —
Und hörst du meine Schwestern nennen, —
So sollst du Braunens Fabeln kennen! —
Hast du nie was gehört von ihnen? —
Ich möchte gern ihr Schicksal wissen,
Und dann auf meines schließen. —
Ha! diese? — spricht nun Merkur! — Ja! —
Ich hab von ihnen viel gehört,
Und du darfst mich nicht weiter fragen! —
Ich werd dir gleich ihr Schicksal sagen! —
Sie sind so schön, sagt man, als Lessing seine,
Herr Braun war ein La Motte an Natur,
An Naivität ein La Fontaine,
Und Toren sagen anders nur! —
Nun weißt du, was du hast von mir begehrt.
Und willst du noch mehr wissen? —
So merke: — wird man von dir so, wie von jenen schließen,
So darfst du sicher dich des Beifalls frein! —
Und immer wünsch' dir denn das Fabelchen zu sein.
43.
Der Doktor und
der Totengräber
Herr Bruder! spricht im neuen Jahr,
Zum Doktor, der jüngst graduiert,
Und dennoch schon so manchen Kranken,
Aus den gesetzten Lebensschranken,
Durch Recipe verpraktiziert,
Der Totengräber mit der Bahr, —
Euch wünsch ich reiche Patienten! —
Und denn verleihe Gott,
Den Segen unser beiden Hände,
So hab ich auch mein Stückchen Brot.
Der Doktor sagt: Der Himmel soll es geben! —
Ich lebe gern, und lasse leben.
44.
Der Autor und der Esel
Ein Kloster-Autor wollte,
Wie man in allen Klöstern sollte, —
Die Chronik seines Klosters schreiben. —
Der Esel hörte dies,
Der Diener einst in dem Konvente war! —
Das Ding scheint mir so ziemlich klar,
Er geht zum Pater Autor hin,
Es kam ihm just so in den Sinn,
Und bat, er soll auch ihn sein nicht vergessen,
Er wollte dankbar sein, so, so, und wieder so,
Und machte da Karessen. —
Der Autor schien auf seine Bitte froh! —
Ja Alter! — sagte er gewiß, —
Gleich fang ich an zu schreiben,
Du sollst den ersten Platz in meiner Chronik haben! —
Dein Name soll von oben steh'n,
Und wenn du stirbst, — auch in den Nekrologien, —
Niemals verschwiegen bleiben.
45.
Der Autor und der Echo
Ha! — diesen möchte ich doch kennen,
Der mich nicht soll, und meine Schriften krönen,
Ich schreibe, was man nur mag nennen: —
Statistik, Rechte und Philosophie,
Geschichte — und Ökonomie, Patrologie Theologie
Und mehreres noch in ie.
Auch Redekunst und Poesie und feine Lieder,
Trotz Wieland, Hagedorn und Kleist,
Utz, Haller, Gleim, und was nur Dichter heißt.
So schwärmt mit autorstolzen Mienen,
Ein Autor ohne viel darauf sich zu besinnen.
Dies hörte Echo! — hört's und spricht für sich!
Mein Freund! — du machst es just, wie ich,
Was andre schon gesagt, — das sagst du wieder.
46.
Momus und der Dichter
Sagt mir, ihr Schriftenrichter! —
So sagte einst ein schwärmender Poet,
Wie es bei diesen Leuten immer geht,
Ich bin in einem Tag im Stande
Mit heiterm Kopf und doch gesunder Hände
Wohl tausend Verse herzumachen,
Bin ich nun nicht ein großer Dichter? —
Hier fing Momus an zu lachen. —
Und sprach: wer dieses kann, —
Den sehe ich für einen großen Mann —
Und soll mir da mein Urteil fehlen,
So seh ich ihn zum wenigsten
Für einen großen Narren an.
47.
Der Fuchs und die
alte Henne
Der Fuchs sah eine alte Henne,
Die ihre jungen Töchterchen und Söhne
Zum erstenmal auf grüne Fluren trieb,
Und immer um sie wachtbar blieb,
Reineken kam ein Lüstchen an,
Er wollte junge Hühnchen speisen
Ein Lüstchen, dem der Jüngling bis zum Greisen,
Vom Fuchsgeschlecht nicht widerstehen kann.
Nun wagt er es, kommt näher her, und spricht
Zur Henne: — liebe Mutter! — kauft ihr nicht
Von mir geweihte Sachen? —
Die werden, glaubt mir, machen,
Daß eure lieben jungen Kinder
Viel munterer und viel gesünder,
Wie auch von allen Hexerei'n
Ihr Lebtag sicher sein.
Ihr seht es mir ja an, daß ich ein Pilgrim bin!
Ein Pilgrim? — so! — sagt nun die Henne! —
Doch ist es mir noch frisch im Sinn,
Daß ich dich gar wohl kenne,
Du bist ein Fuchs, und noch der alte Dieb,
Du magst mir wohl ein Pilgrim sein! —
Doch brauche ich nichts von deinen heil'gen Sachen,
Denn die Erfahrung gibt mir ein,
Daß heil'ge Orte,
Ich sag es dir mit einem Worte!
Nicht allemal auch heilig machen.
48.
Zephyr und die Eiche
Die Eiche, die manch hundert Jahre
Schon auf der alten Wurzel stund,
Verlor im Herbst die gelben Haare,
Da über sie der rauhe Südwind tobt.
Einst flog auch Zephyr über ihren Wipfel
Mit lispelnden Gefieder hin,
Und hauchte von dem dürren Gipfel
Das tote Laub weg. —
Dies fiel der armen Eiche schwer,
Sie sagte zu dem leichten Windchen:
Mein Zephyr — es verdrießt mich sehr, —
Daß du mir meine Blätter raubst
Die du mir doch im Lenze gabst
Wer? — ich — sagt Zephyr, — wie kann dir
Mein leichtes Wehen schaden? —
Du mußt dich über Austern klagen! —
Der nur mit einem stürmischen Flug,
Dein buntes Kleid
Aus Habsucht, oder Neid,
Von deinem schlanken Wuchse ziehet.
O! — sprach die Eiche, glaube mir! —
Verlust, er sei auch noch so klein,
Muß mir nun mehr empfindlich sein,
Weil ich entblößet bin.
49.
Das
Kanarienvögelchen und der Aff
In einem schönen Bildergang
Hing ein Kanarievögelchen,
Daß, da es lieblich sang,
Des Affens mohrenfarb geseh'n,
Der in dem Gange auf und abspazierte,
Und manche Stellungen der Bilder imitierte,
Pfui! — sagte es, was bist du für ein wildes Tier!
Soll es wohl möglich sein! — ihr Götter sagt es mir! —
Daß Zeus so Abenteuer hat erschaffen. —
Nun traf die Red' den Affen, —
Er sagt: schmäh über meine Schöpfung nicht,
Was kann denn ich dafür?
Nicht alles kann so schön sein,
Wie du bist: Nein! —
Es muß in diesem Leben
Auch welche Abenteuer geben,
Und selbst die Abenteuer, — und wir Affen
Sind auch zu einem Ziel und End schaffen.
50.
Der
Mensch, die Viper und der Basilisk
Der Basilisk, der von dem Hahn entsproß,
Erwuchs, und wurde groß,
Und fraß seinen Vater. —
Die Viper fraß die Jungen,
Die sie kurz zuvor gebar.
Dies nahm ein kluger Mensch gewahr. —
Er sprach: das ist doch unerhört,
Da wird der Vater von dem Kind,
Und da das Kind von ihrer Mutter aufgezehrt. —
Dies ist der Vipern, und der Basilisken Brauch. —
Ist er's nicht unsrer Kinder? —
Ist er's nicht unsrer Eltern auch? —
51.
Die Ratte und der Igel
Dem Igel, Nachbar einer fetten Ratte,
Die sich in ihre enge Zelle,
In ihre selbst gebaute Höhle
Zur Winterszeit verschlossen hatte,
Lag immer in dem bangen Sinn,
Das Heil der nie gehörten Nachbarin. —
Wohl zehnmal pocht er an der Tür,
Mit seiner rauhen Stachelklaue,
Doch seine Nachbarin, die schlaue,
Bewegt sich keinen Schritt herfür! —
Mach auf! sagt er, du Närrin du! —
Du mußt vor Kälte und für Hunger sterben,
Und so im rauhen Winter gar verderben.
Wer ist's! — wer pocht, wer stört mir meine Ruh?
Ruft nun die sorgenlose Ratte,
Da man sie aus dem Schlaf gewecket hatte. —
Nein! — nein! — laßt euch nur nicht betrügen,
Laßt mich auf meiner fetten Haut liegen!
Und frei von allen Sorgen sein,
Man mag mir immer von der Arbeit schrein.
Mich wärmt und nährt — der Schlaf. —
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