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Der jüngere Spervogel II.
1190

 

 
Freundschaft
 
I.

30.
Swâ ein vriunt dem andern vriunde bî gestât
mit ganzen triuwen gar ân alle missetât,
dâ ist des vriundes helfe guot,
dem er si willeclîche tuot,
daz si gelîche héllent sich.
dem mêret sich daz künne.
swâ vriunde ein ander waege sint,
daz ist ein michel wünne.

31.
Swer sînen guoten vriunt (vil wol) behalten wil,
der sol in vor den liuten strâfen niht ze vil,
er neme hin in besunder dan
und sage im, waz er habe getân:
da enhoeret ez der vremde niht.
er zorne im dâ vil sêre
und halte in vor den liuten wol:
des hât er immer êre.

32.
Mich nimpt wunder, daz ein vil biderbe man
umme sîner vriunde huld niht werben kan;
si ne tragen im âne schulde haz
und gunden einem vremden baz
der êre, so er sollte hân
mit den besten in den landen.
stirbet er, si sehent den tac,
si trüegen in ûf handen.

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I.

30.
Da, wo ein Freund dem andern Freunde Beistand gibt
in voller Treu', ohn' daß ein Fehler ihre Liebe trübt,
da ist des Freundes Hilfe gut,
wenn er sie gern und willig tut,
daß kein Mißtrauen sie beherrscht.
Dann muß ihr Stamm sich mehren.
Wo Freund' einander treulich sind,
ist Freude und sind Ehren.

31.
Wer seinen guten Freund sich fort behalten will,
der soll ihn vor den Leuten strafen nicht zu viel.
Er nehme ihn absonders dann
und sag' ihm, was er hab' getan.
So hört es doch der Fremde nicht.
Da zürne er ihm sehre,
doch vor der Welt halt' er ihn wohl,
dann hat er immer Ehre.

32.
Mich nimmt es wunder, daß ein gar biederer Mann
um seiner Freunde Gunst nicht immer werben kann;
sie tragen ohne Grund ihm Haß
und gönnten einen andern baß
die Ehre, die nur ihm gebührt
mit guten aller Enden,
doch stirbt er und sie seh'n den Tag,
trügen sie ihn auf Händen.

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Weibeszier
 
II.

33.
Swer den wolf ze hûse ladet, der nimt sîn schaden:
ein schifman mac ein krankez schif schier überladen:
daz ich iu sage, daz ist wâr,
swer sîme wibe dur daz jâr
koufet guoter kleider vil
unde im niht enkoufet,
dem darb des niht grôz wunder nehmen,
ob man im stiefkint toufet.

34.
Treit ein reine wîp niht guoter kleider an,
so zieret wol ir tugent, als ich mich's kann verstân,
daz sî vil schone blüet stât,
alsô diu liehte sunne ûfgât,
diu gegen den morgen schînet vruo
so lûter unde reine.
swie vil ein valschiu kleider treit,
so ist doch ir lop vil kleine.

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II.

33.
Wer sich den Wolf in's Haus zieht, sei auf Leid gefaßt,
ein Schiffsmann gibt in's morsche Schiff oft zu viel Last:
was ich euch sage, das ist wahr.
Wer seinem Weibe durch das Jahr
von guten Kleidern kauft die Meng',
sich selber keines kaufet,
der darf sich auch nicht wundern dann,
wenn's ihm ein Stiefkind taufet.

34.
Trägt auch ein reines Weib nicht Kleider, gut und schön, —
es ziert sie ihre Tugend doch, kann ich's versteh'n, —
daß sie an Huld und Schönheit reich
der lichten Morgensonne gleich,
wenn sie erglänzt mit laut'rem Schein
im roten Wolkenmeere. —
Die Falsche, noch so viel geschmückt,
hat doch nur wenig Ehre.

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Vergebliche Mühe
 
III.

35.
Swer spüret hin ze walde, swen der snê zergât
unde vriunde suochet, da er ir niht enhât,
und koufet umbesehendes vil
und haltet gar verlorniu spiel
und dienet einem boesen man,
dâ er âne lôn belîbet,
im wirt wol afterriuwe kunt,
ob er ez die lenge tribet.

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III.

35.
Wer durch den Wald will spüren, wenn der Schnee zerfließt,
und einen Freund will suchen, wo ihm keiner ist,
und ohne Anschau kauft sich viel
und wettet auf verlor'ne Spiel
und dienet einem schlechten Mann,
wo ohne Lohn er bleibet:
dem kommt noch einmal späte Reu',
wenn er's die Länge treibt.

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Der Stammhalter
 
IV.

36.
Ein edele künne stîget ûf bî éinem man,
der dem vil wol gehelfen unde râten kan:
sô sîgt ein hôhez künne nider
und richtet sich niemêr ûf wider,
swenn si verliesent under in,
der in dâ solte râten;
er was in ie mit triuwen bî
und suonte waz si tâten.

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IV.

36.
Ein edler Stamm steigt wohl empor durch e i n e n Mann,
weil er mit Rat und Tat gar trefflich helfen kann.
So sinkt ein and'rer, einst so hehr,
und richtet auf sich nimmermehr,
wenn sie einmal verloren d e n,
der ihnen mußte raten;
er freilich stand getreulich bei
und bessert' falsche Taten.

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Unglück
 
V.

37.
Daz ich ungelücklich bin, daz tuot mir wê:
des muost ich ungetrunken gân von einem sê,
dar ûz ein kuole brunne vlôz,
des kraft was michel unde grôz.
dâ buozte maneger sînen durst
und wart dâ hôch gegetzet;
swie dicke ich  mînen napf dâ bôt,
er enwart mir nie genetzet.

38.
Sô wê dir, aremüete! du benimest dem man
sinne unde witze, daz er niht enkan.
die vriunde tuont des guoten rât,
swenn er des guotes niht enhât:
si kêrent ime den rucke zuo
und grüezent in wol trâge:
swenn der helt mit vullen vert,
sô hât er holde mage.

39.
Waz hilft dem rosse, daz ez bî dem fuoter stât
und ouch dem wolvw, daz er bî den schâfen gât,
und manz in beiden tiure tuot?
sô hât ez einer alsô guot,
der veile findet, des er gert
und des niht mac vergelten:
ein lieht in sehendes mannes hant
daz fröut den blinden selten.

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V.

37.
Daß ich solch Unglück habe, tut mir wirklich weh:
So muss' ich ungetrunken geh'n von einem See,
aus dem ein kühler Brunnen floß,
dess' fülle doch so mächtig groß.
Dort stillte mancher seinen Durst
und wurde hoch ergötzet;
so oft ich auch den Napf hinbot,
mir ward er nie benetzet.

38.
Weh' dir, weh' dir, o Armut! du benimmst dem Mann
Verstand und Sinn, so daß er nichts mehr wirken kann.
Ihm geben Freunde s c h l e c h t e n Rat,
wenn er des g u t e s nicht mehr hat.
Man kehrt ihm stolz den Rücke zu
und grüßt mit trägen Lippen:
solang er noch mit vollen fährt,
hat er gar liebe Sippen.

39.
Was frommt's dem Rosse, daß es bei dem Futter steht
und was dem Wolf, ob er zum Schafe hingerät,
wenn keines sie erlangen kann?
So gut geht's wohl auch einem Mann,
der käuflich findet, was er wünscht,
es doch nicht kann bezahlen:
Ein Licht, in eines seh'ndes Hand,
kann keinem Blinden strahlen.

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Gut und böse
 
VI.

40.
Swer guote witze hât, der ist vil wol geborn;
swaz man dem boesen seit, deist leider gar verlorn;
man tuot sîn ie den besten rât,
swie selten erz für guot enpfât.
er enwolle allen sînen sin
an ganze tugende kêren,
sô möht man einen wilden bern
noch sanfter harfen lêren.

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VI.

40.
Wer gute Witze hat, den heiß' ich wohlgebor'n;
was man dem Schlechten sagt, ist leider ganz verlor'n.
Man gibt ihm stets den besten Rat,
den selten er für gut empfand.
Will er nicht seinen ganzen Sinn
auf rechte Tugend kehren,
möcht' eher man dem wilden Tier
noch sanfte Musik lehren.

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Räte
 
VII.

41.
Unmaere hunde sol man schüpfen zuo dem bern
und rôten habech zem reiger werfen, tar er's gern;
und altez ros zer stuote slahen,
mit linden wazzer hende twahen;
mit herzen sol man minnen got,
die werlt ein teil umb êre;
wîsen sol man willich hân
und volgen sîner lêre.

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VII.

41.
Man soll die jungen Hunde lassen zu dem Bär'n,
den roten Habicht zu dem Reiher, will er's gern,
ein altes Ross zur Stute gleich,
man netz' die Hand mit Wasser weich
und Lieb' aus reinem Herzen,Gott
zum Teil die Welt um Ehre,
man nehm' vom weisen Manne Rat
und folge seiner Lehre.

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Wirt und Gast
 
VIII.

42.
Der guote gruoz der fröut den gast, swenn er în gât.
vil wol dem wirte, daz in sînem hûse stât,
daz er mit zühten wese frô
und biete ez sînem gaste sô.
gaz im der wille dünke guot,
den er gegen in kêret.
mit lihter kost er dienet lop.
swer fremden man wol êret.

43.
Sô wol dir, wirt, wie wol du doch dem hûse zimest!
an dem worte niemer mê du abe geniemest.
swie kleine man gebresten hât,
wol doch der wirt inm hûse stât.
der wirt, der kan des hûses recht
wol mezzen nâch der snüere.
waz solde ein wîselôsez her,
daz âne meister füere?

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VIII.

42.
Der gute Gruß erfreut den Gast, wenn ein er geht.
Dem Wirte wohl, wenn's so in seinem Hause steht,
daß er geziemend bleibe froh
und es dem Gaste biete so,
daß dem der Wille dünke gut,
den er gen ihn bewähret:
mit leichter Müh' verdien er Lob,
wer so den Fremden ehret.

43.
O wohl dir, Wirt, wie gut du doch dem Hause ziemst!
o daß du doch an diesem Worte ab nie nimmst.
Ob man in ein kleines Leid gerät,
gut dann der Wirt im Hause steht.
Der Wirt, der kann des Hauses Recht
wohl messen nach den Schnüren.
Was sollten Krieger, wenn sie ohn'
Scharmeister hinnen führen?

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Heimische Ehre
 
IX.

44.
Swer in fremeden landen vil der tugende hât,
der sôlte niemer komen heim, daz waer mîn rât,
er enhete dâ den selben muot.
ez enwart nie mannes lop sô guot,
sô daz von sînem hûse vert,
dâ man in wol erkennet.
waz hilfet daz man traegen esel
mit snellem marke rennet.

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IX.

44.
Wer da in fremden Landen viele Tugend hat,
der sollte nie mehr kommen heim, so wär' mein Rat,
hätt' er da nicht den gleichen Mut.
Noch keines Ehre war so gut,
als die, die ihm zu Hause wird,
wo ihn die Leute kennen.
Was hilft es, soll der Esel, träg',
mit schnellem Rosse rennen?

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Bieder
 
X.

45.
Swer suochet rât und volget des, der habe dank,
alse mîn geselle Sperevogel sanc.
und sol der leben tûsent iâr,
sîn êre stîgent, daz ist wâr.
ist danne daz er triuwen pfliget
und den niht wil entwenken,
sô er in der erde erfûlet ist,
sô muoz man sîn gedenken.

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X.

45.
Wer Rat sich sucht und folget dem, der habe Dank,
so einstens mein Geselle Spervogel sang.
Und sollt' er leben tausend Jahr,
wächst doch sein Ruhm, sein Preis fürwahr.
Ist's gar noch, daß er Treue pflegt,
sich nicht von ihr läßt lenken,
ob er im Grab verfault schon ist,
muß man noch sein gedenken.

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Trost nach Leide
 
XI.

46.
Ez zimt wol helden, daz si frô nach leide sîn.
kein ungelücke wart nie sô grôz, dâ waere bî
ein heil: des suln wir uns versehen.
uns mac wol frum nâch schaden geschehen.
wir haben verlorn ein veigez guot:
vil stolzen helde, enruochet.
dar umbe suln wir niht verzagen,
ez wirt noch baz versuochet.

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XI.

46.
Wohl ziemt es Helden, froh nach einem Leid zu sein;
kein Unglück je so groß, mit dem nicht im Verein
ein Heil; drum mag man sich verseh'n,
nach Schaden kann noch Glück gescheh'n.
Verloren ging ein totes Gut,
ihr Helden, laßt es fahren:
verzaget nicht, ein andermal
wird besser man's bewahren.

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Spruch
 
XII.

47.
Swer lange dienet, dâ man dienstes niht verstât,
und einen ungetriuwen miteslüzzel hât,
und einen valschen nâchgebûr,
dem wirt sîn spîse harte sûr.
obe er sich wil alsô betragen,
daz er árman niht verdirbet,
daz muoz von gotes helfe komen,
wan er mit triuwen wirbet.

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XII.

47.
Wer lange dient, wo man des Dienstes nicht versteht
und einen unverläss'gen zweiten Schlüssel hat,
und einen falschen Nachbar auch,
dem wird die Speise wahrlich rauch.
Will er sich halten, daß er doch
als Bettler nicht verdirbet,
das muß mit Gottes Hilf gescheh'n,
wenn er mit Glück erwirbet.

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Spruch
 
XIII.

48.
Diu saelde dringet für die kunst, daz ellen gât
vil dicke nâch dem rîchen zagen in swacher wât.
erst tump, swer guot vor êren spart.
zuht diu wellet grâwen bart.
triuwe machent werden man
und wîse schoene frâge.
liebe meistert wol den kouf:
sô scheidet schade die mâge.

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XIII.

48.
Es geht das Glück schon vor der Kunst und Ärmlichkeit
gar oft dem feigen Reichen nach in schlechtem Kleid.
Dumm ist, wer Gut statt Ehren spart:
die Zucht will einen grauen Bart,
nur Treue macht den Mann recht wert,
Witz zeigen kluge Fragen.
Die Liebe meistert wohl den Kauf:
und schade trennt die magen (vettern).

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Herr und Mann
 
XIV.

49.
Man sol einen biderben man wol drîzec iâr
dar ûf behalten (daz ich iu sage, daz ist wâr,)
ob man dem hêrren widersage,
daz er im holdez herze trage.
swem daz guot ze herzen gât,
der gewínnet niemer êre.
jo enrede ichz niht dur mînen frumen,
wan daz ich ez alle lêre.

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XIV.

49.
Man soll den biedern Dienstmann wohl die dreißig Jahr
behalten gut, (was ich euch sage hier, ist wahr);
daß, wenn der Herr in Fehden kommt,
des Dienstmann's Treue dann ihm frommt.
Wem nur das Geld zu Herzen geht,
gewinnt wohl keine Ehren.
Ich sag's ob meines Nutzens nicht
und will's nur allen lehren.

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Lebensregeln
 
XV.

50.
Man sol den mantel kêren, als daz weter gât.
ein frumer man der habe sîn dinc als ez dâ stât.
sîns leides sî er niht ze dol,
sîn liep er schône haben sol.
ez ist hiute mîn und morne dîn:
sô teilet man die huoben.
vil dicke er selbe drinne lît,
der dem andern grebt die gruoben.

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XV.

50.
Man soll den Mantel drehen, wie das Wetter geht.
Ein wack'rer Mann, der halt' es, wie es immer steht.
Nicht zu verzaget sei er im Leid,
für Freuden sei er stets bereit.
Denn heute mein und morgen dein:
so teilet man die Huben.
Gar oftmals fällt er selbst hinein,
der andern gräbt die Gruben.

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Flut
 
XVI.

51.
Swer mir nû verwîzet, daz ich niht enhân,
gelebe ich iemer, daz ich wol berâten gân,
der muoz ouch mir der boeser sîn.
ich hôrte sagen, daz der Rîn
hie vor in engen fürten flôz.
des muoz ich lônes bîten.
nu ist er worden alsô grôz,
daz in nieman mac gerîten.

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XVI.

51.
Wer mir's zur Schande macht, daß ich so arm ich bin,
erleb' ich einst die Zeit, wo Reichtum ich gewinn',
so muß er mir ein Schlechter sein.
Ich hörte sagen, daß der Rhein
zuvor in engen Furten floß.
(Ich will mir Lohn erbeuten).
Jetzt ist er groß, so daß ihn kann
schon niemand mehr durchreiten.

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Wandel
 
XVII.

52.
Wir loben alle disen halm, wand er uns truoc.
vernt was ein schoener sumer und kornes nuoc.
des was al diu werlt ouch vrô.
wer gesach ie schoener strô?
ez füllet dem rîchen man
die schiure und ouch die kiste.
swann ez gedienet, dar ez sol,
sô wirt ez aber dan ze miste.

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XVII.

52.
Wir loben alle diesen Halm, weil er viel trug.
Fern war ein schöner Sommer und an Korn genug.
Da war die ganze Welt auch froh.
Wer sah jemals ein schön'res Stroh?
es füllt dem reichen Manne da
die Scheuer und die Kiste.
Doch hat gedient es, wie es soll,
wird wieder es zu Miste.

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Aus dem Leben
 
XVIII.

53.
Ich bin ein wegemüeder man.
nû vert mir einer vor,
der rennet, swenne ich drabe.
als ich der strâze niht enkan,
sô volge ich sînen spor.
nû wirfet er mir abe
die brügge, dâ ich über sol.
doch het er mir geheizen wol.
ir stimme ist bezzer danne ir muot,
die mit dem blate (dâ) glîent.
ein valscher vriunt der schadet noch mêr
danne offenbar ein vîent.

54.
Entwerfen ist ein spaeher list.
dâ hoeret spotten zuo,
alnâch der ougen spehen.
ich waene, recht der mâler ist,
ob einer missetuo,
daz ez die andern sehen
und spottenz, niht dur einen haz
er schepfe sîniu bilde baz.
swer malzes pfliget, die wîle ez liget
dur derren ûf dem slâte,
der lobe mîn bier unz er besehe,
wie ime sîn wurze gerâte.

55.
Swer biderben swache pfliget,
dâ bî des boesen wol,
dar hât si beide verlorn.
gewalt den witzen ane gesiget.
ein sinnic herze sol
verdulten manegen zorn.
des iâren kumt vil lihte ein tac,
daz er sîn heil vollbringen mac.
unrehter gaehe nieman pfliget,
er enmüg ir wol entgelten.
guoter gebite noch nie gebrast
mit schoenen zühten selten.

56.
Swer mir dur sîne kündekeit
den minen toerschen muot
wil breiten an daz lieht,
der kumt sîn lîhte in arebeit,
ob erz alsô getuot,
daz ich erkenne nieht.
daz doch vil wol geschehen mac,
kumt ez ûz der vinster an den tac,
sô suoche ich: vinde ich iender dâ
loch an verlegener waete: —
gewinnen müeze ich niemer vriunt,
er ensî die lenge staete.

57.
Zer werlte ein sinnerîcher man,
daz ist ein solher hort,
den nieman mac versteln.
swie lützel ich der künste kan,
sô spriche ich solhiu wort,
diu nieman sollte heln.
swer hât den man als er in siht,
der volget guoter witze niht,
swer in niht erkennen wil
wan bî der liehten waete.
und trüege ein wolf von zobel ein hût
nâch künne er lihte taete.

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XVIII.

53.
Ich bin ein wegemüder Mann.
Nun fährt mir einer vor,
der rennet, wenn ich trab'.
Wie ich der Straße nicht mehr kann,
so folg' ich seiner Spur.
Nun aber wirft er ab
den Steg mir, wo ich drüber soll.
Und hat mir doch verheißen wohl.
Ihr Ruf ist besser als ihr Sinn,
die auf dem Blatte singen.
Mehr Schaden macht ein falscher Freund,
als off'ne Feinde bringen.

54.
Entworfen ist die schlaue List.
Da kommt der Spott dazu
nach früh'rem neid'schem späh'n.
Ich meine, recht der Maler ist,
ob einer schlechtes tu',
daß es die andern seh'n
und Spottens, nicht aus einem Haß;
er mache seine Bilder baß.
Wer Malzes pflegt, dieweil es liegt
zum dörren auf dem schlate,
der lob' mein Bier, bis er es weiß,
wie seine Wurz' gerate.

55.
Wer da des biedern wenig pflegt,
des bösen aber wohl,
der hat sie beid' verlor'n.
Gewalt das wissen jetzo schlägt.
Ein sinnig Herze soll
verwinden manchen Zorn.
Es kommt noch leicht ein Jahr ein Tag,
wo er sein Glück vollenden mag.
Unrechter hast noch niemand pflag,
er mußt' ihr noch entgelten:
und guter Bitte es gebrach
bei schönen Züchten selten.

56.
Wer mir mit Ungeschicklichkeit
als töricht meinen Mut
will breiten an das Licht,
kommt leicht da in Verlegenheit,
wenn er es also tut,
daß zu versteh'n es nicht.
Kommt es, was doch geschehen mag,
vom finst'rem einmal an den Tag,
dann suche ich und finde wohl
Loch am verleg'nen Kleide: —
Gewinnen müß' ich keinen Freund,
ist er nicht treu allzeite.

57.
Zur Welt ein sinnereicher Mann,
das ist ein solcher Hort,
den niemand je kann steh'ln.
Wie wenig auch der Kunst ich kann,
doch red' ich solche Wort',
die keiner sollte hehl'n.
Wer auf den Mann nach Augenschein
stets schließt, dess' Klugheit ist nur klein,
wollt' jeden er nach schönem Kleid
für einen Guten halten —
der Wolf bleibt Wolf im Zobelpelz
und tut als solcher schalten.

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XIX.

58.
Der alten rât versmâhet nû den kinden.
unbetwungen sint die jungen âne recht wir leben.
untriuwe hât gemachet, daz wir vinden
in dem lande manege schande, uns ist für fröude gegeben
ungenâde, blôze huobe, wüeste lant.
dâ man ê wirte in vollen staeten fröuden vant,
da enkraet diu henne noch der han, ein pfâwe ist niender dâ,
die weide enezzent geize rinder ros noch schâf,
da enbrechent ouch die glochen nieman sînen slâf;
diu kirche ist oede, ir sult den pfaffen suochen anderswâ.

~0~0~0~0~

 
XIX.

58.
Der Alten Rat dünkt unnütz jetzt den Kindern.
Unbezwungen sind die Jungen wir ohn' Recht und Heil.
Untreue hat bewirkt schon, daß wir finden
in dem Lande manche Schande, statt Freud' ist uns zuteil
nur Leid und unfruchtbare huben (Hügel), wüstes Land.
Wo man einst Wirte viel in steten Freuden fand,
da kräht nicht Henne jetzt noch Hahn, der Pfau ist lang schon fort,
die Weide bleibt unberührt vom Bock, von Roß und Schaf'
es stören auch die Glocken keinen mehr im Schlaf;
die Kirch' ist öd', den Pfaffen suchet nur an and'rem Ort.

~0~0~0~0~

 

 
Mißverhältnis
 
XX.

59.
Swâ zwêne dienent einem wîbe
mit ungelichem muote:
der eine tuot mit sînem lîbe
al daz er mac ze guote;
so enwil der ander noch enkan
unde ist ein vil ungefüeger man:
daz si den welt und ienen versiht,
wes schult daz sîdaz wesse ich gerne;
ich vrâge es iemer unze ich ez gelerne,
wan ein unmâze dâ geschiht.

 
XX.

59.
Wo zweie dienen einem Weibe
ungleich von Sinn und Mute:
der eine tut mit seinem Leibe,
was er vermag, zu gute;
der and're will das nicht, noch kann
er es als ungefüger Mann:
daß den sie haßt, wählt diesen da,
wess' Schuld das sei, das wüßt' ich gerne:
ich frage stets, bis einst ich's kennen lerne,
weil da ein schlechtes Maß geschah.

 
   
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