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Lieder 2/2
nhd.

 
Beständiger Dienst der ist gut
Meine Herrin will mich belohnen
In dieser Weihnachtszeit
Früher, da sah es bei mir so aus
7 Lieder in Tannhäusers Hofton
Wohl dem, der jetzt auf die Beizjagd darf
Daß ich nicht als Herr geboren wurde
Dank sei dem Mai
Eine Frau schlug ihren Mann zu Tode
 


Beständiger Dienst der ist gut
09

 

1.
Beständiger Dienst, der ist gut,
den man schönen Damen leistet,
wie ich ihn meiner geleistet habe:
Der soll ich den Salamander bringen.
Eines hat sie von mir gefordert,
nämlich, daß ich ihr die Rhône umleite,
aus der Provence hin in das Land
um Nürnberg: dann könne ich Erfolg haben —
und die Donau über den Rhein,
gelinge mir das, so tue sie, was immer ich begehre.
Dank sei meiner Herrin,
man nennt sie die "Gute."
Sage ich "ja," so sagt sie "nein,"
darin überstimmen wir überein.
Heia hei!
Sie war zu lange aus meiner Obhut.
Ja heute und immer weiter ja,
alle herbei und wieder ja,
kommt herbei und zu Hilfe!
Warum behandelt die Liebe mich so,
die Reine und sehr Gute?
Daß sie mich nicht fröhlich macht,
deswegen bin ich sehr traurig.

2.
Mich erfreut dennoch eine angenehme Hoffnung,
die mir die Schöne gemacht hat:
Wenn der Mäuseberg dahinschwindet
wie der Schnee, dann belohnt mich die Reine.
Alles, was mein Herz begehrt,
das wird mir von ihr gewährt.
Sie erfüllt ganz und gar meinen Willen,
baue ich ihr ein Haus aus Elfenbein,
wohin sie es auch haben will, auf einen See,
dann habe ich ihre Liebe und ihr Wohlwollen.
Bringe ich aus Galiläa
ohne jede Verfehlung
den Berg her — gelingt mir das —,
auf dem Herr Adam saß,
heia hei,
das wäre die Krönung aller Dienste.
Ja heute und immer ja ...

3.
Einen Baumstamm in Indien,
mächtig, den will sie von mir haben.
Meinen Willen erfüllt sie ganz und gar,
seht, wenn ich ihr das alles herbeischaffe.
Ich soll ihr den Gral beschaffen,
denn Herr Parzival da hütete,
und den Apfel, den Paris
um der Liebe willen der Göttin Venus gab,
und den Mantel, der die Frau,
die ohne jeden Makel ist, vollkommen umhüllte.
Darüber hinaus will sie noch große Wunder,
das ist mir sehr beschwerlich geworden:
Sie sehnt sich schmerzlich nach der Arche,
die Noah beschlossen hat.
Heia hei,
brächte ich die, wie lieb ich ihr dann wäre!
Ja heute und immer ja ...

Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl 267v
09

 

Meine Herrin will mich belohnen
10

 
1.
Meine Herrin, der ich so fleißig
gedient habe, will mich belohnen.
Dafür müßt ihr alle ihr danken,
sie hat mich so gut behandelt.
Sie verlangt, daß ich für sie den Rhein umleite,
so daß er nicht an Koblenz vorbeifließt.
Dann will sie mir zu Willen sein.
Kann ich ihr etwas von dem Sand des Meeres
bringen, an dem die Sonne untergeht,
so will sie mir ihre Gunst gewähren.
Ein Stern steht dort in der Nähe,
den fordert sie von mir.

Mir geht es so damit:
Was sie mir auch antut,
das soll mir alles recht sein.
Sie hat sich gut vor mir bewahrt,
die Reine.
Außer Gott allein
kennt niemand die Dame, die ich da meine.

2.
Ich soll dem Mond seinen Schein
rauben, wenn ich sie haben will,
dann belohnt mich meine Herrin,
kann ich die Welt ganz mit einem Graben umziehen,
könnte ich fliegen wie ein Star,
dann täte die Freundliche, was ich begehre —
und hoch in den Lüften schweben wie ein Adler.
Wenn ich auf ein Mal tausend Lanzen
verbrauchte wie Herr Gamuret
vor Kamvoleis in gewaltigem Kampf,
dann erfüllte die Herrin mein Bitten.
So soll ich großen Aufwand treiben.

Mir geht usw.

3.
Sie sagt, könnte ich die Elbe am fließen
hindern, dann behandelt sie mich gut —
außerdem die Donau am rauschen.
Ihr Herz ist voll höchster Tugend(en).
Den Salamander soll ich ihr
aus dem Feuer herbeibringen,
dann will die Freundliche mich belohnen
und tut für mich, was ich da begehre.
Kann ich den Regen und den Schnee
abwenden, höre ich sie sagen,
außerdem den Sommer und den Klee,
dann kann mir Erfreuliches von ihr zuteil werden.

Mir geht usw.

Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl 267v - 267r
10
 
In dieser Weihnachtszeit
11

 
1.
In dieser Weihnachtszeit
müssen wir auf etwas Spaßiges aussein,
wir sind schon viel zu lange ruhig.
Jetzt folgt mir, ich kann uns Freude bereiten.
Ich singe euch mitreißend zum Tanz und
beobachte die Schöne mit dem Kranz.
Könnte ich dann noch ihre rosigen Wangen
betrachten, hätte ich gut lachen.
Wenn die Süße vorspringt,
dann geht es mir richtig gut,
und die Art, wie sie ihren Gürtel fallen läßt,
bewirkt, daß ich bisweilen in lustvolle Gedanken versinke.

2.
Du Liebes, du Süßes,
tu weg, laß stehen, du wunderbar Gelauntes!
Gut stehen dir deine Löckchen,
dein rotes Mündchen, deine Äuglein, wie ich's mag.
Rosig deine Wänglein, dein
heller Hälschen, vor dem reizvoll deine Spange sitzt,
du wahres Sommerpüppchen!
blondgelockt dein Haar, genau, wie ich's mir wünsche,
ebenmäßig deine Brüste —
nun tanz einfach weiter, mein Liebes, mein Verlangen!
Läßt sie ein wenig für mich ihre kleinen
Brüste blicken, muß ich ihr entgegen springen.

3.
Jetzt belächelt ruhig schon wieder mein Flehen,
ich springe, wenn deine Zehen sichtbar werden,
die sind wohlgeformt,
du herrliche Gestalt und herzergreifende Liebe!
Jetzt tanze einfach dahin, mein Süßerle,
so schön gewölbte schmale Füßchen gab es noch nie!
Wem das nicht gefällt,
dessen seid gewiß, der hat keinen Verstand.
Weiß sind ihre Beinchen,
zart die Schenkelchen, braungelockt ist ihr kleines Ihr-wißt-schon-was-ich-meine,
was man auch an Frauen wünschen kann, das hat sie in Hülle und Fülle.

4.
Euch sei erlaubt zu tanzen,
aber so, daß ihr meine Herrin nicht mit Staub bedeckt.
Seht sie nicht zu offen an,
ich befürchte, daß ihr sonst den Verstand verliert.
Ihr steht das Lachen so gut, daß
tausend Herzen vor ihr krachend zerbrechen müßten,
ihre verführerischen Blicke
bezwingen mich, o weh, das bewirkt ihr Liebreiz.
Steht vornehmer, laßt dahinschreiten,
der Schönen, ihr muß man zu Recht Platz machen.
Was könnte ihr gleichen? Ich glaube
nicht, daß auf der ganzen Welt irgend jemand das täte.

5.
Ach, sie ist so schön,
daß ich ihren Ruhm mit meinem Sang kröne.
Ihre wohlgestalteten Hände,
ihre Finger, so langgliedrig wie die einer Königin,
so ist sie von vollendeter Schönheit.
Außerdem kann sie ausgelassen schwatzen.
Sie, ohne jeden Makel,
zöge ich einer Kaiserin vor.
Dafür setze ich mein Herz
zum Pfand, daß ich nirgends im ganzen Land
etwas so Vortreffliches gefunden habe.
Sie sieht so liebreizend aus und lebt ohne Tadel.

Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl. 268r
11

 
Früher, da sah es bei mir so aus
12

 
1.
Früher, da sah es bei mir so aus, daß die Edelsten mir sagten,
ich wäre den Leuten angenehm; da hatte ich geneigte Verwandte!
Sie kehren mir den Rücken zu, die mich damals gerne sahen.
Da ich keinen Besitz habe, so grüßen sie mich zögerlich.
Meine Lage hat sich so gewandelt, daß ich dem ausweichen muß,
der bisher mir zurecht auswich, den lasse ich jetzt vor mich treten.
Sie sind jetzt alle Gastgeber, die mir Gäste waren,
auch wenn ich derselbe bin, der ich vor zwanzig Jahren war.
Ich bin Gast und selten Gastgeber, das Leben ist wechselhaft;
meint jemand, daß es bequem sei,  der lebe, wie ich gelebt habe.

2.
Wenn mein Leben nicht glatt verläuft, wohin im Land ich mich auch wende,
so denke ich gleich an Nürnberg, wie bequem ich es dort hätte.
Ich möchte lieber dort genug besitzen, wo man mich genau kennt,
bevor ich unter Fremden nichts hätte, glaubt mir das!
Ich tat gar manches hier zuvor, das ich nun sehr bereue,
hätte ich gewußt, was ich heute weiß, ich besäße vielleicht mehr.
Ich kannte da mich selber nicht richtig, dafür muß ich tüchtig bezahlen,
deswegen lade ich die Fremden heute sehr selten in mein Haus.
Auf, auf, Herr Gast, ihr müßt gehen, so sagen sie alle zu mir;
ich weiß nicht, ob jemandem diese Lebensweise an mir irgendwie gefällt.

3.
Ich denke, erbaue ich mir ein Haus nach dem Rat dummer Leute,
die mir dabei jetzt helfen wollen, nennt man die wie folgt:
Mangel und Herr Schaffennichts, die kommen sehr eilig zu mir,
und einer heißt Seltenreich, der kennt mich nur zu gut,
die Entbehrung und der Zweifel sind meine beständige Hausgenossenschaft,
Herr Schade und auch Herr Unfertig  inde ich oft bei mir.
[...]
[...]
Und wird mein Haus so fertiggestellt von dieser Hausgemeinschaft,
so wißt, daß es mir dank diesem Bau bis ins Hemd schneit.

4.
Rom liegt am Tiber, der Arno fließt vor Pisa
wie der Tronto vor Ascolo hin, die Tosa verläuft vor Rhätien.
Cremona liegt am Po, durch Savoyen fließt die Isère,
Paris liegt an der Seine, die Mosel fließt an Metz vorbei.
Von Basel fließt der Rhein hinunter, der Nekar an Heilbronn vorbei,
so ist die Elbe lange durch das Land der Sachsen geflossen.
Weiter liegt Lüttich an der Maas, an Polen geht die Neiße vorbei,
und durch der Ungarn Land fließt der Waag und auch die Theiß.
Prag liegt an der Moldau wie Wien an der Donau;
wer das nicht glauben will, der reise, bis er es mit eigenen Augen sehe.

5.
Ein kluger Mann, der befahl seinem lieben Kind sich wie folgt zu verhalten,
er sprach: "Wenn du bei Hofe bist, dann handle nach meiner Lehre!
Du sollst dich von den schlechten Leuten fernhalten, den Anständigen sollst du folgen
und verhalte dich gesittet bei ihnen, damit erwirbst du Ruhm und Ehre.
Wo du Böses tun siehst, davon sollst du dich zurückziehen,
vor übermäßigen Verlockungen sollst du zu jeder Zeit fliehen.
Und trinke auch in Maßen, so daß es niemand mißfällt!
Du sollst Gutes über die Damen sagen, dann loben sie dich alle,
du darfst dich selbst nicht zu sehr brüsten, das gehört sich nicht, in Bezug auf Frauen!
Wenn du so handelst, dann kannst du dich um so besser in ihrer Nähe aufhalten!"

    Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl. 268rv
(Str. I-II auch als Teil einer jüngeren Version im Berliner Mgq 414)

12

 
7 Lieder in Tannhäusers Hofton
(zu Tannhäuser Nr. 12 Hier vor dô stuont mîn dinc alsô)
12

 
1.
Wenn für mich mein Leben nicht glatt verläuft, wo immer ich in dem Land auch gerade bin,
so denke ich sehr oft an Daheim, wie gut es mir dort dagegen ging.
Daheim besaß ich vorher mehr als genug, da war ich genau so bekannt.
Unter Fremden habe ich nur wenig Besitz, glaubt mir das!
Ich machte eine Sache, aufgrund derer ich davonfuhr, das verberge ich niemanden,
darum muß ich viele Länder um Unterstützung willen und die Fremde zuvor durchreisen.
Und daß ich an Besitz nicht reich bin, dafür muß ich oft bezahlen:
Die Reichen lade ich in mein Haus sehr selten ein.
Ich werde nicht "Gast" genannt, bin auch kein Gastgeber, mein Leben, das ist sehr wechselhaft.
Wer meint, daß es mir gut ginge, der lebe, wie ich gelebt habe.

2.
Ich suchte Rom am kräftigen Tiber auf, der Arno verläuft durch Pisa,
ebenso verläuft der "Trunk" (Jordan?) durch Israel, die "Gesetzte" (Tosa? Retzbach?) fließt vor Rhätien (Retz?).
Und Granada liegt an den "Gespaltenen" (Zusammenfluß Daro/Genil?), die "Saftige" (Hörsel?) verläuft durch Eisenach,
und Paris liegt an der Seine, die Mosel fließt vor Metz.
Durch Basel (Passau?) verläuft schon immer der Rhein, der Neckar vor Heilbronn,
ebenso die Elbe mühelos, sehr lange schon vor Prag geflossen.
Und Lüttich liegt an der Maas, durch Polen verläuft die Theiß.
Durch Ungarn verläuft die Rabnitz(?).
Breslau liegt genau an der Oder, vor Wien verläuft die Donau,
wer mir das nicht glauben möchte, der kann es sich gerne selber anschauen.

3.
Vor Neckarburg verläuft die Mur, vor Würzburg der Main,
durch Nürnberg fließt die Regnitz, der Lech vor dem herrlichen Augsburg.
Die Saale, die fließt durch Hammelburg, und die ist nicht sehr schmal.
Die Altmühl findet man bei Eichstätt, bei Meiningen die Werra.
Durch Ulm verläuft die Plane, die habe ich noch nie gesehen,
vor Bad Kreuzenach fließt außerdem die Nahe, nur die Wahrheit werde ich sagen.
Und Erfurt liegt an der Gera, die Aisch fließt vor Windsheim schnell,
durch Passau fließt immer schon der sehr klare Inn.
Wertheim liegt an der freien Tauber, das habe ich mit Sicherheit gehört,
und wer in Brügge an der See ist, kann von dort schnell ins Meer gelangen.

4.
Ein Land heißt Siebenbürgen, welcher Mann das durchreist hat,
da verläuft ein Gewässer, das der "Strudel" (?) heißt, das ist so verunstaltet:

Schwarz, molkenfarben und häßlich, war es vor vielen Jahren schon,
darauf gerieten viele Menschen in Not, sowohl Laien als auch Geistliche.
Ja, Weißenburg liegt an der Save, ein Gewässer, das groß ist,
das bringt viele Menschen in Rage, die sich davon nicht fernhalten können.
Der Körös (Kent?) fließt durch England, und wer das Gewässer kennt,
nach einem König ist es benannt worden.
Ich kenne ein Gewässer, das heißt Schiltach (?), das hat so einige Krümmungen,
und noch ein Gewässer, das heißt Era (Jura?), das verläuft durch Preußen.

5.
Der Tauern (?) liegt in der Steiermark, den habe ich nie gesehen,
der Kahlenberg liegt bei Wien, das habe ich mit Sicherheit gehört.
Ich weiß von einem Berg, der Ipf heißt, nur die Wahrheit werde ich sagen,
der liegt im Schwabenland im Ries, auf den bin ich nie gekommen.
Ein Berg, der heißt die Plessenhöhe (Pleß?), der liegt im Thüringer Wald,
der Himmeldunk, der ist so hoch, mit Rauhreif und sehr kaltem Schnee.

Überlieferung: Berlin, Mgq 414 (q), Bl. 349v-351r
(Schreiber: Hans Sachs; RSM: ITanh/I/500a)

12

 

Das folgende Lied ist ein "Kreuzlied"

Kreuzlied

Das ist eine Lyrik die mittelbar oder unmittelbar propagandistisch zum Kreuzzug aufruft. Meistens verbunden mit dem Minnelied, da er an seine Geliebte denkt, die er sehr vermisst. Und es wird ihm bewusst, dass er zwischen der Minnepflicht und der Kreuzzugspflicht in einen nicht unerheblichen Konflikt gerät.

 

Wohl dem, der jetzt auf die Beizjagd darf
13

 
1.
Wohl dem, der jetzt auf die Beizjagd darf
auf den Feldern Apuliens!
Wer da auf die Pirsch geht, dem ergeht es damit gut,
der sieht so viel Wild.
Manche gehen zu einer Quelle,
die andern reiten, um Ausschau zu halten —
deren Vergnügen ist mir vergangen —,
das befiehlt man in Gegenwart der Damen.
Dessen darf man mich nicht beschuldigen, ich jage weder mit Hunden,
noch jage ich mit Falken, ich kann auch keine Füchse fangen;
man sieht mich auch nicht Hirsche und Hirschkühe verfolgen;
mich darf auch niemand bezichtigen, daß ich Rosenkränze trüge;
man braucht auch nicht auf mich zu warten,
wo der grüne Klee wächst,
noch mich in den Gärten zu suchen
bei wohlgestalteten Mädchen: ich treibe auf dem Meer.

2.
Ich bin ein unglückseliger Mensch,
der nirgends bleiben kann
als heute hier, morgen anderswo.
Muß ich das immer so halten?
Darüber muß ich mich oft sorgen,
wie fröhlich ich da auch singe,

den Abend und den Morgen,
wohin mich das Wetter bringe,
daß ich mich so erhalte zu Wasser und zu Lande,
daß ich bis zu diesem Moment das Leben bewahre.
Wenn ich den Leuten leid werde in ärmlicher Kleidung,
dann mir wird mit Schrecken bewußt, auf was für einer Reise ich bin.
Das sollte ich mir stets bewußt halten,
solange ich noch Kraft habe.

Ich kann ihm nicht entgehen,
ich werde dem Wirt zahlen müssen, alles an einem Tag.

3.
Wo litt ein Mensch je so große Not
wie ich durch enttäuschte Zuversicht?
Ich war vor Kreta schon beinahe tot,
wenn Gott mich nicht gerettet hätte.
Mich peitschten eines Nachts
Sturmwinde in rasender Fahrt
nahe an eine Klippe,
das war kein Vergnügen.
Die Steuerruder zerbrachen mir, jetzt habt acht, wie mir da zumute war!
Die Segel zerfetzten, sie flogen aufs Meer.
Die Seeleute meinten alle, daß sie so große Not
nie auch nur eine halbe Nacht lang erlebt hatten; ihr Geschrei tat mir weh.
Das dauerte gewiß
bis zum sechsten Tag.
Ich konnte ihnen nicht entkommen,
ich mußte es alles ertragen, wie jemand, der nicht anders kann.

4.
Die Winde, die mir so heftig
vom Berberland her entgegenwehen!
Daß sie so überaus unangenehm blasen,
die andern, von der Türkei her!
Die Wellen und auch die Wogen
bereiten mir gewaltiges Unbehagen.
Das sei (die Strafe) für meine Sünden!
Behüte mich Gott, der reine!
Mein Wasser ist faul, mein Zwieback ist hart,
mein Fleisch ist mir versalzen, mir schimmelt mein Wein.
Der Geruch, der aus dem Kielraum dringt, der ist kein guter Gefährte,
lieber nähme ich den Gestank der Rosen, wenn es möglich wäre.

Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl. 268v-269r
13

 
Daß ich nicht als Herr geboren wurde
14

 
1.
Daß ich nicht als Herr geboren wurde, das möge Gott erbarmen!
Deshalb gibt man mir nichts von dem Gold, das man aus Italien herbeiführt.
Die Herren teilen's unter sich, da gaffen wir, die Armen;
während wir jammervoll zuschauen, füllt man ihnen die Taschen.
Von der anderen Seite kommt für uns aus Thüringen großer Reichtum heran.
Das versichere ich bei meiner Treue, daß ich den keineswegs begehre.
Wie einfältig ich auch sein mag, ich fände da jemanden, der mich gut versorgte.
Doch bliebe ich lieber für immer mittellos, ehe ich mich von der Krone abwendete.
Von dem König spreche ich voller Lob; ich weiß nicht, wann er mich belohnt.

2.
Ich sollte besser bei Hofe sein, da hörte man mein Singen.
Nun hindert mich, was niemand weiß: Ich verstehe nichts von schönen Melodien.
Lehrte mich die jemand, so sänge ich von höfischen Dingen.
Ich sänge fernerhin und besser noch von allen schönen Damen.

Ich sänge von der Natur, vom Laub und vom Mai,
ich sänge vom Sommer, von Tanz und auch von Reigen,
ich sänge von dem kalten Schnee, von Regen und von Wind,
ich sänge von dem Vater und der Mutter, von dem Kind.
Ach, wer löst mir diese Pfänder aus? Wie wenige ich finde, die dazu bereit sind!

3.
Die schönen Frauen, der gute Wein, der Leckerbissen am Morgen
und zweimal in der Woche baden, das trennt mich von meinem Besitz.
Solange ich den verpfänden kann, lebe ich ohne Sorgen;
wenn es aber ans Bezahlen geht, dann wird mir ganz unbehaglich,
und wenn ich die Pfänder auslösen soll, dann wird aus dem Angenehmen Unangenehmes.
Dann sind die Frauen auf einmal ganz häßlich, wenn ich mich von ihnen trenne.
Der gute Wein wird mir sauer, wenn ich nichts dafür verpfänden kann.
Wann werde ich einfältiger Mensch mit dem Trauern aufhören?
Wahrhaftig kenne ich keine Herren, die meine Not wenden.

4.

Ja, Herr, daß ich den Helden aus Österreich verloren habe,
der mich seinem großen Ansehen gemäß so gut aufgenommen hatte!
Durch ihn war ich Hausherr, jetzt lebe ich bedauernswert,
jetzt bin ich wieder Gast geworden. Wohin soll ich Armer mich wenden?
Wenn jemand mich ihn vergessen ließe, wer eifert ihm dann am besten nach?
Wer sorgt für Toren, wie er es tat, so gut, diese stolzen Gäste?
So irre ich umher, weiß jetzt nicht, wo ich die Wohlgesinnten finde.
Wenn er noch lebte, dann würde ich kaum dem Wind entgegen reiten.
Der Hausherr sagt: >Lieber Gast, wie friert ihr so leicht?<

5.
Zu Wien hatte ich einen Hof, der lag so richtig schön.
Außerdem gehörte mir Leopoldsdorf, das liegt nahe bei Lassee.
Zu Himberg besaß ich schöne Güter. Gott belohne ihn für diese Ehre!
Wann aber soll ich jemals wieder die Einkünfte daraus beziehen?
Niemand darf es mir vorwerfen, wenn ich ihn aufrichtig beklage.
Meine ganze Freude starb mit ihm, deshalb muß sein Tod mich betrüben.
Wo willst du jemals wieder unterkommen, Tannhäuser?
Kennst du aber irgend einen, der dir helfen könnte, deine Nöte zu lindern?
Ach, wie sich das in die Länge zieht! Sein Tod ist beklagenswert.

6.
Mein Lasttier trägt viel zu wenig, mein Reitpferd geht zu beschwerlich,
meine Knechte sind nicht beritten, meine Taschen sind jetzt leer.
Mein Haus hat kein Dach mehr, ganz gleich, was ich dazu sage,

meine Stube hat keine Tür mehr, das bereitet mir große Not.
Mein Keller ist eingefallen, meine Küche ist mir abgebrannt,
mein Stall hat keine Balken mehr, das Heu ist mir ausgegangen.
Für mich wird weder gemahlen noch gebacken, gebraut wird für mich selten;
mir ist die Kleidung viel zu dünn, dafür muß ich jetzt zahlen:
Mich braucht um meinen Hausrat niemand zu beneiden oder zu beschimpfen.

Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl. 269r
14

 
Dank sei dem Mai
15

 
1.
Dank sei dem Mai,
der hat mancherlei
vorausgesandt
in die leuchtend grüne Natur,
die freudenreich vor uns liegt:
Viele Frühlingsblumen,
verschiedene Rosenarten
habe ich dort gefunden.
Welch einen herrlichen Anblick
die Sommerfreude bietet!
Viele Vögel singen
laut um die Wette,
daß es im ganzen Wald erklingt;
ihr lauter Gesang macht ihnen richtig Freude.
Sogleich
möchte ich den ganzen Kummer verlieren,
der mich vorher gedrückt hatte.

2.
Ich habe vor den jungen Leuten
bisher manches gesungen.
Das ist lange her,
daß sie mich darum baten,
damals zur Maienzeit.
Der reizenden Jugend
sang ich bei den Linden
meinen Sang.
Die mich freundlich behandelten,
machte ich oft froh.
Das hat sich nun leider

so verändert:
Wer hier Kunst betreibt,
wird doch kaum dafür geehrt.
Gegen ihren Willen

sang ich ihnen zuleide,

deren höfischer Sinn schwach ist.

3.
Wenn sie, die Gute,
die Wohlgesinnte,
mich tröstete,
dann setze ich
meinem lange währenden Kummer ein Ende.
Wenn sie, die Reine,
ganz allein mich tröstet,
dann würde ich

von allen Verfehlungen abgehalten.
Wenn sie mir gewogen ist,

dann lobe ich sie lautstark,
mehr als des Maien Glanz
und als alle die Blumen,
daß es niemanden gäbe, der mir so gut gefiele.
Herrin, schau doch,
wie vorbildlich ich auftrete,
wenn ich innig an dich denke.


Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl. 269rv
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Eine Frau schlug ihren Mann zu Tode
16

 
Eine Frau schlug ihren Mann und alle ihre Kinder rasch zu Tode,
schlug sie zu Tode, seht, das machte den Mann maßlos zornig.
Zu Tode schlug er sie nun seinerseits und alle ihre Angehörigen,
schlug er zu Tode, und doch wurden später Kinder von ihnen geboren.
Gott schuf einen Mann, der nicht von einer Frau geboren wurde.
Der nahm sich die zur Frau, die weder Vater noch Mutter besaß.
Danach begann ein Hund zu bellen,
so daß alle, die da lebten, sein Anschlagen hörten.
Die Erde ist höher als der Himmel, das haben die Gelehrten bereits
in langer Arbeit genau herausgefunden.
Ein Kind schlug seinen Vater, als es in der Mutter war,
als er den andern Kindern von Gott sang und ihnen die rechte Wahrheit las.

Überlieferung: Heidelberg, Cpg 848 (C), Bl. 269v
16