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Fabeln 126 - 150
 

Das mit Schaden reisende Eichhorn
Der Fuchs und die Katze
Der Schröter unter den Hirschen
Von den Haselmäusen
Der Hamster und die Ameise
Von zwei streitenden Ratten
Der bedeckte und entdeckte…
Der Glieder Streit mit dem Magen
Von dem Löwen, bei dem sich das…
Der Stieglitz und die Jungfrau
Das Pferd und dessen Enkel
Der Bach und die Wiese
Der afrikanische Hirsch und…
Der Jupiter und die Schnecke
Die Nachtigall und ihr Versorger
Das Haus des Sokrates
Der Hase und das Elentier

 
Der Hahn und der Fuchs
Der gebärende Berg
Vom Vorzug der Wissenschaften
Der geizige Geldvergraber…
Der Elefant und der abgesandte Affe
Vorzug und Sicherheit des armen…
Der verwundete Fuchs
Der betrügliche Friedensschluß

 


CXXVI.
Das mit Schaden reisende Eichhorn

Ein Eichhorn, das geraume Zeit
Auf seinem Baum in Ruh gesessen,
Und sich mit viel Zufriedenheit
An guten Nüssen satt gegessen.
Geriet doch durch den Überfluß,
Zuletzt doch zu dem tollen Schluß,
Die alte Wohnung zu verändern.
Was, sprach es, sitz ich ewig hier?
Ich sehne mich nach fremden Ländern,
Von meinen Nüssen ekelt mir.
Ich habe Lust zu andern Speisen,
Und will nun aus dem Walde reisen.
Stets einerlei ist unbequem,
Der Wechsel aber angenehm.

Mit diesen ist es in die See
Auf einem Brette fort geschwommen.
Kaum aber, daß es auf die Höh
Der Wellenvollen Flut gekommen,
Entstand ein ungestümer Nord,
Und riß es wider Willen fort,
Bis daß es, lang umher getrieben,
Auf einer Insel sitzen blieben.
Hier war es fremd und unbekannt,
Hier saß es einsam und verlassen,
Und fing schon an, den Unverstand,
Der ihm zur Reise riet, zu hassen.
Zumal da es in diesem Land
Nichts, als nur unbekannte Pflanzen,
Limonen und Pomeranzen,
Und andere solche Früchte fand,
Die, ob sie noch so herrlich grünten,
Ihm dennoch nicht zur Nahrung dienten.
Daneben war manch wildes Tier,
Das ihm nach seinem Leben trachtet:
Ach! wär ich wiederum von hier!
Ach! wär auf seinem Baume säße!
Und nur von schlimmsten Nüssen äße!
Ich Törichter! was nahm ich dafür.
So seufzte es oft aus Herzensgrunde.
Allein, die Reue kam nun zu spät,
Es half kein Bitten und Gebet,
Der arme Pilgrim mußte sterben,
Und in der Hungersnot verderben.

*  *  *

Bleibt, wo ihr wohl und glücklich seid,
Und ändert nicht; sonst tut ihr törlich,
Denn die Veränderung ist gefährlich,
Und bringt meistens Reu und Leid.

CXXVII.
Der Fuchs und die Katze

Der Fuchs sprach zu der Katze: "Freund,
Wenn ich nicht tausend Künste wüßte,
So glaubt, daß, wenn Gefahr erscheint,
Ich öfters unterliegen müßte."
"Wißt ihr viele tausend? ich nur eine,"
Rief darauf die Katze, "und sonst keine.
Die ist, ich lauf den Baum hinan,
Daß ich dem Feind entgehen kann;
Der Mann wäre es wert, daß man ihn ehrte,
Der erst die Kunst zu laufen lehrte."
"Pfui, schämt euch, wenn ihr sonst nichts wißt,
So werdet ihr nicht viel gewinnen,
Es braucht ja weder Kunst noch List,
Durch Fliehen und Laufen zu entrinnen."
War darauf des Fuchses Gegenrede;
"Ihr seid wohl elend, arm und blöde,
Und kurz zu sagen, gegen mir,
Ein albern und verächtlich Tier."

Kaum war dies Wort aus seinem Munde;
So kamen aus dem nahen Wald,
Zwei große und starke Jägerhunde
(Sie hießen, dünkt mich, Greif und Halt,)
Auf diese beiden zugestrichen.
Die Katze war, nach ihrer Art,
Geschwind auf einen Baum entwichen,
Und saß da sicher und verwahrt;
Der arme Fuchs nur mußte passen,
Und sich das Fell zerzausen lassen.

"Jetzt Tausendkünstler! ist es Zeit,
Den großen Kunstsack aufzubinden;
Ihr werdet doch wohl eine finden,
Die euch von der Gefahr befreit;
Was bringen eure tausend Künste,
Zur Zeit der Not, nur für Gewinste?"
So predigte bei sichrer Ruh,
Die Katze mit Gespött von oben,
Und sah mit süßer Rachlust zu,
Wie von dem Fuchs die Haare stoben:
"Ich," fuhr sie fort, "will gern allein
Mit meiner Kunst zufrieden sein,
Sie rettet mir jetzt mein Leben;
Was könnte sie mir größeres geben?"

*  *  *

Eine Kunst, die wirklich nützt,
Und uns in Gefahr beschützt,
Ist stets besser, als viele hundert,
Die man nur allein bewundert.

CXXVIII.
Der Schröter unter den Hirschen
und der Fuchs

Ein Schröter* sah von seinem Baum
Im Wald, auf einem grünen Raum,
Viele Hirsche miteinander wandern:
Was, sprach er, mach ich noch allhier?
Ich bin ja auch ein solches Tier,
Und trage Geweih, als wie die andern.
Darauf schnurrte er hin, und ging beiher,
Als wenn er auch ein Hirsch wär.

Ein Fuchs kam ungefähr gegangen,
Und rief: "Ihr Hirsche, gute Zeit!
Was denkt ihr hier anzufangen,
Da ihr so stark versammelt seid?"

Der Käfer kroch alsbald herfür,
Das große Wort allein zu führen:
"Wir Hirsche," sprach er, "gehn spazieren,
Laß uns in Ruh, und weich von hier!
Wir wollen dir es sonst verwehren."

"Du Mißgeburt, wer bist denn du?"
Ließ sich der Fuchs im Eifer hören,
"Wie kommst du schwarzer Wurm dazu,
Dich mit der Hirsche edlen Scharen,
So dreist und so frech zu scharen?
Meinst du denn, daß nur ein Geweih,
Sonst nichts, zum Hirsche nötig sei?
Weist du auch, daß ich solche Hirsche,
Dergleichen du bist, leicht zerknirsche?
Allein ich muß mich deiner schämen,
Sonst wollt ich dir das Leben nehmen."

*  *  *

Der äußerliche gleiche Schein
Macht nie die Ähnlichkeit allein;
Es sind nicht alle Hörnerträger
Gleich Hirsche, sehn sie schon so aus.
Viele tragen einen grünen Strauß,
Und sind darum noch keine Jäger;
Die weißen Schürze umgeschlagen,
Und lande Küchenmesser tragen,
Sind, wie man sonst gewöhnlich spricht,
Noch lange keine Köche nicht.

*
Mit Schröter ist der Hirschkäfer gemeint

CXXIX.
Von den Haselmäusen
welche ihren Nußbaum umgegraben

Und was? wie lange dulden wir
Den steif- und stolzen Nußbaum hier?
Reicht er uns nicht mit karger Hand
Nur wenig Nüsse zu der Speise,
Und wirft die schlimmsten auf das Land,
Wenn ja bisweilen eine fällt,
Da er die besten selbst behält?

So riefen einst die Haselmäuse,
Und gruben darauf mit Ungestüm
Den nutzbarschönen Nußbaum um.
Wir wollen, sprach der ganze Haufen,
Ihm selber auf den Gipfel laufen,
Und nach Belieben Nüsse brechen,
Damit wir seine Kargheit rächen.

Sie machten ihn bald wurzellos;
Er schwankte, erhielt den letzten Stoß,
Fiel endlich vorwärts taumelnd nieder,
Und streckte die belaubten Glieder
Mit Seufzen, prasselnd auf das Land.
Die Mäuse kamen zugerannt,
Bezeugten ein sehr groß Vergnügen,
Ob diesem reichen Überfluß.
Sie nahmen nur die beste Nuß,
Und ließen hundert andere liegen;
Doch hätten sie daran gedacht,
Daß dies die letzten Nüsse wären,
Und sie das Mittel, sich zu nähren,
Zu ihrem Schaden weggebracht.
Sie hätten anders pfeifen sollen,
Der Bissen wäre in ihrem Mund,
Vor Traurigkeit, gewiß gequollen,
Den ihrer Wohlfahrt Stamm und Grund,
Der Nußbaum lag einmal danieder
Und wuchs, und blüht, und trug nicht wieder.

*  *  *

Wer nicht vergnügt mit den Interessen
Das Kapital zugleich erhebt;
Hat ein paar Jahre voll auf zu essen,
Und hungert dann, so lange er lebt.

CXXX.
Der Hamster und die Ameise

Ein Hamster, der sein Korn vertan,
Sprach einst die Ameise höflichst an,
Daß sie ihn aus der Not errette,
Weil sie viel Korn im Vorrat hätte.
Er wollte zur bestimmten Zeit,
Gewiß mit höchster Dankbarkeit,
Das vorgeschossene Getreid'
Ihr alles doppelt wiedergeben,
Und stets zu ihren Diensten leben.
Die Ameise schlug es ihm nicht ab,
Es schien ihr anfangs keine Schande,
Daß so ein Herr von hohem Stande,
Ihr so viele gute Worte gab.
Doch als nunmehr die Zeit verflossen,
Bat sie ihn mit Bescheidenheit:
Mein Korn, das ich dir vorgeschossen,
Brauch ich nun selbst zur Winterszeit;
Ich hoffe, du wirst dein Versprechen,
Weil ich dir treu gedient, nicht brechen.

"Was?" fuhr er drauf im Grimm heraus,
"Du unterstehst dich, mich zu mahnen,
Geh! packe dich aus meinem Haus,
Ich will dir sonst die Straße bahnen.
Du kleines, du verächtliches Tier,
Du Wurm! du wagst es und kommst zu mir?
Tritt näher her, du hast dein Korn
Aus meinen Zähnen zu empfangen."
Hiermit biß er nach ihr im Zorn,
Und wo sie ihm nicht gleich entgangen,
Lief auch ihr Leben selbst Gefahr;
Nachdem das Korn verloren war.
Was hatte sie nunmehr davon,
Daß sie ihn aus der Not gerissen?
Dies war ihr höchster Dank und Lohn,
Daß er sie noch nicht tot gebissen.

*  *  *

Wer einem Mächtigen was leiht,
Der mag es meist verloren geben.
Er wird nur Undank, Haß und Neid,
Anstatt gewisser Zinsen, heben.
Es ist, wie jener Weise meint,
Der allerschmerzlichste Verdruß,
Wenn man sich selber seinen Feind,
Mit eigenem Gelde kaufen muß.

CXXXI.
Von zwei streitenden Ratten
welche das Eichhorn zu ihrem Richter erwählt

Es wird erzählt, daß zwei Ratten
Einst eine Nuß gefunden hatten.
Darüber nun entstand ein Streit,
Ja bald wäre es dazu gekommen,
Daß sie, vor großer Heftigkeit
Einander gar beim Kopf genommen,
Weil jede geizig nur darauf zielte,
Daß sie die Nuß für sich behielte.

Indessen sprang von ungefähr
Ein Eichhorn aus dem Walde her,
Gut! riefen hitzig alle beide,
Der kommt gleich zur gelegnen Zeit,
Daß er, nach Recht und Billigkeit,
Den Zwiespalt unter uns entscheide.

Das Eichhorn nahm sein Amt in Acht.
Nachdem es nun die Nuß gespalten,
Und selbst den Kern für sich behalten,
Ward dann die Teilung so gemacht,
Daß, nach der Gleichheit, jede Ratte
Die Hälfte von der Schale hatte.

*  *  *

So geht es meistens in Prozessen,
Der Richter pflegt den Kern zu essen,
Und läßt der streitenden Partei
Nichts, als die Schalen überlei.

CXXXII.
Der bedeckte und entdeckte Müllerlöwe

Ein Esel kroch in eines Löwen Haut,
Sich Ansehn, und den Tieren Schrecken,
Durch diesen Aufzug, zu erwecken.
Und bracht es auch so weit; wer ihn nur angeschaut,
Der wollte fast vor Angst verzagen,
Noch mehr in die Gegend wagen.
Zum Unglück aber guckte ein Ohr
Von seinem dummen Kopf hervor.
Des Müllers Hund, der ihn erkannt,
Kam grimmig auf ihn losgerannt,
Und jagt ihn wieder in die Mühle,
Dies war das Ende von dem Spiele.

*  *  *

Der Fabel Sinn ist offenbar,
Und wird an Höfen täglich wahr:
Viele, welche sich in Samt und Seiden,
Und Gold und Silber, prächtig kleiden,
Verbergen unter diesen Decken
Oft einen abgeschmackten Gecken:
Man ehrt und schaut nur ihr Gewand,
So lange bis der Unverstand
Die Blöße deutlicher gewiesen;
Dann steht das hochgeehrte Tier,
Das man vorher so hoch gepriesen,
Beschämt und ungeehrt allhier.

CXXXIII.
Der Glieder Streit mit dem Magen

Die Glieder fingen an, den Magen
Mit diesen Worten zu verklagen:
Da liegt er auf der Bärenhaut,
Tut nichts, als daß er uns verdaut,
Sich stets mit Speis und Trank erquickt.
Und was ihm übrig, von sich schickt;
Wir aber sorgen Tag und Nacht,
Ihm seine Nahrung zu gewinnen.
Ei! sind wir dann nicht bei Sinnen?
Auf! laßt uns den Dienst entziehn!
Er mag hinfort sich auch bemühn,
Und seine Nahrung selbst erwerben,
Wenn nicht, so kann er Hungers sterben.
Was haben wir für Dank davon?
Was gab er uns für einen Lohn?
Nun genug, es heißt in diesem Falle,
Für sich ein jeder, Gott für alle!

Hiermit bewegte sich kein Glied,
Es ward dem Mund und armen Magen
Kein Essen weiter zugetragen,
Der Leib bekam kein frisch Geblüt,
Und konnte vor Schwachheit und vor Beben,
Nicht Haupt, noch Fuß und Hand erheben.

Da merkten erst die Glieder an,
Daß der, der ihnen müßig schiene,
Dem ganzen Körper besser diene,
Als ihre Müh bisher getan
Und ihnen allen heilsam wäre,
Wenn man ihn, wie zuvor, ernähre.

*  *  *

So müssen auch der Obrigkeit
Die Untertanen alle dienen.
Weil sie dafür dagegen ihnen
Schutz, Unterhalt und Ruh verleiht.
Der Magen lebt zwar durch die Glieder,
Doch er ernährt und stärkt sie wieder.

CXXXIV.
Von dem Löwen, bei dem sich das Schaf
zum Abgesandten in fremde Länder angegeben

Der Löwe brauchte in fernen Landen
Einst einen klugen Abgesandten,
Und sann lange hin und her,
Wer wohl hierzu vermögend wär;
Es schien schwer und hart zu halten,
Dergleichen Posten zu verwalten.
Man wollte hauptsächlich einen Mann,
Der manche Sprache und Sitte wüßte,
Doch dem dabei der Hof auch kund.
Gleich gab das Schaf hierzu an,
Und ob es, außer seiner Mutter,
Stall, Schäfer, Weide, Bach und Futter,
Sonst nichts gesehn, sonst nichts verstund.
So meinte es doch, daß es der Ehre,
Für alle andern, würdig wäre,
Und fähig sei, die schweren Pflichten,
Nach Wunsch des Löwen, auszurichten:
Es hätte auch fast nicht viel gefehlt,
Daß man es zu dem Amt erwählt.
Zumal von solchen Schafsgesandten
So manches Beispiel schon vorhanden;
Daß also unser weises Schaf
Die Würde nicht zuerst betraf.

*  *  *

So geht es; man legt seinen Kräften
Beständig mehr Vermögen bei,
Und glaubt, daß man zu viel Geschäften,
Wie schwer sie sind, doch tüchtig sei.
Dies sind die Wirkungen und Triebe
Von einer blinden Eigenliebe.
Der kleinste Frosch stellt sich wohl vor,
Er sei noch größer als ein Stier,
Der Käfer will trotz Adlern fliegen.
Die Mücke denkt ein Stachelschwein,
Der Floh ein Elefant, zu sein,
Die Maus dem Löwen obzusiegen.
Der Schröter glaubt durch sein Geweih,
Daß er der Hirsche Meister sei.
Und kurz: So klein war keine Ratte,
Die kein Kamel im Kopfe hatte.

CXXXV.
Der Stieglitz und die Jungfrau

Ein Stieglitz, der im Käfig saß,
Und aus der Jungfrau Hand täglich
Das beste Futter reichlich aß,
War, als ihm einst das Glück gewogen,
Zum Fenster doch hinausgeflogen,
Und ließ sein Haus und Speise stehn.
Die Jungfrau, als sie es gesehn,
Lief nach, und bat ihn sehr beweglich,
Er möge doch zurück kehren,
Und sich, wie bisher ist geschehn,
Von ihren Händen ferner nähren.
"Du hast ja," rief sie, "Futter satt,
Warum hast du dich losgerissen?"
"Mir," sprach der Vogel, "schmeckt kein Bissen,
Den Freiheit nicht gewürzt hat."

*  *  *

So ist es: Schwarzes und hartes Brot
In Freiheit, ohne Zwang, genossen,
Schmeckt besser, als ein Gastgebot,
Wenn man im Kerker eingeschlossen.

CXXXVI.
Das Pferd und dessen Enkel

Ein Pferd, mit Namen Unverzagt,
War billig hoch und wert zu achten,
Dieweil es sich in vielen Schlachten
So mutig und beherzt gewagt.
Es war von edlem Geist und Mute,
Und bloß der Schatten von der Rute
Erinnert es an seine Pflicht.
Sprang über Wasser, Zaun und Graben,
Erschrak vor Schuß und Feuer nicht.
Wußte zierlich nach der Kunst zu traben,
Und war nach Schulrecht abgericht;
So, daß im Wettlauf, Ringelrennen,
In Ritterspielen und Turnier,
Sonst seinesgleichen kaum zu kennen.
Kurz, es war ein vollkommenes Tier.

Sein Herr ließ sich dieses Pferd
Der Tugend wegen wohlgefallen,
Und hielt es vor den andern allen,
So viel er hatte, lieb und wert.
Sein Zeug war Samt mit Gold bestickt,
Sein Zaum mit Silber stark beschlagen,
Sein Haar geputzt, sein Schweif geschmückt,
Sein Futter reichlich vorgetragen.
Es litt in keinem Stücke Not,
Man pflegte es, wie ein Kind zu schonen,
Gab ihm oft Zucker, Salz und Brot,
Nebst süßen Schalen von Melonen.
Und wenn es einen Ritt getan,
Wusch man mit Wein dessen Schenkel.

Dies Pferd nun traf einst seinen Enkel
Bei einer Ziegelhütten an,
Woselbst es mühsam fronen mußte,
Und nichts von guten Tagen wußte.
Es hing, vor Kummer, Haupt und Ohr.
Die Mähne war nicht ausgekämmt,
Der Leib vom Staub nicht abgeschwemmt.
Die Rippen ragten weit hervor.
Es war sein aufgeriebner Rücken
So voll Wespen, Fliegen und Mücken,
Als ob ein ganzes Bienenheer
Auf einen Stock gefallen wär.

"Wie geht’s? wie lebst du jetzt, mein Sohn?"
Ließ sich das edle Pferd vernehmen.
"Schlecht! sprach es in betrübtem Ton,
Ich möchte mich zu Tode grämen,
Sofern es nicht der Hunger tut.
Ich stamm von deinem Fleisch und Blut,
Doch sieh den Zustand von uns beiden.
Du hast so manchen guten Tag,
Und ich so manchen Stoß und Schlag,
Und muß dabei noch Hunger leiden.
Schau, wie das Glück mit uns verfährt,
Ich bin so gut als du, ein Pferd,
Und noch dazu von dir entsprossen.
Du aber lebst im Überfluß.
Wenn ich hingegen nichts genossen,
Und diesen Karren noch schleppen muß.
Woher rührt dann der Unterschied?
Ach, alles liegt an Glück und Zeit!
Hierdurch bist du emporgestiegen,
Hierdurch muß ich im Staube liegen."

"Gemach!" sprach jenes, "lieber Freund,
Ich muß dir doch die Wahrheit sagen.
Du hast dich selbst anzuklagen,
Wenn dein Verhängnis grausam scheint.
Wahr ist's, du stammst von meinem Blut.
Allein, hast du auch meinen Mut?
Bist du mir sonst auch nachgeschlagen?
Man führte dich zwar auf der Bahn,
Wie mich, zu edlen Künsten an,
Du aber bliebest faul und träge,
Nicht sanfte Worte, nicht harte Schläge,
Vermochten dir was beizubringen,
Noch deinen Eigensinn zu zwingen.
Weil nun bei dir die gute Zucht
Ohne alle Hoffnung, Nutz und Frucht,
Hat man dich in die Ziegelhütte
Zur sauren Arbeit fort gesandt,
Nachdem man dich zu keinem Ritte
Bequem und tauglich genug befand.

Verlangst du Glück, Ruh und Ruhm,
Weil du aus meinem Stamm entsprossen?
Dies ist ja nicht dein Eigentum,
Vielmehr vom Zufall hergeflossen.
Soll das auf deiner Rechnung stehn.
Wozu du doch nichts beigetragen?
Ach! weil du aus der Art geschlagen,
Wird mein Verdienst dich nicht erhöhn.
Willst du mein Glück und Futter haben,
So schaffe dir auch meine Gaben;
Sonst schimpfst du nur dein Geschlecht:
Was dir geschieht, geschieht dir recht."

*  *  *

Laßt diese Fabel euch ermahnen,
Die ihr auf Stamm, Geburt und Ahnen,
Das ist, auf ein entlehntes Gut,
So groß und übermütig tut.
Des Adels Würdigkeit und Güte
Besteht nicht in der Silbe VON,
Nicht in dem Namen und Geblüte,,
Erbt nicht von dem Vater auf den Sohn.
Verdienst, Verstand und Kunst zu leben
Muß ihm nur Glanz und Vorzug geben.
Der Zusatz durch den eignen Fleiß,
Nicht die Geburt macht ihm den Preis.
Wo Tugend und Verdienste fehlen,
Wo ich nichts Löbliches finden kann,
Da spür ich keinen Edelmann,
Und könnt er tausend Ahnen zählen.

CXXXVII.
Der Bach und die Wiese

Es rann ein Bach durch eine Wiese,
Die an den schönsten Blumen reich
Und einem kleinen Paradiese
An wundervoller Anmut gleich.
"Ach," rief sie, "willst du nicht verweilen?
Siehst du nicht meine Schönheit an?"
"Nein," sprach der Bach, "ich muß jetzt eilen;
Daß ich den Lauf vollenden kann."

Er war auch nicht gar weit gekommen,
So ward er von dem Erdenschlund
Unwiederbringlich eingenommen
Und sank in schlammerfüllten Grund.
Er war unachtsam fortgeflossen,
Und hatte von der Wiesen Pracht,
Weil er nur auf den Lauf bedacht,
Gar nichts gesehn, gar nichts genossen.
Ob gleich die Blumen hier und da,
Zu beiden Seiten, aufgeschossen,
Nahm er doch nicht die Schönheit wahr.

*  *  *

Ach, welche Wahrheit wird allhier uns vorgestellt!
Ist nicht der Mensch der Bach, die Wiese nicht die Welt?

CXXXVIII.
Der afrikanische Hirsch und der isländische Bär

Ein Hirsch aus dem Cyrenerland,
Der seine Lust zu reisen fand,
Wollt nicht, wie manche Junker pflegen,
Auf seiner Hufe* müßig sein.
Die Weise schien ihm zu gemein.
Vielmehr wollt er es tapfer wagen,
Und Ruhm und Preis nach Hause tragen.

Er zog denn fort: Allein wie viel
Er Kirchen, Türme und Glockenspiel,
Und alte Panzer oder Degen,
Nebst solchen Wundern mehr gesehn,
Das ließ er jetzt vorübergehn,
Denn wem ist was daran gelegen?
Mit einem Wort, er war sogar
In Islands raue Gegend gekommen,
Wo selbst ein Bär Monarch war.
Nachdem man nun bei Hof vernommen,
Wer dieser junge Fremdling sei,
Rief man ihn alsobald herbei,
Um etwas neues auszufragen;
Wer hört nicht gern was Fremdes sagen?

"Willkommen!" sprach der König Bär,
"Komm werter Gast, und sage her,
Was man in eurem Königreiche
Für Sitten, Arten und Gebräuche,
Nebst andern Eigenschaften führt."

"Herr," sprach der Hirsch, "in unserm Lande
Ist alles ganz im andern Stande,
Als man allhier bei euch verspürt.
Die Luft glüht dort vom Sonnenbrande
So daß es niemals Eis gefriert.
Man sieht dort ferner Drachen fliegen,
Und solche große Schlangen liegen,
Daß sie sowohl wilde Schweine, als Bären,
(Wenn sie die hätten,) ganz verzehren.
Daneben pflegt aus einem Ei
Ein Wurm*daselbst zu entspringen,
Der wird, wenn wenig Zeit vorbei,
So stark, daß er nicht zu bezwingen,
Indem er ganze Menschen frißt
Und ihm kein Tier zu mächtig ist.
Noch mehr. . ." — "Ho! Ho! halt Lügner Halt!
Ist unser Land schon rau
Ist unser Witz doch nicht erfroren.
Nein! Nein! wir kennen unsre Welt,
Und wissen auch noch wohl zu leben;
Man soll dir das verdiente Geld
Jetzt gleich für deine Nachricht geben."

So schrie der Bär voll Wut und Grimm,
Und winkte den geheimen Räten,
(Den Wölfen, und wer sonst bei ihm,)
Die mußten nun mit Ungestüm,
Den fremden Gast zu Boden treten.
Und bat er gleich um kurze Zeit,
Der Sachen Grund und Wirklichkeit,
Nebst seiner Unschuld auszuführen,
So half jedoch kein appellieren,
Das Urteil war einmal gefällt:
Der arme Hirsch mußte von der Welt.

*  *  *

So macht es stets der Eigendünkel,
Dies alles scheint ihm ungereimt,
Wovon in seinem engen Winkel
Ihm nichts erschienen und geträumt.
So schließt er: Was ich nie gesehn,
Was nicht an meinem Ort bekannt;
Das kann auch nirgends sonst geschehn.
O weiser Schluß! o viel Verstand!

*
Hufe: Landanteil einer Bauernwirtschaft;
Landmaß etwa 30 Morgen.

*
Er meint das Krokodil

CXXXIX.
Der Jupiter und die Schnecke

Der Jupiter gab allen Tieren frei,
Daß sie eine Bitte taten.
Dieselben kamen nun und baten,
Nach ihrer Absicht, mancherlei. . .
Die Schnecke kroch auch mit herbei,
Und bat sich einzig dieses aus,
Daß sie ihr glatt und rundes Haus
Auf ihren Rücken tragen möchte,
Und stets die Wohnung mit sich brächte.

"Was?" rief der Jupiter ihr zu,
"Was, Törichte begehrest du?
Du wünschest dir auf deinem Rücken,
Selbst unbesonnen eine Last?
Nun wohl! dein Wunsch soll dir zwar glücken;
Doch sprich, was du für Ursach hast?"

"Ich tu es," sagte sie dagegen,
Nur einzig meiner Nachbarn wegen,
Die selten was zu taugen pflegen."

*  *  *

Der, den ein böser Nachbar quält,
Wird auf der Schnecke Seite treten,
Und glauben, daß sie recht gebeten,
Und was vernünftiges gewählt.

CXL.
Die Nachtigall und ihr Versorger

Ein Mann hatte eine Nachtigall,
Und pflegte sie überall zu loben.
Wie himmlisch sprach er, ist ihr Schall,
Wenn sie die Wunderstimme erhoben!
Ich bin ihr gnädig zugetan,
Und werde auch ihrer nie vergessen.
Allein, er gab ihr nichts zu essen;
Drum griff sie bald der Hunger an.
Sie starb zuletzt für viele Gnaden,
Weil sie mit schönen Worten mehr,
Als guten Speisen, überladen;
Ihr Ohr war voll, der Magen leer.

*  *  *

Die Künste sind zwar lobenswert;
Jedoch dabei ist zu erwägen,
Daß sie das Lob nur ziert, nicht nährt.
Drum muß man sie auch wohl verpflegen,
Sonst sind sie elend und verlegen.
Die Kunst lebt nicht vom Ruhm allein,
Es muß auch Brot daneben sein.

CXLI.
Das Haus des Sokrates

Es baute Sokrates ein mittelmäßig Haus,
Nach der Beschaffenheit, wie sein Vermögen litt.
(Gelehrte sind nicht oft zugleich
An Münzen, wie an Weisheit reich)
Viel Tadler fanden sich, und setzten manches aus.
"Was tust du," sprachen sie, "mit dieser engen Hütte,
Wo es dir an Gelaß gebricht?
Denn alle Zimmer, Säle und Gänge
Sind viel zu klein, und viel zu enge,
Und nicht geräumig eingerichtet."
Hierauf sprach Sokrates, die Tadelsucht zu stillen,
Mit kurzen Worten los:
"Dies Haus ist dennoch viel zu groß,
Mit wahren Freunden auszufüllen,
Und wenn es zehnmal kleiner wär;
So stünde es doch leer."

*  *  *

Nimmfreunde sieht man allerwegen,
Gleich Bienenschwärmen, emsig sein.
Tatfreunde stellen sich hingegen
Nie haufenweise und zahlreich ein.

CXLII.
Der Hase und das Elentier

Ein Hase sah ein Elentier
Auf einer grünen Weide gehen,
Und blieb dabei erstaunet stehen:
"Wie weit," sprach er "geht dieses mir
An Stärke, Macht und Ansehn vor!
An Größe weicht es keinem Pferde,
Daneben trägt es ein Geweih
Damit es doppelt mächtig sei
Und nicht so leicht bezwungen werde.
Wie sieht sein Bart so fürchterlich!
Ach! hätte die Natur doch mich
Mit solchem Ansehn, Macht und Waffen,
Auch diesem Hirschpferd gleich, geschaffen.
So aber bin ich schwach und klein,
Und muß beständig flüchtig sein.
Wo wird für Jäger, Netz und Hunden,
Für mich ein sichrer Platz gefunden?
Nur ein gedoppelt langes Ohr
Ragt an dem runden Kopf hervor,
Mit diesem kann ich zwar wohl hören;
Doch wären sie so hart dabei,
Als Elen- oder Hirschgeweih,
So könnt ich mich damit auch wehren.
Nichts hat mir die Natur verliehn,
Als nur die schlechte Kunst zu fliehn."
Indessen fiel das Elen nieder,
Verdrehte gräßlich Haupt und Glieder,
Und biß die Zunge grimmig wund,
Das Blut und Schaum ihm vor dem Mund
Mit ekelhaften Anblick stund.

"Behüt mich Gott! was ist denn dies?"
Rief hier der Hase voller Schrecken,
"Dergleichen Zufall wird gewiß
Bei jedem Angst und Scheu erwecken.
Dies prächtige, dies große Tier,
Dem so viele andre Tiere weichen,
Wälzt sich nun an der bösen Seuchen
So elend, so erbärmlich hier.
Was hilft ihm jetzt Gewalt und Größe,
Bei dieser jämmerlichen Pein?
Da liegt es nun in seiner Blöße,
Und jeder kann sein Meister sein.
Ist Macht und Stärke so beschwert,
Folgt ihnen so ein Ungemach,
Als Schatten und Gefährte nach;
So hab ich töricht und verkehrt
Ein Elentier zu sein begehrt.
Ich will vielmehr dem Schöpfer danken,
Das ich jetzt das bin, was ich bin.
Denn bin ich gleich nicht stark und mächtig,
Nicht fürchterlich, nicht groß und prächtig;
So lauf ich doch mit leichtem Sinn,
Und leichtren Füßen frei dahin,
Und darf nicht so abscheulich kranken;
Dies Beispiel hat mich nun gelehrt,
Das Schein und Ansehn oft betört."

*  *  *

So geht’s bei Großen dieser Erden,
Der Pöbel sieht nur insgemein
Auf ihre prächtigen Gebärden
Und äußerlichen Glanz und Schein,
Und meint, daß er das größte Glücke
Bei solchem hohen Stand erblicke.
Doch sollt er auch zu gleicher Zeit
Ihr innerliches Herzeleid
Und mancherlei Beschwerung schauen;
Ihm würde von der großen Pracht,
Die ihm erst scheinbar angelacht,
Hernach desto stärker grauen.
Denn einmal bleibt es wohl dabei,
Daß Größe, Macht und hohe Würde
Nur eine schönbedeckte Bürde
Und ein vergoldet Elend sei.

CXLIII.
Der Hahn und der Fuchs

Es saß ein alter schlauer Hahn
Auf einem Ast und hielt Wacht.
Ein Fuchs der sich herbeigemacht,
Sprach ihn mit angenehmen Worten
Und sanftem schmeicheln folgend an:
"Mein liebster Bruder! aller Orten
Herrscht jetzt Friede und Einigkeit,
Drum endigt sich jetzt unser Streit,
Dies tu ich dir hiermit zu wissen.
Steig nur herunter ungescheut,
Wir wollen uns als Brüder küssen.
Doch halt mich nicht mit zaudern auf,
Denn ich muß einen weiten Lauf,
Von zwanzig Posten noch vollführen,
Drum darf ich keine Zeit verlieren.
Du und die deinen könnet nun,
Ohn alle Furcht das Eure tun,
Wir dienen euch als treue Brüder:
Drum steckt heut Freudenfeuer an.
Indessen stille mein Verlangen,
Und lass dich brüderlich umfangen."

"Mein werter Freund," rief drauf der Hahn,
"Die Zeitung ist mir nicht zuwider,
Vielmehr erfüllt sie meine Brust,
Mit einer doppelsüßen Lust,
Weil ich sie von dir selbst vernommen.
Dort seh ich noch zwei Hunde kommen,
Die, wie mich dünkt, auch in das Land
Als Friedensboten abgesandt;
Sie eilen schnell und sind bald hier,
Wart, bis sie da, so können wir
Einander unsre Freundschaft zeigen;
Ich will dann gleich vom Baume steigen."

"Leb wohl! jetzt hab ich keine Zeit,"
Sprach drauf der Fuchs, "ich muß gleich reisen;
Es wird sich schon Gelegenheit,
Zu unsrer Freude, künftig weisen."

Hiermit raffte er sich auf, und ist
Ins weite Feld hineingesprungen,
Sehr mißvergnügt, daß seine List
Ihm dieses Mal so schlecht gelungen.
Doch unser alter schlauer Hahn
Mußt seiner Furcht von Herzen lachen.
Denn daß muß doppelt Freude machen,
Wenn man Betrüger täuschen kann.

CXLIV.
Der gebärende Berg

Es lag ein Berg in Kindeswehen,
Und ließ ein solch Geschrei entstehen,
Daß jeder eilends zu ihm lief,
Und für Verwunderung, also rief:
Hier kommt wohl eine Stadt heraus,
Der stets Paris am Vorzug weichet
Weil es ihr nicht an Größe gleichet;
Doch er gebar nur eine Maus.

*  *  *

Erweg ich dies Gedicht, so find ich zwar,
Das die Erzählung falsch, der Inhalt aber wahr.
Sie stellt mir einen Dichter dar,
Der schreit; ich will den Krieg erzählen,
Womit den Donnergott die frechen Riesen quälen.
Dies ist in Wahrheit viel versprochen.
Allein was kommt oft für ein Kind,
Nach dieser schwülstigen Geburt, heraus gekrochen?
Nur Wind.

CXLV.
Vom Vorzug der Wissenschaften

Zwei Bürger einer Stadt lagen hier im Streite,
Einer war zwar arm; jedoch aus der Zahl gelehrter Leute.
Doch der Andre, reich am Gelde; aber ärmer am Verstand,
Suchte dennoch stets vor jenem unverschämt die Oberhand.
Er begehrte, daß wer klug, ihn zu ehren schuldig wäre,
Oder vielmehr, wer nicht klug: Denn warum soll man viel Ehre
Solchen Glückesgütern geben, welche ganz verdienstlos sein?
Dieser Ursach Grund und Nachdruck scheint mir viel zu schwach und klein
Guter Freund! So sprach er oft zu dem dürftigen Gelehrten,
Gelt, ihr glaubt, ihr wäret wert, daß wir euch besonders ehrten.
Aber haltet ihr auch Tafel? sagt mir einmal was es nützt,
Daß ihr stets, nebst euresgleichen, über alten Büchern sitzt?
Solche Leute eurer Art müsse in den schlimmsten Ecken,
Und in einem dunklen Loch, in dem dritten Stockwerk stecken.
Ihre Kleidung ist im Sommer, wie im Winter einerlei,
Und ihre Schatten hinter ihnen, ist ihr einziger Lakai.
Was soll der gemeine Staat solche Hungerleider nähren,
Welche nicht vermögend sind, etwas rechtes zu verzehren.
Der ist des gemeinen Wesens nützlicher und bester Mann,
Welcher täglich herrlich lebt und viel Geld verschwenden kann.
Gott weis wohl was wir vertun; unsre Wollust zu vergnügen,
Darf kein Künstler, oder der was verkauft, müßig liegen.
Der den Weiberrock verfertigt, und die Schöne, so ihn trägt,
Ziehen von uns ihren Nutzen. Ja, daß ihr die Feder regt
Reichen Leuten unsres Standes schlechte Bücher zuzuschreiben;
Muß die Hoffnung ihres Lohns, euch zu solcher Arbeit treiben.

Also sprach er frech und töricht. Doch der Unbescheidenheit
Folgte das verdiente Schicksal in gar einer kurzen Zeit.

Der Gelehrte schwieg zwar still; weil zuviel zu widersprechen:
Doch ein drauf erfolgter Krieg konnt ihn besser an ihm rächen,
Als die stachlichste Satire; der zerstörte nun den Ort,
Wo sie bis jetzt gelebt; und sie zogen beide fort.
Unser reichgewesne Tor hatte nirgends Schutz zu hoffen,
Wo er hinkam, hat er nichts, als Verachtung angetroffen.
Aber der gelehrte Arme fand, wegen seiner Kunst,
Allenthalben neue Gönner, Zuflucht, Unterhalt und Gunst.
Dieser Zufall konnt allein ihren langen Zwiespalt schlichten.
Toren, die aus Aberwitz die Gelehrsamkeit vernichten,
Mögen plaudern was sie wollen; einmal bleibt es doch dabei,
Daß der Wert der Wissenschaften allen vorzuziehen sei.

CXLVI.
Der geizige Geldvergraber und dessen Gevatter

Ein gewisser karger Filz hatte nun in solcher Menge
Geld und Gold zusammen gebracht, daß dafür sein Haus zu enge;
Und der Geiz, der Dummheit Schwester, ließ sein furchtsam Herz nicht ruhn,
Daß er sich viel Kummer machte, wo seinen Reichtum hinzutun.
Doch einmal für allemal wollte er es jemand anvertrauen,
Aus der Ursach, er gedacht: Sollt ich es selbst täglich schauen,
Möchte mich der Vorwurf reizen, und verblieb es mir im Haus,
Könnt es leicht Abbruch leiden, gäbe ich ungefähr was aus!
Folglich würde ich selbst mein Dieb, denn es kann unmöglich fehlen,
Wer sein Geld vertut und braucht, muß notwendig sich bestehlen.
Ach mein guter Freund, mich jammert dein im Grund verkehrter Wahn,
Höre doch von mir geduldig diese treue Warnung an:
Geld und Gut ist nur was gutes, wenn man es braucht um auszugeben.
Doch was übles außerdem: Denkst du es aufzuheben,
Für das Alter, für die Jahre, für die Jahre, da du nichts mehr nötig hast?
Gold erwerben, Gold bewahren kostet so viel Sorg und Last,
Daß es seinen Wert verliert, den die Menschen ihm sonst gönnen.

Unser Mann nun hätte sich leicht seiner Sorge entschlagen können,
Wenn er es vertrauten Leuten zur Bewahrung überließ,
Die es wiedergeben konnten, wenn die Not es brauchen hieß.
Aber Menschen traute er nicht; nur die Erde sollte es haben,
Sein Gevatter, den er bat, half ihm seinen Schatz vergraben.
Doch als er nach wenig Tagen, wieder nach dem Golde sah,
War der Vogel ausgenommen, und das leere Nest nur da.
Mein Gevatter, dacht er recht, hat mich ganz gewiß bestohlen,
Gleich ging er zu ihm und sprach: Ich will noch mehr Gold jetzt holen,
Und es zu dem andern legen. Jener lief und trug sofort
Den entwendeten Schatz wieder an den schon bewußten Ort.,
Alles, seiner Absicht nach, auf einmal hinweg zu tragen.
Doch für einen solchen Streich war der andre zu verschlagen.
Er behielt es nun beisammen, und beschloß, daß er sein Gold
Künftig weiter nicht vergraben, sondern selbst genießen wollt.
Da nun dieser arme Dieb gar kein Geld mehr angetroffen,
War er dergestalt bestürzt, und so ohne Trost und Hoffen,
Als ob er vom höchsten Gipfel schnell den tiefsten Fall getan.
Selbst Betrüger zu betrügen geht auch öfters mühelos.

CXLVII.
Der Elefant und der abgesandte Affe des Jupiters

Der Elefant geriet in Zorn
Mit dem ergrimmten Nashorn,
Und zwar des Rangs und Vorzugs wegen,
Wie große Toren meistens pflegen.
Sie suchten diese Zwistigkeit,
Durch einen scharfgemeinten Streit,
Auf engem Kampfplatz beizulegen.
Der Tag war schon dazu bestimmt:
Als man indes die Post vernimmt,
Der Jupiter habe seinen Affen,
Als einen Herold abgesandt.
Ja! sagte gleich der Elefant,
Der hat mit mir gewiß zu schaffen.
Gut, daß das Lärmen unsrer Waffen
Dem Jupiter bereits bekannt.
Darauf ging er schwülstig hin und her,
Den Abgesandten zu empfangen.
Wo bleibt er denn? was denkt er?
Wird so mit uns umgegangen?
Daß ich so lange warten muß!
Weis er nicht besser uns zu ehren?
Ich möchte bersten für den Verdruß!
So ließ er sich im Eifer hören.

Herr Gill, der Affe, kam dann spät,
Die Elefanten-Majestät,
Nur im Vorbeigehn zu begrüßen,
Und kratzte ein wenig mit den Füßen.
Dieselbe meint, er würde nun
Von ihrem Streite Meldung tun,
Und hatte, was sie sagen wollte,
Bereits vorher wohl ausgedacht;
Weil Jupiter von ihrer Schlacht
Notwendig, glaubte er, wissen sollte.
Allein es war ein eitler Wahn,
Denn Elefanten oder Fliegen
Sind bei den Göttern gleich geacht.

Als nun der Affe still geschwiegen,
Fiel endlich mit viel Mißvergnügen
Der Elefant von selber an:
"Es wird mein vielgeliebter Vetter,
Der mächtig große Jupiter,
Mit seiner ganzen Schar der Götter,
Von jenen hohen Himmelsauen
Hier einen schönen Zweikampf schauen."

"Ein Zweikampf? wie? wo rührt er her?"
So hörte man den Affen fragen.
"Ei! ist euch" (rief der Elefant,)
"Ei! ist euch denn noch nicht bekannt,
Daß ich um meine Vorzugsrechte
Scharf mit dem Nashorn fechte,
Weil es mir will den Rang versagen?
Der Krieg nimmt nunmehr allgemein
Schon unser beider Hauptstadt ein.
Es greift wohl Rhinozere,
Als Elephantis zum Gewehre.
Ihr werdet wohl die Orte kennen,
Man pflegt sie sonst mit Ruhm zu nennen?"

"Versichert nicht! ich bin erfreut,
Hiervon das erste Wort zu hören,
(Sprach Meister Gill,) an euren Streit
Wird sich der Götter Schar nicht kehren.
In unsrem weiten Himmelsraum
Gedenkt man solcher Dinge kaum."

Hier sprach der Elefant voll Scham
Und mit Bestürzung, zu dem Affen:
"Was hast du denn bei uns zu schaffen?"
"Daß ich," rief jener, "herzueilen,
Vom Jupiter Befehl bekam
Geschah, um einem Ameishaufen
Ein Stückchen Gras gleich auszuteilen,
Denn nichts ist so gering und klein,
Es muß von uns besorget sein.
Jedoch von eurem Zank und Raufen
Spricht man noch nichts im Himmelreich,
Die Klein- und Großen sind in Gottes Augen gleich."

CXLVIII.
Vorzug und Sicherheit des armen Landlebens
gegenüber dem unruhigen Stadtleben

Sonntags, als die Predigt aus, die ja wohl so gut gewesen,
Als wir sie gemeiniglich in den Hauspostillen lesen,
Ließ die Stadtmaus sich gefallen, vor das Tor hinauszugehn,
Allda frische Luft zu schöpfen, und die Felder zu besehn.
Eben dieses hatte sich auch die Feldmaus vorgenommen.
Als sie nun von ungefähr auf den Weg zusammenkommen,
Und sich unvermutet sahen, war es beiden angenehm,
Denn sie waren alte Freunde, und Gevattern außerdem.
"Herr Gevatter, geh doch mit," fing die Feldmaus an zu sagen,
"Und verschmäh nicht Hausmannskost: hab ich nicht viel aufzutragen,
Hoffen wir doch satt zu werden; meine beste Schüssel ist
Deines Wirtes guter Wille, der dir nichts im Haus verschließt."

"Ja," versetzt diese drauf, wär es endlich in der Wochen,
Könnt ich schon noch mit dir gehen; doch heute bin ich schon versprochen,
Und bereits zu Gast gebeten, weil man, nach Gewohnheit, meist
Sonntag Abends, in den Städten, mit einander kostbar speist.
Doch es sei für dieses Mal, ich gewähr dir deine Bitte,
Und nehm heut mit dir vorlieb, führ mich nur in deine Hütte,
Muß man doch nicht immer schmausen." Also gingen beide fort,
Kamen auch nach einer Weile, zu dem angezeigten Ort,
Wo die Feldmaus in dem Wald ihre Wohnung eingegraben.

Alldort krochen sie hinein: Das sollte man gesehen haben,
Was die Stadtmaus für Gesicht, was für tolle Mienen zog,
Wie sie große Augen machte, und so Haupt und Fuß bewog.
Es kam ihr unmöglich vor, eine Stunde hier zu leben,
Und sie wünschte, daß sie sich nie in dieses Loch begeben,
Daß so schmutzig, eng und dunkel, einsam, wüst und fürchterlich,
Weil in dieser wilden Gegend niemand leicht vorüber strich.
Doch der Wirt, ob er sich gleich sonst nach seiner Decke streckte,
Harte Kost gewohnt war, und das Beste stets versteckte,
Daß er es ihm Notfall hätte, lief geschäftig durch sein Haus,
Und gab allen seinen Vorrat auf einmal vergnügt heraus.

Er brachte Kichererbsen, Hafer, Reis, Bohnen, Hanf, nebst Haselnüssen,
Auch sogar ein Stück Speck, der schon etwas angebissen,
Sonst der Mäuse Festtagsbraten. Sprach dabei, "mein werter Gast,
Alles steht dir hier zu Diensten, nimm, wozu du Neigung hast.
Schimpfe doch meiner Armut nicht, nimm doch was das Glück beschert,
Alles, was mein Haus vermag, hab ich dir allhier gewährt,
Hätte ich mehr, ich gäb es willig, auch zehn Schlösser sollten nicht
Dir etwas verschlossen halten, wüßte ich noch ein gutes Gericht.
Es ist ja noch essenswert, selbst bei Fest- und Feiertagen,
War ich nicht so leckerhaft, daß ich so viel aufgetragen.
Schau, wie ich mich behelfe, hier lieg ich auf harter Streu,
Esse schlechtes Korn und Gras, und bin doch vergnügt dabei."

Aber dieser stolze Gast schien sich nach nichts zu sehnen,
Schüttelte nur seinen Kopf, stocherte nur in seinen Zähnen,
Und wenn er ja was versuchte, fiel das Kauen ihm so schwer,
Als ob er auf Eisen bisse, und die Speise steinern wär.
Endlich fing er schwülstig an, in erhöhtem Ton zu sprechen:
"Wenn ich deinen Zustand seh, möchte mir mein Herz zerbrechen.
Ich trage Mitleid deinetwegen, daß du in der Wildnis steckst,
Fast verhungert, Grillen fängst, und nur arme Ritter bäckst.
Willst du denn die ganze Zeit hier in diesem Winkel lauschen,
Oder aber deinen Wald lieber mit der Welt vertauschen?
Ist es nicht in den Städten besser, wo man niedlich ißt und trinkt,
Lustig in Gesellschaft lebt, und auf weiche Betten sinkt?
Komm mit mir mein guter Freund, ich will dich ganz anders führen.
Alles was auf Erden lebt, muß die Seele bald verlieren.
Hohe und Niedere müssen sterben, deshalb ist mein Rat
Tu dir wohl, so lang du lebst, weil es schnell ein Ende hat."

"Ja wahrhaftig du hast Recht, ich will dir nicht widerstreben,
(Sprach die Feldmaus,) nimm mich mit, zeig mir dieses beßre Leben."
Hiermit sprang sie leicht und flüchtig von ihrem Strohsack auf,
Ließ gleich alles stehen und liegen, und begab sich in den Lauf.
Es war schon Mitternacht, als sie in die Stadt gekrochen,
Und in einem reichen Haus mit einander eingesprochen.
Daselbst hatte man geschmaust, und von diesem Gastmahl
Waren noch viele Überbleibsel in dem Speisesaal überall.
Als der Feldgast nun allhier so viele Kostbarkeiten sah,
Sperrt er Maul und Nase auf, wußte nicht recht wie ihm geschah.
So viele prächtige Tapeten, Silber, Gold und Elfenbein
Hatte er sonst noch nie gesehn, als nur diese Nacht allein.
Doch war er noch mehr bestürzt, als sein Wirt ein Purpurkissen
Ihm zum sitzen hingelegt, und so manchen guten Bissen
Haufenweise hergetragen, den er selbst zuerst beleckt,
Um zu zeigen, daß nichts giftiges diese Trachten angesteckt.

"Geht es so zu in der Stadt?" rief der Gast, welch himmlisch Leben!
Tausendmal sei dir gedankt, daß du mir den Rat gegeben,
Feld und Wälder zu verlassen; schade für die Bettelei!
Nunmehr habe ich erst gelernt, was das rechte Leben sei."
Drauf aß er sich dick und satt, streckte auch endlich alle Viere
Auf das samtene Polster hin; unterdessen krachte die Türe,
Und die großen Hunde bellen; unsern Mäusen fiel zur Stunde
Herz und Wollust zu den Füßen, und der Bissen aus dem Munde.
Beide krochen hin und her, fanden doch bei diesem Schrecken,
In der Angst kein Mäuseloch, sich darinnen zu verstecken,
Und zerschunden Nase und Ohren, ließen auch so manches Haar,
Von den schönen Knebelbärten, an den Wänden hier und da.

"Geht es so zu in der Stadt? will ich diese Nacht noch wandern.
Ich mag keine Suppen essen, die mit Gefahr und Angst gewürzt,
Noch ein solches Leben führen, welches meine Ruh verkürzt.
Lebe wohl, ich geh von hier, deine großen Herrlichkeiten,
Die ein glänzend Elend sind, sollen mich nicht mehr verleiten,
Wieder bei dir einzukehren; obwohl mein Haus gleich ärmlich ist,
Und die Küche schlecht bestellt, fürchte ich doch nicht Hinterlist,
Allda leb ich, wie ich will, frei von allem Gram und Sorgen,
Esse mit Zufriedenheit, schlafe ruhig bis zum Morgen,
Und mein Strohbett ist mir lieber, weil es mir die Ruh verleiht,
Als dein Pfuhl von Samt und Seiden, der den Schlaf vielmehr zerstreut."
Hiermit lief sie aus dem Haus, eilte hurtig fort, und kroch,
Gegen Morgen, wiederum in den Wald zu ihrem Loch,
Und erzählte Weib und Kindern, wie es mit der Gasterei,
Die sich herrlich angefangen, elend abgelaufen sei.
Hing auch diese Lehren an: Seid vergnügt mit eurem Stande,
Liebste Kinder, und verbleibt still und einsam auf dem Lande,
In den Städten und Palästen, lebt man mehr im Überfluß,
Aber die Gemütsruhe fehlt, weil man sich stets fürchten muß.

CXLIX.
Der verwundete Fuchs

Ein alter Fuchs, an dessen Rücken
So manche Wunde zu erblicken,
Die ihm ein Jagdhund angebracht,
Lag in der Sonne matt gestreckt.
Sein Rücken, der erst wundgemacht,
War ganz mit Fliegen überdeckt,
Die haufenweise herbei geflogen,
Daß sie sein Blut mit ihren Rüsseln sogen.
Zu diesem Alten kam ein junger Fuchs gegangen,
Sein guter Freund, und als er denselben sah,
Wie er im Wege lag, so fing er an zu fragen:
"Was ist denn bloß? was gibt es Neues da?
Wer hat sich dieses unterfangen?
Ein Jäger oder böser Hund?"
Der alte Fuchs erzählte seinem Freunde,
Wie sich die Sache zugetragen.
Worauf dann dieser zu ihm sprach:

"Es ist ein rauer Fall, ich gebe es gerne nach.
Doch welcher nicht von übler Folge scheint,
Weil es mehr breite, als tiefe Wunden.
Die Mutter machte mir vordem ein Wundkraut kund,
(Man nennt es Garbenkraut) Das wird gar leicht gefunden,
Wenn man es auf Bergen sucht; nach diesem will ich gehn,
Wenn ich dasselbe wohl zerkaut,
So will ich es auf deine dünne Haut
Mit meiner schlanken Zunge legen.
Dann wirst du morgen drauf gesünder als gesund
Aus deiner Höhle auferstehn.
Inzwischen werde ich mich jetzt bemühen,
Die Fliegen, die mit tausend Röhren
Das Blut aus deinen Adern leeren,
Und dir beschwerlich, zu verjagen."
"Ich bin zwar nicht gemeint, dergleichen Medizin,
Von solcher Kraft und Wirkung, auszuschlagen,"
Sprach hier der Patient. "Allein der Fliegen wegen,
So lass sie immer sitzen bleiben,
Und hüte dich, dieselben wegzutreiben.
Du siehst ja, daß sie schon mit meinem Blut erfüllt.
Wenn du die Satten jetzt verjagen willst,
So kommen andere, die hungrig, hergeflogen,
Von diesen würde ich Ärmster gar
Bis auf den Tod begierig ausgesogen."

*  *  *

Beraldi! edles Brüderpaar,
Die Fabel gibt uns zu verstehn,
Daß die nicht nach der Klugheit Regeln,
Auf den gemeinen Nutzen sehn,
Die da die öffentlichen Egeln
Die Zöllner, die von unsrem Blut
Schon angefüllt und aufgeschwollen,
Aus ihrem Sitz vertreiben wollen,
Und sich erfreun, wenn man sie von uns tut.
Denn bei dergleichen folgen immer
Nach Bösen, schlimmere, nach schlimmeren, die noch schlimmer.

CL.
Der betrügliche Friedensschluß der Wölfe und Schafe

Als offenbare Macht die Wölfe, die von Alten
Die Mordsucht nach dem Schaf, noch immerfort behalten,
Nicht reichlich genug genährt; fing einst ein Alter an,
Der um sein Haupt ganz weiß, und schon so manchen Zahn
Durch kauen abgenützt: "Wir irren liebste Brüder,
Und unsre Dummheit ist dem Wunsch allein zuwider.
Was uns der Krieg nicht gab, dies kann der Friede tun,
Doch muß er nur auf Trug und Hinterhalt beruhn.
Man muß nicht allezeit des Löwen Wege gehen,
Und seines Herzens Grimm so offenbar gestehen,
Es kann auch wohl der Fuchs ein guter Lehrer sein.
Die Ursache in der Tat ist nicht gering und klein,
Die uns zum Hasse treibt, und schon vor langen Zeiten
Die Väter angeflammt. Die Schafe, die zum Streiten
Ganz faul und ungeschickt, deckt gleichwohl Wolle und Dach.
Wir Helden gegenteils erdulden Ungemach,
Und laufen bei der Nacht, im Frost, durch wüste Heiden,
Wenn jene sich an Gras und hundert Kräutern weiden,
Die kaum zu nennen sind; greift uns der Hunger an.
Nun hat uns die Natur dies Recht uns kund getan,
Der Kleine müßte stets dem Großen unterliegen.
Allein was hilft es uns, daß wir mit ihnen kriegen,
Wenn unser blöder Feind, durch seine starke Wacht,
Die Gelegenheit zum Kampf unmöglich macht?
So helfe denn Betrug! durch List muß Troja brennen,
Und eine Nacht tut mehr, als nicht zehn Jahre können."

So bald er dies gesagt, bewog er seine Schar,
Wie wohl darunter noch mancher edelmütiger war,
Der es nicht eingestand, daß dieses Ehre brächte,
Weil ihre Ahnen stets ein tapferes Gefechte
Mehr als Betrug geliebt. Allein es blieb beim Wort,
Es gingen alsobald die Wolfsgesandten fort.
Die Schafe machten zwar sich anfangs viel Bedenken,
Und wollten ihren Gang aus Furcht zurück lenken.
Doch riefen sie, als sie den Heroldsstab erblickt,
Laßt hören, was der Wolf für neue Botschaft schickt.

Die aber sprachen so: "Wenn man vorher bedächte,
Was der verhasste Krieg für Schaden mit sich brächte,
Als Mangel, Blut und Mord, da oft zu jähe Wut
Mehr, als Verstand und Rat, dazu den Ausspruch tut.
So würden Mensch und Tier in bessrer Eintracht leben,
Und wär auch ohne Not, daß wir uns her begeben,
Euch, da wir sonst so streng, um Frieden anzuflehn.
Gut wäre es, wenn wir uns erst klüger vorgesehn,
Das Hauptwerk war Vernunft, doch weil wir das nicht hatten,
Soll nun der nächste drauf, die Reu, den Fehler erstatten.
Wir brachten, es ist wahr, euch großen Schaden bei,
Allein wir blieben auch an unserem Teil nicht frei.
Jedoch den alten Groll ganz aus der Brust zu schütten,
Bringt den Siegern Ruhm, nützt denen, die bestritten.
Wenn nun auch unter uns ein Krieg gewesen ist,
So sei jetzt alles aus. Denn wenn man Frieden schließt,
Kann es nicht anders gehen: Des Himmels größter Segen
Ist Friede und Einigkeit, und nichts ihm überlegen.
Durch ihn wächst Stadt und Volk, durch ihn grünt Feld und Trift,
Die Herden werden fett, die Seen überschifft.
Laßt ihr nun so wie wir, zur Eintracht Ernst vermerken,
So müßt ihr gleich vorher, den Frieden zu bestärken,
Zu unsrer Sicherheit, die Hunde von euch tun,
Als die, dem Friede Feind, unmöglich werden ruhn
Den Krieg durch ihr Gebell beständig zu erregen.
Doch wenn ihr ferner wollt mit diesen Freundschaft hegen,
Die uns, wenn wir in Ruh auf freier Straße gehen,
Mit ihrem Lästermaul so frech im Wege stehn.
Dann wird aus altem Hass stets neue Zwietracht kommen,
Daher entstand der Krieg, dies heißt den Frieden säumen."

Nach diesem Vortrag ging das Schafsgeschlecht zu Rat,
Und überlegte auch nun das Wohl von seinem Staat.
Man setzte sich im Kreis, sich ferner zu belehren,
Die Widder ließen gleich ihr kluges Urteil hören,
Des Lammes Frau Mutter auch, der Hammel schwieg nicht still.
Der Schluß läuft da hinaus, daß man den Frieden will,
Es sei dies Höchste Gut nicht aus der Hand zu lassen,
Der Krieg im Gegenteil verdächtig, und zu hassen.
Kein Wunder wäre es zwar, daß dies den Hunden leid,
Als die bisher nur von andrer Zank und Streit
Und Unglück sich genährt, und bald verhungern müßten,
Wofern sich Schaf und Wolf in Friede und Eintracht küßten.
Doch dies sei nicht recht, und Gott auch selbst verhasst,
Daß nur die Schafe drum bei steter Kummerlast,
Im Leben hundertmal die Todesängste fühlten,
Damit die Hunde nur dadurch die Kost erhielten.

Der Friede ging nun an: Es wird der alte Bund
Den Hunden aufgesagt; man droht, daß jeder Hund,
Der etwa künftig sich dem Schafstall nähern wollte,
Ohne alle Gnade, gleich sein Leben lassen sollte.
Allein nach dem der Wolf, das falsche Tier, erblickt,
Daß man nunmehr die Wache und Hüter fortgeschickt,
Die ohne Schlaf zu sein, und scharf zu spüren pflegten,
Und wenn sie was vermerkt, die laute Stimme regten,
Fiel er nebst seinem Schwarm, bei angebrochner Nacht,
Frech in den Schafstall ein, da niemand es gedacht.
Drauf wurden ungescheut die Schafe fortgerissen,
Und die Ergriffnen tot gebissen.
Ob nun die Armen gleich sich auf die Treu und Pflicht
Und neuen Friedensschluß beriefen; half es doch nicht.
Indem nun sonderlich auch eins durch Biß und Wunde
Gleich es den Tod erlitt, schrie es, o Hunde! Hunde!
O du getreue Schar! wie glücklich wären wir,
Wenn wir dich fort ernährt, und unsre Furcht mit dir,
So wie vorher geteilt. Nun werden wir zerfleischt,
Da man mit Schattenwerk des Friedens uns getäuscht.