Fabelverzeichnis
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Fabeln 272 - 300
 

Von einem Holzhauer
Vom Fuchs und einem Birnbaum
Von einem Knaben und dem Scorpion
Vom Weideman und einer Wachteln
Vom Hasen und der Schnecken
Von der Weiden und einer Axt
Von zweien Bäumen
Von zweien Maulwerfen
Von der Wespen und Wachteln
Vom Jupiter und der Schlangen
Von einem Floch
Vom Man und zweien Frauen
Vom Pferd und einer Fliegen
Von dem Hornüsch und einer Binen
Vom Ochsen und einem Wider
Von einem Hunde
Vom Wolfe und Fuchse
Von zweien Brüdern 1
Von einem alten und einem neuen Wagen

Wie einer seinem Freunde gelt zu behalten gab
Von einer Bonen
Von einem Edelman
Vom Landsknecht und einer Ku
Vom Schiffman und einem Diebe
Vom Baurn und Affen
Vom Wolf und Fuchse
Von einem faulen Weibe
Von zweien Brüdern 2
Vom Fuchs und dem Habich

 

Fabel 272
Von einem Holzhauer

Holz hieb ein armer man im walt;
Bei einem wasser im entfallt
Sein bil, entsprang im aus dem helb
Und fiel ins wasser gleich daselb.
Er wolt's suchen, es war zu tief;
Aus angst Mercurium anrief
Und sprach: "Du tust mich oft ernern,
Woltst mir ein ander bil beschern."
Mercurius tet sichs erbarmen,
Erschein zu hand demselben armen
Und zeigt im da ein gülden bil
Und sprach: "Ist's das, welchs dir entfiel?"
Er besah's und sprach: "Es ists nit, herr."
Da bracht er im ein silberns her
Und sprach: "Besihs, ist das nit dein?"
Als ers besehen het, sprach: "Nein."
Er zeigt im eins von eisen gmacht;
Sprach: "Das ist mein!" Mercuri lacht,
Sahe, dass er from, one schulden,
Gab im das silbern mit dem gulden.

Ward fro; sagt solchs daheime nach.
Da solchs seiner gsellen einer sach,
Warf sein axt auch daselb hinein,
Setzt sich dabei nider und grein.
Mercurius die sach vernam,
Mit einer gülden axt herkam,
Sprach: "Ist die dein, so nims zu dir."
Er sprach: "Sie ist's, gebt sie nur mir."
Mercurius sein meinung sach,
Mit zorn zum selben bauren sprach:
"Wie darfstu so frevelich liegen?
Meinst auch die götter zu betriegen?
Derhalben bistu gar wol wert,
Dass dir dein axt nicht wider werd."

So get's: wer allzu vil wil haben,
Tut im selber ind eisen traben.
So ser als Gott beliebt die schlechten,
So straft er auch die ungerechten.

Fabel 273
Vom Fuchs und einem Birnbaum

Einsmals der fuchs on als gefer
Kam laufen übers feld daher
Bei einem dorf nach einer hennen.
Dieselb entlief im in die tennen,
Dass er's also must lassen gan.
Auch warn die hund nit weit davon.
Da trollet sich der fuchs so bald
Den berg hinauf nach jenem wald
Mit lerem bauch; da fand er stan
Ein birnbaum schon und wol getan;
Stund hoch dort oben an eim zaun
Voll schöner birn, gelb, rötlicht, braun.
Da er's sahe, ward der fuchs so fro,
Er sprang frölich und sprach: "Da, do,
Hie ists, da ich mich laben sol,
Habs ee gessen, sie schmecken wol."

Lief undern baum und sucht die birn.
Da war fürhin ein kleine dirn
Des morgens mit eim korb gewesen
Und hets allsamen aufgelesen,
Dem armen fuchs gar kein gelaßen.
Da ward er zornig über dmaßen
Und so verbittert gar und ganz;
Er schlug an baum mit seinem schwanz
Ein mal, drei, vier; doch keine fiel.
Er sprach: "Fürwar, ich ir nit wil;
Sein noch nit reif, ja hart und saur;
Es fress kein hungeriger baur.
Ich kenn gar wol das ungeziber;
Der's isst, der kriegt fürwar das fieber.
Wenn ich auch gunt hinauf zu steigen,
Möcht ich in letzen an den zweigen;
Ee ich dem baum wolt schaden tun,
Nem ich ein gans ja für ein hun."

Bei dem fuchs werden angezeigt,
Die zu den dingen sein geneigt
Und sten darnach mit alln geberden,
Die in doch nimmer mögen werden.
Die teten recht, dass sich des maßen,
Von unmüglichen dingen lassen.
So bald dir nit ein ding mag werden,
Vergrab dein danken in die erden
Und sprich: Was mir nit wol mag wern,
Da wöll mir Gott den sin abkern!

Fabel 274
Von einem Knaben und dem Scorpion

Beim weg ein kleiner knabe gieng
Im sommer und die grillen fieng,
Spielt mit muscheln und kleinen schnecken
Und griff die grüne heuschrecken.
Da fand er auch ein scorpion,
Den wolt er auch ergriffen han.
Der wurm des knaben einfalt sach,
Kert sich bald umb und zu im sprach:
"Hüt dich! wo du mich wirst anrüren,
So tustu dich nur selbs verfüren
Und komst in deiner unwissenheit
Umbs leben und in ferlichkeit."

Wer gute warnung gern annimt,
Dem großen schaden oft entkümt,
Wenn er sich nit tut übereilen,
Bedenkt die sach von beiden teilen,
Den lert die fürsichtigkeit wol,
Was er tun oder lassen sol.

Fabel 275
Vom Weideman und einer Wachteln

Ein weidman lang den wachteln pfeift,
Bis er zuletzten ein ergreift.
Die seufzet und sprach: "Lieber weidman,
Ich bit, wöllest mich leben lan,
So wil ich dir das angeloben,
Solt wachteln gnug zu fahen haben,
Wil dirs mit haufen einher füren,
Dass du solt haben gnug zu schmieren."
Der vogler sprach: "Nu solt nit leben,
Weil du bist so gar übergeben
Und wilt dein eigen freund verraten,
Drumb soltu werden erst gebraten."

Wer seinem bruder tut nachstellen,
Dass er in mög mit listen fellen,
Der hat verdient, ists auch wol wert,
Dass in erwürg seins vatters schwert.
Man sagt, es sei kein größer misteter
Denn seins eigen vatterlands verräter.

Fabel 276
Vom Hasen und der Schnecken

Ein has belacht ein arme schneck
Und sprach: "Du ligst so tief im dreck;
Soltest eim hund also entlaufen,
Ja in der pfützen wurdst ersaufen."
Da sprach die schneck: "Weil du nun mich
Verachtest so gar jemerlich,
Des ich mich nit versehen het,
Wil mit dir laufen in die wett.
Der fuchs sol stecken uns das ziel,
Zwen schritt zuvorn dir geben wil;
So sol man sehn heut disen tag,
Was die schneck und der has vermag."
Dem gschahe also; er nam drei schritt:
Da blieb er sitzen, achtets nit.
Ein süßer traum in da ergriff,
Wol in die dritte stunde schlief,
Gedacht: derhalben darfst nit eil,
Gee gmach und nim dir wol der weil.
In dem seumet sich nit die schneck,
In einem gang kroch für sich weg,
Bis sie zum erst erlangt das ziel;
Da felt dem hasen noch gar vil.
Die schneck kam bei scheinender sonnen:
Da hets dem hasen angewonnen.

Mancher sich auf sein sterk verlässt,
Ist warlich darumb nit der best,
Schleft deste lenger, seumet gern.
Man sagt: mit mußen komt man fern.

Fabel 277
Von der Weiden und einer Axt

Es hieb ein baur ein große weiden
Mit seiner axt; das must sie leiden,
Das er auch mit demselben beil
Aus der weiden macht große keil.
Da schrei die weid: "Owe und ach!
Es wer gnug an dem ungemach,
Dass mich der man het abgehauen;
Zum großen unglück muss anschauen,
Dass er macht keil aus meinem leib,
Damit er mich zu stücken treib."

Wenn uns die feinde schaden tun,
Ist merer teil verdienter lon;
Das ist im herzen ein feurig spieß,
Wenn uns die freunde tun verdrieß.

Fabel 278
Von zweien Bäumen

Für einem hagen an eim rein
Stunden zwen schöner bäume fein,
Ein birnbaum und ein apfelbaum;
Dazwischen war ein wenig raum.
Die beid stets mit einander kriegten,
Einander vil scheltwort zufügten;
Ein jeder daucht sich sein der best,
Drumb wolt auch keiner sein der letzt.
Irs adels halben war der krieg.
Keiner dem andern ein wort verschwieg.
Ein dornbusch stund zwischen in beiden,
Der kunt den kief nit lenger leiden,
Den er so lang het angehort:
In verdrossen die lesterwort,
Gedacht: möcht ich das üppig kempfen
Entscheiden und in freundschaft dempfen!
Und sprach zun selben schonen beumen:
"Ich bit, ir wölt solch unlüst reumen.
Was hilfts, dass ir einander plagen?
Weil ir seid zamen freund und magen
Von hohen bäumen, edlen stemmen,
Drumb solt ir nit einander hemmen,
Sondern wie freund gütlich vertragen."
Da ließen in die bäume sagen
Und legten ab alln neid und hass:
Der dornbusch bracht zu wegen das.

Es komt oft, dass ein gringer man
Ein große sach entscheiden kan
Bei großen herrn, die sich nit wöllen
Durch herrn lassen zu frieden stellen,
Lassen sich oft mit klugen reden
Vom gringen man sprechen zu freden,
Wie Esopus, der ungeschlacht,
Durch seine weisheit frieden macht
Zwischen Cröso, dem könig reich,
Der dazumal het keinen gleich,
Das im das land zu Samo dankt
Und er damit groß lob erlangt.

Fabel 279
Von zweien Maulwerfen

Von art sein alle maulwerf blint,
Kein sehenden man nimmer findt.
Zwen lagen zamen in der erden,
Da sie ernert und gboren werden.
Zu seinem vatter sprach der klein:
"Lieber, was mag das neues sein?
Ich riech ein starken gschmack vom broten
Und vom fleisch, als obs wer gesoten."
Nit lang darnach sprach abermol:
"Sih doch, was ich dir zeigen sol:
Ein hohen ofen wol durchhitzt,
Und wie das feur fast umbher blitzt!"
Bald über eine weil nit lang
Sprach er: "Ich hör ein hellen klang
Von hämmern auf ein amboß schlagen:
Was wunders wird sich nun zutragen?"
Des lacht der alt, sprach: "Liebes kind,
Ich halt, du bist nit allein blind,
Du hast die nasen und die orn,
Wie mich dunkt, zum gesicht verlorn."

Es ist mancher so gar rumretig,
Sich selb zu preisen wundertetig,
Fert oben aus, sich nergn anstößt,
Doch sich zu mermaln selber tröst:
Wenn er groß von im selber gicht,
Sich oft in seiner red verspricht
Und wird im kleinen lügen straft,
Da er sich großes lobs verhofft.
Wer sich liegens wil understan,
Der muss ein frisch gedechtnus han.

Fabel 280
Von der Wespen und Wachteln

Als ein wespe und wachtel gro
Ausflohen mit einander do
In einem dorren sommer heiß,
Das eim jeden ausbrach der schweiß,
Zu einem bauren solcher gstalt,
Das er aus seinem brunnen kalt
Jedem ein wassertrunk wolt geben,
Vor durst köntens nit lenger leben.
Die wachtel sprach: "Gibstu uns das,
Sol dir der wein geraten baß!"
Die hornus sprach: "So wil ich fliegen
Umb den garten, dass nit die ziegen
Tun schaden, oder sonst ein ber;
Tag, nacht wil ich fliehen umbher."
Da sprach der baur: "Wer leichtlich glaubt
Die ding, damit er nicht begabt,
Der leugt oft, wenn er nicht geleist.
Ich hab zwen starker ochsen feißt,
Die globen nichts und tun doch vil;
Den ich mein wasser geben wil.
Frag nit nach solchen losen boßen:
Mein brunn bleibt wol vor euch beschloßen."

Wer sich legt auf die faule seiten,
Wil sich neren von andern leuten,
Dem schadts nit, das sein anschlag feilt,
Und nit all zeit wird mitgeteilt.

Fabel 281
Vom Jupiter und der Schlangen

Da Jupiter wolt hochzeit haben,
Kamen all tier, brachten gaben,
Ein jeder gab, was er vermocht.
Die schlang ein schöne rosen bracht.
Jupiter sprach: "Von allem tier
Nem ich's, wie sie es bringen mir;
Aber die schöne rote rosen
Nem ich fürwar nit von dem bösen."

Wenn eim die bösen gaben geben,
So darfs wol, dass man sehe gar eben,
Das nicht der schalk darin verborgen:
Vorm frommen darfst dich nit besorgen.

Fabel 282
Von einem Floch

Ein floch stach einen, dass er rief
Und bald dasselbig tier ergrif;
Er fragt: "Was bistu für ein tier,
Dass du on schuld tust schaden mir?"
Er sprach: "Ich bin der gsellen ein,
Die den leuten so schedlich sein
Und stechen, wo sie's überkommen,
Jedoch das leben ungenommen.
Drumb lass mich wider anhin hupfen,
Das ich ein andern auch mög rupfen."
Er sprach: "Hör wol, wilt nit ablan,
Denkest noch mer schaden ze ton.
Du komst nit mer zu dein genossen,
Zwei hörner dir den hals abstoßen."

Wer bös zu tun im herzen hat
Und kans nit bringen zu der tat,
Der ist auch solcher straf wol wert,
Die den mistetern ist beschert.

Fabel 283
Vom Man und zweien Frauen

Als im glenz und im meien grün
Ein man ward so gar frech und kün,
Des geils und kützels also voll
Und nam zwei weiber auf ein mal;
War nit zu jung, auch nit zu alt,
Sein har halb grau, halb schwarz gestalt.
Das ein weib war nun wol betagt,
Het den gorren schier abgejagt;
Die ander war noch frisch und jung,
War wol gerüst zum stoß und sprung.
Die jung börstet im oft den kopf:
Wo sie fand graue har im schopf,
Zohe sie im aus; desgleichen tet
Die alt, doch andre meinung het:
Sie rauft im aus die schwarzen har,
Bis im der kopf ward kal und bar.
Denn wie sie im beid waren hold,
Gedacht ein jede, dass er solt
Sich dester e zu ir gesellen.
Damit in teten gar verstellen:

Zu schand für jederman must stan
Und solchs für seinen fürwitz han.
Eim alten rat, das er so bleib:
Ferlich ist's, dass er nimt ein weib;
Kan er sich aber nit enthalten,
Lass er's mit seines gleichen walten.

Fabel 284
Vom Pferd und einer Fliegen

Im karren zohe ein altes ros;
Drauf lag ein last gar schwer und groß,
Das im zu ziehen ward ganz saur.
Mit einer geiseln triebs der baur.
Das sah ein flieg und flohe hinach,
Dasselbig pferd gar weidlich stach
Und sprach: "Gee fort, gar sere lauf,
Sunst hör ich nit mit stechen auf.
Denn ich bin's, der dich so ser sticht."
Das pferd sprach: "Zwar, es schadt mir nicht.
Dein bochen mich gar wenig letzt;
Der baur mich mit der geiseln hetzt.
Wenn mich derselb nicht fort hieß gan,
Deinthalben blieb ich wol bestan."

Wer an im selber ist gar nichtig
Und zu allem guten untüchtig,
Wenn der etwan ein frummen sicht,
Welchen das unglück hart anficht,
So muss er auch sein trutzen fülen,
Und wil sein mütlin an im külen,
So er doch selb nit so vil töcht,
Dass er im das handwasser brächt.
Wer ligt und selb nit aufsten kan,
Den überlauft bald jederman.

Fabel 285
Von dem Hornüsch und einer Binen

Zu dem hornüschel kam ein bin:
"Sag, was hastu damit im sin,
Dass du so feindlich einher schnurrst
Und mer denn unser fünfe murrst?
Heltst dich so trutzig und so prechtig,
Als werst noch zehenmal so mechtig.
Taugst doch zu keinen guten sachen,
Kanst weder wachs noch honig machen
Und suchst gleich mir in grüner heid
Und süßen blumen deine weid,
Ja, welchs das aller ergste ist,
Mit triegerei und falscher list
Stilst und verzerst die edlen gaben,
Die wir mit arbeit gsamlet haben;
Auch schwermst so hoch und prechtig her,
Als ob deins gleichen niergen wer,
Machst dich auch bei den leuten rüchtig,
Als werstu edel, frum und züchtig.
Kanst doch nit mer denn hauen, stechen,
Den baurn die leimen wend zubrechen."

Er sprach: "Hör mich, mein liebe mum:
Mit bosheit gwint man auch oft rum.
Ich wolt (wie durch tugent die frommen)
Auch gern durch schand zu eren kommen."

Die welt ist jetzt so gar verrucht,
Dass sie durch schand oft ere sucht.
Denn wer sich nit der tugent fleißt,
Redlich in eren sich beweist,
Dem sagt man auch kein lob nit noch,
Wie billich ist; so tobt er doch
Und machts so, dass man von im sag,
Setzt leib und leben in die wag,
Tut gleich wie Sorostrates tet,
Seiner tugent halb kein rum nit het,
Der zündt den schönen tempel an
Zu Epheso in Asian,
Der hoch berümt und weit bekant,
Der Diane, in ganz Griechenlant.
Da man in fragt, warumb ers tan,
Er sprach: "Ich muss ein gdechtnus han,
Auf dass man in zukünftgen tagen
Auch etwas wist von mir zu sagen."

Fabel 286
Vom Ochsen und einem Wider

Der wider, geborn von einem schaf,
All sein genossen übertraf:
Ein starker schelm und böser tropf,
Der trug zwei hörner auf seim kopf,
Die waren knorrecht, rund gebogen,
Zun seiten umb den kopf her lagen.
Darauf er sich trutzlich verließ,
Die andern all zu boden stieß,
Es weren geisböck oder wider,
So warf ers in eim stoß darnider.
Derhalben sich gar hoch aufmutzt,
Zu ser auf seine sterke trutzt
Gleich einem ber und wilden tier.
Legt sich in kampf mit einem stier
Und widern selben feindlich kriegt;
Gedacht: ich hab vor stets gesiegt,
Stoß in auch in eim hui zur erd,
Dass er meiner sterk auch innen werd!

Und sich bald an den ochsen rieb.
Derselb ein wenig steen blieb,
Zorniglich bei im selber dacht:
Wer hat dich jetzt so trutzig gmacht?
Und auf den wider gar ergrimt
Ein starken dapfern zulauf nimt.
Im ersten stoß also erschreckt,
Dass er all viere von im streckt,
Das blut im aus der nasen schoss,
Sein ghirn im umb die oren floss.
Wie er das spiel verloren sach,
Sterbend er zu im selber sprach:
O we mir groben, tollen narren,
Dass ich mich leget an ein farren,
Dem ich nit gleich erschaffen bin;
Mein sterk und leben fert dabin!
Wer nit seim ding tracht weislich nach,
Vermisst sich in der erst zu hoch,
Derselb auf halbem weg erligt
Und oft den spot zum schaden krigt.
Ob du ein gringen kanst erlegen,
Soltu dich drumb nit bald erwegen,
An einen größern dich zu reiben,
Sunst wird er dir den geil eintreiben;
Es ist vil besser, erst besinnen,
Was deine schultern tragen künnen.

"Ein schiflin klein", wie Naso sagt,
"Das sich aufs kleine wasser wagt
Und auf eim engen teich kan schweben,
Sol sich drumb nit ins mer begeben."

Fabel 287
Von einem Hunde

Mir ward von Straßburg neulich kund:
Da saß ein bürger, het ein hund,
Den er mit fug und ungefug
Glert, dass er im den korb nachtrug.
Wenn er zu markt kauft fleisch und fisch,
Käs, eir, und was man darf zu tisch,
Pflag er, wie im sein herr tet sagen,
Im selben korb fein heim zu tragen,
Das sich nicht bekümmern dorft derhalb.

Einst kauft er von eim feißten kalb
Ein braten und die kuttelflecken,
Tets in den korb zusamen stecken
Und gabs dem hund, wie er sonst pflag,
Und sprach: "Nims hin und heimhin trag!"
Er gunt den korb ins maul zu fassen
Und trug in durch ein lange gassen.
Da warn vil hund, die in anzannten
Und sich all über in ermannten,
Umbs selbig fleisch sich mit im bissen,
Dass im zuletzt den korb entrissen;
Denn ir war sunst ein ebner stoß,
Und waren im auch vil zu groß,
Dass er sich dleng nit kunt erwern.
Huben das fleisch an zu verzern,
Fraßens und hetten ein groß gedös,
Bissen sich weidlich umb das krös.
Er dacht: es wil den ritten han!
Und nam sich auch des fressens an.
"Sihe wol, es wil verzeret sein!"

Fraß serer denn der ander kein.
Bei disem hund wird warnung tan:
Wo etwan ist ein biderman
In kriegs not, in der bösen zeit,
Wenn Hans Marter und bruder Veit
Mit großen rotten bei im hausen,
Durch alle winkel nemlich mausen,
Gar unziemlich fressen und saufen,
Auf dass ja nichts mög überlaufen,
Der kan nit baß in solcher sach,
Denn dass er sich mit in frölich mach
Und zech, gleich wie die andern tun;
Im wird doch sonst nit mer davon.

Fabel 288
Vom Wolfe und Fuchse

Im winter kalt hin nach weihnacht
Sich ein hungriger wolf aufmacht
Aus jenem holz, lief in das felt,
Gar fleißig nach der narung stellt.
Denselben da der fuchs ersach.
Er lief bald durch ein kleinen bach
Und netzet sich da gar und ganz,
Dass im bald hart gefror der schwanz.
Lief gegem wolf und tet in grüßen.
Er sprach: "Köntst mir den hunger büßen,
Wie jens mal in dem holen weg,
Da du mir gabst ein seiten speck.
Der hunger hat mich hart besessen,
Hab nit in dreien tagen gessen,
Und halt, du hast früh morgens heut
Gar wol gelebt an guter weit,
Umbsunst bistu zwar nit so nass."

Er sprach: "Dir solt wol werden baß,
Wenn du mochtst karpfen oder hecht,
Und ich dich etwan dahin brecht,
Da du möchtst fahn in dreien stunden,
So vil deinr fünf ertragen kunten,
Wenn du dein schwanz auch woltest netzen,
Ein stund, zwo, drei aufs eis zu setzen,
Und tetest, wie ich dich wolt lern."
Da sprach der wolf: "Von herzen gern!"
Er lief mit im hin auf das eis
Und sprach: "Ich weiß ein neue weis
Zu fischen, wil ich dir vertrauen."

Da war ein loch ins eis gehauen,
Da man das wasser pflag zu schepfen.
Er sprach: "Du solt dich heut wol kröpfen,
In disem loch vil fische sein.
Den schwanz heng über d'helft hinein;
Denn mustu stetes halten still.
Und horch, was ich dir sagen wil:
So kommen zhand die fisch mit haufen
Allsamet nach dem schwanz gelaufen
Und bleiben all daran behangen,
Werden also von dir gefangen.
Du must dich aber gar nit regen
Oder im wasser den schwanz bewegen
So lang, bis ich dir's werd ansagen.
Die fisch wil dir heim helfen tragen;
Wir sein hie sicher, darf keiner forcht."

Er tet im so; der wolf gehorcht.
Bald im der schwanz im eis erstarrt;
In dreien stunden gfror so hart.
Er sprach: "Halt noch ein wenig still!
Zuhand ich dir's wol sagen wil,
Bis ich erst hinder jenem strauch
Ausleren mag den vollen Bauch."
Der fuchs bald durch den schnee so tief
Einer gans bis an das dorf nach lief.
Des wurden bald die leut gewar
Und hetzten all die hunde gar,
Dem fuchs sie haufet liefen nach;
Der fuchs weit vor den hunden floch
Und sprach zum wolf: "Es ist jetzt zeit,
Zeuhe auf den schwanz; nit lenger beit!"
Er sahe die hund und wolt auch fliehen;
Da kunt er nit den schwanz ausziehen,
War gar erstarrt vor großem frost:
Zuletst in selb abbeißen must;
Wolt er anderst retten das leben,
Must er den halben schwanz drumb geben.

Wer sich behelfen kan mit liegen,
Weiß nichts denn nur die leut betriegen,
Der hat groß lust und gfallen dran:
Drumb sol sich ein fürsichtig man
Für solchen füchsen wissen zhüten,
Dass sie nit füchsisch in sie wüten,
Ir red nit bald in credo schreiben:
So mag er unbetrogen bleiben.

Fabel 289
Von zweien Brüdern 1

Ein reicher man, da er solt sterben,
Da ließ er seinen zweien erben
Haus, hof, vil hab und großes gut,
Wie noch manch reicher bürger tut.
Nach seinem tod das gut ward teilt
So gleich, dass keim daran nichts feilt.
Weil sie nu waren all beid reiche,
Setzten sie sich daselb zugleiche;
Ein jeder sich desselben nert,
Was im vom erbfall war beschert.

Der eltest bruder fürbaß dacht
Und het seins dinges gute acht,
War heuslich, stellt der narung nach,
Zu allen dingen selber sach,
Wie er versorget weib und kind,
Auf knecht und mägd und als gesind
Gar fleißig sahe im hof, im stall,
Im haus, im keller überall.
Im garten, wiesen, auf dem acker
War er abents und morgens wacker,
Bestellts als selber vorn und hinden
Und ließ an keinem nicht erwinden,
Auf all sein gscheft groß achtung gab:
Drumb nam er zu an gut und hab;
So ser in reichtum fürbaß kam,
Dass jederman groß wunder nam.

Dagegen war der ander bruder,
Der soff sich voll und lag im luder
Und lebt beid tag und nacht im saus,
Kam oft umb mitternacht zu haus
Und hielt sich zu den guten gsellen,
Die stets nach guten trünken stellen,
An weib und kind nit vil gedacht,
Und was das gsind daheimen macht.
In all sein dingen war nachlässig;
Sein tugent war nur faul und fressig.
Damit sein gut und all sein hab
Von tag zu tag nam immer ab,
Und gwan das gütlin bald den sturz,
Dass alle nesteln wurden kurz.
Denn vil vertun und wenig werben,
Das ist der recht weg zum verderben.
Zuletzt, da er den schaden sach
Und ward auch in dem seckel schwach,
Da gunt er fast die sach bedenken;
Doch wist er sich nit drein zu lenken,
Fand keinen rat, wie er dem schaden
Vorkommen solt und sichs entladen.

Gieng hin, solchs seinem bruder sagt,
Sein not und unfall herzlich klagt,
Wie sein narung an stück zu stück
Vertürb und teglich gieng zurück;
Bat, dass er wolt mit wort und taten
Behilflich sein und treulich raten,
Und sprach: "Sag, waran ists gelegen,
Dass dich Gott mer denn mich tut segen?
Je mer zunimt dein hab und gut,
Je mer sichs mein vermindern tut."
Er sprach: "Weil du dich alles guts
Zu mir versihst und wir eins bluts
Sein, auch an einer brust gelegen,
Kan ich nichts lassen underwegen,
Zu raten als, was dir mag nutzen,
Dein hab zu meren und zu schutzen."

Und sprach: "Da man zelt fünfzehn hundert,
Das gülden jar ward abgesundert,
Zohen vil leut hinauf nach Rom,
Der meinung, dass sie wolten from
Ir sünd büßen und besser werden:
Des flißens sich mit allen berden.
Die zeit auch unser vatter zoch
Umb heiltum und dem ablass noch;
Ein köstlich stück der babst im gab,
Das bracht er mit von Rom herab.
Da er nun kurz vor seinem end
Het gmacht sein endlich testament,
Da rief er mir und zu mir sagt:
Ich bin nun alt und wol betagt.
Weil du nun bist mein eltster son,
Wil ich dich etwas wissen lon.
Dies heiltum mit von Rom hab bracht,
Das hat mich groß und reich gemacht;
Denn der art ist's und hat die kraft,
Dass großen nutz den frummen schafft,
Dem, der es hat und nit ablegt,
Sondern in eren bei sich tregt
Am hals all tag, beid frü und spat,
Und get über alles, was er hat,
In all sein kammern, auf den söller,
In stall, in hof und in den keller.
So kumt er durch das heiligtum
Zu reichtum, ern und großem rum
Und wird in all seim tun gesegnet,
Daß eitel glück nur auf in regnet.
Und reicht mir hin dasselbig stück
Zu meinem übergroßen glück.
Da lief ich zu auf solch sentenz,
Entpfiengs mit großer reverenz
Und tet, wie mich der vatter hieß,
Und Gott meinr sachen walten ließ.
Zu stund mein hab und gut aufwuchs,
Ward als voll glücks und gutes fugs.
In allem dem, das ich angriff,
War Gott allzeit selb mit im schiff:
Das korn im feld, im stall das vich
Geriet stets wol und meret sich,
Und schlug als haufet zu mir zu.
Mir starb kein pferd noch kalb noch ku;
Das gsind tet alles, was ich wolt,
Ward reich an silber und an golt.
Also hab ich mich eingericht,
Dass mir (Gott lob) jetzt nichts gebricht."

Da ward der ander fro und sprach:
"Ach, lieber bruder, lass nit nach,
Gib mir des heiltums nur ein teil,
Dass mir davon auch glück und heil
Geschehen mög, und sich vermer
Mein hab und gut, mein glimpf und er."
Er sprach: "Nach dem wir beide sind
Eins vatters und einr mutter kind,
Dest lieber dich gewer deiner bitt
Und mag dirs zwar verhalten nit."
Und sprach: "Setz dich ein weil darnider."
Er gieng hinaus und kam bald wider
Und zohe hervor ein kleinen schrein,
Mit zweien fingern griff hinein.
Ein seiden tüchlin, zsamen gwunden,
War fest vernet und zugebunden,
Das gab er im und sprach: "Hab acht,
Das bündlin nit werd aufgemacht;
Henks an dein hals, tu wie ich sag,
Trags abents, morgens, tag bei tag
An alle örter, an die end,
So weit sich streckt dein regiment.
Wenn du das tust, so wirstu sehen,
Dass alles wird also geschehen;
Nach allem wort der rede mein
Das heilgtum wil getragen sein."

Er nams bald hin auf solchen bscheid
Und gieng zu haus mit großer freud
Und zeigt solchs an auch seiner frauen;
Lief hin und tet bald umbher schauen
Mit dem heilgtum an allem ort
Nach der ler und seins bruders wort.
Zum erst war auf den söller gstiegen:
Das korn fand er zerstreuet ligen,
War voll geschissen von den katzen
Und gar zerbissen von den ratzen
Und vom gesind also zertreten,
Als hets ein sau mit füßen kneten.
Durchs dach der regen het neintropft,
War hie und da mit stro gestopft.
In allen winkeln auf der bün
Wars ausgewachsen recht grasgrün.
Groß ritzen waren in den dielen,
Dadurch die körner abhin fielen,
On was das gsind sonst het abtragen
Und mit dem messen underschlagen.
Denn ungedeicht war auch die tür
Und lang kein schloss gewesen für.
Wie er des alles ward gewar,
Der man entsetzt sich ganz und gar.

Eilends hinab in keller lief;
Da stund ein pfütz zum enkel tief,
Er fand kein deichtes, volles fass,
Sie waren unden alle nass.
Vor eitelkeit die dunnen klungen,
All hauptreif waren abgesprungen,
Lag alls verwarlost und vergossen;
Die tür stund offen, ungeschlossen.

Im selben zorn lief naus in stall;
Da fand er schaden überall:
Das vieh war mager und ganz rauch,
Stund gar in mist bis an den bauch;
Under der krippen lag das heu,
Das braucht man wie das stro zur streu.
Im ganzen stall war nit ein strigel;
Die pferd warn straubicht wie die igel,
Gar ungefüttert, ungetrenkt,
Kein zaum noch sattel aufgehenkt;
Der futterkasten stund weit offen,
Da warn die zigen durchgeloffen.

Bald lief er auch hinaus in garten,
Fand auch daselb die offne pforten,
Zum teil der zaun war gfallen umb;
An andern enden stund er krumb.
Vom obs war gstoln das allerbest,
An bäumen hiengen dorre äst,
Apfel und birn zerstreuet lagen,
Waren halb reif von bäumen gschlagen;
Die gseten kreuter gar zerrült
Und von den seuen ausgewült.
Die potstem und die jungen pfroffen
Etlich im wasser warn ersoffen;
Welch sich hettn wassers halb erquickt,
Warn von disteln und dorn erstickt,
Und die sich sonst erholen kunden,
Die waren von dem vihe geschunden.

Dergleich im feld stund das getreid:
Dadurch giengen vil wegescheid.
An einem ort wars gar erseuft,
Am andern von dem vih zerschleift,
Vil hets der hagel nidergschlagen,
Das best war gschnitten und weggetragen,
On was mit disteln und mit dorn
Durchwachsen war und gar verworrn.

In summa, wo er sich hin wendt,
Wars eitel schad an allem end.

Er sprach: "Der ding mir keins gefellt,
Ich meint, es wer vil baß bestellt
Und als geschehen durchs gesind,
Sihe aber wol, dass sichs nit findt,
Wie ich in solchs tet zuvertrauen."
Hub bald an hie und dort zu bauen
Beid abents, morgens, spat und fru,
Sahe selb an allen enden zu,
Zur arbeit stets hielt mägd und knecht;
Da giengs von stat, ward alles schlecht,
Und stund mit alln sein dingen baß.
Der alten gsellschaft gar vergaß,
Blieb stets daheim bei kind und weib;
Ein jar, zwei, drei dasselbig treib.
Da wuchs von stund als, was er het,
Und zusehens sichs meren tet,
Dass alles dings war überflüssig,
Nach dem er selb war nimmer müßig.
In haus, in hof und in den stall,
In keller und sonst überall,
Hinaus ins felt und bei dem pflug
Das heilgtum stets gar fleißig trug,
Bis er an allem sahe sein lust.
Jedoch dabei nit anderst wust,
Denn dass als kem durchs heilgtums gnad
Nach seines bruders guten rat.

Drumb wolt er im auch dankbar sein
Und nam vom hals das heilgtum rein
Und kniet vor großer andacht nider;
Darnach bracht ers seim bruder wider,
Mit großer reverenz hinlegt,
Wie man heilgtum zu eren pflegt,
Und sprach: "Bruder, von der zeit an,
Dass du mir hast dies heilgtum tan
Und ichs mit großer er entpfieng,
Damit über all das meine gieng,
Hat mirs in allem wol geglückt,
Mein sach sich recht und fein geschickt,
Get alles fein in seinem schwank:
Derhalben sag ich dir jetzt dank,
Und geb dir Gott das ewig lon
Vor solche güt und woltat fron,
Damit du mich so wol hast tröst."
Er nam das heilgtum, bald auflöst
Und zeigt dem andern, was er het
Für heilgtum geert und angebet:
Da wars ein stück vom encian,
Welchen der hund het fallen lan.

Die fabel gibt uns disen bericht,
Dass man sich all zu sere nicht
Verlassen sol auf sein gesind,
Auch nit zu streng, auch nit zu lind
Sol sein im schelten und im strafen,
In allzeit volle arbeit schaffen
Und speisen sie zu guter maßen,
Auch nimmer aus dem gsicht verlassen.
So weit als dein geschefte reichen,
Must nach in alle winkel schleichen
Und alles dings selbst achtung han.
Das sprichwort sagt: selb ist der man.
Sol dir der kopf recht werden zwagen,
Mustun selb zum barbierer tragen.

Ein könig einst ein weisen fragt,
Wie Xenophon der heid uns sagt,
Und sprach: "Sag, wie sol ichs anheben
Und was vor futter muss ich geben
Mein hengsten und mein besten pferden,
Dass sie feißt, glat und freudig werden?"
Er sprach: "Kein besser futter weiß,
Davon die pferde werden feißt,
Wie mich erfarnheit hat gelert:
Des herren aug füttert das pfert";

Das heißt, wo man stets zusicht selb,
Dass in der art recht stet das helb,
So g'deien pferd und alles vich,
Und alles gut vermeret sich.
Desgleichen Aristoteles
Uns auch der maßen brichtet des
Und sagt, es sei kein besser mist
Und der dem acker nützer ist,
Denn den der hausvatter selb tregt
An schuhen und in acker legt;
Das heißt, dass man selb selb zusicht,
Verlass sich sonst auf niemand nicht,
Wenns recht sol werden ausgericht.

Fabel 290
Von einem alten und einem neuen Wagen

Beim bauren war ein neuer wagen,
Der het noch nie kein last getragen,
Den lud der baur mit weizenkern,
Wolt farn zu mark, war eben fern.
Als er den wagen bracht zu weg,
Da gieng er langsam, faul und treg,
Er weinet, seufzet, knirrt und knarrt,
Gleich wie ein weberbogen schnarrt,
Dass man in hort von fern sich regen.
Da kam ein ander wag entgegen;
Der war nun alt und abgenützt,
Sein achsen waren zugespitzt;
Sein deichsel, felgen, speichen, naben
Verbraucht, geschwechet und verschaben,
Gebunden und mit ketten g'fasst,
Und trug dazu ein schwere last,
Dennoch gieng stillschweigend daher,
Gleich ob er hette kein beschwer.
Des wundert sich der wagen neu
Und sprach: "Ich bit dich auf mein treu,
Weil du bist alt und abgetrieben,
Dein blech an achsen dünn gerieben.
All dein gelider sein verkummen,
Von viler arbeit abgenummen,
Dein speichen mager und onmechtig,
Und dennoch solcher last bist trechtig,
Doch hört man solchen alten wagen
Gar selten seufzen oder klagen."
"Ei, lieber bruder", sprach der alt,
"Dies stets für mein gewonheit halt,
Wiewol mirs in mein glidern schmerzt,
Denn mit der last wird nit gescherzt;
Doch weil mirs ist gesetzt zur buß,
Dass ich nur immer tragen muss,
So gib ich mich darin auch willig
Und werd derhalben nimmer schellig.
Ich leids gedültig, ungekeicht:
Drumb wird mir alle arbeit leicht."

Weils in der welt so übel stet,
Auch in keim stande recht zuget,
So denk nur, wer recht leben wil,
Dass er im setz kein ander ziel,
Denn dass er sich zu aller frist
Zum leiden wapne, schick und rüst.
Denn wenn am schönsten scheint das glück,
Zeigt dir der unfall doch sein plick,
Und hast keins bessern zu erwarten;
Das scharpf gewint am ersten scharten.
Ein gmeiner schad ist gut zu wagen,
Ein teglich unglück leicht zu tragen;
Schwer tragen lert ein oft die not,
Die gwonheit leichte bürden hot.
Gut ists dem menschen, sagt die schrift,
Den unglück in der jugent trifft,
Von kind auf tregt des herren joch,
Dem wirds dest leichter hindennoch.
Wer sauren laur nit hat gekost,
Der kennt fürwar kein süßen most.

Fabel 291
Wie einer seinem Freunde gelt zu behalten gab

Vil gelts ein kaufman zamen legt,
Das het er mannich jar gehegt
Und eingemant von sein bezalern
An dicken groschen, groben talern.
Wie er wolt ziehen aus dem land,
Legt er dasselb zu treuer hand,
Dass ims zu weg kein feind mocht rauben,
Bei seinem wirt auf guten glauben.
Damit er seinen urlaub nam
Und über ein halb jar wider kam
Und fordert alsobald sein gelt.

Der wirt sein angsicht gar verstellt,
Sprach: "Hie ist nit wol zugesehen!
Groß schad ist bei dem gelt geschehen.
Ich meint, ich hets gar wol verwart,
In mein kasten beschloss ichs hart,
Dass sicher blieb und unverletzt;
Da han die meus hindurch gefretzt,
Den seckel gar zu stücken grissen,
Das gelt zernaget und zerbissen,
So gar vertragen und vertrieben,
Ist nit ein pfenning überblieben;
So ists verfressen und verschwunden,
Hab nichts denn eitel meusdreck funden."

Der kaufman, wie er war gar klug,
Bald, wie er merkt des wirts betrug,
Er sprach: "Was hör ich immer sagen?
Pflegen die meus auch gelt zu nagen?
Das hab ich warlich nie gewust,
Dass sie zu solcher speis han lust,
Fressen solch große harte stück.
So hastu warlich ser groß glück,
Weil du bist in der mitt gesessen,
Dass sie dich nit han auch gefressen."

Damit schweig still und gieng dahin.
Der wirt freut sich in seinem sin,
Dass er den kaufman het gefatzt,
Mit solcher list das gelt abgschwatzt.
Dieweil der kaufman gieng hinaus,
Findt auf der gassen für dem haus
Des wirtes son, ein knaben klein,
Der spielt und war nun gar allein.
Den bracht er bei der hand gefürt
Heimlich zu seinem andern wirt,
Hielt in dieselbig nacht verborgen.
Da kam der wirt am andern morgen
Und klagt demselben man sein sachen
Und sprach: "Gebt rat, wie sol ichs machen?
Mein einig kind ist mir entkummen:
Wisst ir nit, wer's hat weggenummen?
Habs in der kirchen, auf den straßen
Abkündigen und suchen lassen."
Der kaufman stund dabei und horts;
Er sprach: "Freund, glaubt mir nur eins worts:
Rechten sahe ich ein großen raben,
Der fürt hinweg ein kleinen knaben,
Floh daußen auf ein baum damit.
Ist er eur gwest, das weiß ich nit."
Er sprach: "Wie mag das müglich sein,
Dass in ein rab ertrüg allein?
Er ist beinahet vierthalbjärig:
Es wer eim wolfe überschwerig."
Er sprach: "Lasst euch nit wunder nemn,
Es sein wol größer ding geschehn.
Habt ir doch meus und kleine ratzen,
Die harte taler könn zuknatzen,
Dass man kein schart nit wider sindt:
Solt denn ein rab nit tragen ein kind?"
Da merkt der wirt der sachen gstalt,
Dass ern mit gleicher münz het zalt,
Und legt im bald sein gelt da nider;
Da gab er im das kind auch wider,
Und huben mit einander auf,
Gabn gleiche war in gleichem kauf.

Wo einer mit böser maß ausmisst,
Finanzet, renket als mit list,
Der darf kein anders nit gedenken,
Denn dass man zal mit gleichen renken,
Brengs im mit solcher maß zu haus,
Wie er selb hat gemessen aus.
Wer seine feder so wil scherfen,
Mit faulen fratzen auszuwerfen,
Der denk nicht, dass mans in verhebt.
Mit negeln man negel ausgrebt,
Und wird stets list bezalt mit list;
Ein fuchs auch wol den andern frisst.

Fabel 292
Von einer Bonen

Im dorf dort niden in der au
Da het ein arme alte frau
Ein wenig bonen zamen brocht,
Auf dass sie's irem manne kocht.
Sie macht ein feur und war sein fro
Und zündts an mit ein wenig stro,
Gedacht: es ist der müe wol wert!
Ein bon entfiel ir auf den hert
Ongfer, und dass sie's nit fand wider.
Ein glüend kol sprang bei ir nider;
Ein strohalm lag ongfer dabei:
Die kamen zamen alle drei.

Der strohalm sprach: "Ir lieben freund,
Von wannen komt ir beid jetzund?"

Da sprach die kol: "Mir ist gelungen,
Dass ich bin aus dem feur entsprungen;
Wo ich mit gwalt nit wer entrunnen,
Ich wer zu aschen gar verbrunnen,
So wenig tut man eins verschonen."

Desgleichen fragtens auch die bonen;
Sie sprach: "Dem alten bösen weibe
Entkam ich kaum mit gsundem leibe;
Wo sie mich auch in topf het bracht,
Het gwiss ein mus aus mir gekocht."

Der strohalm sprach: "Der maßen auch
Het sie ein feur und großen rauch
Aus allen meinen brüdern gmacht,
Ir sechzig auf einmal umbbracht,
Und bin ich von denselben allen
Ir ongefer allein entfallen.
Drumb, weils uns allen dreien glückt,
Ists gut, dass eins zum andern rückt,
Und uns verbinden mit einandern,
Und alle drei zusamen wandern,
Von solchem unglück zu entfliehen,
Fern hin in fremde lande ziehen."

Und stunden auf in einem sin
Und zohen mit einander hin.
Bald kamens an ein kleine bach;
Der strohalm zu der gsellschaft sprach:
"Hie han wir weder brück noch steg;
Auf dass wir dennoch kommen weg,
Wil euch zu gut mich des erwegen,
Zwergs über dise bach zu legen.
Ir all beid über meinen rücken
Mögt gen wie über eine brücken,
Wenn ich mich fein hinüber streck."
Die kol daucht sich freudig und keck,
Wolt auch wagen den ersten tritt.
So bald sie kommet in die mitt
Und sahe das wasser nider sausen,
Begunt der kolen ser zu grausen,
Stund still und war erschrocken hart.
In dem der strohalm brennend wart.
Zuhand zerbrach dieselbig brück,
Fiel nab ins wasser an zwei stück.
Die kol folgt bald hinnach und zischt,
Da sie das wasser auch erwischt.
Des lacht die bone auf dem grieß
So ser, dass ir der bauch zerriss.
Da lief bald hin dieselbig bone,
Auf dass sie möcht i'rs leibs verschonen,
Zum schuhster umb ein kleinen flecken,
Damit sie mocht den riss bedecken.
Der schuhster war ein frummer man,
Nam sich derselben bonen an
Und sprach: "Wolan, mein liebe bone,
Wenn du mirs treulich woltst belonen,
Wolt ich dir deinen hauch verpletzen,
Dafür ein schwarzen flecken setzen."
Und griff bald hindersich zu rück,
Schneid von einr kalbeshaut ein stück
Und nehts der bonen für das loch;
Denselben flecken tregt sie noch.

Die fabel uns dies stück bedeut:
Was tolle, unverstendig leut
Mit iren kindischen anschlegen
Anheben, brengen nichts zu wegen.
Weils im anfang nicht wol bedacht,
Wards nit zu gutem ende bracht.

Man sagt: ein unweislich anfang
Gewint gemeinlich den krebsgang.

Fabel 293
Von einem Edelman

Im zwei und siebenzigsten jar,
Da Neuß am Rhein belegert war
Von herzog Carol von Burgund,
Der nach all irm verderben stund,
Erhielts landgrave Herman aus Hessen,
Der das mal war in Neuß gesessen,
Wie sich der krieg verlengen tet,
Dass man nit vil mer zessen het;
Denn, wie man sagt, da man von tregt
All tag und nit wider zulegt,
Da wird zuletst der haufen klein.
Nun het der fürst vor sich allein
Ein kue, von der man alle tag
Die milch zur speis zu nemen pflag.
Beim fürsten war ein edelman,
Den facht auch not und hunger an;
Der gunt dieselbe kue einst fellen,
Schlachtets und aß mit sein gesellen.
Das blieb nun etlich tag vertust,
Dass es sonst niemand fremdes wust,
Jedoch zuletst wards offenbar,
Wo dieselb ku hin komen war.
Als solchs der fürst nun het vernummen,
Den edelman hieß vor sich kummen
Und straft in drumb mit worten hart,
Wiewol sunst draus nit bösers wart.
Denn solchs blieb zwar nit unbedacht,
Das in die not dazu het bracht
Und der hunger, das scharpfe schwert,
Sonst het er nit der ku begert.
Und was zwar keine große schand,
Dennoch tet's im im herzen ant;
Sprach zum fürsten: "So glob ich heut,
Dass hören all dis edelleut,
Mein dienst keim fürsten sagen zu,
Der nit mer hat denn eine ku."

Damit derselbig edelman
Gar höflich zeigt den kummer an,
Dass bei eim solchen großen herrn
Auch edelleut in notturft wern.
Doch solt er han rechnung gemacht
Und all umbstend der not betracht;
Aber auf solchs der bauch nit harret,
Er wil damit sein ungenarret.
Der hunger und die große not
Manchen dahin gezwungen hat,
Dass er mit raub den kummer büß:
Der hunger macht rohe bonen süß.

Fabel 294
Vom Landsknecht und einer Ku

Es gschah einsmals auf eine zeit,
Zwen fürsten hetten einen streit;
Ein jeder brennt, mordet und raubt:
War frei und den knechten erlaubt.
Ein landsknecht tet fleißig zuschauen
Und kam zu einer armen frauen,
Die het nit mer denn eine ku,
Im ganzen hause nichts dazu.
Verbarg sie heimlich in ir kammer
Und schlug fest zu mit einem hammer.
Da kam derselbig landsknecht hin
Auf guten berat, beut und gewin,
Begunt mit der frauen zu hausen,
Schlug katzen tot, wolt selber mausen,
Sucht umb zu irm großen verdrieß,
Im kurzen kasten lange spieß,
Fand nichts, het sich zu lang geseumt,
War vorhin alles aufgereumt.
Zuletzt ward er gewar der tür,
Stieß auf, lief nein und zoh herfür
Die ku, so er da fand allein,
Triebs hin; die frau lief nach und grein,
Sprach: "Hab nur die und keine mer!
Ich bit dich umb Marien er,
Lass mir's! ich weiß sonst nicht, wovon
Hinfürter sol mein futrung hon."
Er sprach: »Gee heim! es ist umbsust,
Dass du dich jetzt bemüen tust;
Drumb spar den weg und lass dein wandern.
Lass ich's dir, so nimt's doch ein ander.«
Begab sich, dass derselbig gsell
Gschlagen ward und kam in die hell,
Ins teufels kuchen heiße glut:
Da gschahe im, wie man solchen tut.
Ein junger teufel ward losiert
Zu im, dass er im mores lert;
Der blies im zu und macht im heiß.
Der landsknecht sprach: "Zwar ich's nit weiß,
Was ich dir vor den andern tan,
Die mich allsam mit frieden lan,
Und du so bist auf mich gericht."
Der teufel sprach: "Ei denkstu nicht,
Da du zur armen frauen kamst
Und die einige ku ir namst,
Ein ander nems, wenn ichs nit nem?
Also hie auch ein ander kem,
Wenn ich's nit wer, der dir zublies,
Ins teufels nam willkommen hieß."

Wer sein nehsten on schuld beschedigt,
Und doch entschuldigt und verthedigt,
Mag man mit antwort weisen ab,
Wie der teufel dem landsknecht gab.

Fabel 295
Vom Schiffman und einem Diebe

Einsmals da ich zu Lübeck war,
Gdacht nach Riga mit meiner war
Zur seewarts auf eim schiff zu farn.
Auf dass ich möcht damit ersparn
Zu land den langen bösen weg,
Der mich oft gmacht hat faul und treg,
Bedinget mich auf ein cravel.
Daselben kamen unser vil
Zusamen, mancher mutter kind,
Wie mans denn da gemeinlich sindt,
Als man im gmeinen sprichwort redt:
Die schiffleut fürn dieb in die städt
Und manchen frummen man zu haus:
Der henker fürt sie wider draus.

Wir furen hin im selben schif,
Bis an den zehnden tag herlief,
Ein großer sturm hub sich bei Gotland
Und nam auch plützlich überhand
Und dreuet uns so mechtig ser:
Wurfen vil güter naus ins mer.
Zuletzt wolts besser werden nit,
Der schiffer blies ins sibilit,
Sprach: "Fründ, all die mit mir sein hie,
Ein jeder fall auf seine knie
Und ruf zu Gott in seim gebet,
Dass er uns aus der not errett."
Da kam uns all groß schrecken an,
Wie ein jeder abnemen kan;
Wir waren allesam erlegen,
Hetten des lebens uns erwegen.
Da macht die angst und große forcht,
Dass jederman dem schiffhern horcht;
Er tröst das volk und gieng umbher:

Da fand er ein on als gefer,
Ein jungen übergeben gsellen;
Der tet sich zwar nit traurig stellen,
Er het ein kandel für und trank.
War frölich, bei im selber sang.
Sobald der schiffherr sein ward innen.
Gedacht, er wer nit wol bei sinnen,
Fragt in, sprach; "Was bist vor ein han?
Lest dir dies nit zu herzen gan,
Und sihst vor augen hie den tot?"
Er sprach: "Es hat mit mir kein not!
Wenn gleich das schiff zu grund wurd sinken,
So werd ich dennoch nicht ertrinken.
Denn ich zu hangen bin geborn,
Im wasser werd ich nit verlorn,
Es gieng denn übern galgen hoch:
Derhalben frag ich hie nit nach.
Ich hab mich all mein tag ernert
Der dieberei, nit anderst glert,
Und hab mein curs also gericht:
Wer hangen sol, ertrinket nicht."

Die gselln, die so irn datum setzen
Und all morgen ir messer wetzen,
Damit sie zwiefach riemen schneiden,
Ob sie denn auch am galgen leiden,
Des sol man kein mitleiden hon,
Solch arbeit fordert solchen lon;
Auf solcher kirchweih, solchem gottshaus
Teilt man kein andern ablass aus.

Fabel 296
Vom Baurn und Affen

Zu Mainz war ein reicher tumbpfaff,
Der het vor seiner tür ein aff,
Die het ein rock, geteilt von stücken,
Ein narrenkappen auf dem rücken,
Dran etlich schellen, die da klungen.
Da kamen kinder und die jungen
Und mit der aff vil wunders machten,
Dass all, dies sahen, irer lachten.
Dazu ein baur sich nahen tet,
Der nie kein affen gsehen het.
Er dacht, es wer ein ding gemacht,
Etwan durch kunst zusamen bracht,
Und sprach: "Wie wird die welt so behend!
Seltzam ding machen menschen hend,
Und alles umb des geldes willen,
Dass sie damit irn geizsack füllen."

Mancher redt aus unwissenheit
Und achtets selb vor groß weisheit:
Damit die leut oft lachen macht:
Schwieg er, so blieb er unbelacht.
Solch red sich zu den sachen findt,
Als wenn von farben redt ein blind.

Fabel 297
Vom Wolf und Fuchse

Der wolf und fuchs beinander warn
Und redten vil von alten jarn.
Der wolf sprach: "Hab vil lemmer bissen,
Vil kelber, kü und schaf zerrissen;
Wie ich die gens pflag heim zu treiben,
Ein buch solt man davon wol schreiben."
Das gschahe im wald, auf grünem platz;
Bald hub sich hinder in ein hatz
Von hunden, die nah bei in warn.
Da blies der jäger in sein horn
Und gunt die hund weidlich zu hetzen,
Das sie ans beide solten setzen.
Da sprach der fuchs: "Auf und davon!
Es ist auf uns all beid geton."
Der wolf sprach: "Hab noch vil zu sagen.
Sag, wohin wölln wir uns vertagen,
Wenn wir sein disem strauß entgangen?"
Er sprach: "Beim kürsner auf der stangen."

Wer in der jugent nit anderst gelert,
Denn dass er sich des stegreifs nert,
Der hat sich des gwiss zu vermuten,
Dass er zuletzt dafür muss bluten.
Ja, wenns gleich eben lang anstet,
Der krug vil jar zum wasser get,
Komt oft wider, wenns wol tut glücken;
Aufs letzt get er endlich zu stücken.
Man sagt, ein dieb sei nirgend baß,
Wenn man wil, dass er's stelen lass,
Denn am galgen, da hats kein gfer;
Bin bürg dafür, er tuts nit mer.
Dasselb ist auch ir letzt gericht,
Sonst lassens von gewonheit nicht;
Wiewol sie im ganz oft entgan,
Aufs letzt wils doch der galgen han.

Der fuchs ist gscheit und listig gnug,
Doch hilft endlich nit sein betrug:
Er wird zuletzt dennoch geschlagen
Und underm arm zur kirchen tragen;
Und bei dem kürsner auf der stangen
Werdens zusamen aufgehangen.
Da komen zobeln, mardern, lüchs,
Wolf, otter, biber, iltis, füchs,
Werk, hermlen, latsen, vilfraß, bern
Und lassen sich irn meister lern.
Empfehl den lon nach seiner tat
Ein jeder, wie er gearbeit hat.

Fabel 298
Von einem faulen Weibe

Es war in eim dorf ein fauls weib,
Die spart allzeit irn faulen leib
Und war der arbeit feindlich gram,
Beid in arm und in beinen lam;
Doch war sie in den lenden frisch,
Gegen zu halten stark und grisch.
Die het ein man, der sie fast trieb,
Selb nimmer von der arbeit blieb.
Gedacht, wie sie möcht haben rue,
Und gab dem pfarrherrn eine kue,
Auf dass sie gnade bei im fünd
Und er dest mer feirtag verkünd.
Kurz auf den sontag bald darnach
Der pfaff stieg auf die kanzel hoch
Und sprach: "Ich euch verkünden solt
Die feirtag, wie ir gerne wolt.
Der sontag ist zu feiren gmein,
Sonst weiß ich in der wochen kein;
Nur die frau, welch mir gab die kue,
Feir noch ein tag oder zwen dazu."

Wer gerne tanzt, mag man leicht pfeifen:
Wer gerne jagt, mag leicht ergreifen
Ein hasen oder sonst ein wilt,
Damit er seinen vorwitz stillt.
Also auch wer nit gerne arbeit,
Der findt auch wol zu aller zeit
Ursach, dass sich den glenz lässt stechen,
Solt er's auch von eim zaune brechen.

Fabel 299
Von zweien Brüdern 2

Ein arme witwe het zwen sün;
Der ein war lüstig, frech und kün,
Der ander treg, saß stets zu haus,
Schlief morgens lang, kam selten aus.
Der erst stund auf, gieng frü zu feld:
Da fand er ein beutel mit geld,
Bracht in seiner mutter bald zu stunden.
Sie war fro, dass er's gelt het funden.
Da lag sein bruder noch und schlief,
Vors bett die mutter zu im lief
Und sprach: "Sihe da, du fauler tropf,
Werst wert, der dich schlüg umb den kopf
Mit feusten und dich lüstig macht.
Sich hie, das hat dein bruder bracht,
Heut morgen frü funden am weg:
So leistu hie, bist faul und treg."
Er sprach: "Mutter, lasst euren zorn!
Het der, welcher dasselb verlorn,
Bis jetzt gelegen auf seim bett,
Mein bruder das nit funden hett."

Der faule sucht allzeit auszug,
Damit er sich entschüldigen mug.
Doch ists auch nit allzeit getan
Mit ser laufen und frü aufstan.
Mancher verschont ein kleinen regen
Und tut eim größern bald begegen.
Man sagt: Zu schaden, spot und hass
Komt man allzeit frü gnug zu maß.

Fabel 300
Vom Fuchs und dem Habich

Der fuchs zu einem habich sprach:
"Ich bitt dich, sag, was ist die sach,
Dass du die arm einfaltig tauben
So feindlich tust allzeit hinrauben?"
Er sprach: "Ich bin zum richter gsetzt,
Mein krummen schnabel drauf gewetzt,
Dass ich die bösen sol durchechten
Und die gerechtigkeit verfechten,
Auf das mit frieden sein die fromen.
Sie fressen auf dem land den samen,
Als weizen, erbeiß, wicken, lein:
Drumb muss man sie so treiben ein."
Er sprach: "Warumb straft nit die rappen,
Den weihen, adlar, geir und trappen?
Die han vil größern schaden tan,
Und lest's unschüldig frei hingan?"
"Nein", sprach der habich, "sie sein mir zhoch;
Wenn ich denselben stellet noch,
Soltens gar bald zusamen rücken
Und reißen mich zu kleinen stücken.
Drumb legn wir gen einander nider:
Sie schonen mein, ich schon ir wider.

Es ist nit ein geringe kunst,
Dass einer hat der herren gunst.

Verfolgstu doch den armen hasen,
Der tut nur auf der erden grasen
Und nur der grünen bletter gneußt,
Und schonst des wolfs, der schaf zerreißt.
Die hüner auch niemand betriegen
Oder offnen schaden zufügen,
Dazu dem menschen gar vil fromen
Und neren sich der kleinen kromen.
Die gens sein auch niemand schedlich,
Mit kurzem gras behelfen sich;
Doch werdens oft von dir erschlagen,
Wenn dus bein zeunen kanst erjagen.
Wenn man der frommen schonen solt,
So werstu gensen und hünern holt,
Den du doch stets tust widerstreiten,
Wie solchs bekant ist allen leuten."

Die alten han ein sprichwort bdacht
Und aus erfarnheit an uns bracht
Und sagen: Wenn das gelt zu ser
Get vor die tugent, zucht und er,
Und da die gwalt get übers recht,
Da wer ich lieber herr denn knecht.

Das zeigt uns an der alte boss
Vom heidnischen philosophos:
Der het sein leben so hinbracht,
Dass er sein tag nit het gelacht.
Der sahe ein armen dieb ausfüren,
Den solt man an den galgen schnieren.
Da man in bracht also gebunden,
Er lacht ganz ser; die umb in stunden,
Fragten, warumb er lacht des armen,
Des man sich billich solt erbarmen?
Er sprach: "Solt ich der welt nicht lachen,
Dass sie's so wunderlich tut machen?
Seltzamer könt mans nit erdenken,
Die großen dieb die kleinen henken."

Drumb sein die politisch gesetz
Ein spinnweb und ein fliegennetz,
Welchs die vögel frevlich aufheben;
Die fliegen bleiben drin bekleben.