Fabeln 3
 

Götze und Spatz
Hahn und Fuchs
Hahn, Hund und Fuchs
Häslein und Igel
Heuschrecke und Ameise
Jupiter und der kleine Finger
Jupiter und das Hochzeitsgeschenk der Schlange
Krähe und Taube
Löwe, Bauer und dessen Tochter
Löwe und Hund, Katze und Kamel
Löwe und Maus
Löwe und Wolf, Esel, Fuchs
Mond und Jupiter
Nachtigall und Raubvogel
Pferd und Wolf

 
Satyr und Wandrer
Schuldeneintreiber und Teufel
Sonne und Frösche
Sonne und Wind
Spinne und Seidenwurm
Stadtmaus und Feldmaus
Wolf und Lamm

 


Götze und Spatz

Es war ein Götzenbild, worinnen wie gewöhnlich der böse Feind seine Wohnung hatte.
Nun hat sich einer befunden, der diesem Götzen wenig Glauben gegeben und geschenkt,
wollte demnach hinter die sichre Wahrheit kommen, ob diesem hölzernen Gott zu trauen
sei. Zu solchem End legte er einen langen Mantel um, darunter er in der Hand einen
lebendigen Spatzen gehalten. Mit diesem Aufzug erscheint er im heidnischen Tempel vor
dem Abgott und fragt ganz keck mit diesen Worten: "Bist du ein rechter Gott, so sag, ob
das, was ich verborgen in der Hand halte, lebendig oder tot sei." Der arge Gesell
gedachte: wenn der Götz werde sagen, es sei tot, so zeige er geschwind den lebendigen
Spatzen; spricht er aber, daß es lebendig sei, so druck er dem Spatzen geschwind den
Kopf ein und zeige nachgehends den toten. Auf solche Art und Weis wollte er das
Götzenbild leicht zuschanden machen; aber dieser Götz, der mit dem Teufel gefüttert
war, wußte den Knopf leicht aufzulösen, gab also keine andre Antwort als diese:
"Wie du willst!" In Wahrheit ist in seinem, des Neugierigen, Willen gestanden das Leben
und der Tod des armen Vogerl.

Wer aber in dieser schlauen Welt begehrt, fortzukommen und sein gewünschtes Ziel zu
erreichen, der muß nit offenherzig sein, der muß das Herz nit in den Händen tragen,
wie man pflegt meinen hl. Vater Augustinus abzumalen, sondern muß die ganze Sach
wissen unterm Mantel zu halten; sonst wird ihm einer leicht die Spatzen ausnehmen;
der muß den Fuchsbalg als Spalier gebrauchen, dahinter er seinen Schild hängt, damit
ein andrer so leicht nit erfahren kann, was er im Schild führe. Er muß sein wie das
Wirtshaus zum Weißen Lämbl, wo der Wirt Herr Wolfgang heißt; er muß sein wie die
Apothekerpillulen, so von außen ganz verguldet, inwendig aber eine gallsüchtige Materi
haben. Er muß sich wissen in alles zu schicken wie ein Schambataschi und Hanswurst
Hut; er muß sich wissen hin und her zu lenden und wenden wie ein Gockelhahn auf dem Turm.


Hahn und Fuchs

Ein Fuchs hat auf eine Zeit einen Hahn auf einem hohen Zaun krähen gehört,
ist demnach eilends hinzugeloffen und hat den Hahn über alle Maßen gelobt und
hervorgestrichen. "Mich wundert", sagt der Fuchs, "daß unser Gott Jupiter mag auf
einem Adler reuten; wann er doch hat wollen einen Vogel auserküsen, so hätt er dich,
wertister Hahn, sollen erwählen: du trägst ja einen solchen schönen, vielfarbigen
Schweif, als wann der selbe von einem Regenbogen war abkopeiet! Anstatt des Barts
hat dir die Natur einen so edlen schönen Kamm gespendiert, daß er farbhalber auch mit
dem Purpur trutzen könnt; deine scharpfen Klauen sind nichts anres als zwei
martialische Waffen, mit denen du dich und dein geflületes Frauenzimmer ganz
heldenmütig defendierest. Wie soll ich erst rühmen deine hohe Vernunft, indem du dich
gar auf den Lauf der Himmels-Gestirn verstehst, den Tag mit größter Wachsamkeit
andeutest und also den Leuten mehr dienest als die beste Uhr! Deine so herrliche und
heroische Stimm zieht männiglich in Verwundrung, und müssen dir billich alle
Musicanten derenthalben das Prae lassen; die Lieb gegen den Nächsten ist dergestalten
groß bei dir, daß du mehrmalen ein Weizen-Körnerl an deinem eignen Schnabel
ersparst und solches den Hennen überlassest. Ich armer Fuchs bin absonderlich heut
glückselig, daß ich deine edle Gegenwart kann genießen; verbergen muß sich fürwahr
der Vogel Phoenix, wenn man deine so großen natürlichen Gaben betrachtet."

Dem Hahn hat diese fuchsische Lob-Predig dergstalten wohlgefallen, daß er sich
derenthalben nit wenig übernommen, ja vor lauter Hoffart angefangen zu krähen,
worüber sich der Fuchs noch mehrer erfreut hat. "O wohl", sagt er, "eine himmlische
Stimm! Oh, wann ich die Gnad könnte haben, diesem gebenedeiten Schnabel einen Kuß
zu geben, so wär ich der Allerglückseligiste unter den Tieren!"
Mein stolzer Goggelhahn läßt sich solchergestalten betören, daß er seinen Kragen tief
herabgehebt, um das Osculum pacis, den Friedenskuß, zu empfangen. Der Fuchs aber
schnappt zugleich und zieht den Gesellen vom Zaun herunter, ropft diesen hoffärtigen
Feder-Hannsen dergstalten, daß kaum etliche Beinerl und Knöcherl übrig geblieben.


Hahn, Hund und Fuchs

Es reisete der Goggelhahn und der Hund einest miteinander über Land, wurden aber in
einem dicken Wald von der Nacht überfallen. Der Hahn sagte zu dem Hund:
liebster Reis-gespahn, es hilft nichts dafür, wir müssen hier in diesem finstern Wald uns
um ein Nacht-Herberg umschauen, siehe, sagt er zu dem Hund, da ist ein großer, dicker
Aich-Baum, ich will zu oberist auf die Äst hinauf fliegen, du aber verkrieche dich in diese
Höhle des Baums, ich will fleißig Wacht halten, wann ich ein Tier sehe, das uns schaden
wollt, will ich gleich krähen, du aber lasse niemand hinein, verwahre fleißig die Tür.

Zu Morgen bei anbrechendem Tag kam der Fuchs daher, sähe den Hahnen auf dem
Baum, nach diesem Wildbrätt wässerten ihm gleich die Zähn, sagt vom weitem,
stehend: Ach du schöner, ach du edler, o du Zierd aller Vögeln, wie habe ich dich so
lang gesucht, ach wäre ich nur würdig deine Füß zu küssen, o wie hochnotwendige
Sachen hätte ich mit dir in höchster Geheim zu reden.

Diesen Betrug und Falschheit des Fuchsen merkte der Hahn gar wohl, sagt zu ihn:
Mein lieber Fuchs, ich bedanke mich der höflichen Complimenten, ich wollte gern zu dir,
alleinig kann ich nicht zu der Tür des Baums hinaus, wanns beliebt, komme nur und
klopfe an der Tür an, daß der Torwartel aufmache. O Fuchs, jetzt brauch dein Verstand,
traue nicht, der Torwartel ist nicht dein guter Freund; aber der Fuchs platzte zu
unbesonnen darein, schnarcht und winselt bei dem Loch, worinnen der Hund verborgen,
so lang, bis er ihn von dem Schlaf aufgeweckt, heraus gesprungen und den Fuchs
erwürgt und gefressen.


Häslein und Igel

Ein armes Hasel hat sich bei rauher Winterszeit einmal ins Loch eines hohlen Felsens
retiriert, damit es gleichwohl unter diesem steinernen Dach eine linde Ruh möchte
genießen. Es stund aber nit lang an, da kam der Igel, dem ebenfalls das grobe Wetter
große Ungelegenheit gemacht, und bat das Hasel gar schön und höflich um eine Herberg.
"Mein Haserl", sprach er, "es ist männiglich bekannt, daß du nit allein große Ohren,
sondern auch große Lieb gegen den Nächsten trägst. Weil mich denn das harte und fast
unerträgliche Wetter überfallen, so vergönn mir doch ein kleins Winkerl in deiner
Wohnung; solche Gnad werd ich zeit meines Lebens nit in Vergessenheit stellen.
Ja, künftigen Herbst, will's Gott, werd ich mich mit einer Bütten Äpfel dankbar einstellen
und die empfangne Guttat in etwas erwidern."
Das Häsl schaut sich hin und her und vermerkt wohl, daß der Platz ziemlich eng;
gleichwohl, auf so freundliches Ersuchen und Anhalten, hat's verwilligt. Der Igel macht
sich alsobald und ohne Verweilung ins Hasenzimmerl; es steht aber nit lang an, da fängt
er nach und nach an, seine Spitz und Stacheln von sich zu breiten. Das einfältige Haserl
glaubte ernstlich, es stächen ihn die Flöh; wie der Igel aber mit völliger Gewalt alle seine
Waffen ausstreckt, da hat weder Bitten noch Ermahnungen etwas geholfen, sondern es
mußte das arme Häsle die völlige Herberg dem leichtfertigen Schelm überlassen,
der doch zuvor nur um ein kleins Winkerl angehalten.

Wenn du willst, aber ich rat's nit, dem Teufel durch die Gedanken das kleinste Platzerl in
deinem Herzen erlauben, so wirst du erfahren, daß er mit völliger Gewalt dareinplatzen
tue. Wenn du willst, aber ich hoff's nit, dem Satan das geringste Winkerl vergönnen
durch bloße Gedanken, so versichre ich dich, daß der Will gar kein Winkelmaß werde
halten. Wenn du willst, aber ich glaub's nit, den bösen Gedanken nur eine kurze Zeit
zulassen, so sei versichert, daß du an deinem Seelenheil verkürzt werdest. Erlaubst du
ihm ein Bisserl, so wirst du schon von diesem höllischen Cerbero oder Höllhund einen
Biß empfinden, der dir eine tödliche Wund versetzt.


Heuschrecke und Ameise

Ein Heuschreck hat sich den ganzen Sommer hindurch auf dem Feld lustig gemacht,
mit Singen und Springen die Zeit verzehrt, ist auf Wiesen und Äckern herumgehupft und
hat in allem Jubel und Freuden sein Leben zugebracht; unterdessen aber hat die emsige
Omeisen mit sonderm Fleiß die Treidkörnerl zusammengetragen und sich für den
künftigen Winter bestens proviantiert, auch derenthalben keine einzige Arbeit verschont.

Wie nun der rauhe und kalte Winter herzugekommen und der dicke Schnee die Felder
gänzlich überdeckte, da hat die Omeisen ihre Lebensmittel in allem Contento genossen;
der Heuschreck aber ist vom Hunger über die Maßen geplagt worden, also zwar, daß er
mußte betteln gehn. Wie er nun bei der Omeisen angeklopft und um ein Almosen
gebeten, da fragte die Omeis, wer draußen sei. "Ich", sagte der Heuschreck, "bin ein
armer und notleidender Tropf und bitt ganz demütig um ein Almosen." – "Wie", fragt
die Omeis, "hast du den Sommer zugebracht, daß du anjetzo in solches Elend
geraten?" – "Die mehrste Zeit", sagt er, "mit Singen und Pfeifen." – "So!" sagt die
Omeis hinwiederum; "so bist du gar ein saubrer Gesell! Hast du im Sommer können
singen und pfeifen, so tu anjetzo im Winter tanzen und leide daneben gleichwohl
Hunger; denn das Faulenzen bringt kein Brot ins Haus."

Rauhe und arbeitsame Hand werden nie in die Armut geraten; entgegen müßige haben
nichts andres zu gewarten als den Bettelstab.


Jupiter und der kleine Finger

Der kleine Finger an der Hand hat sich beim Jupiter beklagt, wie daß er so verachtet sei
und ihm allein auferlegt werde, die Ohren zu räumen, indem unterdessen der Daum und
der Zeigefinger in alle guten Bisserl greifen, ja, öfters die Gnad haben, daß sie gar
abgeschleckt werden. Jupiter wurde hierüber erzürnt und sagte: "Du kleiner, schwacher
und kraftloser Heiterle, du taugst ja für keine andre Arbeit! Du hast nit so viel Stärke,
daß du könntest einen Floh töten, welche Mühewaltung den Daumen überlassen wird.
Bleib demnach in dem Stand, worein dich die Natur gesetzt hat, und begehr nichts,
was dir nit anständig und zusteht."

Wenn ein Treiber will einen Schreiber abgeben, o wie ungereimt! Wenn ein Halter und
Hirt will ein Verwalter sein, o wie närrisch! Wenn ein Hirt will einen Wirt vertreten, o wie
unbesonnen! Der Esel wollt auch einmal sich unter die Musikanten mischen, hat aber
den Takt zwischen die Ohren bekommen; der Besen wollt auf eine Zeit unters Obst
gezählt werden, weil er einen Stiel hab', ist aber zum Mistauskehren verurteilt worden!

So bleib denn ein jeder, wer er ist.


Jupiter und das Hochzeitsgeschenk der Schlange

Äsopus erzählt eine Fabel:

Der Gott Jupiter hab eine sehr prächtige Hochzeit gehalten, und sobald solches allen
Tieren kundbar worden, etwa durch ein Ladschreiben, so haben diese wollen ihre
Schuldigkeit ablegen und ein jeder aus ihnen dem großen Jupiter ein Hochzeitspräsent
demütigst und untertänig überbringen: das Lämbl hat ihm einen halben Zentner der
schönsten Woll gegeben, der Elefant ist mit einem Stuck Elfenbein aufgezogen, woraus
der Jupiter sich könnt einen Kämpl (Kamm) und andre Sachen machen; der Pfau hat
ihm seinen schönen Schweif offeriert für einen Fliegenwedel; die Kuh hat etlich Viertel
Milch gebracht; die Henn hat ein Körbl frische Eier dargereicht; der weiße Schwan hat
einen guten Büschen Federkiel auf den Tisch gelegt; der Fuchs hat seinen langen Epilog
als Staubbesen dargegeben. Endlich die Schlang als ein sehr schlaues Tier begibt sich
ganz hurtig in einen Garten, bricht daselbst eine frische purpurfarbne Rosen ab und
schleicht durch alle Türen durch und durch, bis sie endlich zum Thron des Gottes Jupiter
gelangt, dem sie mit allen schmeichlerischen Reverenzen und Verbeugungen die zeitige
Ros offeriert. Sie war der gänzlichen Meinung, als werde sie eine große und sondre Ehr
aufheben; aber der Ausgang zeigte das Widerspiel, maßen der große Jupiter den Kopf
geschüttelt mit Vermelden, daß er von allen Tieren mit besonderm Wohlgefallen etwas
annehme, aber von der Schlangen nit.

Laß Fabel, Fabel sein: beim alleinseligmachenden Gott ist's eine Wahrheit, daß er gern,
ja, mit höchstem Wohlgefallen das Gebet als ein kostbares Präsent und Geschenk von
uns annehme und gar gern das Gebet eines Gerechten; aber von der Schlang nimmt er
nichts an: das Gebet eines Sünders macht ihm Grausen; denn es ist keine Musik,
sondern ein Getös, es ist kein Weihrauch, sondern ein Gestank, es ist keine Blum,
sondern ein Unkraut; es ist ein Kuß, aber von einem stinkenden Maul; es ist ein Zuckerkandl,
aber vorher in Kot eingetunkt; es ist ein Legat und Gesandter, zu Gott geschickt,
aber voller Krätz und Siechtum; es ist ein Edelgestein, aber in Pech und Blei eingefaßt.


Krähe und Taube

Es hat Äsopus mit seinem Dickkopf schon längst spitzfindig gedichtet, wie die Krähe
einmal hie und dort die schönen Federn, welche andern Vögeln ausgefallen,
zusammengeklaubt und sich damit sehr prächtig bekleidet und aufgeputzt hat;
nachdem ihr aber ein jeder Vogel seine Federn ausgerupft, alsdann ist sie als eine andre
Bettlerin dagestanden.
Eben diese Kräh war so nasenwitzig, daß sie fast allen Tieren dero Tun und Lassen
durchgegrippelt, ihnen ganz freventlich allerlei Mängel ausgestellt hat, indem sie selber
doch wenig Vollkommenheit an sich hatte. Einmal hat sie die Taub mit diesen Worten
angeredet: "Meine Schwester, ich muß bekennen: wann du in der Sonn stehst, so hast
du ein Kröß und Halskrause trutz der Burgermeistrin zu Straßburg; entgegen ist in
andern Sachen nit viel Besondres an dir. Mein, sag mir, was bewegt dich dazu, daß du
dein Nest allzeit an ein Ort machst, da dir doch die Jungen so oft ausgenommen
werden?" Die Taube gab zur Antwort: "Dies macht meine Einfalt; denn ich will lieber
betrogen werden als betrügen."

Gleichwie die Tauben äußerlich keinem Menschen schaden, so sind sie auch inwendig
ohne Gall und ein rechtes Sinnbild der Redlichkeit; dahero ist ein Politicus oder
Diplomaticus keine Taub, wohl aber ein andrer Vogel zu nennen, dessen Reden darum
nit redlich, weil die Uhr inwendig anderst geht, als sie auswendig zeigt.
Solcher Simulanten und Heuchler ist eine große Menge in der Welt, die im Mund Ave,
im Herzen prave (du Bösewicht!) tragen. Dieser Gesellen Zechmeister ist der gottlose
Judas gewest, der unter dem Kuß einen tödlichen Schuss verborgen hatte.


Löwe, Bauer und dessen Tochter

Es geschieht gar oft in einer Wahl, daß die mersten mit ihren Stimmen auf denjenigen zielen,
der ein guter Mann ist, der das Krumme grad sein läßt, ein lammfrommer Columbus,
der keine Gall hat, ein Kalender, worin kein trübes Wetter, ein Garten, wo keine Brennessel.
Es ist ihm wie jenem Bauern, der eine gar schöne junge Tochter gehabt, daß sich sogar
ein Löw darein verliebte und selbige zu heuraten begehrte. Der Bauer erschrak nit wenig
ob solchem Anbringen und getraute sich nit, diesem so erschröcklichen Tier, vor dem
alle andern erzittern, eine abschlägige Antwort zu geben, verspricht demnach besagtem
Löwen die Tochter, jedoch mit dem Beding, daß er sich lasse die Zähn ausbrechen und
die Klauen abzwicken, damit die Tochter nit erschrecke. Wie nun der verliebte Löw allem
diesem nachgekommen und sich alsdann beim Bauren eingefunden, da hat dieser den
geschwächten und waffenlosen Löwen mit Prügeln also empfangen, daß ihm alle
Gedanken zu heuraten gänzlich verschwunden.

Manchmal erwählt man einen nur darum, weil er ganz gut ist, weil er keinem weiß die Zahn
zu zeigen, weil er laßt mit sich umgehn, wie man will, kein "Ernst", sondern ein lautrer
"Lamm-bert"; darum kommt er zum Brett, weil er keinen weiß abzuhobeln undabzuschmieren.


Löwe und Hund, Katze und Kamel
– Reichstag der Tiere –

Die Tier hielten auf eine Zeit einen Reichstag zu dem End, damit sie einen König unter
ihnen möchten erwählen, wie denn die Wahl gleich gefallen auf den Löwen.
Nachdem nun dieser seine untergebnen Vasallen besichtigt, da hat er unter andern
wahrgenommen ein Tier auf einem Baum, das ihm unbekannt, schickt demnach den
Hund, er solle fragen, was es für ein Tier sei. Wie der Hund hinzugekommen, so macht
dieses Vieh einen großen Buckel; denn es war eine Katz. "Wer bist du?" fragt der Hund.
"Gmau, gmau!" – "Das versteh ich nit", sagt mehrmal der Hund; "rede teutsch!"
Endlich sagt die Katze, sie sei ein Kamel. Der Hund lauft alsobald mit solcher Antwort
zum Löwen. "Ihre Majestät", sprach er, "es ist ein Kamel." Unweit dem Löwen stunde
das rechte Kamel, das denn gleich dawider protestierte, und sagte, es sei eine Katze
und kein Kamel. Von derselben Zeit an ist der Hund ein abgesagter Feind der Katz;
dieser aber, weil sie mehr aus sich gemacht, als sie ist, hat der Löw zu einer Straf
auferlegt, sie soll ihre mehrste Zeit mit Lecken zubringen.

Es gibt sehr viele Leut, die auf gleiche Art wie diese Katz beschaffen und auch aus
Ehrsucht mehr aus sich machen, als sie sind.


Löwe und Maus

Ist einmal ein Leb, weil er dem Raub nachstellte, in einem Garn gefangen worden;
und indem er sich vielfältig bemühte, sich herauszuwickeln, so war doch alles umsonst,
gab sich endlich schon den Tod und hoffte alle Stund, daß die Jäger werden kommen
und ihm den Garaus machen. Unterdessen lauft aus der Erde heraus eine kleine
Feldmaus, sieht den Leben im Garn, ganz eingewickelt und ermattet, geht besser hinzu,
traut sich, mit ihm zu reden: "Ihro Majestät, Herr Kinig, wie geht's Ihnen? Wie sind's in
diese Strick und Unglück geraten? Ist mir über alle Maßen leid, Herr Kinig! Ich will
heraushelfen; aber ein Ding, das müssen Sie mir nit abschlagen." – "O Gott", sagt der
Leb, "mein Meiserl, ich will mich mein Lebtag dankbar einstellen." Es solle nur
begehren; was in seiner Macht und Vermögen seie, das solle sie unfehlbar zu gewarten
haben. "Ihro Majestät", sagt's Meiserl "wann's mich wollen heiraten und zu Ihrer
Gemahlin nehmen, so will ich Sie erledigen!" – O weh! dachte der Leb; es wird mir ein Spott
sein, wenn ich einen so kleinen Pumpernickel zu einem Weib hab; doch aber, das Leben ist gut,
ist heilig! – "Ja, ja, ja, mein Meisl, vom Grund meines Herzens will ich dich heiraten."

"Gut, gut!" Das Mäuserl fangt an zu nagen und nagt alleweil, daß ihm schier die Zähn
ausfallen. – Mein, wie tut man sich halt befleißen, daß man nur einen Mann bekommt! –
Das Mäuserl nagt fürwahr so lang und stark, daß es in kurzer Weil das ganze Garn oder
Netz zernagt und dem Leben ein so groß Loch gemacht, daß er leicht hat kinnen heraus.
Wie er nun, der Leb, von dieser durchsichtigen Keichen und Gfängnis ist erledigt worden,
damit er beständig auf seinem Versprechen bliebe, so tut er's, das Meiserl, heiraten.
Sind lustig auf der Hochzeit. Wie aber der Leb mit dem Meisl den ersten Tanz tut
– weiß nit, wie er umgegangen –, so tritt er mit der Pratze aufs Meiserl, und es ist elendiglich
ums Leben gekommen. Diese neue Braut hat man begraben und ihr diese Grabschrift aufgesetzt:
"So geht's," sagte der Leb, "wenn man so hoch will sein – ist nie kein Glick dabei!"


Löwe und Wolf, Esel, Fuchs

Der Löw hatte seine gewöhnliche Retirada und Behausung in einer tiefen Höhle, allwo er
sich auf eine Zeit etwas unpäßlich gestellt. Er hat den andern Tieren dies lassen
andeuten; und der erste, so ihm die Visita gegeben, war der Wolf. Solchen fragt der
Löw, wie's doch schmeck (rieche) in dieser seiner Höhlen. Der Wolf gab zur Antwort:
"Ihro Majestät, es schmeckt hierin von lauter Ambra und Bisam." – "Was?" sagt der
Löw; "sollst du mir so unverschämt ins Gesicht lügen, um so gewissenlos zu
schmeicheln?" – riß ihn derowegen alsobald nieder.
Nach solchem kommt der Esel und der Fuchs zugleich; der Fuchs aber gab dem Langohr
den Vorzug, meldend, es gebühr ihm billich die Praecedenz und Vorrang, weil er
einstmal die Statua oder Bildnus der Göttin Diana getragen. Wie nun dieser Arkadische
Gesell in die Höhle hineingetreten und die meiste Reverenz und Verbeugung mit den
Ohren gemacht, hat der Fuchs unterdessen von außen fleißig zugelost (gehorcht).
Als der Esel auch befragt worden, wie's in seiner löwischen Wohnung schmecke,
antwortet er: "Fürwahr, Ihro Majestät, ich, Esel, muß bekennen: es stinkt wie tausend
Teufel darin." – "Ei, du kecker Lümmel", sagt der Löw, "sollst du dich unterstehn,
deines Königs Wohnung also grob zu beschimpfen!" zieht ihm dessentwegen alsbald die
Haut übern Kopf herunter.
Darnach schleicht der Fuchs auch hinein, und nach abgelegten Komplimenten wird er
ebenfalls befragt, wie's in dieser seiner Höhl schmeck. "Ihro Majestät", sagt der Fuchs,
"Sie wollen's mir gnädigst verzeihen: ich hab schon 3 Tag einen so großen Katarrh,
daß ich nichts riechen kann." – "Ei, du verschlagner Gesell, wer hat dich so gescheit
gemacht?" – "Der Doktor mit der roten Kappen!" sagt der Fuchs und deutet auf den
Esel mit dem geschundnen Kopf.

Es wär zu wünschen, daß die Menschen auch ebenso eine Witzigung täten nehmen von
andrer Leute Schaden.


Mond und Jupiter

Der Mond hat auf eine Zeit Audienz genommen beim Jupiter, woselbst er sich
wehmütig beklagt, wie daß er bishero in so schlechtem Respekt gehalten werde,
meistens darum, weil er nackend und bloß müsse immerfort erscheinen; er sei doch
dasjenige Gestirn, durch dessen Wirkung und Einfluß der Erdboden bekleidet werde mit
dem Gras, die Bäume mit den Blättern. Er verlangt also, daß seine hohe und
ansehnliche Person möchte standmäßig bekleidet werden. Hierüber hat Jupiter anfangs
gelacht, ist nachgehends aber in diese zornigen Worte ausgebrochen: »Du ungeschickter
Trampel, du wankelmütiger Gesell, es scheinet wohl, weil du Lunaticos, d. h.
Mondsüchtige und halbe Narren, machst, daß du selbst nit gescheit bist, was genugsam
aus deiner Bitt und Anbringen abzunehmen. Ich glaub, die Schneider insgesamt würden
mir mit ihren Begleisen den Himmel stürmen, wenn ich ihnen sollt befehlen oder
auferlegen, daß sie dir sollten ein Kleid machen, indem es unmöglich fällt; denn du bist
bald rund wie eine Schießscheiben, bald krumm wie eine Sichel, bald feist wie ein
Mästschwein, bald dürr wie ein Pickelhering, in summa: ein unbeständiger Narr. Stultus
ut Luna mutatur." Ein Narr ändert sich wie der Mond.

Dahero, o Mensch, sei nit wie der Mond, von dem der Poet sagt: "Crescit, decrescit, in
eodem sistere nescit." (= Der Mond nimmt ab und nimmt wieder zu; mit einem Wort:
der unbeständige Kerl verändert sich in einem fort.)

Unter den Untugenden ist nit die mindeste die Unbeständigkeit im Guten.


Nachtigall und Raubvogel

Als einmal die Nachtigall nach ihrer schönen Gewohnheit auf einem grünen Ast über alle
Maßen geschlagen und den Reisenden eine sondre Freud und Ergötzlichkeit verursacht
hat, da ist von ungefähr ein Raubvogel auf sie gestoßen und hat selbige mit den Klauen
hinweggetragen. Das arme Vögerl hat diesen ihren Feind inniglich gebeten, er möcht ihr
doch das Leben schenken. "Was gibst du mir aber?" fragt der Stoßvogel. – "O, mein
Gott!" sagt sie; "ich bin selbst arm und mittellos; aber gleichwohl will ich dir die
allerschönste Musik aufmachen und dich mit meinem Gesang nach Möglichkeit
erlustigen." – "Hoho!" antwortet der Raubvogel; "mein Bauch hat keine Ohren oder
Gehör" – mußte also die arme Musikantin diesem großen Schelmen zum Raub werden.

Solche Vögel gibt's mehr in der Welt, die sich bloß mit Stehlen und Rauben ernähren.


Pferd und Wolf

Ein Pferd hat sich einmal bis auf den spaten Abend auf der Weid aufgehalten, das im
nächsten Forst ein Wolf erblickte; dahero ist er alsobald dahin geloffen und hat dem
Caball einen guten Abend gewunschen, anbei gefragt, warum's nit mit andern Rossen
nach Haus gegangen. Das Pferd merkte die Bosheit des Wolfs, sagte demnach, daß es
einen üblen Zustand und Krankheit im Fuß hab, indem's unlängst in einen gespitzten
Nagel getreten; es wisse aber auch beinebens, daß er, Herr Wolf, ein guter und
erfahrener Medicus oder Arzt sei, bitte derentwegen um Hilf; es solle in allweg vergolten
werden. Dem Wolf gedunkte dies ein guter Vorteil, bekannte zugleich, daß er ein guter
Arzt sei; doch müßt er vorhero den Schaden sehen, glaubte aber und hoffte, er möchte
bei solcher Gelegenheit den Fuß ertappen und folgsam einen guten Raub davontragen.
Aber das Pferd war diesfalls schlauer und gab dem Wolf mit dem Fuß, so mit einem
starken Eisen bewaffnet gewesen, einen solchen Streich in die Goschen, das er
zurückgefallen und fast halbtot hingelegen. Das Pferd aber sagte: "Mein Wolf, weil du
mir einen guten Abend gewunschen, also wünsch ich dir eine gute Nacht!" – galoppierte
hierüber nach Haus.

Sic ars deluditur arte: Es geschieht mehrmal, daß einer, der dem andern eine Grube
gräbt, selbst dareinfällt. – Wer einen Stein in die Höh wirft, dem wird er selbst auf sein
Haupt fallen.


Satyr und Wandrer

Zur kalten Winterszeit, da die Bäumer gleich den alten Männern einen weißen Schopf
tragen, da die vorhin silbern strömenden Bächerl in einem kühlen Arrest sitzen und nit
einen Schritt können weiter gehen, da hoch und nieder Stand, nämlich Berg und Tal,
unter einer weißen Decken liegen, da die Vögerl, obschon mitten in Federn, gleichwohl
vor Frost in ihrem Gesang eine lange Pausen machen.

Dazumal nahm ein Reisender seinen Weg durch einen großen Wald und dickes Gehölz,
und wie er fast die Mitte dieser Wildnis erreichte, da hat ihn Satyrus oder Waldmann
ganz freundlich in seine Höhle eingeladen, und zwar gleich zum Mittagmahl, was dem
guten Reisenden sehr bequem und angenehm. Kaum aber daß er sich zum Tisch
gesetzt, da kaucht und blast er in beide Händ, worüber der Satyrus sich nit wenig
verwundert und daher die Ursach gefragt hat, warum er in die Hand blas. Die Antwort
ware: "Damit die Händ erwärmen!" Bald greift der Fremd mit dem Löffel in die Schüssel
nach der Speis, die er dann auch mehrmal angeblasen, daß also dem Waldmann
wiederum ist Anlaß gegeben worden, zu fragen, warum er die Speis anblase. Der andre
sagt: die Speise sei ihm zu heiß; er blas, damit sie kalt werde. "Du", sagt mit ganz
zornigem Angesicht der Satyrus, "du ›Kalt-und-Warm-aus-einem-Maul‹ Ei, so pack dich
zum Teufel aus meiner Herberg! Warm und kalt aus einem Maul, das mag ich nit leiden,
das kann ich nit leiden, das will ich nit leiden!"

Wahr ist's: schön steht's nit, ja gar nit, wann einer bei seinem Wort nit bleibt, sondern
redet bald weiß bald schwarz, bald gut bald bös, bald rechts bald links, bald süß bald
sauer, bald trucken bald naß, bald hui bald pfui, bald warm bald kalt, bald ja bald nein.
Es steht nit wohl.


Schuldeneintreiber und Teufel

Eine Fabel; aber doch steckt darunter die Wahrheit:

Es ist ein Bote gewest, der ist geschickt worden zu einem Herrn über Land mit einem
Schreiben und Quittung, um alldort Schulden abzufordern. Wie der Bot eine Weil geht,
so kommt der Teufel zu ihm. Der Bot fragt ihn: "Wer bist?" – "Ich bin der Meister
Teufel." – "So, bist du? Was tust?" – "Möcht gern einen hinwegführen, wenn man mir's
schafft und besorgt." – "O", sagt der Bot, "wenn's an dem gelegen ist, so will ich dir
bald Gelegenheit machen. Geh nur mit mir." Der Bot wußte schon ein böses Weib,
das fast zu einem jeden Ding pflegte zu schwören: >Daß euch der Teufel hol!<

Sie gehen miteinander und kommen grad ins Haus des Weibs. Das Weib täte gleich
damalen waschen (wenn die Weiber waschen, sind's ohnedas schwierig; der Teufel
regiert dort!). Da ist der große Bub, der besudelt ein wenig die Wäsch. Wie sie es sieht:
"Daß dich der Teiffl holl!" Der Bot stoßt den Teufel: "Nun hol diesen; sie hat dir's
geschafft." Der exkusiert sich, sagt, es sei nur ein Mutterfluch und geh nit von Herzen.

Sie gehn weiter, kommen in ein Wirtshaus. Da waren etlich Bauern, schon ziemlich
beweint. Sie gehn hin, setzen sich dazu nieder. Da schreit's: "Kellner, wo gehst hin?
Daß dich der Teiffl holl!" Der Bot: "Hol sie!" – "Ei," sagt der Teufel, "es geht den vollen
Bauern nit von Herzen; es sind die Narren alle bezecht." – "Ja", sagt der Bot, "mit der
Weis wirst du nichts bekommen, wenn du willst ihrer verschonen. Ich kann's nit
erdulden." – Der Teufel: "Ich erwähl die Geduld."
Sie kommen ins Schloß des Edelmanns. Der Bot läßt sich anmelden: daß er Brief
bringe, um Schulden einzufordern von Ihren Gnaden. Der Diener richt's aus. Da ist der
Herr ganz erzürnt: "Ay, grober Bauernsimpel! So hol der Teufel den Boten mitsamt
seinen Briefen!" Da ist der Teufel da, will den Boten geschwind nehmen. "Warum grad
mich und die andern nit?" – "Ei," sagt der Teufel, "diesem Edelmann ist's Ernst; es ist
ihm ums Herz, als wollt er sprechen: >Er ist ein so geiziger Gesell; er gibt nit gern.<
Darum will er lieber mich bitten, daß ich dich hol, als du sein Geld!"

Der Geiz ist so verblendet, daß er einen Menschen, ja, Gott selbst weniger achtet als sein
Geld, so daß, wenn göttliche Gnad auf einer Seit steht, das Geld auf der andern, er eher greift
nach dem Geld als nach Gott. Es ist nichts Lasterhafters als ein geiziger Mensch.


Sonne und Frösche

Die Sonn, dieses strahlende Himmelslicht, hat sich auf eine Zeit gänzlich entschlossen zu
heiraten. Nachdem auch bereits das Versprechen und Verlobung vorbeigegangen,
da wurden alle gehörigen Anstalten gemacht zu einer prächtigen Hochzeit in Ansehung
und Anbetracht dessen, daß dieser Planet der Fürst aller gesamten Himmelsgestirn ist;
es sind dahero die Ladschreiben geschickt worden an alle lebendigen Geschöpf der
Erden, zumalen diese allesamt der sonnenreichen Gnaden und Freigebigkeit genießen.

Wie unter andern die jungen Frösch vernommen, daß sie zur Hochzeit und dem
herrlichen Ehrenfest der Sonn seien eingeladen worden, da waren sie voller Freuden und
Frohlocken; sie kunnten kaum Tag und Zeit erwarten. "Allegro!" sprachen sie
untereinander; "da werden wir lustig sein, da werden wir ein gutes Mütl haben. Mutter,
du mußt uns neue grüne Hosen machen lassen. Da wollen wir tanzen, daß sie sich alle
darüber verwundern werden; denn wir hupfen ohnedas gern. Lustig, allegro!" – "O, ihr
Fratzen!" sprach der alte Frosch, als ihre Mutter zu ihnen; "es ist wohl Schein und klar,
daß der Verstand nit vor der Zeit komme: ihr denkt nit soweit hinaus, was für Übel
solche Heirat inskünftig nach sich ziehe! Ihr sollt in dem Fall mehrer weinen als lachen.
Gedenkt nur, daß bishero nur eine Sonn am Himmel gewesen und diese manchen Sommer
die Strahlen also hitzig von sich geworfen, daß die mehrsten Lachen, worin wir arme Frösch
uns aufhalten, hiervon ausgetrocknet sind. Was wird erst geschehn, wenn die Sonn heiratet
und folgsam (in der Folge) durch solchen Ehestand mehr Sonnen herfürkommen?"

Es ist zwar dies ein Poetengedicht und will sich nit wohl schicken unter die hl. Schrift,
die öfters in meiner Verfassung und Schrift zitiert und angeführt wird; allein es zeigt
doch die gründliche und unverfälschte Wahrheit, gleichwie aus dem schlechten
Eselskinnbacken des Samsons ein klarer Brunnquell geflossen. So hat auch ein Rab,
sonst ein unwerter Galgenvogel, dem Elias ein Brot gebracht; also kann ebenfalls eine
poetische Fabel eine Unterweisung leisten.
Wir Menschen sind mehrmal nit anders beschaffen und tun oft unbesonnenerweis etwas
reden oder anfangen, was wir mit rechter Bedachtsamkeit nit wohl vorher erwägen.


Sonne und Wind

Die strahlende Sonne und der stürmische Wind haben auf eine Zeit miteinander gewettet,
wer stärker unter allen beiden sei. Nachdem sie einander die Hand darauf gegeben, so mußte
die Prob' geschehen an einem Wandergesellen, welcher mit seinem Bündel oder Ranzen in die Fremde gereist. Welcher diesem seinen Mantel samt den Kleidern werde abziehen, der sollte gewonnen haben.

Der Wind, welcher ohnedas ein stolzer und aufgeblasener Gesell, macht den Anfang und fangt
mit solcher Gewalt zu blasen und rasen an, daß bei einem Haar dem armen Handwerksbürschel
der Hut wäre vom Kopf geflogen. Wie aber der gute Mensch solches vermerkt, da hat er dergestalten den Hut an den Kopf gedruckt, daß auch ein Binder oder Küfer den Reif an das Faß nicht besser zwingen könnte. Desgleichen hat er sich auch dermaßen in den Mantel eingewickelt, daß auch ein Zigeunerweib ihr Kind nit besser könnte einfätschen: Ja zu mehrer Sicherheit hat er sich an einen großen Eichbaum gelehnt, alldort so lang zu verharren, bis der tobende Wind den Kehraus pfeife. Wie solches der Wind wahrgenommen, da hat er alsobald an dem Sieg verzweifelt.

Hierauf hat die Sonn' ihre Kräften angespannt und dem reisenden Wandergesellen, so sich
allbereits wieder auf den Weg gemacht, angefangen auf den Buckel zu stechen und nach und
nach denselben mit den hitzigen Strahlen zu quälen, daß er den Mantel ernstlich abgelegt, nachgehends das Wams und, wie er zu einem Bach gekommen, alle Kleider ausgezogen und sich darin durch das Baden abgekühlt, wodurch die Sonn' den glorreichen Sieg erhalten, der tobende Wind aber mit seinem Sturm nichts ausgerichtet.

Mit glimpflicher Art, mit Sanftmut und Güte richtet man öfter mehr aus als mit unmäßiger Schärfe.


Spinne und Seidenwurm

Eine Spinne hat einmal wahrgenommen, daß der Seidenwurm so emsig in der Arbeit ist
und unaussetzlich Seiden zurichtet. "Mein", sagt sie, "was bist du für ein seltsamer
Gispel, indem du Tag und Nacht dich bemühst, Seiden zu machen, womit sich andre
Leut bekleiden, und dir, armen Narren, nichts anders vorgesetzt wird zu einer Speis als
ein geringes Maulbeerblatt? Tust dich also nur wegen andrer Leut fretten und abplagen!
Ich, fuhr die Spinn fort, "bin in dem Fall weit gescheiter; denn obschon ich spinne,
so kommt's meinem Balg zu Nutzen, da ich nichts mach als Garn oder Netze, worinnen
ich die Mucken fang für meine Speis. Da wär ich wohl eine große Närrin, wenn ich mich
wegen andern möcht plagen." – "Du", gab zur Antwort der Seidenwurm, "bist eine bekannte
giftige Bestie und hast keine einzige Lieb zum Nächsten! Weißt du nit, daß die Ochsen für
andre ackern, die Schaf für andre Woll tragen, die Bäum für andre Frucht bringen?
Der ist ein schlechter Kerl, der für sich allein lebt und seinem Nebenmenschen nit auch dient!"


Stadtmaus und Feldmaus

Es sind einmal zwei Mauserl zusammengekommen, ein Stadtmauserl und ein Feldmauserl.
Wie sie nun einander gar freundlich gegrüßt, so reden's von unterschiedlichen Sachen,
unter anderm auch vom täglichen Unterhalt. "Meine Schwester", sagt das Stadtmauserl zum Feldmauserl, "wie derhältst dich denn?"
"Hu, ich komm halt grad so aus: ich ess gemeiniglich Würzerl, Treid, Kernerl, kleine Käferl,
und gestern hat mein Bruder Hochzeit gehabt, da haben wir ein dürrs Brot gehabt,
das ich schon längst einmal aufm Weg gefunden, und hatt's ein Bettelmann weggelegt;
denn sie nehmen jetzt nit gern mehr Brot, sondern Geld. Also haben wir reichlich gelebt."

"O, du kropfete Narrin!" sagt das Stadtmauserl; "bist wohl hundertmal nit recht gescheit,
tust dich so armselig aufhalten im Feld! Komm zu mir in die Stadt herein; da hab ich wohl beßre Bisserl. Ich bin in einem Haus, da ist ein schleiderisch Dienstmensch: dieselbe deckt zu Nacht
nie kein Schmalz, kein Speck, kein Fleisch. Da leb ich als wie eine Gräfin; komm nur morgen zu mir: wirst's erfahren."

Eben denselben Tag kommt die Frau übers Speisgewölb und sieht, daß schier alls von Mäusen angebissen. "Geh, du leichtfertigs Mensch, und her mit einem Kochlöffel!" und mißt das Mensch
so übern Buckel: "Du Krott, du Mistfink! Ha, du Mäusköpfin, ha!" daß sie sich hart konnt mehr rühren. Ist die Frau zornig gwest übers Mensch, so das Mensch noch zorniger über die Mauserl
und dachte: "Ich will enk Hustentier das nit schenken!" Die Nacht kommt herzu; das Feldmausl kommt gleichfalls zum Stadtmausl.
Die gehn miteinander ins Speisgwölb und geschwind über eine geselchte Zung, fressen,
nagen steif drauf. "Ist's gut, Schwester? Schmeckt dir's?" – "Freilich, überaus!" Das Mensch aber hat schon mit dem Kochlöffel aufgewartet, den sie selbst gekostet; und indem sie die Mäus'
über der Zung ertappte, so hat sie mit aller Stärke drauf geschlagen: "Du Mäusköpfin, ha,
du Mäusköpfin!" – und hat die Mäus in der Kammer herumgejagt. Das fremde Feldmauserl weiß
die Gelegenheit nit recht; drum konnt's eine Weil das Loch nit geschwind treffen, und hat das Mensch das g'näscherige Mausl so nahend getroffen und ihm das Schweiferl abgeschlagen.
Wie 's wieder zum Stadtmausl kommt: "Na", sagt 's, "bhüet mich Gott! Mein Lebtag komm ich
nit mehr daher; denn ich will lieber mit wenig verliebnehmen und sicher sein, als einen so guten
Tag haben und stets in der Gefahr des Lebens stehen. Na, so teuer zahl ich die guten Tag nit,
so teuer zahl ich die Wollust nit!"

Mein, was ist die Welt anders als eine solche Speisekammer, worin das Fleisch und der Satan
uns die Wollust als einen Speck vorsetzen; und alle diejenigen, so an diesem Speck nagen,
unterwerfen sich dem ewigen Tod. Ei, das sind mir Mausköpf! Wegen einer so geringen Ergötzlichkeit!


Wolf und Lamm

Ein Wolf trank einmal oberhalb aus einem Bach und wurde ansichtig eines Lämbls, so unterhalb
beim Bach gestanden, eilt demnach mit schnellen Füßen und hitzigen Zähnen zu demselben mit
dem zornigen Vorwand, daß es ihm den Bach trüb mache und den Trunk verderbe, zerreißt es also ganz grimmig. "Du ungerechter Schafdieb, wie kann's dir das Wasser trüb machen, indem diese wollene Unschuld sich unterhalb des Bachs befindet! Es lauft ja dieser Bach nit zurück!"

Ich merke aber wohl: ein Lachender ist leicht zu kitzeln, und oft sucht man eine Ursach, die so
klar wie das Schneewasser im Märzen. Desgleichen führt man oft einen blutigen Krieg um einer geringen und wohl auch erdichteter Ursach halber, nur zur Vermäntlung des Übermuts.