Der Krebs und der Fuchs 
				 
				Ein Krebs stieg aus dem Meer und lebte allein an einem Strand. 
				Als ein hungriger Fuchs ihn sah und nichts zu fressen hatte, 
				lief er zu ihm hin und packte ihn. Kurz bevor er gefressen 
				wurde, sagte der Krebs: »Ja, es geschieht mir ganz recht, weil 
				ich als Meeresbewohner Landbewohner werden wollte.« 
				 
				So ist es auch bei den Menschen, die ihre vertrauten Tätigkeiten 
				aufgeben, das verfolgen, was nicht zu ihnen paßt, und dadurch 
				natürlich in ein Unglück geraten. 
				 
				
				
				Der Krieger und die Raben 
				 
				Ein Feigling mußte in den Krieg ziehen. Als aber die Raben 
				krächzten, stellte er seine Waffen zur Seite und verhielt sich 
				still; dann nahm er sie wieder auf und zog aufs neue los. Und 
				als auch diesmal die Raben krächzten, hielt er wieder inne und 
				sagte endlich: »Ihr mögt krächzen, so laut ihr nur könnt; mich 
				werdet ihr jedenfalls nicht zu fressen bekommen.« 
				 
				Die Fabel bezieht sich auf sehr feige Leute. 
				 
				
				
				Der Liebhaber und die Dame 
				 
				Ein Mann pflegte bei Nacht heimlich eine Dame zu besuchen und 
				mit ihr zu huren. Sie verabredete als Erkennungszeichen mit ihm, 
				daß er vor dem Tor wie ein kleines Hündlein bellen solle, worauf 
				sie ihm die Tür öffnen würde: das tat er auch jedes Mal. 
				Ein Anderer sah ihn abends jenes Weges gehen, und da er ihn als 
				Spitzbuben kannte, folgte er ihm eines Nachts heimlich in 
				einigem Abstand. 
				Der Hurer ging nichts ahnend an das Tor und tat 
				wie gewöhnlich; der ihm folgte,
				nahm alles wahr und ging 
				wieder nach Hause. In der folgenden 
				Nacht erhob er sich zuerst, ging zu der zur Hurerei bereiten 
				Dame 
				und bellte wie ein Hündchen. In der festen Meinung, es sei 
				ihr Liebhaber, löschte sie ihr Licht, damit sie niemand sähe, und öffnete die Tür. Er ging hinein und schlief mit ihr. 
				Nach kurzer Zeit erschien auch ihr voriger Buhler und bellte 
				draußen wie gewöhnlich wie ein kleiner Hund. 
				Der Mann aber, der 
				schon drinnen war, hörte, wie der da draußen wie ein Hündchen 
				bellte, und antwortete 
				drinnen mit lautem Gebell wie ein 
				riesengroßer Hund. 
				Da begriff der draußen, daß schon einer drinnen war, der größer 
				war als er, und zog wieder ab.
  
		
				
				
				Der Löwe, der Esel und der Fuchs 
				 
				Ein Löwe, ein Esel und ein Fuchs schlossen sich zusammen und 
				gingen gemeinsam auf die Jagd. Als sie viel Beute gemacht 
				hatten, befahl der Löwe dem Esel, unter ihnen die Beute zu 
				teilen. Nachdem er sie in drei Teile geteilt hatte und ihn 
				gebeten hatte, seine Auswahl zu treffen, geriet der Löwe in 
				Zorn, ging auf ihn los und fraß ihn auf. 
				Dann befahl er dem Fuchs zu teilen. Der Fuchs legte alles 
				zusammen auf einen einzigen Haufen, legte für sich selbst nur 
				einen ganz kleinen Teil beiseite und forderte den Löwen auf zu 
				wählen. Als der Löwe ihn fragte, wer ihm gelehrt habe, so zu 
				teilen, erwiderte der Fuchs: »Das unglückliche Geschick des 
				Esels.« 
				 
				Die Geschichte veranschaulicht, daß das Unglück der Mitmenschen 
				für die anderen Menschen eine Mahnung 
				bedeutet. 
				 
				
				
				Der Löwe und der Esel gemeinsam auf der Jagd 
				 
				Ein Löwe und ein Esel schlossen ein Bündnis und gingen gemeinsam 
				auf die Jagd. 
				Sie kamen zu irgendeiner Höhle, in der sich wilde Ziegen 
				befanden. Der Löwe legte sich am Eingang auf 
				die Lauer, bis sie herauskamen, der Esel trat in die Höhle ein, 
				rannte auf sie los und blähte sich mächtig auf, 
				weil er sie erschrecken wollte. Als der Löwe die meisten Ziegen 
				gefangen hatte, kam der Esel heraus und wollte 
				von ihm wissen, ob er anständig gekämpft und die Ziegen mit 
				Erfolg gejagt habe. Da erwiderte der Löwe: 
				»Ja, du sollst wirklich wissen, daß auch ich Angst vor dir 
				bekommen hätte, wenn ich nicht wüßte, 
				daß du nur ein Esel bist!« 
				 
				So ernten auch die Menschen, die sich vor den Wissenden 
				besonders aufspielen, natürlich nur Gelächter. 
				 
				
				
				Der Löwe und der Bär 
				 
				Ein Löwe und ein Bär fanden einmal ein Rehkitz und stritten sich 
				um die Beute. 
				Sie fielen mit furchtbarer Gewalt übereinander her. Dann wurde 
				es ihnen vor Anstrengung ganz schwindlig, 
				und sie brachen halbtot zusammen. 
				Ein Fuchs kam gerade vorbei, und als er sah, daß sie völlig 
				erschöpft am Boden lagen und das Rehkitz 
				in der Mitte kauerte, holte er sich dieses und verschwand. Die 
				beiden Kämpfer, die sich noch nicht erheben 
				konnten, riefen: »Wir Unglücklichen, daß wir uns für einen Fuchs 
				so abgequält haben!« 
				 
				Die Geschichte veranschaulicht, daß jene sich aus gutem Grund 
				ärgern, die mit ansehen müssen, 
				wie diejenigen,
				die zufällig vorbeikommen, den Gewinn aus den eigenen 
				Anstrengungen ziehen. 
					 
				
				Der Löwe und der Delphin 
				 
				Ein Löwe irrte an einem Strand umher, als er einen Delphin sah, 
				der ihm zuschaute. 
				Er forderte diesen auf, ihm zu helfen. Er sagte, es füge sich 
				besonders gut, wenn sie Freunde würden und sich gegenseitig 
				Hilfe leisteten. Denn der Delphin sei der Herrscher über die 
				Meerestiere, er selbst sei König der Tiere auf dem Land. Als der 
				Delphin freudig zustimmte, rief der Löwe nicht viel später den 
				Delphin zu Hilfe, weil er einen Kampf gegen einen wilden Stier 
				zu bestehen hatte. 
				Aber als jener, obwohl er es wollte, nicht aus dem Meer steigen 
				konnte, warf ihm der Löwe vor, 
				er sei ein Verräter. Da antwortete der Delphin: »Mach mir doch 
				keine Vorwürfe, sondern eher meiner Natur, 
				die mich zu einem Meerestier hat werden lassen und mich nicht 
				auf das Land gehen läßt.« 
				 
				Aber es ist notwendig, daß auch wir, wenn wir Freundschaft 
				schließen, solche Menschen zu Helfern wählen, 
				die uns
				in Gefahren beistehen können. 
				 
				
				
				Der Löwe und der Eber 
				 
				Zur Sommerzeit, da die Hitze einen Durst leiden läßt, kamen ein 
				Löwe und ein Eber gleichzeitig zu einem kleinen Quell, um daraus 
				zu trinken. Sie stritten darum, wer zuerst trinken sollte, und 
				darüber kam es zwischen ihnen zum Kampf auf Leben und Tod. Als 
				sie voneinander abließen, um sich zu verschnaufen, sahen sie 
				plötzlich, wie Aasgeier dasaßen und warteten, welcher von ihnen 
				wohl fiele, um ihn dann zu fressen. Da gaben sie ihren Zwist auf 
				und sprachen: 
				»Besser, daß wir Freunde werden als Futter für Geier und Raben.« 
				 
				So ist es schön, Streit und Zwist beizulegen, wenn sie 
				schließlich Gefahr für alle mit sich bringen. 
				 
				
				
				Der Löwe und der Frosch 
				 
				Als ein Löwe einen Frosch quaken hörte, ging er dem Ton nach, 
				weil er glaubte, daß es ein großes Tier sei. 
				Dann wartete er eine kurze Zeit auf ihn. Aber als er den Frosch 
				aus dem Tümpel herauskommen sah, 
				ging er hin
				und zertrat ihn. Dann sagte er: »Niemanden soll die Stimme 
				erschrecken, bevor er sich zeigt.« 
				 
				Die Geschichte paßt auf einen Mann, der über nichts mehr verfügt 
				als über maßlose Geschwätzigkeit.
  
				
				
				Der Löwe und der Stier 
				 
				Ein Löwe stellte einem gewaltigen Stier nach. Er wollte ihn mit 
				Hilfe einer List überwältigen. Deshalb sagte er, 
				er habe ein Schaf für ein Opfer geschlachtet, und lud den Stier 
				zum Essen ein. Er wollte ihn aber, sobald er sich zu Tisch 
				gelegt hatte, überwältigen. Als aber der Stier eingetroffen war 
				und die vielen Schüsseln und Spieße sah, aber nirgendwo das 
				Schaf, ging er wieder fort, ohne etwas zu sagen. Aber als ihm 
				der Löwe deswegen Vorwürfe machte und den Grund dafür wissen 
				wollte, warum er so einfach weggegangen sei, ohne etwas 
				Schlimmes erlitten zu haben, sagte er: »Ja, ich tue dies nicht 
				ohne Grund. Denn ich sehe einen Aufwand, der nicht einem Schaf, 
				sondern einem Stier angemessen ist.« 
				 
				Die Geschichte zeigt, daß die üblen Pläne der Bösen klugen 
				Menschen nicht verborgen bleiben. 
				 
				
				
				Der Löwe in Furcht vor der Maus 
				 
				Eine Maus lief einem schlafenden Löwen über den Leib. Der Löwe 
				schreckte hoch, war ganz verwirrt und suchte nach dem 
				Eindringling. Ein Fuchs sah ihm aber zu und warf ihm vor, daß er 
				als Löwe Angst vor einer Maus habe. Doch der Löwe gab zur 
				Antwort: »Ich habe mich nicht vor der Maus in Acht genommen, 
				sondern nur gewundert, daß jemand es wagte, einem schlafenden 
				Löwen über den Leib zu laufen.« 
				 
				Die Geschichte lehrt, daß vernünftige Menschen auch die nicht 
				besonders bedeutsamen Ereignisse nicht übersehen. 
				 
				
				
				Der Löwe und die Maus, die sich als dankbar erweist 
				 
				Eine Maus lief einem schlafenden Löwen über den Leib. Der Löwe 
				schreckte hoch, packte sie mit seinen Pranken und schickte sich 
				an, sie zu fressen. Als sie ihm um ihr Leben bat und sagte, sie 
				könne ihm, wenn sie am Leben bleibe, ihre Dankbarkeit erweisen, 
				lachte er und ließ sie laufen. Nicht viel später kam es 
				tatsächlich dazu, daß er durch die Dankbarkeit der Maus gerettet 
				wurde. Denn nachdem er von irgendwelchen Jägern gefangen 
				genommen und mit einem Strick an einem Baum gebunden worden war, 
				hörte die Maus von weitem sein Stöhnen; lief herbei, zernagte 
				den Strick, befreite ihn und sagte: »Du hast mich damals so 
				ausgelacht, weil du nicht annehmen konntest, von mir eine 
				Gegenleistung zu bekommen. Jetzt sollte dir wirklich klar sein, 
				daß es auch bei den Mäusen Dankbarkeit gibt.« 
				 
				Die Geschichte veranschaulicht, daß durch die Veränderung der 
				Umstände gerade die Mächtigen die Hilfe der 
				Schwächeren brauchen. 
		 
		
				
				Der Löwe und die Mücke 
				 
				Eine Mücke kam zum Löwen und sprach: »Ich habe keine Angst vor 
				dir, und du bist nicht stärker als ich. Worin besteht denn 
				eigentlich deine Stärke? Du kratzest mit den Nägeln und beißest 
				mit den Zähnen; das tut auch ein Weib, wenn es mit seinem Manne 
				rauft. Nein, ich bin viel stärker als du, und wenn du willst, 
				lassen wir es auf einen Kampf ankommen.« 
				Und die Mücke blies die Schlachttrompete und stach ihn um die 
				Nase und in das Gesicht, wo der Löwe nicht behaart war. Der Löwe 
				wurde so wütend, daß er sich mit seinen eigenen Krallen 
				verletzte. Die Mücke aber, da sie den Löwen besiegt hatte, blies 
				wieder ihre Trompete, sang einen Siegpaean und flog davon. 
				Alsbald aber 
				verfing sie sich in einem Spinnennetz und wurde aufgefressen, 
				wobei sie noch schmerzlich jammerte,daß sie nach siegreichem 
				Kampf mit dem Stärksten einem so unbedeutendem Geschöpf wie 
				einer Spinne zum Opfer fiel. 
				 
				Das zielt auf Leute, die Hochstehende zu Fall bringen, aber 
				selber von Niedrigen gestürzt werden. 
				 
				
				
				Der Löwe, Prometheus und der Elephant 
				 
				Oft beschwerte sich der Löwe bei Prometheus; er habe ihn zwar 
				groß und schön erschaffen, auch seine Kiefer mit Zähnen, seine 
				Füße mit Klauen bewehrt und ihn zum stärksten aller Tiere 
				gemacht. »Aber doch,« sprach er, »so gewaltig ich auch bin, habe 
				ich doch Furcht vor dem Hahn.« 
				Prometheus sprach: »Zu Unrecht machst du mir diesen Vorwurf, 
				denn alles, was ich bilden konnte, hast du von mir; diese 
				Schwäche aber liegt in deiner Seele.« 
				Da weinte der Löwe, beschuldigte sich selbst der Feigheit und 
				wollte schließlich sterben. Da sah er, wie der Elephant 
				beständig mit den Ohren wedelte. »Was hast du denn,« fragte er, 
				»daß du niemals auch für noch so kurze Zeit deine Ohren still 
				hältst?« 
				Der Elephant den, wie es sich eben traf, eine Mücke umschwirrte, 
				sagte: »Siehst du das winzige Summeding da? Wenn es mir in den 
				Gehörgang dringt, ist es aus mit mir.« 
				Da sprach der Löwe: »Was brauch ich jetzt noch den Tod zu 
				suchen, der ich so stark bin; bin ich doch um so viel besser 
				daran als der Elephant, wie der Hahn die Mücke an Stärke 
				übertrifft.« 
				 
				Man sieht, wie stark die Mücke sein muß, wenn selbst der 
				Elephant vor ihr Angst hat. 
				 
				
				
				Der Löwe mit anderen Tieren auf der Jagd 
				 
				Der Löwe, ein Schaf und andere Tiere gingen zusammen auf die 
				Jagd. Der Löwe schwur, er wolle nach ihrer Zurückkunft alles 
				Erbeutete mit ihnen redlich teilen. Als nun ein Hirsch in einem 
				Sumpfe stecken blieb, wo gerade das Schaf Wache hielt, meldete 
				es dem Löwen den Vorfall. 
				Der Löwe eilte herbei, erwürgte den Hirsch und teilte die Beute 
				in vier gleiche Teile. 
				»Der erste Teil gehört mir«, sagte er nun zu den Umstehenden, 
				»weil ich der Löwe bin, der zweite, weil ich der Herzhafteste 
				unter euch bin, den dritten müßt ihr mir als dem Stärksten 
				überlassen, und den werde ich auf der 
				Stelle erwürgen, welcher mir den vierten abspricht.« 
				So behielt der Löwe den ganzen Hirsch, ohne daß es seine 
				Jagdgenossen auch nur wagen durften, 
				darüber zu klagen. 
				 
				Mit einem starken Gewalttätigen gehe nicht gemeinschaftlich auf 
				Geschäfte aus, er teilet immer zum Nachteil des Schwächeren. 
				 
				
					
				
				Der Löwe, Wolf und Fuchs 
				 
				Ein Löwe war alt geworden und lag krank in seiner Höhle. Alle 
				Tiere besuchten ihren König, nur der Fuchs kam nicht. Da ergriff 
				der Wolf die Gelegenheit, den Fuchs beim Löwen anzuschwärzen: 
				er verachte den Gebieter aller Tiere und sei deshalb nicht 
				einmal zu Besuch gekommen. 
				In diesem Augenblick erschien der Fuchs. Er hatte gerade noch 
				die letzten Worte des Wolfes gehört. Der Löwe brüllte den Fuchs 
				an, der aber erbat sich Zeit zur Verteidigung und sprach: 
				»Wer von allen deinen Besuchern hat dir so viel Gutes getan wie 
				ich? In der ganzen Welt bin ich umhergeirrt, um eine Medizin für 
				dich zu finden – und nun weiß ich sie.« 
				Der Löwe gebot ihm, sofort das Heilmittel zu nennen. Da sagte 
				der Fuchs: »Du mußt einem lebendigen Wolf die Haut abziehen 
				lassen und sie dir noch warm umlegen.« 
				Und als der Wolf nun so dalag, lachte der Fuchs und sprach: »Man 
				soll den Herrn nicht zum Zorn sondern zur Güte bewegen.« 
				 
				Die Fabel zeigt, daß, wer anderen eine Falle stellt, selber 
				hineinfällt. 
				 
				
				
				Der Magen und die Füße 
				 
				Der Magen und die Füße waren sich über ihre Wichtigkeit uneinig. 
				Weil aber die Füße bei jeder Gelegenheit behaupteten, sie seien 
				an Stärke dem Magen so sehr überlegen, 
				daß sie ihn sogar trügen, antwortete jener: »Ach, ihr, wenn ich 
				die Nahrung nicht aufnehme, dann könntet ihr 
				auch nichts tragen.« 
				 
				So ist auch im Krieg die große Masse nichts wert, wenn nicht die 
				Feldherrn außerordentlich klug planen. 
				 
				
				
				Vgl. Menenius Agrippa (Livius- Ab urbe condita 2, 32, 9-12) 
				 
				
				
				Der Mann, den ein Hund gebissen hatte 
				 
				Es wurde einmal einer von einem Hund gebissen. Er machte sich 
				auf, um einen Arzt aufzusuchen. 
				Als ihm aber jemand sagte, er müsse das Blut mit einem Stück 
				Brot abwischen und dem Hund, 
				der ihn gebissen habe, vorwerfen, erwiderte er: »Aber wenn ich 
				das tue, wird das zur Folge haben, 
				daß ich von allen Hunden in der Stadt gebissen werde.« 
				 
				So wird auch die Schlechtigkeit der Menschen angelockt und 
				angespornt, noch mehr Unrecht zu tun.
  
					
				
				Der Mann, der sein Götterbild zerstörte 
				 
				Ein Mann besaß ein hölzernes Götterbild, und weil er arm war, 
				flehte er zu ihm, es möchte ihm helfen. Doch sosehr er auch 
				flehte, er blieb doch weiter in seiner Armut. Deshalb wurde er 
				zornig, faßte die Figur am Schenkel und warf sie an die Wand. 
				Dabei fiel der Kopf zu Boden und zerbrach, und viel Gold floß 
				daraus hervor. Das sammelte der Mann auf und rief: »Verdreht 
				bist du, meine ich, und dumm! Denn solange ich dich verehrte, 
				hast du mir nichts genützt; da ich dich aber zerschlug, 
				belohntest du mich mit so viel Gutem.« 
				 
				Wie die Fabel zeigt, hat es keinen Zweck, einem Taugenichts 
				freundlich zu kommen; schlägt man ihn dagegen, 
				so wird man größeren Nutzen haben. 
				 
				
				
				Der Mann in den mittleren Jahren und seine beiden Freundinnen 
				 
				Ein Mann in den mittleren Jahren hatte zwei Geliebte: eine junge 
				und eine alte. 
				Die ältere schämte sich, mit einem jüngeren Mann 
				zusammen zu sein, und wenn er sie besuchte, 
				schnitt sie ihm 
				immer wieder seine schwarzen Haare ab. 
				Die jüngere aber litt darunter, einen so alten Liebhaber zu 
				haben, und zupfte ihm allmählich seine grauen Haare aus.
				So kam es, daß er von beiden auf ihre Weise seine Haare 
				ausgerupft bekam und schließlich kahl wurde. 
				 
				So ist Ungleichheit überall von Nachteil. 
				 
				
				
				Der Mann und seine unangenehme Frau 
				 
				Jemand hatte eine Frau, die in ihrer Art allen unangenehm war. 
				Da wollte er erfahren, ob sie sich  auch gegenüber den Knechten 
				und Mägden in ihrem Elternhaus genau so verhielt. Daher schickte 
				er sie unter einem vernünftigen Vorwand zu ihrem Vater. Als sie 
				nach wenigen Tagen zurückkam, fragte er sie, wie die Leute sie 
				aufgenommen hätten. Sie antwortete: »Die Rinderhirten und die 
				Schafhirten haben mich so seltsam angesehen.« Da sagte er zu 
				ihr: »Ja, Frau, wenn du schon denen unangenehm warst, die am 
				frühen Morgen ihre Herden hinaustreiben und erst spät wieder 
				zurückkommen, was muß man dann bei jenen erwarten, mit denen du 
				den ganzen Tag verbrachtest?« 
				 
				So erkennt man oft an Kleinigkeiten das Große und an dem, was 
				sichtbar ist, das Verborgene. 
					
					 
		
				
				Der Marder und der Hahn 
				 
				Ein Marder fing einen Hahn. Er wollte ihn auffressen und hatte 
				dafür eine vernünftige Begründung: Zuerst warf er ihm vor, daß 
				er den Menschen lästig sei, weil er nachts krähe und sie nicht 
				schlafen lasse. Als der Hahn entgegnete, er tue dies zu deren 
				Nutzen, da er sie zu ihrer gewohnten Tätigkeit wecke, nannte der 
				Marder einen zweiten Grund: »Du versündigst dich auch an der 
				Natur, weil du deine Schwestern und deine Mutter besteigst.« Der 
				Hahn sagte darauf, daß er dies auch zum Vorteil seiner 
				Eigentümer tue; denn er sorge dafür, daß die Hühner viele Eier 
				legten. Der Marder wußte nicht weiter und sagte: »Wenn du auch 
				keinen Mangel an Ausreden hast – werde ich dich deshalb etwa 
				nicht fressen?« 
				 
				Die Geschichte zeigt, daß ein übler Charakter, der eine 
				schlechte Tat begehen will, diese auch ganz offen begeht, wenn 
				er sie nicht unter einem vernünftigen Vorwand begehen kann. 
				 
				
				
				Der Maulesel 
				 
				Ein Maulesel, der von der Gerste fett geworden war, hüpfte 
				frohlockend und sprach zu sich selbst: 
				»Das Pferd ist mein Vater, das schnellfüßige, und ich bin ihm 
				ganz und gar gleich!« Eines Tages kam der Maulesel in eine 
				Notlage und war gezwungen, schnell zu laufen. Als er die 
				Strapaze hinter sich hatte, kam ihm ärgerlich zum Bewußtsein, 
				daß sein Vater ein Esel war. 
				 
				Die Fabel lehrt, daß man, auch wenn einen die Zeit zu Ansehen 
				gebracht hat, doch seiner Herkunft nicht vergessen darf; denn 
				unsicher ist nun einmal dieses Leben. 
				 
				
				
				Der Maulwurf 
				 
				Ein Maulwurf – ein von Natur aus blindes Lebewesen – sagte zu 
				seiner Mutter: »Ich kann sehen.« Daraufhin stellte sie ihn auf 
				die Probe, gab ihm ein Weihrauchkörnchen und fragte ihn, was 
				dies sei. Als er sagte, es sei ein Kieselstein, erwiderte die 
				Mutter: »Mein Kind, du hast nicht nur die Fähigkeit zu sehen 
				verloren, sondern auch keinen Geruchssinn mehr.« 
				 
				So versprechen auch manche Prahler unmögliche Dinge und werden 
				schon durch Kleinigkeiten widerlegt. 
					 
		
				
				Der Mensch und der Löwe auf der Wanderschaft 
				
				
				 
				Der Löwe zog mit dem Menschen den gleichen Weg. Da sagte der 
				Mensch zu ihm: »Ein mächtigeres Wesen ist der Mensch im 
				Vergleich zum Löwen.« Der Löwe erwiderte darauf: »Das mächtigere 
				Wesen ist der Löwe.« Und während sie so ihres Weges zogen, 
				zeigte der Mensch auf Schmucksäulen, welche die Menschen mit 
				Reliefs ausgestalteten; darauf stellten sie die Löwen dar, die 
				unterlegen und den Menschen unterworfen waren. Auf den Hinweis: 
				»Siehst du, wie die Löwen sind?« entgegnete der Löwe: »Wenn die 
				Löwen zu modellieren verstünden, würdest du viele Menschen zu 
				Füßen der Löwen sehen.« 
				 
				Weil es gelegentlich Leute gibt, die sich wegen Leistungen 
				rühmen, die sie nicht zu vollbringen vermögen, ist diese Fabel 
				erzählt. 
				 
				
				
				Der Mensch und der Satyr 
				 
				Ein Mensch soll einmal mit einem Satyr Freundschaft geschlossen 
				haben, und als der Winter kam und es kalt wurde, hielt der 
				Mensch seine Hände vor seinen Mund und hauchte sie an. Als der 
				Satyr in fragte, aus welchem Grund er dies tue, erwiderte er, 
				daß er seine Hände wärme wegen der Kälte. Später aber wurde 
				ihnen ein Tisch hingestellt mit einem sehr heißen Essen. Der 
				Mensch nahm es in die Hand, führte es in kleinen Häppchen zum 
				Mund und blies darauf. Als dann der Satyr erneut fragte, warum 
				er dies tue, sagte er, er lasse das Essen abkühlen, da es sehr 
				heiß sei. Da sagte jener zu ihm: »Leider kann ich die 
				Freundschaft mit dir nicht weiter aufrechterhalten, mein Lieber, 
				weil du aus demselben Mund das Heiße und das Kalte kommen läßt.« 
				 
				Auch wir müssen die Freundschaft mit denen vermeiden, deren 
				Verhalten nicht eindeutig ist. 
				 
				
				
				Der Mensch und die Zikade 
				 
				Ein Armer, der Heuschrecken sammelte, fing dabei auch eine 
				wohltönend zirpende Zikade und wollte sie töten. Doch die Zikade 
				redete ihn an: »Warum willst du mich für nichts umbringen? Ich 
				behellige die Ähren nicht, noch schade ich den jungen Trieben, 
				während ich durch das Zusammenschlagen meiner Flügel und die 
				gleichmäßige Bewegung meiner Beine angenehme Töne hervorbringe 
				und dadurch die Wanderer erfreue. Außer meiner Stimme wirst du 
				nichts bei mir finden.« Als der Mensch das erfahren hatte, ließ 
				er die Zikade laufen. 
				 
				
				
				Der Mensch und das Rebhuhn 
				 
				Ein Mensch wollte ein Rebhuhn schlachten, als dieses aufs 
				kläglichste bat, sein Leben zu schonen; es wolle, versprach es, 
				aus Erkenntlichkeit eine Menge Rebhühner in seine Netze locken. 
				»Oh, wie schlecht ist das von dir«, antwortete der Mensch, »und 
				um so mehr will ich dich umbringen, weil du niederträchtig genug 
				bist, um dich zu retten, deine Freunde ins Verderben zu 
				stürzen.« 
				 
				Ein edler Mensch wird nie, um sich herauszuziehen, andern 
				Verderben bereiten. 
				 
				
				
				Der Mörder 
				 
				Jemand, der einen Menschen getötet hatte, wurde von dessen 
				Angehörigen verfolgt. Als er zum Nil gelangte, kam ihm ein Wolf 
				entgegen. Er bekam einen Schrecken, kletterte auf einen Baum am 
				Ufer des Flusses und versteckte sich dort. Dann sah er aber, wie 
				eine Schlange auf ihn zukroch. Daraufhin ließ er sich in den 
				Fluß gleiten. Dort packte ihn ein Krokodil und verschlang ihn. 
				 
				Die Geschichte zeigt, daß es für diejenigen, die sich eine 
				Blutschuld aufgeladen haben, keinen sicheren Ort gibt: weder auf 
				der Erde, noch in der Luft, noch im Wasser. 
				 
				
				
				Der Musiker 
				 
				Ein unbegabter Musiker spielte ununterbrochen in einem Haus mit 
				gekalkten Wänden. Da seine Töne von den Wänden widerhallten, 
				glaubte er, er spiele sehr gut. Und weil er von seiner Kunst 
				überzeugt war, meinte er, er müsse auch öffentlich im Theater 
				auftreten. Als er aber auf die Bühne getreten war und denkbar 
				schlecht spielte, wurde er mit Steinen verjagt. 
				 
				So geht es auch manchen Rhetoriklehrern, die in ihren Schulen 
				etwas zu sein glauben; die sich aber, sobald sie in die Politik 
				gehen, als unfähig erweisen. 
				 
				
				
				Der Neger 
				 
				
				
				Es kaufte sich einer einen Neger und glaubte, dessen Farbe 
				beruhe auf Vernachlässigung seines Vorbesitzers. 
				Er nahm ihn also mit nach Hause, wusch ihn mit Seife aller Art 
				und versuchte, ihn mit jeder Art von Bädern weiß zu waschen. Die 
				Farbe ließ sich aber nicht verändern, ob er auch vor lauter Mühe 
				schier krank wurde. 
				 
				Natur bleibt halt, wie sie vorher war. 
				 
				
				
				Der Nußbaum 
				 
				Ein Nußbaum stand an einem Wege und wurde von den 
				Vorübergehenden mit Steinen beworfen. Da sagte er 
				seufzend zu sich selber: »Es ist mein Unglück, daß ich Jahr für 
				Jahr mir Schelte und Schmerzen einbringe.« 
				 
				Die Fabel geht auf Leute, die durch ihre eigenen Qualitäten 
				Nachteile haben. 
				 
				
					
				
				Der Ochsentreiber und Herkules 
				 
				Ein Ochsentreiber fuhr mit einem Wagen, welcher mit Holz schwer 
				beladen war, nach Hause. Als der Wagen im Moraste stecken blieb, 
				flehte sein Lenker, ohne sich selbst auch nur im geringsten zu 
				bemühen, alle Götter und Göttinnen um Hilfe an. Vor allem bat er 
				den wegen seiner Stärke allgemein verehrten Herkules, ihm 
				beizustehen. Da soll ihm dieser erschienen sein und ihm seine 
				Lässigkeit also vorgeworfen haben: »Lege die Hände an die Räder 
				und treibe mit der Peitsche dein Gespann an, zu den Göttern 
				flehe jedoch erst dann, wenn du selbst etwas getan hast, sonst 
				wirst du sie vergeblich anrufen.« 
				 
				
				
				Der Papagei und die Katze 
				 
				Ein Mann hatte einen Papagei gekauft und hielt ihn sich in 
				seinem Hause. Ein solches Entgegenkommen nutzend, flog der Vogel 
				auf den Herd, ließ sich da nieder und krächzte ganz wohlgemut. 
				Die Katze, die das sah, fragte ihn, wer er denn sei und woher er 
				komme. Der Papagei antwortete: »Der Herr hat mich neulich 
				gekauft.« - »So, du unverschämtes Vieh«, erwiderte ihm die 
				Katze, »obgleich du solch ein Neuankömmling bist, machst du ein 
				derartiges Geschrei, wie es mir, die ich im Hause geboren bin, 
				die Herrschaften niemals erlauben; vielmehr, wenn ich je so 
				handelte, würden sie mich mit Schimpf und Schande davonjagen.« 
				Doch der Papagei erwiderte: »Liebe Hausgenossin, mach dich nur 
				weit weg! Über meine Stimme empfinden nämlich die Herrschaften 
				nicht solches Mißvergnügen wie über die deinige.« 
				 
				Auf einen Tadelsüchtigen, der immer andern gern die Schuld 
				zuschieben möchte, paßt die Fabel recht gut. 
				 
				
				
				Der Pfau und der Kranich 
				 
				Der Pfau machte sich über den Kranich lustig, spottete über 
				seine Farbe und sagte: »Ich bin in Gold und Purpur gekleidet, du 
				dagegen hast nichts Schönes an deinen Federn.« Doch der Kranich 
				erwiderte: »Dafür lasse ich meine Stimme bei den Sternen 
				erklingen und erhebe mich mit meinen Flügeln in die 
				Himmelshöhen, während du wie ein Hahn unten mit den Hennen 
				einhertrottest.« 
				 
				Daß es besser ist, wenn einer bescheidene Kleidung trägt, aber 
				etwas gilt, als daß einer mit seinem Reichtum protzt, aber ein 
				ungeachtetes Dasein führt, das beweist diese Fabel. 
				 
				
				
				Der Pfau und die Dohle1 
				 
				Die Vögel beratschlagten über die Königsherrschaft. Ein Pfau 
				verlangte, daß man ihn zum König wähle aufgrund seiner 
				Schönheit. Als die Vögel sich anschickten, dies zu tun, sagte 
				die Dohle: »Aber wenn uns unter deiner Herrschaft der Adler 
				verfolgt, wie wirst du uns dann helfen?« 
				 
				Die Geschichte zeigt, daß sich die Mächtigen nicht durch 
				Schönheit, sondern durch Stärke auszeichnen. 
				 
				
				
				Der Pfau und die Dohle 2
				
				
				andere Version 
				 
				Ein Pfau und eine Dohle stritten sich um die Vorzüge ihrer 
				Eigenschaften. Der Pfau brüstete sich mit dem Glanz, der Farbe 
				und der Größe seiner Federn. 
				Die Dohle gab all dieses zu und bemerkte nur, daß alle diese 
				Schönheiten zur Hauptsache nicht taugten - zum Fliegen. Sie flog 
				auf, und beschämt blieb der Pfau zurück. 
				 
				Sei nicht stolz auf bloß äußerliche Vorzüge. 
				 
				
				
				Der Pflüger und der Wolf 
				 
				Ein Pflüger hatte seine Zugtiere ausgespannt und brachte sie zur 
				Tränke. Da fand aber ein hungriger Wolf auf seiner Suche nach 
				Beute den Pflug. Zuerst leckte er am Geschirr der Stiere. Eine 
				Zeit lang blieb er unbemerkt. Als er aber seinen Hals 
				hineinsteckte und ihn nicht mehr herausziehen konnte, schleppte 
				er den Pflug über den Acker. Als der Pflüger zurückkam und ihn 
				sah, sagte er: »Du Verbrecher, könntest du doch auf deine 
				Raubzüge und deine Untaten verzichten und dich statt dessen der 
				Landarbeit zuwenden!« 
				 
				
				
				Der Rabe und der Fuchs 
				 
				Nachdem ein Rabe ein Stück Fleisch gestohlen hatte, ließ er sich 
				auf einem Baum nieder. Ein Fuchs sah ihn und wollte das Fleisch 
				haben. Er stellte sich unter den Baum und rühmte den Raben wegen 
				seiner Größe und Schönheit. Er fügte noch hinzu, daß ihm vor 
				allen anderen die Herrschaft über die Vögel zustehe. Und dies 
				könne auf jeden Fall Wirklichkeit werden, wenn er auch eine 
				schöne Stimme habe. Als der Rabe dem Fuchs zeigen wollte, daß er 
				auch eine schöne Stimme habe, ließ er das Fleisch fallen und 
				begann, laut zu krächzen. Der Fuchs stürzte sich auf das Fleisch 
				und rief: »Ach, Rabe, wenn du auch noch Vernunft besäßest, hätte 
				deiner Herrschaft über alle nichts im Wege gestanden.« 
				 
				Die Geschichte paßt gut auf einen Mann ohne jede Vernunft. 
				 
				Der Rabe und die Schlange 
				 
				Ein Rabe hatte nichts zu fressen, als er eine Schlange auf einem 
				von der Sonne beschienenen Platz liegen sah. 
				Er flog hinunter und packte sie. Sie drehte sich aber zu ihm hin 
				und biß ihn. Da sagte er sterbend: »Ach, ich Unglücksrabe, der 
				ich einen so unverhofften Fund machte, durch den ich nun auch 
				noch mein Leben verliere!« 
				 
				Diese Geschichte könnte auf einen Mann zutreffen, der sogar sein 
				Leben aufs Spiel setzt, um einen Schatz 
				zu finden. 
				 
				
				
				Der Räuber und der Maulbeerbaum 
				 
				Ein Räuber erschlug jemanden auf der Straße. Als er von gerade 
				vorbeikommenden Leuten verfolgt wurde, ließ er von dem Toten ab 
				und flüchtete mit blutenden Händen. Als ihn entgegenkommende 
				Reisende fragten, warum er so schmutzige Hände habe, antwortete 
				er, er sei gerade erst von einem Maulbeerbaum herabgestiegen. 
				Und während er dies sagte, erreichten ihn seine Verfolger, 
				packten ihn und kreuzigten ihn an einem Maulbeerbaum. Der Baum 
				aber sprach zu dem Mörder: »Ja, es tut mir nicht leid, wenn ich 
				zu deinem Tod beitrage. Denn du wolltest den Mord, den du selbst 
				begangen hast, auf mich schieben.« 
				 
				So scheuen sich auch die eigentlich Anständigen nicht, wenn sie 
				von manchen Leuten als Übeltäter verleumdet werden, diese hart 
				zu bestrafen. 
				 
				
				
				Vgl. dazu die ätiologische Legende bei Ovid, Met. 4, 125-127 
				(Pyramus und Thisbe) 
				 
				
				
				Der Reiche und der Gerber 
				 
				Ein reicher Mann hatte ein Haus neben einem Gerber. Weil er aber 
				den Gestank nicht ertragen konnte, versuchte er ihn zu 
				veranlassen umzuziehen. Der Gerber aber verzögerte die 
				Angelegenheit und sagte ständig, er werde in Kürze umziehen. Das 
				geschah aber immer wieder. So kam es, daß sich der Reiche mit 
				der Zeit an den Gestank gewöhnte und den Gerber nicht mehr 
				bedrängte. 
				 
				Die Geschichte veranschaulicht, daß Gewohnheit auch die 
				unangenehmen Dinge erträglich werden läßt. 
				 
				Der Reiche und die Klageweiber 
				 
				Ein reicher Mann hatte zwei Töchter. Als die eine gestorben war, 
				mietete er Klageweiber. Die andere Tochter sagte zu ihrer 
				Mutter: »Es geht uns wirklich schlecht, wenn wir selbst, die wir 
				doch vom Leid betroffen sind, nicht zu klagen verstehen, während 
				diejenigen, die gar nicht zu uns gehören, sich so heftig 
				schlagen und klagen.« Darauf sagte die Mutter: »Wundere dich 
				nicht, mein Kind, wenn diese Frauen so jammern. Sie tun es für 
				Geld.« 
				 
				So haben manche Menschen keine Hemmungen, aus Geldgier fremdes 
				Unglück gegen Lohn mit zu tragen. 
				 
				Der Rhetor Demades 
				 
				Der Redner Demades sprach einmal in Athen vor dem Volk. Die 
				Leute hörten ihm aber nicht richtig zu. Da bat er sie darum, ihm 
				zu erlauben, eine »Äsopische Fabel« zu erzählen. Sie waren damit 
				einverstanden, und er fing an zu erzählen: »Demeter, eine 
				Schwalbe und ein Aal hatten denselben Weg. Als sie an einen 
				Fluss kamen, flog die Schwalbe hoch, der Aal tauchte ins 
				Wasser.« Dann redete Demades nicht weiter. Die Leute fragten 
				ihn: »Was ist denn mit Demeter passiert?« Er antwortete: »Sie 
				ärgert sich über euch, weil ihr euch für die wichtigen 
				Angelegenheiten der Stadt nicht interessiert, es aber gern 
				zulaßt, daß man euch Äsopische Fabeln erzählt.« 
				 
				So sind es auch unter den Menschen die Unvernünftigen, die sich 
				um die notwendigen Dinge nicht kümmern, 
				sondern vorziehen, was ihnen Spaß macht. 
				 
				
				
				Der Rinderhirt, der ein Kalb verlor, und der Löwe 
				 
				Ein Rinderhirt hatte beim Weiden seiner Herde ein Kalb verloren. 
				Nachdem er es gesucht, aber nicht gefunden hatte, versprach er 
				Zeus, er werde ihm eine junge Ziege opfern, wenn er den 
				Rinderdieb gefunden habe. Er gelangte in einen Eichenwald und 
				sah, wie ein Löwe das Kalb fraß. Er bekam einen furchtbaren 
				Schrecken, hob seine Hände zum Himmel und rief: »Zeus, Herr, 
				damals versprach ich dir, eine junge Ziege zu opfern, wenn ich 
				den Dieb gefunden hätte, jetzt aber werde ich dir einen Stier 
				opfern, wenn ich den Klauen dieses Räubers entkomme.« 
				 
				Diese Geschichte könnte über Menschen im Unglück erzählt werden, 
				die nach einem Verlust darum beten, das Verlorene wieder zu 
				finden, aber versuchen, ihm zu entkommen, wenn sie es gefunden 
				haben. 
				 
				Der Rinderhirt und der Löwe 
				 
				Ein Rinderhirt hatte einen Ochsen verloren. Also gelobte er 
				Zeus, wenn er den Dieb fände, wolle er den Ochsen zum Opfer 
				darbringen. Doch als er unversehens erkennen mußte, daß der Löwe 
				es war, der seinen Ochsen verzehrte, bat er Zeus: »Ich will dir 
				noch einen Ochsen dazu opfern, wenn ich dem Räuber entkomme.« 
				 
				Ohne Überlegung soll man Gott keine Gelübde geben, sonst kommt 
				die Reue zu ihrer Stunde. 
				 
				Der Schiffbrüchige und das Meer 
				 
				
				
				Der Schiffbrüchige und das Meer 
				 
				Ein Schiffbrüchiger wurde an einen Strand gespült und schlief 
				vor Erschöpfung ein. Aber kurze Zeit darauf stand er wieder auf, 
				und als er das Meer sah, machte er ihm Vorwürfe, daß es die 
				Menschen mit der Friedfertigkeit  seines äußeren 
				Erscheinungsbildes anlocke, und wenn es sie dann in seiner 
				Gewalt habe, wild werde und sie vernichte. Daraufhin sagte das 
				Meer in der Gestalt einer Frau zu ihm: »Ach, lieber Freund, mach 
				mir keine Vorwürfe, sondern den Stürmen. Die Stürme aber fallen 
				unerwartet über mich her, peitschen die Wogen auf und machen 
				mich zu einer wilden Bestie.« 
				 
				Aber auch wir dürfen bei Untaten nicht die Täter verantwortlich 
				machen, wenn sie anderen unterstellt sind, sondern nur 
				diejenigen, die ihnen Befehle erteilen. 
				 
				Der Schiffbrüchige und die Göttin 
				Athene 
				 
				Ein reicher Athener machte mit anderen Leuten eine Seereise. Da 
				kam ein furchtbares Unwetter auf, und das Schiff kenterte. Alle 
				anderen schwammen um ihr Leben. Aber der Athener rief 
				ununterbrochen die Göttin Athene an und gelobte ihr unzählige 
				Dinge, wenn er gerettet würde. Einer der anderen 
				Schiffbrüchigen, der neben ihm schwamm, rief ihm zu: »Du darfst 
				nicht nur zu Athene beten, du mußt auch schwimmen.« 
				 
				Das gilt aber auch für uns: Es ist notwendig, daß wir nicht nur 
				die Götter um Hilfe bitten, sondern auch aus eigener Kraft etwas 
				für uns tun. 
				 
				Der Schmied und sein Hündchen 
				 
				Ein Schmied hatte ein Hündchen, das schlief, solange er am Amboß 
				hämmerte, aber sobald er eine Frühstückspause machte, wachte es 
				auf. Der Schmied warf ihm einen Knochen zu und sagte: »O du 
				elendes verschlafenes Hündlein; was soll ich mit dir machen, da 
				du so träge bist? Wenn ich auf meinen Amboß schlage, legst du 
				dich zu Bett; 
				wenn ich aber nur meine Zähne bewege, wachst du sogleich auf und 
				wedelst mit dem Schwanze.« 
				 
				Die Fabel richtet sich gegen Schläfrige und Träge, die 
				zuschauen, während andere arbeiten. 
				 
				 
				                                                                                                                
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