Fabelverzeichnis

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Der Krebs und der Fuchs

Ein Krebs stieg aus dem Meer und lebte allein an einem Strand. Als ein hungriger Fuchs ihn sah und nichts zu fressen hatte, lief er zu ihm hin und packte ihn. Kurz bevor er gefressen wurde, sagte der Krebs: »Ja, es geschieht mir ganz recht, weil ich als Meeresbewohner Landbewohner werden wollte.«

So ist es auch bei den Menschen, die ihre vertrauten Tätigkeiten aufgeben, das verfolgen, was nicht zu ihnen paßt, und dadurch natürlich in ein Unglück geraten.

Der Krieger und die Raben

Ein Feigling mußte in den Krieg ziehen. Als aber die Raben krächzten, stellte er seine Waffen zur Seite und verhielt sich still; dann nahm er sie wieder auf und zog aufs neue los. Und als auch diesmal die Raben krächzten, hielt er wieder inne und sagte endlich: »Ihr mögt krächzen, so laut ihr nur könnt; mich werdet ihr jedenfalls nicht zu fressen bekommen.«

Die Fabel bezieht sich auf sehr feige Leute.

Der Liebhaber und die Dame

Ein Mann pflegte bei Nacht heimlich eine Dame zu besuchen und mit ihr zu huren. Sie verabredete als Erkennungszeichen mit ihm, daß er vor dem Tor wie ein kleines Hündlein bellen solle, worauf sie ihm die Tür öffnen würde: das tat er auch jedes Mal.
Ein Anderer sah ihn abends jenes Weges gehen, und da er ihn als Spitzbuben kannte, folgte er ihm eines Nachts heimlich in einigem Abstand.
Der Hurer ging nichts ahnend an das Tor und tat wie gewöhnlich; der ihm folgte, nahm alles wahr und ging
wieder nach Hause. In der folgenden Nacht erhob er sich zuerst, ging zu der zur Hurerei bereiten Dame
und bellte wie ein Hündchen. In der festen Meinung, es sei ihr Liebhaber, löschte sie ihr Licht, damit sie niemand sähe, und öffnete die Tür. Er ging hinein und schlief mit ihr.
Nach kurzer Zeit erschien auch ihr voriger Buhler und bellte draußen wie gewöhnlich wie ein kleiner Hund.
Der Mann aber, der schon drinnen war, hörte, wie der da draußen wie ein Hündchen bellte, und antwortete
drinnen mit lautem Gebell wie ein riesengroßer Hund.
Da begriff der draußen, daß schon einer drinnen war, der größer war als er, und zog wieder ab.


Der Löwe, der Esel und der Fuchs

Ein Löwe, ein Esel und ein Fuchs schlossen sich zusammen und gingen gemeinsam auf die Jagd. Als sie viel Beute gemacht hatten, befahl der Löwe dem Esel, unter ihnen die Beute zu teilen. Nachdem er sie in drei Teile geteilt hatte und ihn gebeten hatte, seine Auswahl zu treffen, geriet der Löwe in Zorn, ging auf ihn los und fraß ihn auf.
Dann befahl er dem Fuchs zu teilen. Der Fuchs legte alles zusammen auf einen einzigen Haufen, legte für sich selbst nur einen ganz kleinen Teil beiseite und forderte den Löwen auf zu wählen. Als der Löwe ihn fragte, wer ihm gelehrt habe, so zu teilen, erwiderte der Fuchs: »Das unglückliche Geschick des Esels.«

Die Geschichte veranschaulicht, daß das Unglück der Mitmenschen für die anderen Menschen eine Mahnung
bedeutet.

Der Löwe und der Esel gemeinsam auf der Jagd

Ein Löwe und ein Esel schlossen ein Bündnis und gingen gemeinsam auf die Jagd.
Sie kamen zu irgendeiner Höhle, in der sich wilde Ziegen befanden. Der Löwe legte sich am Eingang auf
die Lauer, bis sie herauskamen, der Esel trat in die Höhle ein, rannte auf sie los und blähte sich mächtig auf,
weil er sie erschrecken wollte. Als der Löwe die meisten Ziegen gefangen hatte, kam der Esel heraus und wollte
von ihm wissen, ob er anständig gekämpft und die Ziegen mit Erfolg gejagt habe. Da erwiderte der Löwe:
»Ja, du sollst wirklich wissen, daß auch ich Angst vor dir bekommen hätte, wenn ich nicht wüßte,
daß du nur ein Esel bist!«

So ernten auch die Menschen, die sich vor den Wissenden besonders aufspielen, natürlich nur Gelächter.

Der Löwe und der Bär

Ein Löwe und ein Bär fanden einmal ein Rehkitz und stritten sich um die Beute.
Sie fielen mit furchtbarer Gewalt übereinander her. Dann wurde es ihnen vor Anstrengung ganz schwindlig,
und sie brachen halbtot zusammen.
Ein Fuchs kam gerade vorbei, und als er sah, daß sie völlig erschöpft am Boden lagen und das Rehkitz
in der Mitte kauerte, holte er sich dieses und verschwand. Die beiden Kämpfer, die sich noch nicht erheben
konnten, riefen: »Wir Unglücklichen, daß wir uns für einen Fuchs so abgequält haben!«

Die Geschichte veranschaulicht, daß jene sich aus gutem Grund ärgern, die mit ansehen müssen,
wie diejenigen, die zufällig vorbeikommen, den Gewinn aus den eigenen Anstrengungen ziehen.


Der Löwe und der Delphin

Ein Löwe irrte an einem Strand umher, als er einen Delphin sah, der ihm zuschaute.
Er forderte diesen auf, ihm zu helfen. Er sagte, es füge sich besonders gut, wenn sie Freunde würden und sich gegenseitig Hilfe leisteten. Denn der Delphin sei der Herrscher über die Meerestiere, er selbst sei König der Tiere auf dem Land. Als der Delphin freudig zustimmte, rief der Löwe nicht viel später den Delphin zu Hilfe, weil er einen Kampf gegen einen wilden Stier zu bestehen hatte.
Aber als jener, obwohl er es wollte, nicht aus dem Meer steigen konnte, warf ihm der Löwe vor,
er sei ein Verräter. Da antwortete der Delphin: »Mach mir doch keine Vorwürfe, sondern eher meiner Natur,
die mich zu einem Meerestier hat werden lassen und mich nicht auf das Land gehen läßt.«

Aber es ist notwendig, daß auch wir, wenn wir Freundschaft schließen, solche Menschen zu Helfern wählen,
die uns in Gefahren beistehen können.

Der Löwe und der Eber

Zur Sommerzeit, da die Hitze einen Durst leiden läßt, kamen ein Löwe und ein Eber gleichzeitig zu einem kleinen Quell, um daraus zu trinken. Sie stritten darum, wer zuerst trinken sollte, und darüber kam es zwischen ihnen zum Kampf auf Leben und Tod. Als sie voneinander abließen, um sich zu verschnaufen, sahen sie plötzlich, wie Aasgeier dasaßen und warteten, welcher von ihnen wohl fiele, um ihn dann zu fressen. Da gaben sie ihren Zwist auf und sprachen:
»Besser, daß wir Freunde werden als Futter für Geier und Raben.«

So ist es schön, Streit und Zwist beizulegen, wenn sie schließlich Gefahr für alle mit sich bringen.

Der Löwe und der Frosch

Als ein Löwe einen Frosch quaken hörte, ging er dem Ton nach, weil er glaubte, daß es ein großes Tier sei.
Dann wartete er eine kurze Zeit auf ihn. Aber als er den Frosch aus dem Tümpel herauskommen sah,
ging er hin und zertrat ihn. Dann sagte er: »Niemanden soll die Stimme erschrecken, bevor er sich zeigt.«

Die Geschichte paßt auf einen Mann, der über nichts mehr verfügt als über maßlose Geschwätzigkeit.


Der Löwe und der Stier

Ein Löwe stellte einem gewaltigen Stier nach. Er wollte ihn mit Hilfe einer List überwältigen. Deshalb sagte er,
er habe ein Schaf für ein Opfer geschlachtet, und lud den Stier zum Essen ein. Er wollte ihn aber, sobald er sich zu Tisch gelegt hatte, überwältigen. Als aber der Stier eingetroffen war und die vielen Schüsseln und Spieße sah, aber nirgendwo das Schaf, ging er wieder fort, ohne etwas zu sagen. Aber als ihm der Löwe deswegen Vorwürfe machte und den Grund dafür wissen wollte, warum er so einfach weggegangen sei, ohne etwas Schlimmes erlitten zu haben, sagte er: »Ja, ich tue dies nicht ohne Grund. Denn ich sehe einen Aufwand, der nicht einem Schaf, sondern einem Stier angemessen ist.«

Die Geschichte zeigt, daß die üblen Pläne der Bösen klugen Menschen nicht verborgen bleiben.

Der Löwe in Furcht vor der Maus

Eine Maus lief einem schlafenden Löwen über den Leib. Der Löwe schreckte hoch, war ganz verwirrt und suchte nach dem Eindringling. Ein Fuchs sah ihm aber zu und warf ihm vor, daß er als Löwe Angst vor einer Maus habe. Doch der Löwe gab zur Antwort: »Ich habe mich nicht vor der Maus in Acht genommen, sondern nur gewundert, daß jemand es wagte, einem schlafenden Löwen über den Leib zu laufen.«

Die Geschichte lehrt, daß vernünftige Menschen auch die nicht besonders bedeutsamen Ereignisse nicht übersehen.

Der Löwe und die Maus, die sich als dankbar erweist

Eine Maus lief einem schlafenden Löwen über den Leib. Der Löwe schreckte hoch, packte sie mit seinen Pranken und schickte sich an, sie zu fressen. Als sie ihm um ihr Leben bat und sagte, sie könne ihm, wenn sie am Leben bleibe, ihre Dankbarkeit erweisen, lachte er und ließ sie laufen. Nicht viel später kam es tatsächlich dazu, daß er durch die Dankbarkeit der Maus gerettet wurde. Denn nachdem er von irgendwelchen Jägern gefangen genommen und mit einem Strick an einem Baum gebunden worden war, hörte die Maus von weitem sein Stöhnen; lief herbei, zernagte den Strick, befreite ihn und sagte: »Du hast mich damals so ausgelacht, weil du nicht annehmen konntest, von mir eine Gegenleistung zu bekommen. Jetzt sollte dir wirklich klar sein, daß es auch bei den Mäusen Dankbarkeit gibt.«

Die Geschichte veranschaulicht, daß durch die Veränderung der Umstände gerade die Mächtigen die Hilfe der
Schwächeren brauchen.


Der Löwe und die Mücke

Eine Mücke kam zum Löwen und sprach: »Ich habe keine Angst vor dir, und du bist nicht stärker als ich. Worin besteht denn eigentlich deine Stärke? Du kratzest mit den Nägeln und beißest mit den Zähnen; das tut auch ein Weib, wenn es mit seinem Manne rauft. Nein, ich bin viel stärker als du, und wenn du willst, lassen wir es auf einen Kampf ankommen.«
Und die Mücke blies die Schlachttrompete und stach ihn um die Nase und in das Gesicht, wo der Löwe nicht behaart war. Der Löwe wurde so wütend, daß er sich mit seinen eigenen Krallen verletzte. Die Mücke aber, da sie den Löwen besiegt hatte, blies wieder ihre Trompete, sang einen Siegpaean und flog davon. Alsbald aber
verfing sie sich in einem Spinnennetz und wurde aufgefressen, wobei sie noch schmerzlich jammerte,daß sie nach siegreichem Kampf mit dem Stärksten einem so unbedeutendem Geschöpf wie einer Spinne zum Opfer fiel.

Das zielt auf Leute, die Hochstehende zu Fall bringen, aber selber von Niedrigen gestürzt werden.

Der Löwe, Prometheus und der Elephant

Oft beschwerte sich der Löwe bei Prometheus; er habe ihn zwar groß und schön erschaffen, auch seine Kiefer mit Zähnen, seine Füße mit Klauen bewehrt und ihn zum stärksten aller Tiere gemacht. »Aber doch,« sprach er, »so gewaltig ich auch bin, habe ich doch Furcht vor dem Hahn.«
Prometheus sprach: »Zu Unrecht machst du mir diesen Vorwurf, denn alles, was ich bilden konnte, hast du von mir; diese Schwäche aber liegt in deiner Seele.«
Da weinte der Löwe, beschuldigte sich selbst der Feigheit und wollte schließlich sterben. Da sah er, wie der Elephant beständig mit den Ohren wedelte. »Was hast du denn,« fragte er, »daß du niemals auch für noch so kurze Zeit deine Ohren still hältst?«
Der Elephant den, wie es sich eben traf, eine Mücke umschwirrte, sagte: »Siehst du das winzige Summeding da? Wenn es mir in den Gehörgang dringt, ist es aus mit mir.«
Da sprach der Löwe: »Was brauch ich jetzt noch den Tod zu suchen, der ich so stark bin; bin ich doch um so viel besser daran als der Elephant, wie der Hahn die Mücke an Stärke übertrifft.«

Man sieht, wie stark die Mücke sein muß, wenn selbst der Elephant vor ihr Angst hat.

Der Löwe mit anderen Tieren auf der Jagd

Der Löwe, ein Schaf und andere Tiere gingen zusammen auf die Jagd. Der Löwe schwur, er wolle nach ihrer Zurückkunft alles Erbeutete mit ihnen redlich teilen. Als nun ein Hirsch in einem Sumpfe stecken blieb, wo gerade das Schaf Wache hielt, meldete es dem Löwen den Vorfall.
Der Löwe eilte herbei, erwürgte den Hirsch und teilte die Beute in vier gleiche Teile.
»Der erste Teil gehört mir«, sagte er nun zu den Umstehenden, »weil ich der Löwe bin, der zweite, weil ich der Herzhafteste unter euch bin, den dritten müßt ihr mir als dem Stärksten überlassen, und den werde ich auf der
Stelle erwürgen, welcher mir den vierten abspricht.«
So behielt der Löwe den ganzen Hirsch, ohne daß es seine Jagdgenossen auch nur wagen durften,
darüber zu klagen.

Mit einem starken Gewalttätigen gehe nicht gemeinschaftlich auf Geschäfte aus, er teilet immer zum Nachteil des Schwächeren.


Der Löwe, Wolf und Fuchs

Ein Löwe war alt geworden und lag krank in seiner Höhle. Alle Tiere besuchten ihren König, nur der Fuchs kam nicht. Da ergriff der Wolf die Gelegenheit, den Fuchs beim Löwen anzuschwärzen:
er verachte den Gebieter aller Tiere und sei deshalb nicht einmal zu Besuch gekommen.
In diesem Augenblick erschien der Fuchs. Er hatte gerade noch die letzten Worte des Wolfes gehört. Der Löwe brüllte den Fuchs an, der aber erbat sich Zeit zur Verteidigung und sprach:
»Wer von allen deinen Besuchern hat dir so viel Gutes getan wie ich? In der ganzen Welt bin ich umhergeirrt, um eine Medizin für dich zu finden – und nun weiß ich sie.«
Der Löwe gebot ihm, sofort das Heilmittel zu nennen. Da sagte der Fuchs: »Du mußt einem lebendigen Wolf die Haut abziehen lassen und sie dir noch warm umlegen.«
Und als der Wolf nun so dalag, lachte der Fuchs und sprach: »Man soll den Herrn nicht zum Zorn sondern zur Güte bewegen.«

Die Fabel zeigt, daß, wer anderen eine Falle stellt, selber hineinfällt.

Der Magen und die Füße

Der Magen und die Füße waren sich über ihre Wichtigkeit uneinig.
Weil aber die Füße bei jeder Gelegenheit behaupteten, sie seien an Stärke dem Magen so sehr überlegen,
daß sie ihn sogar trügen, antwortete jener: »Ach, ihr, wenn ich die Nahrung nicht aufnehme, dann könntet ihr
auch nichts tragen.«

So ist auch im Krieg die große Masse nichts wert, wenn nicht die Feldherrn außerordentlich klug planen.

Vgl. Menenius Agrippa (Livius- Ab urbe condita 2, 32, 9-12)

Der Mann, den ein Hund gebissen hatte

Es wurde einmal einer von einem Hund gebissen. Er machte sich auf, um einen Arzt aufzusuchen.
Als ihm aber jemand sagte, er müsse das Blut mit einem Stück Brot abwischen und dem Hund,
der ihn gebissen habe, vorwerfen, erwiderte er: »Aber wenn ich das tue, wird das zur Folge haben,
daß ich von allen Hunden in der Stadt gebissen werde.«

So wird auch die Schlechtigkeit der Menschen angelockt und angespornt, noch mehr Unrecht zu tun.


Der Mann, der sein Götterbild zerstörte

Ein Mann besaß ein hölzernes Götterbild, und weil er arm war, flehte er zu ihm, es möchte ihm helfen. Doch sosehr er auch flehte, er blieb doch weiter in seiner Armut. Deshalb wurde er zornig, faßte die Figur am Schenkel und warf sie an die Wand. Dabei fiel der Kopf zu Boden und zerbrach, und viel Gold floß daraus hervor. Das sammelte der Mann auf und rief: »Verdreht bist du, meine ich, und dumm! Denn solange ich dich verehrte, hast du mir nichts genützt; da ich dich aber zerschlug, belohntest du mich mit so viel Gutem.«

Wie die Fabel zeigt, hat es keinen Zweck, einem Taugenichts freundlich zu kommen; schlägt man ihn dagegen,
so wird man größeren Nutzen haben.

Der Mann in den mittleren Jahren und seine beiden Freundinnen

Ein Mann in den mittleren Jahren hatte zwei Geliebte: eine junge und eine alte.
Die ältere schämte sich, mit einem jüngeren Mann zusammen zu sein, und wenn er sie besuchte,
schnitt sie ihm immer wieder seine schwarzen Haare ab.
Die jüngere aber litt darunter, einen so alten Liebhaber zu haben, und zupfte ihm allmählich seine grauen Haare aus. So kam es, daß er von beiden auf ihre Weise seine Haare ausgerupft bekam und schließlich kahl wurde.

So ist Ungleichheit überall von Nachteil.

Der Mann und seine unangenehme Frau

Jemand hatte eine Frau, die in ihrer Art allen unangenehm war. Da wollte er erfahren, ob sie sich  auch gegenüber den Knechten und Mägden in ihrem Elternhaus genau so verhielt. Daher schickte er sie unter einem vernünftigen Vorwand zu ihrem Vater. Als sie nach wenigen Tagen zurückkam, fragte er sie, wie die Leute sie aufgenommen hätten. Sie antwortete: »Die Rinderhirten und die Schafhirten haben mich so seltsam angesehen.« Da sagte er zu ihr: »Ja, Frau, wenn du schon denen unangenehm warst, die am frühen Morgen ihre Herden hinaustreiben und erst spät wieder zurückkommen, was muß man dann bei jenen erwarten, mit denen du den ganzen Tag verbrachtest?«

So erkennt man oft an Kleinigkeiten das Große und an dem, was sichtbar ist, das Verborgene.


Der Marder und der Hahn

Ein Marder fing einen Hahn. Er wollte ihn auffressen und hatte dafür eine vernünftige Begründung: Zuerst warf er ihm vor, daß er den Menschen lästig sei, weil er nachts krähe und sie nicht schlafen lasse. Als der Hahn entgegnete, er tue dies zu deren Nutzen, da er sie zu ihrer gewohnten Tätigkeit wecke, nannte der Marder einen zweiten Grund: »Du versündigst dich auch an der Natur, weil du deine Schwestern und deine Mutter besteigst.« Der Hahn sagte darauf, daß er dies auch zum Vorteil seiner Eigentümer tue; denn er sorge dafür, daß die Hühner viele Eier legten. Der Marder wußte nicht weiter und sagte: »Wenn du auch keinen Mangel an Ausreden hast – werde ich dich deshalb etwa nicht fressen?«

Die Geschichte zeigt, daß ein übler Charakter, der eine schlechte Tat begehen will, diese auch ganz offen begeht, wenn er sie nicht unter einem vernünftigen Vorwand begehen kann.

Der Maulesel

Ein Maulesel, der von der Gerste fett geworden war, hüpfte frohlockend und sprach zu sich selbst:
»Das Pferd ist mein Vater, das schnellfüßige, und ich bin ihm ganz und gar gleich!« Eines Tages kam der Maulesel in eine Notlage und war gezwungen, schnell zu laufen. Als er die Strapaze hinter sich hatte, kam ihm ärgerlich zum Bewußtsein, daß sein Vater ein Esel war.

Die Fabel lehrt, daß man, auch wenn einen die Zeit zu Ansehen gebracht hat, doch seiner Herkunft nicht vergessen darf; denn unsicher ist nun einmal dieses Leben.

Der Maulwurf

Ein Maulwurf – ein von Natur aus blindes Lebewesen – sagte zu seiner Mutter: »Ich kann sehen.« Daraufhin stellte sie ihn auf die Probe, gab ihm ein Weihrauchkörnchen und fragte ihn, was dies sei. Als er sagte, es sei ein Kieselstein, erwiderte die Mutter: »Mein Kind, du hast nicht nur die Fähigkeit zu sehen verloren, sondern auch keinen Geruchssinn mehr.«

So versprechen auch manche Prahler unmögliche Dinge und werden schon durch Kleinigkeiten widerlegt.


Der Mensch und der Löwe auf der Wanderschaft

Der Löwe zog mit dem Menschen den gleichen Weg. Da sagte der Mensch zu ihm: »Ein mächtigeres Wesen ist der Mensch im Vergleich zum Löwen.« Der Löwe erwiderte darauf: »Das mächtigere Wesen ist der Löwe.« Und während sie so ihres Weges zogen, zeigte der Mensch auf Schmucksäulen, welche die Menschen mit Reliefs ausgestalteten; darauf stellten sie die Löwen dar, die unterlegen und den Menschen unterworfen waren. Auf den Hinweis: »Siehst du, wie die Löwen sind?« entgegnete der Löwe: »Wenn die Löwen zu modellieren verstünden, würdest du viele Menschen zu Füßen der Löwen sehen.«

Weil es gelegentlich Leute gibt, die sich wegen Leistungen rühmen, die sie nicht zu vollbringen vermögen, ist diese Fabel erzählt.

Der Mensch und der Satyr

Ein Mensch soll einmal mit einem Satyr Freundschaft geschlossen haben, und als der Winter kam und es kalt wurde, hielt der Mensch seine Hände vor seinen Mund und hauchte sie an. Als der Satyr in fragte, aus welchem Grund er dies tue, erwiderte er, daß er seine Hände wärme wegen der Kälte. Später aber wurde ihnen ein Tisch hingestellt mit einem sehr heißen Essen. Der Mensch nahm es in die Hand, führte es in kleinen Häppchen zum Mund und blies darauf. Als dann der Satyr erneut fragte, warum er dies tue, sagte er, er lasse das Essen abkühlen, da es sehr heiß sei. Da sagte jener zu ihm: »Leider kann ich die Freundschaft mit dir nicht weiter aufrechterhalten, mein Lieber, weil du aus demselben Mund das Heiße und das Kalte kommen läßt.«

Auch wir müssen die Freundschaft mit denen vermeiden, deren Verhalten nicht eindeutig ist.

Der Mensch und die Zikade

Ein Armer, der Heuschrecken sammelte, fing dabei auch eine wohltönend zirpende Zikade und wollte sie töten. Doch die Zikade redete ihn an: »Warum willst du mich für nichts umbringen? Ich behellige die Ähren nicht, noch schade ich den jungen Trieben, während ich durch das Zusammenschlagen meiner Flügel und die gleichmäßige Bewegung meiner Beine angenehme Töne hervorbringe und dadurch die Wanderer erfreue. Außer meiner Stimme wirst du nichts bei mir finden.« Als der Mensch das erfahren hatte, ließ er die Zikade laufen.

Der Mensch und das Rebhuhn

Ein Mensch wollte ein Rebhuhn schlachten, als dieses aufs kläglichste bat, sein Leben zu schonen; es wolle, versprach es, aus Erkenntlichkeit eine Menge Rebhühner in seine Netze locken.
»Oh, wie schlecht ist das von dir«, antwortete der Mensch, »und um so mehr will ich dich umbringen, weil du niederträchtig genug bist, um dich zu retten, deine Freunde ins Verderben zu stürzen.«

Ein edler Mensch wird nie, um sich herauszuziehen, andern Verderben bereiten.

Der Mörder

Jemand, der einen Menschen getötet hatte, wurde von dessen Angehörigen verfolgt. Als er zum Nil gelangte, kam ihm ein Wolf entgegen. Er bekam einen Schrecken, kletterte auf einen Baum am Ufer des Flusses und versteckte sich dort. Dann sah er aber, wie eine Schlange auf ihn zukroch. Daraufhin ließ er sich in den Fluß gleiten. Dort packte ihn ein Krokodil und verschlang ihn.

Die Geschichte zeigt, daß es für diejenigen, die sich eine Blutschuld aufgeladen haben, keinen sicheren Ort gibt: weder auf der Erde, noch in der Luft, noch im Wasser.

Der Musiker

Ein unbegabter Musiker spielte ununterbrochen in einem Haus mit gekalkten Wänden. Da seine Töne von den Wänden widerhallten, glaubte er, er spiele sehr gut. Und weil er von seiner Kunst überzeugt war, meinte er, er müsse auch öffentlich im Theater auftreten. Als er aber auf die Bühne getreten war und denkbar schlecht spielte, wurde er mit Steinen verjagt.

So geht es auch manchen Rhetoriklehrern, die in ihren Schulen etwas zu sein glauben; die sich aber, sobald sie in die Politik gehen, als unfähig erweisen.

Der Neger

Es kaufte sich einer einen Neger und glaubte, dessen Farbe beruhe auf Vernachlässigung seines Vorbesitzers.
Er nahm ihn also mit nach Hause, wusch ihn mit Seife aller Art und versuchte, ihn mit jeder Art von Bädern weiß zu waschen. Die Farbe ließ sich aber nicht verändern, ob er auch vor lauter Mühe schier krank wurde.

Natur bleibt halt, wie sie vorher war.

Der Nußbaum

Ein Nußbaum stand an einem Wege und wurde von den Vorübergehenden mit Steinen beworfen. Da sagte er
seufzend zu sich selber: »Es ist mein Unglück, daß ich Jahr für Jahr mir Schelte und Schmerzen einbringe.«

Die Fabel geht auf Leute, die durch ihre eigenen Qualitäten Nachteile haben.


Der Ochsentreiber und Herkules

Ein Ochsentreiber fuhr mit einem Wagen, welcher mit Holz schwer beladen war, nach Hause. Als der Wagen im Moraste stecken blieb, flehte sein Lenker, ohne sich selbst auch nur im geringsten zu bemühen, alle Götter und Göttinnen um Hilfe an. Vor allem bat er den wegen seiner Stärke allgemein verehrten Herkules, ihm beizustehen. Da soll ihm dieser erschienen sein und ihm seine Lässigkeit also vorgeworfen haben: »Lege die Hände an die Räder und treibe mit der Peitsche dein Gespann an, zu den Göttern flehe jedoch erst dann, wenn du selbst etwas getan hast, sonst wirst du sie vergeblich anrufen.«

Der Papagei und die Katze

Ein Mann hatte einen Papagei gekauft und hielt ihn sich in seinem Hause. Ein solches Entgegenkommen nutzend, flog der Vogel auf den Herd, ließ sich da nieder und krächzte ganz wohlgemut. Die Katze, die das sah, fragte ihn, wer er denn sei und woher er komme. Der Papagei antwortete: »Der Herr hat mich neulich gekauft.« - »So, du unverschämtes Vieh«, erwiderte ihm die Katze, »obgleich du solch ein Neuankömmling bist, machst du ein derartiges Geschrei, wie es mir, die ich im Hause geboren bin, die Herrschaften niemals erlauben; vielmehr, wenn ich je so handelte, würden sie mich mit Schimpf und Schande davonjagen.« Doch der Papagei erwiderte: »Liebe Hausgenossin, mach dich nur weit weg! Über meine Stimme empfinden nämlich die Herrschaften nicht solches Mißvergnügen wie über die deinige.«

Auf einen Tadelsüchtigen, der immer andern gern die Schuld zuschieben möchte, paßt die Fabel recht gut.

Der Pfau und der Kranich

Der Pfau machte sich über den Kranich lustig, spottete über seine Farbe und sagte: »Ich bin in Gold und Purpur gekleidet, du dagegen hast nichts Schönes an deinen Federn.« Doch der Kranich erwiderte: »Dafür lasse ich meine Stimme bei den Sternen erklingen und erhebe mich mit meinen Flügeln in die Himmelshöhen, während du wie ein Hahn unten mit den Hennen einhertrottest.«

Daß es besser ist, wenn einer bescheidene Kleidung trägt, aber etwas gilt, als daß einer mit seinem Reichtum protzt, aber ein ungeachtetes Dasein führt, das beweist diese Fabel.

Der Pfau und die Dohle1

Die Vögel beratschlagten über die Königsherrschaft. Ein Pfau verlangte, daß man ihn zum König wähle aufgrund seiner Schönheit. Als die Vögel sich anschickten, dies zu tun, sagte die Dohle: »Aber wenn uns unter deiner Herrschaft der Adler verfolgt, wie wirst du uns dann helfen?«

Die Geschichte zeigt, daß sich die Mächtigen nicht durch Schönheit, sondern durch Stärke auszeichnen.

Der Pfau und die Dohle 2 andere Version

Ein Pfau und eine Dohle stritten sich um die Vorzüge ihrer Eigenschaften. Der Pfau brüstete sich mit dem Glanz, der Farbe und der Größe seiner Federn.
Die Dohle gab all dieses zu und bemerkte nur, daß alle diese Schönheiten zur Hauptsache nicht taugten - zum Fliegen. Sie flog auf, und beschämt blieb der Pfau zurück.

Sei nicht stolz auf bloß äußerliche Vorzüge.

Der Pflüger und der Wolf

Ein Pflüger hatte seine Zugtiere ausgespannt und brachte sie zur Tränke. Da fand aber ein hungriger Wolf auf seiner Suche nach Beute den Pflug. Zuerst leckte er am Geschirr der Stiere. Eine Zeit lang blieb er unbemerkt. Als er aber seinen Hals hineinsteckte und ihn nicht mehr herausziehen konnte, schleppte er den Pflug über den Acker. Als der Pflüger zurückkam und ihn sah, sagte er: »Du Verbrecher, könntest du doch auf deine Raubzüge und deine Untaten verzichten und dich statt dessen der Landarbeit zuwenden!«

Der Rabe und der Fuchs

Nachdem ein Rabe ein Stück Fleisch gestohlen hatte, ließ er sich auf einem Baum nieder. Ein Fuchs sah ihn und wollte das Fleisch haben. Er stellte sich unter den Baum und rühmte den Raben wegen seiner Größe und Schönheit. Er fügte noch hinzu, daß ihm vor allen anderen die Herrschaft über die Vögel zustehe. Und dies könne auf jeden Fall Wirklichkeit werden, wenn er auch eine schöne Stimme habe. Als der Rabe dem Fuchs zeigen wollte, daß er auch eine schöne Stimme habe, ließ er das Fleisch fallen und begann, laut zu krächzen. Der Fuchs stürzte sich auf das Fleisch und rief: »Ach, Rabe, wenn du auch noch Vernunft besäßest, hätte deiner Herrschaft über alle nichts im Wege gestanden.«

Die Geschichte paßt gut auf einen Mann ohne jede Vernunft.

Der Rabe und die Schlange

Ein Rabe hatte nichts zu fressen, als er eine Schlange auf einem von der Sonne beschienenen Platz liegen sah.
Er flog hinunter und packte sie. Sie drehte sich aber zu ihm hin und biß ihn. Da sagte er sterbend: »Ach, ich Unglücksrabe, der ich einen so unverhofften Fund machte, durch den ich nun auch noch mein Leben verliere!«

Diese Geschichte könnte auf einen Mann zutreffen, der sogar sein Leben aufs Spiel setzt, um einen Schatz
zu finden.


Der Räuber und der Maulbeerbaum

Ein Räuber erschlug jemanden auf der Straße. Als er von gerade vorbeikommenden Leuten verfolgt wurde, ließ er von dem Toten ab und flüchtete mit blutenden Händen. Als ihn entgegenkommende Reisende fragten, warum er so schmutzige Hände habe, antwortete er, er sei gerade erst von einem Maulbeerbaum herabgestiegen. Und während er dies sagte, erreichten ihn seine Verfolger, packten ihn und kreuzigten ihn an einem Maulbeerbaum. Der Baum aber sprach zu dem Mörder: »Ja, es tut mir nicht leid, wenn ich zu deinem Tod beitrage. Denn du wolltest den Mord, den du selbst begangen hast, auf mich schieben.«

So scheuen sich auch die eigentlich Anständigen nicht, wenn sie von manchen Leuten als Übeltäter verleumdet werden, diese hart zu bestrafen.

Vgl. dazu die ätiologische Legende bei Ovid, Met. 4, 125-127 (Pyramus und Thisbe)

Der Reiche und der Gerber

Ein reicher Mann hatte ein Haus neben einem Gerber. Weil er aber den Gestank nicht ertragen konnte, versuchte er ihn zu veranlassen umzuziehen. Der Gerber aber verzögerte die Angelegenheit und sagte ständig, er werde in Kürze umziehen. Das geschah aber immer wieder. So kam es, daß sich der Reiche mit der Zeit an den Gestank gewöhnte und den Gerber nicht mehr bedrängte.

Die Geschichte veranschaulicht, daß Gewohnheit auch die unangenehmen Dinge erträglich werden läßt.

Der Reiche und die Klageweiber

Ein reicher Mann hatte zwei Töchter. Als die eine gestorben war, mietete er Klageweiber. Die andere Tochter sagte zu ihrer Mutter: »Es geht uns wirklich schlecht, wenn wir selbst, die wir doch vom Leid betroffen sind, nicht zu klagen verstehen, während diejenigen, die gar nicht zu uns gehören, sich so heftig schlagen und klagen.« Darauf sagte die Mutter: »Wundere dich nicht, mein Kind, wenn diese Frauen so jammern. Sie tun es für Geld.«

So haben manche Menschen keine Hemmungen, aus Geldgier fremdes Unglück gegen Lohn mit zu tragen.

Der Rhetor Demades

Der Redner Demades sprach einmal in Athen vor dem Volk. Die Leute hörten ihm aber nicht richtig zu. Da bat er sie darum, ihm zu erlauben, eine »Äsopische Fabel« zu erzählen. Sie waren damit einverstanden, und er fing an zu erzählen: »Demeter, eine Schwalbe und ein Aal hatten denselben Weg. Als sie an einen Fluss kamen, flog die Schwalbe hoch, der Aal tauchte ins Wasser.« Dann redete Demades nicht weiter. Die Leute fragten ihn: »Was ist denn mit Demeter passiert?« Er antwortete: »Sie ärgert sich über euch, weil ihr euch für die wichtigen Angelegenheiten der Stadt nicht interessiert, es aber gern zulaßt, daß man euch Äsopische Fabeln erzählt.«

So sind es auch unter den Menschen die Unvernünftigen, die sich um die notwendigen Dinge nicht kümmern,
sondern vorziehen, was ihnen Spaß macht.


Der Rinderhirt, der ein Kalb verlor, und der Löwe

Ein Rinderhirt hatte beim Weiden seiner Herde ein Kalb verloren. Nachdem er es gesucht, aber nicht gefunden hatte, versprach er Zeus, er werde ihm eine junge Ziege opfern, wenn er den Rinderdieb gefunden habe. Er gelangte in einen Eichenwald und sah, wie ein Löwe das Kalb fraß. Er bekam einen furchtbaren Schrecken, hob seine Hände zum Himmel und rief: »Zeus, Herr, damals versprach ich dir, eine junge Ziege zu opfern, wenn ich den Dieb gefunden hätte, jetzt aber werde ich dir einen Stier opfern, wenn ich den Klauen dieses Räubers entkomme.«

Diese Geschichte könnte über Menschen im Unglück erzählt werden, die nach einem Verlust darum beten, das Verlorene wieder zu finden, aber versuchen, ihm zu entkommen, wenn sie es gefunden haben.

Der Rinderhirt und der Löwe

Ein Rinderhirt hatte einen Ochsen verloren. Also gelobte er Zeus, wenn er den Dieb fände, wolle er den Ochsen zum Opfer darbringen. Doch als er unversehens erkennen mußte, daß der Löwe es war, der seinen Ochsen verzehrte, bat er Zeus: »Ich will dir noch einen Ochsen dazu opfern, wenn ich dem Räuber entkomme.«

Ohne Überlegung soll man Gott keine Gelübde geben, sonst kommt die Reue zu ihrer Stunde.

Der Schiffbrüchige und das Meer

Der Schiffbrüchige und das Meer

Ein Schiffbrüchiger wurde an einen Strand gespült und schlief vor Erschöpfung ein. Aber kurze Zeit darauf stand er wieder auf, und als er das Meer sah, machte er ihm Vorwürfe, daß es die Menschen mit der Friedfertigkeit  seines äußeren Erscheinungsbildes anlocke, und wenn es sie dann in seiner Gewalt habe, wild werde und sie vernichte. Daraufhin sagte das Meer in der Gestalt einer Frau zu ihm: »Ach, lieber Freund, mach mir keine Vorwürfe, sondern den Stürmen. Die Stürme aber fallen unerwartet über mich her, peitschen die Wogen auf und machen mich zu einer wilden Bestie.«

Aber auch wir dürfen bei Untaten nicht die Täter verantwortlich machen, wenn sie anderen unterstellt sind, sondern nur diejenigen, die ihnen Befehle erteilen.

Der Schiffbrüchige und die Göttin Athene

Ein reicher Athener machte mit anderen Leuten eine Seereise. Da kam ein furchtbares Unwetter auf, und das Schiff kenterte. Alle anderen schwammen um ihr Leben. Aber der Athener rief ununterbrochen die Göttin Athene an und gelobte ihr unzählige Dinge, wenn er gerettet würde. Einer der anderen Schiffbrüchigen, der neben ihm schwamm, rief ihm zu: »Du darfst nicht nur zu Athene beten, du mußt auch schwimmen.«

Das gilt aber auch für uns: Es ist notwendig, daß wir nicht nur die Götter um Hilfe bitten, sondern auch aus eigener Kraft etwas für uns tun.

Der Schmied und sein Hündchen

Ein Schmied hatte ein Hündchen, das schlief, solange er am Amboß hämmerte, aber sobald er eine Frühstückspause machte, wachte es auf. Der Schmied warf ihm einen Knochen zu und sagte: »O du elendes verschlafenes Hündlein; was soll ich mit dir machen, da du so träge bist? Wenn ich auf meinen Amboß schlage, legst du dich zu Bett;
wenn ich aber nur meine Zähne bewege, wachst du sogleich auf und wedelst mit dem Schwanze.«

Die Fabel richtet sich gegen Schläfrige und Träge, die zuschauen, während andere arbeiten.



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