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Der Mann und sein Schatz
Der Mann und der Dieb
Der Weizen
Vom Gottvertrauen
Von dem Sperling, der sich selbst nicht zu raten wußte
Der Mönch und die verschmitzten Diebe
Der Affe und die Schildkröte
Der Löwe, der Esel und der Schakal


Der Mann und sein Schatz
 

Ein Mann fand einen großen Schatz und dachte bei sich: >Soll ich von diesem Gold alle
Tage einen Teil heimtragen, das wird mir lästig und den Rest zu bewahren, mühselig.
Besser ist es, Knechte zu dingen, die mir alles an einem Tage ins Haus tragen.<
Und mietete Knechte, die er auf den Straßen fand, und lud jedem, was er ausgrub,
auf den Rücken zum Tragen. Als er fertig war mit seiner Arbeit, ging er in sein Haus,
seinen Schatz ferner zu bewahren, und fand da nichts und erkannte, daß der Knechte
jeder es in sein eigenes Haus getragen hatte.
Also ward ihm von dem gefundenen Reichtum nichts denn die Mühe des Grabens, da er
sein Werk nicht mit Vorsicht begonnen und nicht behalten konnte, was er gefunden hatte.

Der Mann und der Dieb

Ein Mann lag nachts auf seinem Bett und hörte, wie ein Dieb in sein Haus ging, und
sprach zu sich: >Ich will schweigen und warten, bis dieser Dieb zusammengerafft hat,
was er stehlen will, dann stehe ich auf und nehme ihm das Gestohlene mit starken
Streichen.< Dabei überfiel ihn aber der Schlaf, und als er aufwachte, war der Dieb mit
seiner Beute fort.
So hatte ihm sein Wissen keinen Nutzen gebracht, da er es nicht geübt und angewandt hatte.
 
Der Weizen

 
Es waren zwei Gesellen, die hatten zusammen Weizen gekauft und auf einer Kornschütte
in zwei Haufen geteilt, wo noch andere Weizenhaufen lagen.
Nun dachte der eine, wie er den Freund betrügen könnte um sein Korn, und versprach
einem Schalk den halben Teil, wenn er ihm dabei helfe.
Eines Tages bedeckte er den Weizen seines Gesellen mit seinem Mantel, daß er ihn nachts
erkennen könnte, wenn er käme, ihn zu stehlen. Inzwischen aber war der andere zu der
Kornschütte gegangen, und als er den Mantel seines Gesellen auf seinem Weizen liegen sah,
sprach er zu sich: >Ei, wie treu ist mir mein Gesell, daß er mit seinem eigenen Kleid mein Korn
deckt, damit nichts Unsauberes hineinfalle. Aber das soll nicht sein.< Und er nahm den Mantel
und legte ihn auf den Weizenhaufen des anderen.
Des Nachts kam nun der Dieb mit seinem Helfer und tastete im Finstern, bis er den Mantel fand und das Korn darunter stahl und mit seinem Mitdieb teilte. Als er aber am nächsten Morgen auf den Kornboden kam, sah er, daß er sein eigen Gut gestohlen und die Hälfte davon hingegeben
hatte, und war traurig seines Verlustes.

 
Vom Gottvertrauen

 
Oft kommt die Rettung unerwartet, wie einem geschah, der war arm und ging zu seinen
Freunden, seine Armut und Gebrechen zu klagen. Aber alle versagten ihm ihre Hilfe,
und er kam traurig wieder in sein Haus und lag des Nachts vor Sorgen wach auf seinem
Bett. Da hörte er in seinem Haus einen Dieb und dachte: >Was mag dieser Dieb stehlen,
da nichts im Hause ist als ein wenig Mehl.< Der Dieb aber suchte und sprach zu sich:
>Du willst ohne Beute nicht aus diesem Hause gehen, und fand doch nur das Mehl und
zog seine Kappe ab und schüttete es darein.
Nun war an seiner Kappe ein Zipfel, darin er Gold und Silber trug, das er zuvor gestohlen
hatte. Indes dachte der Hauswirt: >nimmt der Dieb dein Mehl, so mußt du morgen
Hunger leiden,< und stand auf und rief den Dieb an mit lauter Stimme und eilte ihm nach
mit seiner Waffe. Der Dieb erschrak, ließ seine Kappe fallen und floh. Die ergriff der
Hauswirt, rettete so sein Mehl und fand dabei noch Gold und Silber für seine Notdurft.


Von dem Sperling, der sich selbst nicht zu raten wußte

Es hatte eine Taube ihr Nest auf einem hohen Baum, und es wurde ihr sehr sauer,
die Speise so hoch zu ihren Jungen emporzutragen. Und wenn sie nun ihre Jungen mit
großer Mühe ausgebrütet hatte, so kam immer ein Fuchs unter den Baum und drohte ihr,
daß er sie und ihre Jungen fressen werde, und brachte sie durch Drohworte dahin,
daß sie ihm die Jungen herabwarf, damit er sie selbst am Leben lasse.

Nach einiger Zeit saß die Taube wieder und brütete. Da kam ein Sperling, der nicht fern
von ihr bei dem Wasser seine Wohnung hatte, auf einen benachbarten Ast geflogen,
und da er die Taube so traurig sah, sprach er: "Nachbarin, was macht dich so traurig,
da du doch bald schon Junge haben wirst?" Da antwortete die Taube:
"Was habe ich von meinen Jungen? Denn wisse, sobald ich sie ausgebrütet habe, kommt
der Fuchs und droht mir und ängstigt mich so sehr, daß ich ihm meine Jungen gebe,
um nicht selbst von ihm gefressen zu werden."
Der Sperling sprach: "Kennst du nicht den Betrüger, den Fuchs? Folge meinem Rat,
und der Fuchs wird dir fürderhin nicht mehr Schaden tun."
Die Taube sprach: "Sprich! Ich folge dir."
Da antwortete der Sperling: "Wenn der Fuchs wiederkommt und dich schrecken will,
so sprich: Tu' was du willst, mich kümmert es nicht. Und wenn du wirklich lernen
würdest, diesen Baum zu ersteigen, so würde ich schnell meine Jungen auf einen andern
Baum tragen. Ich werde dir gar nichts geben."

Bald darauf kam der Fuchs, da ihm deuchte, daß die Taube ihre Jungen ausgebrütet hätte;
und er drohte wie früher. Die Taube gab Antwort wie sie der Sperling gelehrt hatte.
Da sprach der Fuchs: "Sag mir, wer dich diese Antwort gelehrt hat, so will ich dich und deine
Jungen verschonen."
Da antwortete die Taube: "Das hat der Sperling getan, der dort bei dem Wasser seine
Wohnung hat."
Da verließ der Fuchs die Taube und näherte sich dem Sperling, und da er ihn bei dem
Wasser fand, grüßte er ihn ehrerbietig und sprach: "Lieber Nachbar, wie schützest du dich
vor dem Wind und Regen?"
Der Sperling antwortete: "Wenn mich der Wind auf der rechten Seite anweht, so kehre
ich mein Haupt auf die linke Seite, und wenn er mich auf der linken Seite anficht,
so kehre ich mein Haupt auf die rechte Seite und bin sicher."
Da sprach der Fuchs: "Kommt aber ein Wetter, das von allen Seiten Wind bringt?"
Da antwortete der Sperling: "So tue ich mein Haupt und meinen Hals unter meine Fittiche."
Da sprach der Fuchs: "Ich meine, daß solches nicht möglich sei." Der Sperling sprach:
"Gewiß ist das möglich." Da antwortete der Fuchs: "Selig seid ihr Vögel, die Gott vor
allen Geschöpfen begabt hat. Ihr fliegt zwischen Himmel und Erde in einer so kurzen
Zeit, wie Menschen oder Tiere nicht laufen könnten, und kommt dahin, wo sonst keine
Kreatur hinkommen kann. Und dazu solltet ihr noch mit dem Vorteil begnadet sein,
in Wind, Regen und Schnee, wenn es Not tut, euer Haupt unter eure eigenen Fittiche
bergen zu können, damit euch kein Ungewitter schaden kann? O wie selig seid ihr! Zeige
mir doch, wie das möglich ist!"
Der Sperling wollte seine Kunst vor dem Fuchs zeigen und versteckte sein Haupt unter
seine Fittiche. Da packte ihn der Fuchs in seine Klauen und sprach: "Du bist einer, der sich
selbst Feind ist. Du konntest der Taube gut raten, ihre Jungen vor mir zu behalten,
und konntest dir selbst nicht raten." Und er fraß ihn auf der Stelle.

Der Mönch und die verschmitzten Diebe

Ein Mönch, erzahlt man, kaufte sich eine wohlbeleibte Ziege, um dieselbe als Opfer
darzubringen. Als er mit seiner Ziege auf dem Weg nach Hause war, erblickten ihn einige
boshafte Burschen; die machten untereinander aus, daß sie dem Manne seine Ziege
nehmen wollten. Es ging daher einer von ihnen zu dem Manne hin und sagte zu
demselben: "O Mönch, was tust du denn mit einem Hund?"
Darauf näherte sich der Zweite von ihnen und sagte zu seinem Freunde: "Das ist kein
Mönch, denn ein Mönch führt keinen Hund mit sich!"
Auf diese und ähnliche Weise trieben sie es mit dem Mönche, bis daß er keinen Zweifel
mehr hatte daß, was er mit sich führe, ein Hund sei, und daß der Verkäufer desselben
ihm eben die Augen verblendet habe. Er ließ deshalb den vermeintlichen Hund laufen.
Da nahmen die schlauen Burschen die Ziege und gingen damit ihres Weges.

Der Affe und die Schildkröte

Es war, erzählt man, ein Affenkönig, namens Maher, d. i. Schlaukopf, über den fiel als er
alt und schwach geworden, ein junger Affe her aus dem königlichen Hause, besiegte ihn
und nahm Besitz von seiner Stelle. Der alte Affe floh vor sich hin, bis daß er an das Ufer
eines Flusses gelangte. Hier fand er einen Feigenbaum, bestieg denselben und machte
ihn zu seinem Aufenthaltsort. Als er eines Tages von den Früchten dieses Baumes aß,
entfiel seiner Pfote eine Feige in das Wasser.
Das Geplätscher, das der Fall der Feige verursachte, machte dem Affen Spaß; er warf
daher absichtlich viele Feigen ins Wasser.
Die Schildkröte aber aß jede Feige auf, die ins Wasser fiel, und als deren immer mehr
fielen, glaubte sie, daß der Affe dieselben nur ihretwegen fallen lasse. Sie verlangte
nun des Affen nähere Bekanntschaft und Freundschaft zu machen, und ließ sich deshalb
in ein Gespräch mit ihm ein, infolgedessen sie bald mit einander vertraut wurden.
Der Schildkröte Weibchen wurde aber unruhig ob des langen Entferntseins ihres Gatten,
und sie klagte solches einer Nachbarin, indem sie sagte: "Ich befürchte, daß ihm ein
Unheil widerfahren sein möchte."
Die beruhigte sie durch die Worte: "Dein Gatte hat Bekanntschaft gemacht mit einem
Affen am Ufer, und dieser verschafft ihm zu essen und zu trinken.
Nach einiger Zeit begab sich dann das Männchen nach seiner Wohnstätte zurück, und
fand sein Weibchen in schlimmen Umständen und ganz niedergeschlagen. Auf seine
Frage sodann: wie muß ich dich sehen? erwiderte ihm die Freundin seines Weibchens:
"Deine Gattin ist krank, elend, und die Ärzte haben ihr als das einzige Heilmittel das es
für sie gebe, ein Affenherz verschrieben." Das Männchen versetzte: "Das ist eine
schwierige Sache; woher sollen wir ein Affenherz erhalten, da wir uns im Wasser
aufhalten? doch ich will mich mit meinem Freunde beraten."

Darauf begab er sich an das Meeresufer. Der Affe empfing ihn mit den Worten: "Warum
bist du so lange weggeblieben?" Das Schildkrötenmännchen erwiderte: "Weil ich mich in
Verlegenheit sah, wie ich dir deine mir erwiesene Güte vergelten sollte; ich ersuche dich
nun auch noch die Güte zu haben, mich in meiner Wohnung zu besuchen; ich wohne
nämlich auf einer Insel, wo es reichlich Früchte gibt. Setze dich deshalb auf meinen
Rücken, und ich schwimme mit dir dahin."
Der Vorschlag gefiel dem Affen, er stieg von seinem Baum herab, und setzte sich auf den
Rücken der Schildkröte, die mit ihm nun fortschwamm. Unterwegs machte sich die
Schildkröte allerlei Gedanken über ihre Treulosigkeit und ließ hierbei ihren Kopf sinken.
Da sagte der Affe zu ihr: "Ich sehe dich ja betrübt."
Worauf die Schildkröte sagte: "Was mich betrübt macht, ist, weil ich eben daran gedacht
habe, daß meine Gattin schwer krank ist, und daß das mich hindern wird, dir solche Ehre
und Aufmerksamkeit zu erweisen, wie ich es gern möchte."
Der Affe entgegnete: "Was ich von deinem Verlangen, mir Ehre zu erweisen kenne,
wird bei mir gleich aller erwiesenen Ehre gelten."
Laß uns etwas ausruhen, sagte die Schildkröte. Nach einer Stunde machte sie zum
zweiten Mal Halt. Da schöpfte der Affe schlimmen Verdacht, und er sagte bei sich selbst:
>Nicht umsonst sucht die Schildkröte Aufhaltung und Verzögerung, und ich glaube fast,
daß ihre Gesinnung gegen mich eine andere geworden ist, und daß sie ihre Liebe von
mir abgewandt hat, und mir nun übel will; denn kein Ding wendet sich leichter und
schneller als das Herz. Auch sagt man: Der Kluge darf nicht vernachlässigen, zu
erforschen, was in der Seele seiner Leute, Kinder, Brüder und Freunde vorgeht, und
deshalb muß er auf Alles Acht haben, auf jeden Blick und jegliches Wort, so wie auf
jegliche Bewegung, denn dieses Alles gibt Zeugnis von dem, was in dem Herzen vorgeht.<
Hierauf sagte der Affe zu der Schildkröte: "Was hält dich denn auf und warum muß ich
dich so niedergeschlagen sehen, gleich als ob dir wieder etwas in den Sinn gekommen
wäre?" Die Schildkröte erwiderte: "Das macht mir eben Sorgen, daß du nach meiner
Wohnung kommst und du es bei mir eben nicht finden wirst, wie ich gerne möchte;
denn meine Gattin ist krank." Der Affe versetzte: "Mache dir keine Sorgen, denn die Sorgen
helfen dir zu nichts. Sieh dich vielmehr um nach Heil - und Nahrungsmitteln,
die deiner Gattin gut bekommen mögen."
"Du hast recht," entgegnete die Schildkröte, "und so sollst du denn wissen, daß die
Ärzte erklärt haben, daß es für meine Gattin kein Heilmittel gebe, als das Herz eines
Affen." Da sprach der Affe bei sich: > O Wehe! Da habe ich mich wieder von der
Ungenügsamkeit und Habgier, trotz meines hohen Alters, hinreißen lassen und bin nun
ins Verderben geraten! Ja, ja! der hat wahr gesprochen, der gesagt hat: Der Genügsame
und Zufriedene lebt in Ruhe und Sicherheit, der Ungenügsame und Habgierige dagegen lebt die
ganze Zeit seines Lebens in Beschwerden und Mühsal. Nun gilt es, von meiner Klugheit
Gebrauch zu machen und einen Ausweg zu suchen aus der Gefahr, in die ich geraten bin.<
Hierauf wandte er sich an die Schildkröte mit den Worten: "Was hat dich denn abgehalten,
mich solches früher wissen zu lassen, denn dann hätte ich mein Herz genommen.
Bei uns Affen nämlich ist die Gewohnheit: Wen einer von uns auf Besuch geht zu einem Freund,
so läßt er sein Herz zurück bei seiner Familie oder an seinem Wohnort, damit, wenn wir bei dem Freunde Weiber zu sehen bekommen, wir unser Herz nicht an dieselben verlieren können."
"Und wo ist denn, fragte die Schildkröte, jetzt dein Herz?"
"Ich habe es, erwiderte der Affe, auf dem Baum zurückgelassen; wenn du aber willst,
so kehre mit mir zu dem Baum zurück, um mein Herz zu holen." Über den Auftrag freute
ich die Schildkröte und sie kehrte mit dem Affen nach seiner Wohnung zurück. An dem
Ufer angelangt sprang dann dieser von ihrem Rücken herab und stieg auf den Baum,
als er aber die Schildkröte unten lange warten ließ, redete diese ihn an: "Nimm dein Herz
zu dir, und steige herab und laß mich nicht so lange warten!"
Da antwortete der Affe: "Du hast mich, überlistet und betrogen und ich habe dann dich
betrogen, und habe dann wieder gut gemacht was ich verdorben.
Und man sagt:
Wem seine Gutmütigkeit in Gefahr bringt, den kann nur seine Besonnenheit retten.

Der Löwe, der Esel und der Schakal

Es war, erzählt man, ein Löwe in einem Wald, dicht bei ihm ein Schakal, der die Überreste
seiner Speise zu essen, bekam.
Dieser Löwe bekam die Räude, und wurde so schwach und elend, daß er nichts mehr
erjagen konnte. Da sagte der Schakal zu ihm: "Wie befindest du dich doch, o Herr der
Tiere, deine Umstände scheinen sich verändert zu haben?"
Der Löwe erwiderte ihm: "Diese Räude ist's, die mir Beschwerden macht, und es gibt
dafür kein anderes Heilmittel als das Herz und die Ohren eines Esels."
"Was ist leichter, versetzte der Schakal, zu verschaffen, als das? Ich weiß an dem und
dem Ort einen Esel, der einem Walker gehört, und der demselben seine Kleider tragen
muß. Ich will diesen Esel zu dir bringen."
Hierauf ging er mit schnellen Schritten zu dem Esel. Nachdem er denselben begrüßt,
sagte er zu ihm: "Du kommst mir so abgemagert vor!"
"Mein Herr," antwortete der Esel," gibt mir nichts zu fressen."
"Was magst du aber dann, fuhr der Schakal fort, bei ihm bleiben?"
"Ich wüßte nicht, entgegnete der Esel, wohin ich gehen sollte, und nirgends kann ich
mich hinwenden, wo nicht ein Mensch mich plagt und quält und hungern ließe.

Der Schakal entgegnete ihm: "Ich könnte dir einen abgelegenen Ort weisen, an dem kein
Mensch hinkommt, und wo es reichlich Futter gibt, an welchem sich auch eine Eselin aufhält,
die so schön und fett ist, wie noch kein Auge dergleichen gesehen, und der nichts abgeht als
ein Esel. "Was hält uns ab, "versetzte der Esel, "zu ihr zu gehen? bring uns doch zu ihr!"
Da ging der Schakal mit ihm nach der Gegend hin, wo der Löwe hauste. Er ging aber etwas
voran, schlich in das Dickicht zu dem Löwen, und bezeichnete ihm die Stelle des Esels.
Der Löwe kam dann aus dem Dickicht heraus und wollte über den Esel herfallen, allein er vermochte solches nicht wegen seiner Schwäche, und der Esel entkam ihm und rettete sich durch eine schleunige Flucht.
Als der Schakal sah, daß der Löwe des Esels nicht mächtig geworden, sagte er zu dem
Löwen: "Bist du denn bis auf solchen Grad schwach geworden?"
"Wenn du den Esel noch einmal mir brächtest, er würde mir gewiß nicht wieder entkommen."
Da ging der Schakal zu dem Esel hin und sagte zu ihm: "Was ist dir denn begegnet?
Siehe, die Eselin ist bloß wegen ihrer heftigen Brunst so auf dich losgegangen,
und hättest du ihr Stand gehalten, so hätte sich ihr Mut gelegt.
Als aber der Esel von einer Eselin hörte da entbrannte seine Begierde und er brüllte und
er nahm wieder den Weg nach dem Löwen. Der Schakal ging ihm voran, und gab dem
Löwen wieder Bericht indem er zu demselben sagte: "Richte dich gegen ihn, denn ich habe ihn
für dich daran bekommen, aber diesmal darf dich nicht wieder Schwäche überfallen,
denn wenn er abermals entkäme, so würde er nimmermehr mit mir zurückkommen."
Auf diese Ermutigung des Schakals entflammte sich der Mut des Löwen. Er begab sich
nach der Stelle, wo der Esel sein sollte und fiel, sobald er ihn erblickte, in aller Hast über
ihn her und zerriß ihn. Darauf sagte er zu dem Schakal: "Die Ärzte haben vorgeschrieben
daß man nichts essen soll, bevor man sich nicht gewaschen und gereinigt; und darum
bewache nur den Esel bis ich zurück bin, denn ich will dann sein Herz und seine Ohren
verzehren und das Herz bringen, dir zur Verspeisung lassen."
Als der Löwe aber entfernt war um sich zu waschen, da machte sich der Schakal an den
Esel und verzehrte sein Herz und seine Ohren, in der Hoffnung, daß der Löwe den
Mangel an Herz und Ohren für ein schlimmes Zeichen ansehen, und, dann gar nichts von
dem Esel essen möchte.
Als der Löwe wiederkam, den Schakal nach dem Herz und den Ohren des Esels fragte,
erwiderte ihm dieser: "Weißt du denn nicht daß, wenn der Esel Herz und Ohren gehabt hätte,
er nicht wieder sich dir genähert hätte, nachdem er gerettet und seine Beschwerden vergangen
wären."