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Fabeln 3

 
51.
Die Mohren

Es räucherte ein Stamm der Mohren
Mit
assa foetida den Götzen ein;
Kein Mensch ging in den Tempel mehr hinein; —
So wirkt der Weihrauch stets der Toren.

52.
Die beiden Kornähren

                   
Eine Ähre
Du bist von Körnern schwer,
Und ich bin leer,
Und doch seh' ich vor mir dich neigen?
               
Die andere Ähre
Man muß sich oft vor hohlen Köpfen beugen.

53.
Der Renner und der Esel

Ein Esel ging — obschon man ihm die Last genommen, —
Gesenkten Kopfs und faulen Schritts nach Haus;
Ein Renner flog ihm vor und höhnt ihn aus.
Ist's denn so ruhmvoll einem Esel vorzukommen?

54.
Systeme und die Wahrheit

Den Berg der Wahrheit kletterten hinan
Zwei Forscher; — Einer wandte rechts die Schritte,
Der Andre folgte links der Bahn;
Die Wahrheit rief: »Ich wohne in der Mitte!«

55.
Der Strom und der Damm

»Was wütest du rasend durch's blühende Land?« —
Der Damm sprach zum Strome, — »sei mir untertänig,
Ich leite zur Ruh' dich an meiner Hand!« —
Der Strom ist das Volk, — der Damm ist der König.

56.
Die hohlen Eichen

                 
Knabe
Sieh Vater, hohl sind diese Eichen,
Und grünen doch so schön! —
                 
Vater
Mein Kind! viele Menschen diesen Bäumen gleichen,
Die hohlen Kopfs doch grünend vor dir stehn.

57.
Die Erdscholle und die Egge

»Warum zerdrückst du mich denn?« frug eine Scholle von Erde
Eine Egg' auf dem Feld; - diese versetzte hierauf:
»Weil sich's gebührt, daß der Weg dem Edlen geebnet werde,
Sonst, – von dem Bösen gehemmt, – kommt ja das Gute nicht auf.«

58.
Illusion

»O seht nur,« — rief Wilhelm, — »meine Helene,
Und sagt mir, ob es was Reizender's gibt?
Die Augen, — der Mund, — die Haare, die Zähne —«
Sie war gar nicht schön, aber er war verliebt.

59.
Das Bäumchen und der Baum

Ein junges Bäumchen bog sich sehr,
Man achtet's nicht; doch später glückt's nicht mehr
Es g'rad zu biegen trotz der eifrigsten Bemühung?
Ist dies nicht die Geschichte der Erziehung?

60.
Das Kätzchen

Sein Kätzchen liebte ein Mann überaus
Und Stunden lang pflegt er's am Kopfe zu krauen;
Einst wendet sich's, hackt ihm die Augen aus —
Verzeiht, dabei denk ich an Euch! liebe Frauen!

61.
Verschiedenes Gebäcke

Ein Bäcker pries die Semmel sehr,
Den Wecken ein Andrer, die Bretzel der;
Das Mehl war dasselbe, der Form galt der Streit; —
Poetische Bäcker hat auch unsre Zeit.

62.
Der Schlüssel

Ich wünschte mir alle Mädchen hold,
Da fleht' ich: es möchten mit gnädigen Händen
Die Götter den Schlüssel der Herzen mir senden;
Es bracht' ihn Merkur mir, er war — von Gold.

63.
Der beraubte Wanderer

Ein Räuber nahm dem Wandrer all sein Geld; —
Der bat; — da hat er ihm die Hälfte rückgestellt,
Er dankt. — So müssen wir uns oft zum Dank bequemen
Dafür, daß Manche uns nicht Alles nehmen.

64.
Der Pudel

Ein Pudel sieht sich in dem Spiegel
Und kennt sich nicht und läßt dem Grimm die Zügel,
Beißt, — bellt, — gebärdet sich gar fürchterlich; —
So wütet Eifersucht auch öfters gegen sich.

65.
Die beiden Maler

Zwei Maler malen eines Reichen Sohn;
Der Eine malt ihn wahr, — man peitscht ihn aus dem Tor,
Der Andre schön; — man gibt ihm tausend Louisd'ors. —
Dies ist der Wahrheit und des Schmeichelns Lohn.

66.
Das Blümchen im Pfade

        
Der Gärtner zum Blümchen:
»Schönes Blümchen! hier im Pfade
Wirst zertreten ohne Gnade,
Trag' ins Blumenbeet dich fort,
Viel hängt ab vom rechten Ort.«

67.
Änderung

Melint, der bravste Mann und treu'ste Freund,
Ist jetzt der ganzen Menschheit Feind.
Ihr fragt, woher die Ändrung rührt?
Er nahm ein Weib, das ihn regiert.

68.
Der gute Mops

Theresens Mops tat Niemand was zu Leide,
Auch nicht dem Dieb, der ihr das Armgeschmeide
Im Schlafe stahl. — Du wirst sehr leicht betrogen
Von einem Freund, der aller Welt gewogen.

69.
Der Sensenmann

Kam ein Sensenmann gegangen: —
»Mäh' die Jahre mir, die langen!«
Und er mäht sie ab, den Fordrer auch zugleich!
Tötet nicht die Zeit, sie tötet Euch!

70.
Der Haushund und die Bruthenne

»Faule!« schimpft ein Hund eine brütende Henne,
»Sitzest, indes ich stets bellend im Hof herum renne.«
Drauf die Henne: »»Viel Schreien macht es nicht aus,
Während du nichts tust und bellst, bring' ich Hühner in's Haus.««

71.
Der Rabe und die Elster

Rab' und Elster warfen ihre Diebestaten
Laut sich vor, es wollte jedes besser sein;
Dieses hört ihr Herr und sperrt sie Beide ein,
Sprechend: »Seht, wie sich die Schlechten selbst verraten!«

72.
Der Maulwurf

                  
Maulwurf
Ich bin auf Erden das beste Tier,
Die anderen All' sind ein Räuberheer,
Ich lebe verborgen für und für!
                    
Löwe
Wer heimlich schadet, der schadet noch mehr.

73.
Der Baum im Herbstschmucke

Ein Baum im Herbstschmuck rühmt sein buntes Farbenspiel,
Der Nachbar ruft ihm warnend zu: »Sei nicht verwegen!
Der Glanzpunkt ist des Lebens und der Schönheit Ziel!
Mit seinem Licht gehst du der Grabesnacht entgegen.«

74.
Der Streit der Rosen und Nelken

Es stritten um den Rang die Rosen und die Nelken,
Da kam ein Gärtner, pflückt sie alle ab,
Und bindet sie als Strauß, wo bald sie welken. —
Weltlauf! — Sie blühn — sie streiten, gehn zu Grab!! —

75.
Die beiden Eichhörnchen

Ein Eichhorn aß Mandeln; doch war es gefangen,
Ein andres aß Eicheln; doch war es frei.
Sie tauschten, doch Keines war glücklich dabei. —
'S ist auch vielen Menschen schon also ergangen.