Fabelverzeichnis

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Buch 2
 

Buch 1
 
Ein Geiziger
Die Kuh und die Ziege
Ein Betrüger
Frauen weinen
Der Tod und der Fuhrmann
Der Neid
Die Schnecke
Die Stadtmaus und die Feldmaus
Das um ihren verstorbenen Mann leidtragende...
Die Tugend und die Eigenliebe
Der Löwe und die Maus
Die in eine Jungfrau verwandelte Katze
Die Hasenfurcht
Ein Dieb und seine Mutter
Der Wolf und das Lamm
Ein Hahn und ein Kleinod
Der Jäger und der Hund
Der vergnügte Glöckner
Der Esel und sein Schatten
Das Kalb und der Stier
Das Lamm und der Hund
Die Zeit und die Gelegenheit
Die Wölfe und die Schafe
Hochmut und Einbildung
Der Fuchs und die Fliegen
Ein Gaukler und ein Bauer

 

Ein Geiziger

Ein Geizhals, der sich selbst zur Last,
Und andern zum Verdruß gewandelt,
Bei großem Gut doch meist gefaßt,
Und auf das Mark und Blut gehandelt;
Den Wucher und Gewinn ernährt,
Dem nichts als Geld in den Gedanken;
Muß, als es lang genug gewährt,
Für Hunger bald verschmachtet, erkranken.
Das Leben war ihm zwar noch lieb,
Er wollte sich geholfen wissen;
Dabei es aber dennoch blieb,
Weil er den Arzt bezahlen müssen.
Der mußte doch gerufen sein.

Was tut der Mensch nicht um sein Leben?
Der Patient nimmt Pillen ein,
Die man ihm meist umsonst gegeben.
Fragt endlich, ob es noch Gefahr?
Als ob die Menschen solches wüßten.
Der Arzt meint, bis zum neuen Jahr
Wollt' er ihm wohl das Leben fristen.
Der Kranke denkt, daß diese Zeit
Er hier und da zu geben hätte,
Und, weil sein Lebensziel nicht weit,
Erstickt er sich in seinem Bette.

* * * *

Ein Geizhals sitzet auf dem Geld,
Und lebet (lacht ihr frohen Erben)
In Angst und Armut auf der Welt,
Und muß sogar noch Hungers sterben.

Die Kuh und die Ziege

Die Ziege geht auf fetter Weide,
Nebst einer schönen Herde Küh,
Und springt, dieweil sie satt, für Freude,
Zu spielen mit dem großen Vieh.
Auch ihre Hörner zu probieren,
Wagt sie zum öftern einen Gang,
Und machet dieses Spiel solang,
Bis sie von einem dieser Tiere
(Denn die verstehn das Spielen nicht)
Dieweil sie dem zu nah gekommen,
Mit beiden Hörnern aufgenommen,
Im fallen Hals und Beine bricht.

* * * *

Will einer nicht unglücklich sein,
Der halte sich zu Seinesgleichen,
Und mache sich mit denen reichen,
Die größer sind, nicht zu gemein.

Ein Betrüger

Mopsius hatte nichts zu leben,
Und war überall veracht;
Weil er alles durchgebracht,
Was zum Erbteil ihm gegeben.
Holla! dacht' er in der Not,
Man muß, um das liebe Brot,
In der Welt doch etwas wagen.
Ob ich nichts gelernt, noch weiß;
Wer wird eben nach dem Fleiß,
Und nach den Verdiensten fragen?
Wer sich nur verstellen kann,
Ist der allerbeste Mann.
Er sucht' einen Potetanten,
Wo er selber unbekannt,
Dem er, in dem ganzen Land,
Geld zu machen angeraten.
So wurd' er zum Vogt bestellt,
Und erpreßte vieles Geld.
Als er diesen Schatz gezogen;
Geht er unbemerkt davon,
Und läßt seinem Herrn den Hohn.

* * * *

Wer leicht glaubt, wird leicht betrogen.

Frauen weinen

Eleonore saß und weinte,
Und wußte selber nicht warum.
Doch weil ihr Mann es ehrlich meinte,
Sagt' er, mein Schatz, mein Eigentum,
Mein Kind, was hast du nun für Plagen?
Was ist dir? weine nicht so sehr.
Sie wußt' ihm aber nichts zu sagen,
Nichts, nichts, und weinte desto mehr.
Gib, sprach der Mann, dich nur zufrieden,
Und sage doch, was schadet dir?
Ich meinte Maxgen sei verschieden;
Und sieh er stehet neben mir.

* * * *

Man lasse nur die Weiber weinen;
So sind sie recht im Element.
Sie sind das selten, was sie scheinen,
Und wissen, daß man sie nicht kennt.
Drum kehre man sich nicht daran;
Sie weinen oft, ohn den zu wissen,
Der ihnen was zu leid getan;
Daß sie sich selbst beweinen müssen.

Der Tod und der Fuhrmann

Wie kommt es, daß der Mensch mit sich
Und seinem Zustand nicht zufrieden?

Ein Fuhrmann klagte jämmerlich,
Daß auf der Welt ihm nichts beschieden,
Als Arbeit, Sorgen, Kreuz und Not;
Und das durchaus ihn nichts ergetzte.
Wünscht, daß ihm Glück, wo nicht, der Tod
In einen andern Stand versetzte.

Was hättest du, mein Fuhrmann, gern?
Fragt ihn der Tod, der gleich erschien.
Man machte dich zum großen Herrn;
Wer aber wollte dir wohl dienen?
Kein Handwerk hast du je gelernt.
Du weist durchaus nichts vom studieren.
Courage ist weit von dir entfernt.
Womit willst du dein Heil probieren?

Zum Fuhrmann bist du recht geschickt;
Dabei kannst du vergnüget leben.
Kein Menschen Kind ist so beglückt,
Dem nicht sein Teilchen Kreuz gegeben.
Doch weil dein Zustand dir mißfällt,
Und wünschest alles zu verlieren;
So komm, ich will dich von der Welt
Gerade ins Reich der Toten führen.
Ach nein, Herr Tod, das meint ich nicht,
Sagt unser Fuhrmann, meine Jahre
Sind so, daß mir es nicht gebricht,
Ich wollte nur mit Ochsen fahren.

* * * *

Wer selber sich das Herz abfrißt,
Der überhäuft sein Kreuz mit Schande.
Es bleib' ein jeder, wer er ist,
Und sei vergnügt in seinem Stande.

Der Neid

Ein fetter Ochs geht auf der Wiesen
In stolzer Ruh und Sicherheit,
Doch folget ihm, wie leicht zu schließen,
Der überall verhasste Neid.
Der herrschet ja bei Großen, Kleinen,
Geringen, Reichen, jedem Stand;
Und also muß er auf dem Land,
Und auf den Wiesen auch erscheinen.

Ein Frosch beneidet seine Größe,
Schaut ihn mit scheelen Augen an,
Und meint, es sei mit seiner Blöße,
Wie mit der Ochsen Haut getan.
Und seine Schmerzen zu vermehren,
Muß er von seiner Nachbarschaft
Des großen Ochsen Stärke, Kraft,
Und Ansehn öfters rühmen hören.
Ihr könnt, spricht der Frosch nur schweigen;
Ich habe gleiche Kraft und Mut,
Und wollt ihr's sehn, ich will euch zeigen,
Daß ich, trotz allen, noch so gut.

Er fängt an sich aufzublasen,
Und fragt, ob er dem Ochsen gleich.
Nein, sagen sie, bei unserm Leich,
Du mußt es unterwegen lassen.
Er fährt fort sich auszudehnen,
Und fragt nach der Ähnlichkeit;
Läßt sich die Nachbarn nur verhöhnen,
Und birst endlich gar für Neid.

* * * *

So pfleget Neidhard sich zu schaden,
Der andern nimmer schaden kann.
Es bersten, wie der Frosch getan,
Die sich mit ihrem Gift beladen.

Die Schnecke

Zu Haus so gut, als überall.

Als Jupiter im Göttersaal
Die Tiere sehn und mustern wollte,
Befahl er ihnen allsofort,
Daß jedes am bestimmten Ort,
Zu rechter Zeit erscheinen sollte.
Ein großes Mahl war zubereitet,
An welchem, zu bestimmter Zeit,
Die Tiere allesamt erschienen.
Allein die Schnecke wurde vermißt;
Da jedes fröhlich trinkt und ißt,
Und sich läßt, wie's beliebt, bedienen.
Doch war die Furcht beim Trunk gemein,
Vielleicht nicht angenehm zu sein.

Spät nach der Mahlzeit kommt die Schnecke,
Und Jupiter fragt, wo sie blieb'.
Ihr, sagt sie, sei nichts so lieb,
Als ihres eignen Hauses Decke.
Da leb ich einsam, sicher, still,
Genieße fröhlich, was ich will,
Und hat mir niemand was zu sagen.
Wohlan, sprach Jupiter zu ihr,
So sollst du künftig für und für
Das Haus auf deinem Rücken tragen.
Der Ausspruch kam zwar ungefähr;
Doch war die Last ihr nicht zu schwer;
Denn alles trägt doch wahre Liebe.
Es mußte der Befehl geschehn,
Daß, wo sie war, auch im Gehn,
Sie jederzeit zu Hause bliebe.

Wer sicher und wohl leben will,
Der leb in seiner Wohnung still,
Und geh nicht öfter zu dem Schmause.
Dieweil ich nun Erfahrung hab,
So lern' ich das der Schnecken ab,
Und bleibe gern in meinem Hause.

Die Stadtmaus und die Feldmaus

Man suche sicheren Genuß,
Nicht ängsten vollen Überfluß;
Und bleibe lieber auf dem Lande,
Als in der Stadt mit Furcht und Schande.

Ein Mäuslein geht aus einer Stadt,
Darin es seine Wohnung hat,
Aus Vorwitz alles zu probieren,
Aufs Feld und in den Wald spazieren.
Hier trifft sie eine Feldmaus an,
Welch' alles ihm zu Dienst getan,
Was gute Freunde einander gönnen,
Wenn sie sich nur bewirten können.
Wohl, spricht die Feldmaus zu dem Gast,
Dieweil du mich besuchet hast,
Sei lustig, und genieß die Gaben,
Die wir darum gesparet haben.
Hier leben wir in aller Still,
Und finden auf dem Feld die Füll'
An Bohnen, Gersten, Erbsen, Roggen,
So wie wirs wünschen, frisch und trocken.
Und daß du siehst, wie gut ichs mein',
Hab diesen Speck für dich allein,
Den nächst ein Bauer auf der Wiese
Von seinem Frühstück fallen ließe,
Und den wir bis zum großen Fest,
Mit frischem Hafer auf das best'
Uns außerordentlich zu laben,
Sorgfältig beibehalten haben.

Iß, sprach die Stadtmaus, dein Gericht;
Mir schmecken solche Speisen nicht;
Weil, wo ich bin, die Leckerbissen
Mich allezeit vergnügen müssen.
Ich hab die Wahl im Überfluß,
Pasteten, Torten, Zucker, Nuß,
Und was den Menschen vorgetragen,
Darf ich, wie mir's beliebt, benagen.
Ich wohn' in einem schönen Haus,
Geh' in den Stuben ein und aus,
Kann auf den samtnen Stühlen sitzen,
Und, was mich nur gelüstet, nützen.
Du lebest elend auf dem Feld,
Empfindest Regen, Frost und Kält',
Und mußt, willst die Kost genießen,
Dich in die düstre Höhle schließen.
Komm, willst du meine Herrlichkeit,
Und was ohn' Arbeit mir bereit,
Ja mehr, als ich dir angepriesen,
Selbst sehen und mit mir genießen.

Sie gehn entzücket in die Stadt,
Die jene nie gesehen hat,
Und finden wirklich schöne Sachen,
Bei welchen sie sich lustig machen;
Weil, als ein volles Paradeis,
Die Speisekammer ihnen preis,
Woselbst sie sich dicke fressen,
Und ihren Überfluß ermessen.
Bald kommt der Diener vor die Tür,
Und holet dies und das herfür,
Die Stadtmaus weiß bald zu verschwinden,
Die Feldmaus keinen Rat zu finden.
Sie kommt in Jammer, Angst und Not,
Lauft hin und her, und fürcht den Tod;
Bis alle Speisen weggenommen,
Und die Versteckte wieder kommen.

Ist's so, sprach der bestürzte Gast,
Was du mir angerühmet hast,
Daß Angst und Not die Kost begleiten;
So will ich gerne wieder scheiden.
Adieu, behalt den Überfluß,
Behalt zugleich auch den Verdruß;
Ich will mich auf das Feld begeben,
Und in der Armut sicher leben.

Das um ihren verstorbenen Mann leidtragende Weib

Man nehme wahr, was ich jetzt schreibe,
Und traue ja nicht einem Weibe;
Weil sein beständ'ger Wankelmut
Gar nichts mit Überlegung tut.

Die Frau hat ihren Mann verloren,
Den sie zum andern Ich erkoren,
Dem sie sich gänzlich übergibt,
Und den sie wie sich selber liebt;
Und sollt er tot den Abschied geben,
Wollt sie den Tag nicht überleben.

So trifft's, man trägt die Leiche fort;
Madam hält sicher auch ihr Wort.
Zwar will sie selbst sich nicht entleiben,
Das lassen Weiber nun wohl bleiben,
Doch zieht sie wirklich mit ihm aus,
Und baut sich nächst dem Grab ein Haus.
Da will sie nun die Zeit beschließen,
Und nichts von aller Lust genießen;
Beim Grabe weint sie jederzeit,
Und lebt in stiller Einsamkeit.
Sie will das Schlafen und das Essen
Viel lieber, als den Mann vergessen;
Doch schläft, ißt, trinkt sie,
Und sitzt erbärmlich auf dem Knie.
Die Welt muß ihre Liebesproben,
Verstand und keuschen Wandel loben.
Denn wo wird das um einen Mann
Von einem Weibe mehr getan?

Unweit wird, wo der Mord begangen,
Ein Straßenräuber aufgehangen;
Und, daß das Recht den Platz behält,
Ein Wächter an den Ort gestellt.
Der sucht das Weib in ihrer Hütten,
Vielleicht sich Freundschaft auszubitten,
Und findt, was liebreich, gastfrei, schön,
Vergißt dabei das Wiedergehn.

Nachdem er alles Gute genossen,
Und nun die meiste Nacht verflossen,
Geht er vergnügt zum Gericht,
Und findet den Gehängten nicht.
Bald geht er zu dem Engel wieder,
Und fällt klagend vor ihr nieder;
Ach! nun ist mein Gehängter hin,
Für den ich gut geworden bin.
Für das, was ich bei dir empfangen,
Werd' ich dort an dem Galgen hangen.
Sag, wie fang' ich die Sache an,
Weil ich mir selbst nicht helfen kann.
Sei nur, mein Schatz, sei nur zufrieden;
Hier ist noch Rat. Der abgeschieden,
Und mir nichts nutzt, bring an den Ort,
Anstatt des dir Gestohlnen, fort;
So kannst du dir das Leben retten,
Und seine Stell bei mir vertreten.
Daß, welcher lang genug beweint,
Nun an dem lichten Galg' erscheint.

* * * *

Der Liebste, den die Weiber haben,
Ist nimmermehr, den sie begraben;
Der Liebste ist, welcher sie noch küßt,
Und wenn er von dem Galgen ist.

Die Tugend und die Eigenliebe

Der Weltbeherrscherin gekrönte Eigenliebe,
Hört, daß die Tugend schön, beliebt und höflich sei:
Um daß sie nun bequem in der Regierung bliebe,
Setzt sie dieselbe sich zur Mitregentin bei.
Sie täte, was sie wollt', und meint, in allen Sachen,
Es sei gar wohl getan, weil niemand über ihr.
Die Tugend aber sprach, man sollt' es anders machen,
Wie ehrbar, angenehm und allzeit nach Gebühr.

Nein, sprach der Eigensinn, das mußt du mir nicht sagen;
Was ich getan, muß recht, und niemals anders sein;
Und dieses Regiment wird jedermann ertragen.
Die Tugend aber kommt damit nicht überein.
Doch ist dem Eigensinn dies alles wohl gelungen;
Der edlen Tugend wird vielfältig nachgestellt.
Die wird von ihrem Thron, zur größten Schmach, gedrungen.

Und Eigensinn beherrscht allein die ganze Welt.
Der Tugend strenges Wort will niemand mehr vertragen,
Da Wollust, Übermut und Ehrgeiz triumphiert;
Der Tugend wird wohl gar ins Angesicht geschlagen,
Daß sie mit ihrem Ruhm auch allen Glanz verliert.
Wo List und Grausamkeit wie Wahrheit übermannen,
Das alle Laster sich durchaus befestigt sehn.
Wo Geiz und Schmeichelei all' Ehrbarkeit verbannen,
Muß, o welche Schande! die Tugend betteln gehn.
Wenn schändlich Eigenlieb' und Schmeichelei regieren;
So findet in der Welt die Tugend keine Statt;
Die weiß den Menschen nicht zu lenken noch zu führen,
Der zum Verderben sich der Lust ergeben hat.

Der Löwe und die Maus

Ein Löwe, der vom Raub gekommen,
Hat unter einem kühlen Baum,
Nachdem er satt, die Ruh genommen.
Es schläft aber dieser kaum,
Und scheinet tot nichts mehr zu fühlen,
Als eine sichre Mäuseschar,
Indem sie miteinander spielen
Dem Starken auf dem Rücken war.
Der Mutwill wird so lang getrieben,
Bis jener aus dem Schlafe kam,
Und eines das zurück geblieben,
Erschrecklich in die Klauen nahm.
Nichtswürd'ges Ding, was soll dies heißen?
Sprach der ergrimmte Löw' ihm zu.
Kannst du mir nicht Respekt erweisen?
So schau einmal was ich, und du.
Dich will ich jetzt zu Trümmern drücken;
So wird dir ja der Scherz vergehn.
Du sollst, elendes Tier, den Rücken
Der Majestät nicht wieder sehn.

Die Maus fing bitter an zu weinen:
Ich hab es aus Versehn getan;
Ach! schone, König, eines Kleinen,
Ich bitte was ich bitten kann.
Ach! willst du mir das Leben schenken,
So werd' ich alle Tage dein,
Und deiner Gütigkeit gedenken.
Auch herzlich gerne dankbar sein.
Der Tod ist freilich mir erschienen;
Was hilft dir aber wenig Blut?
Ich will dir allzeit wieder dienen,
Wenn dir es etwa nötig tut.

Du mir? dem Löw', armsel'ges Mäuschen?
Willst du mir dienen? wie? und wann?
Weg nur mit dir. Kriech in dein Häuschen,
Weil ich dicht vertragen kann.
Ein solches schwaches Ding zu töten,
Kommt meinem Löwenmut nicht zu.
Ich habe deiner nicht vonnöten.
Bedenk einmal, was ich und du.
So wirft er weg, was er gefangen.
Kaum hört, vor Angst, die Maus den Hohn,
Und springt, ihre Höhle zu erlangen,
Halb tot, und halb entzückt, davon.

Der stolze Löwe geht mit Schnauben
In düstren Wäldern auf und ab;
Bekommt aber nichts zu rauben.
Dieweil man fleißig Achtung gab,
Wo dieser Löwe hingegangen,
Den man schon längstens nachgestellt.
So wird er unversehens gefangen,
Dieweil er in die Stricke fällt.
Mit nichts weiß er sich zu verhüllen;
Und weil ihm auch die Kraft gebricht,
Fängt er erschrecklich an zu brüllen;
Doch brechen seine Fesseln nicht.

Das Mäuslein, des der Löw geschonet,
Hört, was demselben dort geschehn.
Die Gnade wird mit Treu belohnet.
Es untersteht sich hin zu gehn.
Es spricht, o weh! welch' Unglücksfällen
Empfindet mein Erretter hier?
Ist so dem König nachzustellen?
Bricht die Gewalt: wo bleiben wir?
Darf ich, Herr König, zu dir treten,
Und tun, was ich im Sinn gefaßt;
So will ich dich vom Tod erretten,
Weil du mich jüngst verschonet hast.
Tu was du willst, ich bin verloren,
Sprach dieser in Verzweiflung.
Das Mäuschen aber spitzt die Ohren,
Und waget einen guten Sprung,
Durchsucht und naget alle Stricke,
Beißt endlich einen Knoten ab,
Und spricht: fleuch nun, es wird dir glücken,
Weil ich den Strick zerrissen hab.

* * * *

Man schone ja der Schwach- und Kleinen,
Und obligliere jedermann,
Weil, eh wir solches selber meinen,
Der Ärmste wieder helfen kann.

Die in eine Jungfrau verwandelte Katze

Ein Jüngling, der nicht wohl bei Sinnen,
Wünscht, weil er seine Katze liebt,
Daß Jupiter, hört, welch Beginnen,
Ihm selbige zum Weibe gibt.
Sie wird sobald zum Frauenzimmer,
Und ihrem Jüngling zugesellt.
Und diese Wahl gereut ihn nimmer,
Weil sie die Schönste von der Welt.

Wie Jupiter schnell zum verwandeln,
Wird aus der Katze nun die Braut.
Wie läßt der Mensch doch mit sich handeln,
Wenn er zu viel der Liebe traut.
Die Hochzeitsgäste sind geladen;
Ein trefflich Mahl wird zugericht.
Die Braut, der alles wohl geraten,
Weicht auch der allerschönsten nicht.
Sie läßt von Jungfern sich bedienen,
Und sitzt, wie billig, oben an.
Ein jeder, der beim Mahl erschienen,
Verehrte sie, so gut er kann.

Nur Jupiter, sie zu probieren,
Läßt eine Maus von weitem sehn.
Die sah man bald das Bräutgen rühren,
Doch mußte sie sich widerstehn.
So bald die Maus ihr näher kommen,
Springt sie behender auf sie dar,
Nachdem sie selber mitgenommen,
Was auf dem Tisch am nächsten war.
Bei so viel delikatem Essen,
War diese Speise ihr dennoch lieb,
Die sie mit Haut und Haar gefressen;
Weil in der Braut die Katze blieb.

* * * *

Laß diese nur sich immer schmücken;
Vergebens ist, was simuliert.
Es lässet bald sich wieder blicken,
Was wahre Neigung mit sich führt.
Die Katz' hat die Gestalt verloren,
doch zeigt sie sich bei der Maus.
Was von Natur uns angeboren,
Gräbt keiner mit der Nadel aus.

Die Hasenfurcht

Ein zitterndes Hasenpaar,
Das lang genug verfolget war
Und das die Jäger mit dem Hetzen
In tausend Angst und Schrecken setzen,
Klagt gar erbärmlich seine Not,
Und wünscht sich viel lieber tot,
Als in der Todesgefahr zu schweben,
Und in beständ'ger Furcht zu leben.

Wird denn, sprach er, auf der Welt
Allein den Hasen nachgestellt?
Wir können weder in den Gründen,
Noch auf den Bergen Ruhe finden.
Kaum schlafen wir ein wenig ein,
So müssen wir in Sorge sein.
Die Hunde und die das Feuer blasen,
Verfolgen nur uns arme Hasen.
Das Bellen tut den Ohren weh;
Wir finden kaum ein wenig Klee,
So müssen wir schon wieder laufen,
Sonst schießt man uns übern Haufen.

Hör, Bruder, was ist hier zu tun?
Wir sind verraten. Laß uns nun
Der Angst und fürchterlicher Sachen
Ein längst gewünschtes Ende machen.
Ja, Bruder, das gefallet mir,
Versetzt der andere, so wie dir.
Wir wollen, daß wir bald ersaufen,
Zu dem dort offnen Teiche laufen.
Sie laufen, und bemerken bald,
Daß Frösch' in ihrem Aufenthalt,
Durch das Geräusch erschrecket, springen,
Und alles in Bewegung bringen.
Halt inne, spricht der eine Has,
Halt, Bruder, was bedeutet das?
Sind andre Tiere, welch' uns fliehen,
So müssen wir zurücke ziehen.

Die Furcht ist, sehn wir, allgemein;
Drum müssen wir geduldig sein,
Und, ohn' auf einmal zu verzagen,
Das Schicksal gleich mit andern tragen.
Das Hauskreuz ist mit Angst und Not
In jedem Hause, wie der Tod,
Ohn Ansehn eines Stand und Orden,
Den Menschen allgemein geworden.
Wenn einer sich nicht trösten kann,
So schau' er seinen Bruder an,
Dem auch sein Teilchen Kreuz gegeben,
Und lern', als der, geduldig leben.

Ein Dieb und seine Mutter

Ein junger Dieb,
Der seiner Mutter darum lieb,
Weil er von Kind auf Beute machte,
Und unverhofft ihr manchen Groschen brachte,
Trieb dieses Handwerk ungescheut,
Wird aber selbst den Häschern zur Beut,
Und soll, dieweil der Diebstahl oft begangen,
Am Galgen hangen.
Er wird, dieweil ihm der Prozeß gemacht,
Halb tot an diesen Ort gebracht,
Wo Missetäter peinlich büßen,
Und ihre Schande tragen müssen.

Das Volk schließt einen Kreis umher,
Bei dem der Dieb von ungefähr
Die Mutter selbst erblicket,
Vor welcher er sich bücket,
Und bittet, daß vor seinem End'
Er sie noch einmal sprechen könnt'.
Es wird erlaubt. Die Mutter will ihn küssen,
Ihr aber wird die Nase abgebissen.
Der Richter und das Volk erschrickt,
So bald es diese Tat erblickt,
Muß aber diese Erkärung hören:
Dies sei der Mütter Lohn, die Kinder stehlen lehren.
Sie hab' ihm diesen Schimpf gemacht;
Sie hab' ihn an den Galgen bracht.
Und müßt' ein Merkmal seiner Plagen
Fort Lebens lang in dem Gesichte tragen.

Gar wohl: Ob diese Lehr gleich von dem Gagen rührt.
Man lieb' und strafe so, wie's Eltern gebührt,
Und forsche fleißig nach, ob Äegernis vorhanden,
Und alles tugendsam. Fehlt's an der Kinder Zucht;
Wird, nicht ohn Herzleid und offenbaren Schanden,
Der Kinder Missetat an Eltern heimgesucht.

Der Wolf und das Lamm

Ein Lamm kommt, seinen Durst zu stillen,
Ein Wolf auch, seinen Wanst zu füllen,
An einen und denselben Bach.
So bald der Wolf das Lamm gesehen
Weit unten an dem Wasser stehen,
Stellt er demselben gierig nach.
Ich will, spricht er, mit ihm zu zanken,
Dir jetzund mit dem Henker danken,
Daß du das Wasser trüb gemacht.
Das Lamm spricht: sieh den Bach nur fließen,
Du kannst das Wasser eh genießen,
Als es zu meiner Stell gebracht.
Wahr ist es, aber höre dorten,
Was waren das für Läster-Worten,
Die du, vor einem halben Jahr,
Zu meinem größtem Schimpf gesprochen?
Was hab ich, sprach das Lamm, verbrochen,
Als ich noch nicht geboren war?
So hat dein Vater mich gescholten,
Dem, sprach der Wolf, ichs nicht vergolten,
Und du bist an des Vaters statt.
Womit der Bösewicht, ohn Gewissen,
Das übermannte Lamm zerrissen,
Und gierig aufgefressen hat.

Man hüte sich nur vor Tyrannen,
Die Recht und Billigkeit verbannen,
Und würgen was ihn nichts getan;
Weil wider ihres Grimmes blitzen,
Die Unschuld nichts auf Erden schützen
Und ihnen widerstehen kann.

Ein Hahn und ein Kleinod

Ein Haushahn scharrt' auf einer Misten
Ein Kleinod unversehens herfür,
Und sprach, was nutzt ein Kleinod mir?
Wenn Hähne dies zu brauchen wüßten,
Es wäre lange nicht mehr da.
So bald er nur ein Körngen sah,
Verschluckt er solches gar behende.

O! wenn der Mensch, was Glück und Zeit
Ihm öfters unversehens anbeut,
Nur prüfen und benutzen könnte.
Manch Lehr- und Sinnen- reich Gedicht
Findet einer und versteht es nicht;
Drum will er's lieber gar nicht wissen.
Oft wird ein teurer Schatz verbrannt;
Und oft von einer groben Hand
Ein unvergleichlich Buch zerrissen.

Der Jäger und der Hund

Die Jugend die zum Dienst bequem,
Ist großen Herren angenehm;
Wenn's Alter aber eingetroffen,
So kann man auf den Abschied hoffen.
Im Alter einmal was versehn,
Verdirbt, was Lebenslang geschehn.
So müssen oft, die wohl gelitten,
Ihr Brot noch vor den Türen bitten.

Ein Jagdhund diente seinem Herrn
Aufrichtig, wohl, und täte gern
Was dieser nur von ihm begehrte.
Er war ein treuer Jagd Gefährte,
Und holte manches Wildbret ein,
Bald einen Hirsch, und bald ein Schwein.
Und weil er niemals leer geschieden,
War man mit ihm gar wohl zufrieden.
Daß der den Hund recht abgericht,
Denselben um ein Großes nicht,
Auf der ihm anvertrauten Stätte,
Nur einen Tag entbehret hätte.

Der Hund wird alt; und also kann
Er das nicht tun, was sonst getan.
Doch will er alles bei dem Jagen,
So gut, als in der Jugend, wagen.
Er treibet einen Rehbock auf,
Und hält denselben in dem Lauf;
Läßt aber, weil die Zähne weichen,
Was er gefasset, wieder streichen.
Der Jäger fluchet, was er kann,
Und fängt den Hund zu schlagen an,
Weil, was er sollen fester fassen,
Er unvorsichtig laufen lassen.
Hab, spricht der Hund, mit mir Geduld,
Ich selber habe keine Schuld.
Ich wollte gerne junge Zähnen
Für die beinah verfaulte nehmen.
Du strafest, was ich jetzt nicht kann,
Und denkest nicht, was vor getan,
Ich kann fürwahr jetzt nicht ermessen,
Warum du mein so bald vergessen.

Wer seine Jugend ganz verzehrt,
Im Alter einen Dank begehrt,
Und meinet, daß Verdienste gelten,
Der kann sich künftig wieder melden.

Der vergnügte Glöckner

Welch ein Beruf den Herrn umfassen,
Und sich es sauer werden lassen,
Die finden Brot, und haben satt,
Und können weit vergnügter leben,
Als die bei dem, was Gott gegeben,
Der leidige Geiz besessen hat.

Ein Schuster hat bei jungen Jahren,
In Kriegesdiensten früh erfahren.
Hat mancher Schlacht mit beigewohnt,
Und wird, weil er blessiert, erfroren,
Auch endlich das Gehör verloren
Mit der Demission belohnt.

Im Alter sucht er aller Orten,
Bis er ein armer Glöckner worden,
Den kümmerlichen Aufenthalt.
Muß Mittag, Abend, und vor Tagen,
An einer entlegnen Glocke schlagen,
Auch wenn's im Winter noch so kalt.

Den Ehstand hat er so gepflogen,
Daß er die Kinder wohl erzogen,
Und sie wie seine Frau ernährt;
Zwar arm, doch unter Gottes Segen
Daß er Bequemlichkeiten wegen,
Nichts mehr von aller Welt begehrt.

So oft er in der Kirchen läutet,
Daß man sich zum Gebet bereitet,
Vergißt er selbst nicht auf dem Knie,
Beim Glocken-Seil sogleich zu beten,
Daß ihm der Herr aus allen Nöten,
Und Reizungen der Sünde zieh.

Des Abends als geläutet worden,
Kommt einst der Priester an die Pforten,
Und findet selbig offen stehn,
Tritt ein, und kann, so muß sich's fügen,
Den Glöckner auf den Knien liegen
Und zu dem Herrn beten sehn.

Ich muß, spricht er, den Dienst zu ehren,
Euch künftig den Gehalt vermehren;
Ich seh, daß ihr im Amt getreu,
Daß ihr euch Müh genug gegeben,
Und daß nicht, mit der Frau zu leben,
Was ihr bekommt, hinlänglich sei.

Herr, spricht der Glöckner, für die Güte
Dankt euch mein recht vergnügt Gemüte;
Den größern Lohn nehm' ich nicht an.
Ich lasse meinen Schöpfer walten.
Will dieser mich gesund erhalten,
So hab ich, daß ich leben kann.

Gott gibt genug; ich bin zufrieden;
Und was zu meinem Teil beschieden,
Genieß ich, ja die Armut quälet,
Doch hat es mir noch nie gefehlet
Ich flick' in meinem Hause Schuh.
Man bet' und arbeitet unverdrossen,
So trifft bei dem, was man genossen,
Ein unvermerkter Segen ein.

* * * *

O! wenn die Reichen sich das gönnten,
Und von den Armen lernen könnten,
Gottselig und vergnügt zu sein.

Der Esel und sein Schatten

Ein Esel, der in einer großen Stadt
Der Pferde Pracht nicht zu vertragen schiene,
Flieht, ob er gleich zu leben hat;
Damit er selbst sich nicht zu Schanden diene.
Es folget ihm sein Schatten nach,
Und als er sich ins freie Feld begeben,
Meint er, ohn alles Ungemach,
In Einsamkeit vergnügt zu leben.

Die Fama stellt ihm einen Löwen vor,
Der in der Welt die mächtigste bezwungen.
Da meinet der geöhrte Tor
Es sei nun dem Schatten so gelungen.
Dem, sagt er, will ich widerstehn.
Dem wird es wider mich durchaus in keinen Dingen,
Es mag auch, wie dies geht, gehn,
Mit aller Stärke und Macht gelingen.

Die Fama spricht auch von dem Wolf und Bär,
Vom Tiger, Elephant, und allen starken Tieren.
Der Esel meint, daß es nur sein Schatten wär,
Und glaubt sie großmütig abzuführen.
Bald will ein Pferd nur seines Weges gehn,
Da dieser Esel auch für seinen Schatten hielte,
Doch schlug es ihn, als er es kaum gesehn,
Daß er zu Boden sank, und weiter nichts mehr fühlte.

* * * *

So geht es oft dem Eigensinn,
Der selber sich in Hochmut ganz vergessen,
Und alles neben sich boshaftig immerhin
Nach seinem Tun und Wesen abgemessen.
Was macht ein falscher Christ in einer schönen Stadt,
Den Kluge lang genug in Lieb' erduldet hatten?
Er beißt, er schreit, er lästert sich ganz matt,
Und streitet nur mit seinem Schatten.

Das Kalb und der Stier

Wenn Schüler ihre Meister lehren,
Gereuet sie bald diese Tat.
Die Jungen müssen Alten hören;
Von denen kommet guter Rat.
Doch wollen Jungen besser wissen,
Woran die Väter längst gedacht;
Und werden, daß sie büßen müssen,
Mit ihrem Vorwitz ausgelacht.

Das Hornvieh kam, als im Gedränge,
Und wollte zu der Krippe gehn;
Doch weil der Eingang etwas enge,
So mußt' es nach und nach geschehn.
Ein Stier, mit Hörnern wohl gezieret,
Stutzt bei der Pforten alsobald,
Und machet, weil er's mehr probieret,
Hier einen kleinen Aufenthalt.

Ein Kalb, das solches angesehen,
Spricht, weil's am nächsten bei der Tür,
Er sollte nur den Hals umdrehen,
So käm' ein jedes Horn herfür.
Der Stier spricht, was ist hier verloren,
Daß du, mein Kälbgen, raten mußt?
Ich hab, als du noch nicht geboren,
Dies alles gar zu wohl gewußt.
Und sieh, es ist bereits geschehen,
Ich komme so gar oft durchhin.
Komm, wirst du fort mit Hörnern gehen,
So weit, als ich gekommen bin.
Wie kommt man zu der Ehrenpforten?
Wie lebt man in erwünschter Ruh?
Man sei nicht vorlaut mit den Worten,
Und höre lieber andern zu.

Und sieh, es ist bereits geschehen,
Ich komme so gar oft durchhin.
Komm, wirst du fort mit Hörnern gehen,
So weit, als ich gekommen bin.
Wie kommt man zu der Ehren-Pforten?
Wie lebt man in erwünschter Ruh?
Man sei nicht vorlaut mit den Worten,
Und höre lieber andern zu.

* * * *

Die Jugend nehme ja zur Zierde,
Wie Kluge allezeit getan,
Mit Ehrfurcht, Zucht, und Lehrbegierde,
Den weisen Rat der Alten an.

Das Lamm und der Hund

Was guter Rat, findt man mit Schaden,
Wann Hülf und aller Trost vorbei.
Man denke nur, wem nicht zu raten,
Daß dem auch nicht zu helfen sei.

Ein Lamm ging in den Wald spazieren
Mutwillig von der Herde ab:
Dem in der Furcht, es zu verlieren,
Der Hund die gute Lehre gab:
Geh nicht zu weit, weil in den Hecken,
Wo du wirst allzusicher gehn,
Die grausam gier'gen Wölfe stecken,
Die Schafen nach dem Leben stehn.

Doch springt das Lamm frech übern Graben,
Und spricht, das wird im grünen Wald
Anitzo nichts zu sagen haben,
Wo meiner Freunden Aufenthalt.
Gleich wird der schüchtre Wolf mich fressen,
Dem ich mein Tage nichts getan:
Laß mich nur gehn, ich will's ermessen.
Ob mir daselbst was schaden kann.
Bleib, sprach der Hund, hüt dich vor Schaden.

Das Lämmgen eilet doch davon,
Läßt sich nicht halten, oder raten,
Bekommt auch bald seinen Lohn
Kaum ist es in den Wald gekommen,
Hat es der Wolf, das grimme Tier,
Erschrecklich bei dem Hals genommen.
Drum schrie das Lamm, wer hilft mir?
Ach! hätt' ich dieses sollen wissen,
Als mir der Hund den Gang verwehrt.
Wird aber alsobald zerrissen,
Und von dem gier'gen Wolf verzehrt.

* * * *

So müssen viel' in Schande sterben,
Die Wölfen gleich an ihnen frißt:
Weil ihnen, wider das Verderben,
Auf keine Weis zu raten ist.
Wer gute Lehre leicht verschmähet,
Der eilet zum Verderben hin,
Und findet, wenn es übel gehet,
Die Folge von dem Eigensinn.

Die Zeit und die Gelegenheit

Man lasse die Gelegenheit,
Wenn man sie hat, durchaus nicht schwinden:
Sie lässet sich, zu keiner Zeit,
Wenn sie vorbei, leicht wieder finden.

Ein Jüngling geht vergnügt im Feld,
Daselbst Veränderung zu haben:
Und findet einen Haufen Geld,
Das längst in einer Höhl vergraben.
Er läßt den Schatz, lauft schnell davon,
Und will das Glück den Vater sagen.
Der kommt erfreut mit seinem Sohn,
Was da gefunden, weg zu tragen.
Allein sie finden, statt der Beut,
Daselbst ein' ausgeleerte Stätte.
Ach! schrie der Vater, nun ist's Zeit.
Wer's alsobald genommen hätte.
Verzug ist, lieber Sohn, dir jetzt,
So wie du siehst, gar schlecht bekommen.
Ein ander, den es mehr ergetzt,
Hat alles Geld mit sich genommen.
Dir hat sich zwar das Glück gezeigt,
Nun läßt es dir die leeren Hände.

Wer dieses Glück, das dir geneigt,
Sein Lebtag wieder finden könnte.
Geld findet man wohl. Der beste Schatz
Ist in der Weisheit anzutreffen:
Die läßt sich aber auf dem Platz,
Wo sie zu finden, nicht lang äffen.
Auf hohen Schulen wohnet sie,
Wohin zwar die Studenten kommen:
Doch wird sie von denselben nie,
Welch' allzusicher, mitgenommen.
Die hier verloren edle Zeit
Ist, daß dieselbe uns sollt gelingen,
Nur zum Gebrauch, in Ewigkeit
Mit keinem Geld zurück zu bringen.

Die Wölfe und die Schafe

Die von Natur in Bitterkeit,
Haß, Neid, und großer Feindschaft leben,
Versprechen keine Sicherheit,
Ob sie gleich die Versichrung geben.
Der Fried' ist auf Betrug gestellt,
Der Eidschwur gar zu leicht gebrochen:
Wo die Treulosigkeit nicht hält,
Was sie mit Hand und Mund versprechen.

Die Wölfe, die der Hunger nagt,
Belagerten die Herd' im Felde:
Zu welcher sich doch keiner wagt,
Dieweil ein Schaf-Hund allzeit bellte.
Als nun die Gierigen verdrießt,
Ohn' Hoffnung in dem Wald zu liegen:
Gedenken sie mit einer List
Die schüchtren Schafe zu betrügen.

Sie senden einen Friedens-Bot,
Der die Bedingung überbrachte,
Und die bisher in Angst und Not
Verwirrte Schafe sicher machte.
Wozu spricht dieser, dient der Streit?
Daß wir in Feindschaft leben müssen:
Und durch der Wölfe Bitterkeit
Wird manches fromme Schaf zerrissen.
Wenn ihr nur wollt, wie's uns gefällt:
So können wir wie Brüder leben.
Den Hunden nur, welch' euch verstellt,
Müßt ihr zusammen Abschied geben.

Die Schafe sind zusammen froh,
Und machen herzlich gerne Friede
Wenn weiter nichts, so sei es so.
Wir sind des Bellens lange müde.
Die Wölfe sollen an den Ort
Sich bei der schönen Herde laben;
Die Hund' hingegen müssen fort,
Die sie bisher behütet haben.
So bald die Wächter abgeschafft,
Ist alles in der Wölfen Rachen.
Die Schafe werden hingerafft;
Und dieses heißet Frieden machen.
Man klagt, man schreit, man protestiert,
Man zeigt Siegel, Eid und Schwüre.
Allein die Schafe sind verführt,
Und müssen was ihnen lieb verlieren.
So bald den Wolf der Hunger quält,
Wird ein armselig Schaf geschlachtet,
Dieweil ein anders halb entseelt
In Furcht und Höllenangst verschmachtet.
Hier folget eines dem andern nach.
Bis alles grausam aufgerieben,
Und eins in letzten Zügen sprach:
Ach! wären unser' Hunde geblieben.

Der Friede findet keiner statt,
Will man sich für Tyrannen bücken;
Wer Bosheit in dem Herzen hat,
Erfreut sich andre zu berücken.
Man sollte die, welch' uns bewacht,
Mit Undank nicht belohnet haben.
Wir werden nach Verdienst geschlacht,
Und in der Wölfe Bauch begraben.
Wer an den Meineid schon gewöhnt,
Der schämt sich auch keiner Lügen;
Und wenn er sich zum Schein versöhnt,
Ist seine Lust nur zu betrügen.
Die Einfalt wird allzeit berückt,
Wenn sie der Feinden Schwüre glaubet.
Und, weil sie wehrlos, unterdrückt,
Bis alles, auch das Blut, geraubet.

Hochmut und Einbildung

Ihr Rang war nur noch allzu klein.
Doch endlich trifft ihr Wünschen ein,
Und sie gilt mehr im Weiberorden,
Sich etwas groß hervor zu tun,
Dieweil ihr Mann im Städt'gen nun
Mit Ehren Bürgermeister worden.
Drum lacht dem ganz entzückten Weib,
Ich weiß nicht wie, das Herz im Leib.
Ihr Dünkel ist kaum zu ergründen;
Sie hat nun einen höh'ren Sinn,
Und die Frau Bürgermeisterin
Weiß selber nicht sich drein zu finden.

Ihr Kropfzeug muß nun breiter stehn.
Man merket selber in dem Gehn,
Wie hoch sie mit dem Rang gestiegen.
Sie dreht den Hals zur Freundlichkeit,
Und merket, ob auch alle Leut
Sich tief genug vor ihr verbeugen.
Sie kommt zur Kirchen etwa spat,
Als man schon ausgesungen hat,
Und alle Weiber, die vorhanden,
Beim Eintritt dieser ihrer Kron,
In Andacht und Devotion,
Den Text zu hören aufgestanden.

Frau Margreth Bürgermeisterin
Erstaunet sehr, und bildet sich ein,
Das Aufstehn sei nur ihretwegen.
Sie grüßt und danket jedermann,
Daß ihr solch' Ehren angetan,
Und wünscht ihnen allen Segen.
Nun sitzt, spricht sie, Frau Nachbarin,
Weil ich schon überzeuget bin,
Welch' Hochachtung ihr für mich heget.
Ich bleib euch doch wohl zugetan,
Obgleich mein allerliebster Mann
Die Bürgermeister Würde träget.
Ei, saget hier, sagt dorten hin,
Weil nun die Bürgermeisterin
Sich auch gesetzt, sie möchten sitzen.

Die Frau lacht, was sie lachen kann,
Und sieht erstaunt Frau Margreth an;
Doch weiß sie sonst was vorzuschützen,
Und spricht, gleich wie's befohlen ist,
Ihr lieben Leute, daß ihr's wißt,
Frau Margreth wird in ihrem Prangen
Es lieber sehn, wenn man fein still
Sich gleich auch wieder setzen will,
Wenn sie zum Stuhl vorbei gegangen.
Die ganze Kirch' ist voller Freud,
Und spricht, das Weib ist nicht gescheut,
Das so für eitlem Hochmut stinket,
Und sich, in dem verwirrten Sinn,
So groß als eine Königin,
Vielleicht auch etwas größer dünket.
Als sie den Sonntag wieder kam
Und ihren Gang wie vormals nahm,
Ist niemand vor ihr aufgestanden,
Als der im Spott nur ihrer lacht:
Denn Eigenlieb und Hochmit macht
Die Bürgermeisterin zu schanden.

Man hört das Sprichwort überall,
Der Hochmut kommt vor dem Fall.
Was will der arme Mensch im Leben,
Ob er in großen Ehren steht
Und über seinem Nächsten geht,
Der Erdenkloß, sich überheben?
Die Ehr' ist ohne Tugend klein:
Man bilde sich nur nichts drauf ein,
Wenn man in höh'rem Stand gekommen;
Es haben viel', in Eitelkeit
Und allzu großer Sicherheit,
Ein gar betrübtes End genommen.

Der Fuchs und die Fliegen

Läßt die Begierde sich noch stillen,
Und der sonst leere Beutel füllen;
So habe man Geduld mit ihr,
Sonst kommt ein noch viel gier'ger Tier.

Ein alter Fuchs, der in den Wäldern,
In Tälern und gepflügten Feldern,
Aus mancher Angst, Not und Gefahr
Der Hund' und Jäger kommen war;
Hatt' auf dem Rücken eine Wunde,
Wo neulich ihm die Haut vom Hunde
Zerrissen worden, mit gebracht,
Als er sich schnell davon gemacht.
Drei Finger breit, wo das geschehen,
War ein ganz rohes Fleisch zu sehen;
Worauf, als einem toten Aas,
Ein ganzer Haufen Fliegen saß,
Die sich vom Blut der Tiere nähren,
Und deren sie sich kaum erwehren.
Mit Fliegen lag er als bedeckt
In einer Wiesen ausgestreckt.

Ein junger Fuchs besucht den Kranken,
Und höret ihn von weitem anken.
Er klaget, tröstet, wie er kann,
Und zeiget Heilungsmittel an.
Wie seine Vettern krank gewesen,
Und alle wiederum genesen.
Also verspricht er, weil er jung,
Auch diesem gute Besserung.
Er will ihm selber Mittel reichen,
Und ein vortrefflich Pflaster streichen,
Das vielen Wunden gut getan,
Wenn er es nur vertragen kann.
Inzwischen will ich diese Plagen,
Die Fliegen, von der Wunde jagen.
Denn sollen die, zu deiner Pein,
Frech, unverschämt und gierig sein?

Für deine Güte, spricht der Kranke
Bleib' ich verbunden, und mit Danke
Nehm' ich, was mir helfen kann,
Von deiner guten Meinung an.
Die Fliegen nur, die mich umgeben,
Laß sitzen, weil sie jetzund eben
Von meinem Blute dick und voll,
Und keine mehr genießen soll.
Sind diese von mir weggenommen,
So werden schleunig andre kommen,
Die jetzund noch der Hunger nagt,
Und ich bin desto mehr geplagt.
Sie haben mich genug gestochen,
Bis die Begierden abgebrochen,
Und eine jede Fliege satt
Von meinem Leib genossen hat.

So pflegt es allen Herrn zu gehn,
Um welche die Bediente stehn;
Die wollen, bis auf Mark und Bein,
Fein dick und fett gemästet sein.
Die lasse man nur immer bleiben;
Denn wollte man sie nun vertreiben,
So kommen ander' an die Statt,
Die noch mehr Geiz besessen hat.

Ein Gaukler und ein Bauer

Ein Gaukler preist mit vielem prahlen
Dem Volk sein neues Stückgen an;
Läßt sich dafür zween Groschen zahlen,
Und spielt possierlich, was er kann.
Er wickelt sich in seinen Mantel,
Und grunzet eben wie ein Schwein.

Ein Bauer merket solchen Handel,
Und spricht, soll dieses alles sein?
Ich wollt' es eben auch so machen.
Er macht es wirklich noch so gut.
Doch jedermann fängt an zu lachen,
Und spottet dessen, was er tut.
Geduld, spricht jener, nur bis morgen;
Dieweil hab ich mich recht probiert.

Er kommt, hält ein Schwein verborgen,
Und wird zum Wettstreit aufgeführt.
Der Gaukler grunzt, und wird erhoben.
Der Bauer grunzt, vielmehr sein Schwein;
Doch will denselben keiner loben,
Die Wette muß verloren sein.
Allein derselbe zeigt mit Lachen,
Was in der Tat gegrunzet hat.
Er spricht, was wollt ihr Richter machen;
Denn hier verrät sich die Tat?
Kaum bleibt Verstand von einer Unzen,
Wo man die Wahrheit gar vergißt.
Natürlich soll der Gaukler grunzen,
Und nicht, dem's angeboren ist.

So geht es nun bei Groß-und Kleinen;
Der Wahn behält die Oberhand.
Nicht die was sind, nur die was scheinen,
Die werden jetzt dafür erkannt.
Denn Vorurteil und Liebe machen
Ein jedes Ding nur wert und schlecht.
Wer macht, bei so verkehrten Sachen,
Auch wenn es ganz natürlich, recht?