Fabelverzeichnis

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Daniel Stoppe

geb. 17. November 1697 in Hirschberg (Schlesien), heutiger Name Jelenia Góra
gest. 12. Juli 1747 ebenda.

Geboren als Sohn eines Schleierwebers, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt. Er studierte Philosophie und schöne Wissenschaften in Leipzig.

Er gab 1738 und 1740 je hundert "Neue Fabeln oder moralische Gedichte" heraus.
Die meisten Fabeln sind keine Neuinterpretation bekannter Fabeldichter, sondern selbst erdachte!


Quelle:
Daniel Stoppe/Neue Fabeln 1745/Band I. /Band II.
 

Buch 1
 

Das Podagra und das Glück
Der Wetterhahn und die Glocken
Der Reichtum
Das Tal und die Berge
Der Star
Der Kater und die Mäuse
Die zwei Schlüssel
Die Füchse
Die Tannen und die Fichte
Das gesegnete Tischtuch
Die Nachtigall und der Zeisig
Das Kriegsschwert und der...
Die Fenster und der Ofen
Die Lust und der Schmerz
Das Echo und der Knabe
Der Maulwurf
Die Nullen

 
Die Nessel
Die Kunst und der Kredit
Der Kletterstrauch und der...
Der Doktor und der Papagei
Das Haus und die Ratten
Der Teich
Das Sprachrohr und der Kater
Der Organist und der Balkentreter

 

Das Podagra und das Glück


Das lahme Podagra begegnete dem Glücke,
Auf einer schmal gebauten Brücke.
Es hatte keines Lust, dem andern auszuweichen,
Sie zankten um den Rang, mit vieler Heftigkeit.
Und konnten sich in langer Zeit
Des Vorzugs wegen nicht vergleichen.
Das Glücke trotzte sehr auf seinen hohen Stand.
Mein Ansehn, sprach es, ist bekannt;
Die Großen dieser Welt sind meine besten Freunde.
Mich sieht ein jeder gern; du bist der Welt zur Last,
Denn deine Gegenwart ist jedermann verhaßt;
Wer geht gern mit dir um? Du machst dir lauter Feinde.

Was? sprach das Podagra. Mich sähe niemand gern?
Als wär ich bei den großen Herrn
Nicht auch bekannt und wohlgelitten,
Laß ich mich denn nicht oft zu ganzen Jahren bitten?
Wem sprech ich wider Willen zu?
Das wird wohl Niemand sagen können;
Der Saufgott, Bacchus, muß oft mehr, als ein Paar Schuh
Nach mir zerlaufen und zerrennen;
Und holt mich dieser, noch nicht ein:
So müssen Lieb und Zorn die Unterhändler sein,
Die sich um meine Gunst bestreben
Und mir die besten Worte geben.
Ich habe wenigstens doch das vor dir voraus,
Ich halte lebenslang bei meinen Freunden aus;
Du aber läßt manchmal den besten Freund im Stiche,
Dein wankelmütiger Sinn bekommt viel tausend Flüche,
Man nennet deine Gunst nur ein zerbrechlich Glas.

O! sprach das Glück, was hilft dir das?
Der Henker hole dich und dein Beständigsein!
Die Leute würden dirs von Herzen gern verzeihn,
Wenn du sie gleich nicht stets mit deiner Freundschaft plagtest.
Und immer, Tag für Tag, an einem Beine nagtest.

Du Blaustrumpf! rief das Podagra.
Du Menschenmörder! schrie das Glücke.
Sie schlugen sich, und siehe da!
Das Glück zerbrach im Grimm dem Podagra die Krücke.
Da lag der Hinkenperts und konnte nicht mehr stehn,
Geschweige denn allein und ohne Führer gehn.
Durch diesen klugen Streich gewann der Streit sein Ende.
Ach! schrie das Podagra. Frau Schwester! Hilf mir auf!
Ich lasse dir den Rang, komm, leih mir deine Hände!
Es sei so, sprach das Glücke drauf;
Hier hast du meine Hand! der Zank ist abgetan;
Wir sind nicht mehr die alten Feinde,
Wir sind nunmehr die besten Freunde;
Du folgst mir nach, ich geh voran.

*   *   *

Das Wohl führt auch noch itzt das Weh stets an der Hand.
Wer mit dem Glücke Freundschaft macht,
Der wird in kurzer Zeit, und eh er es gedacht,
Auch mit dem Podagra bekannt.

Der Wetterhahn und die Glocken

Die Glocken auf dem Kirchturm griffen,
Des Nachts, wenn Pfarr und Glöckner schliefen,
Zuweilen einen Wetterhahn,
(Der in der Nachbarschaft, der Kirche rechter Hand,
Auf einem großen Hause stand)
Mit vielen losen Reden an.

Herr Nachbar! schrieen sie, was macht ihr? Schlaft ihr schon?
Wann kräht ihr denn einmal? Habt ihrs denn gar verschworen?
Ihr seid wohl nimmermehr der weißen Henne Sohn;
Ohn Zweifel seid ihr stumm geboren;
Ihr würdet euch wohl sonst, wenn andre Hähne krähn,
Nicht stets so maulfaul finden lassen,
Und wenigstens des Nachts die Antwort nicht verpassen.
Ihr dürft ja nur auf unser Beispiel sehn.
Wenn eine von uns klingt, gleich stimmen wir mit ein;
Man hörts auch wohl recht weit, wenn wir zusammen schrein,
Des Sonntags sonderlich, da kommt das Volk mit Haufen
Aus allen Häusern zugelaufen,
Wenn in der Kirche gleich ein Brand entstanden wär.
Zuweilen kommt ein ganzer Schwarm von Jungen,
Die unser Schall erregt, den Weg daher gesungen;
Gleich hinter diesen geht ein langer finstrer Mann,
Der gar erschrecklich trillern, kann.
Und alle Kinder überschreit;
Drauf folgt ein alter Herr, der aus Vergessenheit,
(Die ihn von ungefähr vielleicht dazu bewogen)
Das Hemde übern Rock gezogen;
Acht Männer wandern hinterher,
Die einen langen Kasten tragen,
Um welchen man ein schwarzes Tuch geschlagen;
Es muß darin was sein, sie tragen oft sehr schwer;
Drauf kommt die halbe Stadt, mit gleichgestellten Paaren,
Das Mann und Weibervolk in zwei besondern Scharen,
Die zweifelsohne, aus Furcht, es möcht ein Bad entstehn,
Gemäntelt und geschleiert gehn;
Wiewohl das können wir so eigentlich nicht wissen.
Doch weil es allemal auf unsern Ruf geschieht,
Daß Schul und Bürgerschaft so reihenweise zieht:
So scheint es, daß wir sicher Messen,
Daß man es uns zu ehren tut.

Wohl! sprach der Wetterhahn, dies alles ist schon gut,
Ich habe nichts dawider einzuwenden.
Ich will euch auch gar gern den Vorzug zugestehn;
Allein das muß mir nahe gehn,
Daß ihr, mich und mein Tun zur Ungebühr zu schänden,
Und nichts aus mir zu machen, willens seid.
Wem geht dadurch was ab, weil ich beständig schweige?
Ich bin ein Wetterhahn. Wenn ihr als Glocken schreit:
So tut ihr, was ihr sollt. Wenn ich den Wind recht zeige:
So hab ich gnug getan. Deswegen steh ich hier,
Und mehr verlangt man nicht von mir.

*   *   *

Wenn ich nur meiner Pflicht vollkommen Genüge tu:
So mutet mir ein Narr umsonst was anders zu.
Wenn Hans ein Seiler ist: Man sei mit ihm zufrieden,
Wenn er nur gute Stricke macht;
Fehlt ihm die Wissenschaft, das Eisen recht zu schmieden:
Wenn das der Schmied nicht weis, so wird er ausgelacht.

Der Reichtum

Die Unersättlichkeit nahm einst die Menschen ein.
Sie hatten alles gnug. Was ihnen nötig war,
Bot ihnen die Natur von freien Stücken dar;
Und gleichwohl wollten sie nicht mit zufrieden sein.
Ein jeder wünschte mehr zu haben;
Nicht etwa, wie man denkt, mehr Witz und Seelengaben.
Darauf ward nicht gesehn. Man wünschte sich mehr Geld.
Drum schickte Jupiter den Reichtum in die Welt,
Den Menschen nach und nach die Schätze zuzutragen,
Die dort, wo Pluto wohnt, schon in Bereitschaft lagen.

Der Bote war nicht groß: kaum wußte er auf einmal
Zweihundert Taler fortzubringen,
Die man ihm noch dazu oft unterwegens stahl.
Er lief nicht hurtig gnug. Man sprach, er sollte springen,
Weil das Negotium darunter Schaden litte.
Allein er kehrte sich deswegen nichts daran;
Er blieb bei seinem kurzen Schritte,
Und kam, nach seiner Art, stets spät und langsam an.
Man schalt ihn immerzu, daß er so wenig brächte.
Er sprach: Habt nur Geduld, und laßt mir Luft und Zeit!
Ich bringe mehr nicht fort; der Weg ist schwer und weit.

Allein das menschliche Geschlechte,
Ward desto hitziger, ein Mittel zu ersinnen,
Ein größer Kapital in kurzem zu gewinnen.
Man trug erst lange Zeit vor schlimmen Ränken Scheu;
Doch endlich mußte sich der Geiz dazu entschließen.
Drum bat man die Betrügerei,
Dem Boten, der zeither zu Fuße gehen müssen,
Ihr fahles Pferd zu überlassen.
Der Mensch war sonst gewohnt, sie und ihr Tun zu hassen,
Deswegen gab sie gleich den Willen willig drein,
Um künftig mehr beliebt und gern gesehn zu sein.
Der Bote sollte nun das Geld zu Pferde holen;
Allein er wollte sich zum Reiten nicht verstehn,
Er sagte: Jupiter hat mir das nicht befohlen,
Man lasse mich zu Fuße gehn!
Nein!.sprach man. Setz dich auf! Was hat es denn zu sagen?
Du mußt ja eben nicht den Geldsack selber tragen,
Die Last fällt dir zu schwer; so kommst du leichter fort;
Und wär es auch nicht recht: Wir geben dir das Wort,
Die Schuld an deiner statt zu büßen.
Das Reiten an sich selbst kann keine Sünde sein;
Sonst hätte Jupiter kein Pferd erschaffen müssen.
Der Reichtum willigte den Vortrag endlich ein.

Er ritt nun ab und zu, die Gassen auf und nieder;
Er brachte mehr als vor, und kam geschwinder wieder;
Kaum war er abgereist, so war er wieder da.
Und eh man sich oft seiner noch versah.
Das schlimmste war dabei, das Pferd gewöhnte sich
An ein gewisses Haus. Es war nicht wegzubringen.
Dem Reiter schien das Ding zwar anfangs ärgerlich;
Doch hat er nicht das Herz, es mit Gewalt zu zwingen;
Es bäumte gar zu sehr, drum mußt er's lassen gehen.
Des Pferdes Eigensinn hat manchen reich gemacht;
Denn wem es einmal was gebracht,
Vor dessen Türe blieb das Aas beständig stehen.

Hingegen tat es stets vor den Gelehrten scheu;
Es galoppierte vor ihrer Tür vorbei,
Als würd es Hals und Beine brechen.
Sie waren folglich auch sehr übel drauf zu sprechen,
Daß etliche nur alles nahmen,
Sie aber nichts davon bekamen.
Man lachte sie noch aus, mit ihrer Dürftigkeit,
Daß ihr berühmter Geiz so schlecht befriedigt würde.
Man sprach: Ihr nennt ja selbst den Reichtum eine Bürde:
Bedankt euch, daß euch Gott von dieser Last befreit!
Indessen predigten die Musen Tag und Nacht,
Sie hätten gleiches Recht zu dem Besitz der Schätze;
Und das bewiesen sie aus dem Naturgesetze.
Allein was half sie dies? Die Reichen in der Welt
Behielten die erhaltnen Gaben.
Man sprach: Sagt, was ihr wollt; nur laßt uns unser Geld,
Wir lassen euch das Recht noch mehr, als wir, zu haben.

Gott Jupiter erwog die Sache mit Bedacht,
Den Zank der Menschen beizulegen.
Er war ergrimmt des Botens wegen,
Der vielen gar zu viel und manchen nichts gebracht.
Drauf ließ er die Verschwendung kommen,
Und sprach, nachdem er sie in Eid und Pflicht genommen:
Befriedige die Welt! Geh hin, und stell auf Erden
Das Gleichgewichte wieder her!
Sie folgte dem Befehl, und kam und half nunmehr
Den Reichen in der Welt mit Freuden arm zu werden;
Sie wurden ihrem Gelde gram;
Man sah sogar den Geiz, aus Hochmut sich befleißen,
Das Seinige recht sinnreich wegzuschmeißen.
Der Arme hob es auf, der nun zu Mitteln kam,
Und nach dem Boten nichts mehr fragte;
Er konnte schon zufrieden sein.
Was ihm der Reichtum selbst versagte,
Das bracht ihm die Verschwendung ein.

Das Tal und die Berge

Zwei Berge lagen sich einander gegenüber,
Dazwischen war ein tiefes Tal,
Mit diesem zankten sie des Tages wohl hundertmal.
Herr Bruder! rief ein Berg. Komm doch zu mir herüber!
Ich darf nicht, war die Antwort drauf;
Denn Ihro Niedrigkeit, der Prinz von Tiefburghausen,
Nähm's ohne Zweifel übel auf;
Er würde, wie das Meer, vor Zorn und Eifer brausen
Und mich dafür gewiß zur Strafe ziehn;
Denn über einen Herrn, wie er ist, wegzuschreiten,
Das hat wahrhaftig schon was Großes zu bedeuten.
Ein Schritt ist bald verfehlt. Wie leichte könnt' ich ihn,
Wenn ich zum Stolpern käm', aus Dummheit gar zertreten.
Die Sünde könnt' ich ja mein Tage nicht verbeten.

O! sprach der andre Berg, die Freude möchte ich sehn;
Dem Kerle würde recht geschehn.
Was hat er hier zu tun? Er mag beiseite gehen.
Es schickt sich nicht für ihn, hier zwischen uns zu stehen,
Als wenn er unseresgleichen wär.
Es koste, was es will, ich leid es ihm nicht mehr;
Der Grobian wird noch wohl wegzubringen sein.
Das habe ich längst gewünscht, fiel im der Nachbar ein;
Wie aber ist das Werk am besten anzugreifen?
Sobald ein Regen sich ergießt:
So wollen wir den guten Kerl ersäufen.
Mach es nur wie ich! Die Flut, die auf uns schießt,
Die müssen wir, und zwar zugleich von beiden Seiten,
Auf den Herrn Nachbar abwärts leiten.
Wenn Wasser fähig ist, die Felsen umzuwühlen
Und ganze Städte wegzuspülen:
So kann sich auch das Tal ein Gleiches prophezein.

Die Berge freuten sich darauf schon ungemein
Und seufzten Tag und Nacht nach einem starken Regen,
Als wenn ihr ganzes Wohl darauf bestanden wär.
Es schien, Gott ließe sich durch ihr Gebet bewegen.
Es zog ein Wetter auf; es regnete recht sehr.
Kaum kann ein Wolkenbruch sich häufiger ergießen.
Die Berge wälzten nun die Flut zugleich bergab
Dem tiefen Tale zu, daß es das Ansehn gab,
Ihr Nachbar würd ertrinken müssen.
Doch als das Wasser wieder fiel:
So zeigte sich das Widerspiel,
Indem das Tal trotz der Gefahr,
Die Grund und Boden zwar gewaltig mitgenommen,
Anstatt dabei zu kurz zu kommen,
Fast noch einmal so tief und größer worden war.

*   *   *

Wer klug ist, wird sich nicht der Neider wegen kränken.
Warum? Sie laufen gern in ihrer Absicht blind,
So daß sie uns oft nützlich sind,
Indem sie uns zu schaden denken.


Der Star

Ein Star pfiff stets das Lied: Aus meines Herzens Grunde,
Mit ungemeiner Fertigkeit,
In einem Tun zu aller Zeit,
Früh, Mittags und zur Vesperstunde.
Er machte, wie gesagt, gar keinen Unterschied;
Man hatt ihm sonst nichts vorgepfiffen.
Wenn andre Vögel oft schon schliefen:
So sang er immer noch sein Leib- und Morgenlied.
Früh ließ er sich mit vielem Beifall hören,
Die Leute lobten ihn, und schrien: Das klingt schön!
So einen Vogel muß man ehren!
Nachmittags, wenn er pfiff, blieb niemand bei ihm stehn,
Man schalt ihn einen Narrn, und hielt die Ohren zu.
Den Star schien dieses zu verdrießen,
Wirt! rief er, sagt mir doch, ich weis nicht, was ich tu;
Man lobt, man tadelt mich: Ich möchte doch wohl wissen,
Wie dieses zu verstehen sei;
Mein Lied ist immer einerlei,
Und dennoch wechseln Lob und Schande.
Bald rühmt man mich, wer weis? wie sehr;
Bald ist kein größrer Narr, als ich, im ganzen Lande;
Mein! sagt mir doch einmal, wo rührt denn dieses her?

Du stimmst oft, sprach der Wirt, dein Lied zur Unzeit an.
Wenn nun die Leute deiner lachen,
Und einen Jecken aus dir machen:
So bist du selber Schuld daran.
Soll dir dein Morgenlied nicht Schimpf und Schande bringen:
So mußt du, kurz und gut, Nachmittags gar nicht singen.

*   *   *

Was gut ist, ist oft nicht zu allen Zeiten gut.
Man muß behutsam sein, in allen seinen Sachen,
Damit man nichts zur Unzeit tut;
Man kann die Tugend selbst dadurch zum Laster machen.

Der Kater und die Mäuse

Ein Kater, der von Kindheit an
Sich auf der Mäusejagd mit Fleiß hervorgetan;
Ein Held, dem mehr als tausend Ratten
Den Untergang zu danken hatten,
Ward endlich alt und schwach und konnte nicht mehr sehn.
Die Ratten sagten ihm: es sei ihm recht geschehn;
Gott ließ ihn nun, zur Strafe seiner Sünden
Und auch zugleich zu ihrer Sicherheit,
Nach Wunsch verkrummen und erblinden.
Ach! sprach der alte Schalk, die Sünden sind mir leid;
Der Himmel kennt mein reuiges Gewissen;
Ich trage meine Schuld und will sie gerne büßen.
Ich fühl schon, mein Tod ist nicht mehr weit;
Gottlob! es geht mit mir zu Ende.
Ich bitt euch alles ab: Hier habt ihr meine Hände!
Kommt her und sagt mir's zu, daß ihr versöhnlich seid!

Die Ratten merkten gleich, wie viel die Uhr geschlagen.
Ja, sprachen sie, gar gern, wir wollen dir verzeihn;
Doch nahe wird sich niemand wagen.
Wir können weit entfernt so gute Freunde sein,
Als wenn wir näher zu dir kämen,
Denn dazu werden wir uns nimmermehr bequemen.
Kurzum, die Ratten liefen fort
Und wünschten ihm Glück auf die Reise.
Drauf kam ein Dutzend junger Mäuse.
O seht doch! schrieen sie, den kranken Kater dort!
Ihr Kinder, rief der Dieb, kommt her und seht mich sterben.
Ich hab' jetzt gleich mein Testament gemacht
Und euch als meinen künftigen Erben
Mein ganz Vermögen zugedacht.
Drauf maunzt' er noch einmal, als nähme er gute Nacht;
Er hielt den Atem an, lag still und ausgestreckt,
Als wär' er in der Tat verreckt.

Die Mäuse ließen sich, durch diese List, betrügen;
Sie sprangen auf ihn los und tanzten um ihn her.
Man sah ein Blatt Papier zu seinen Füßen liegen,
Und dies bestärkte sie in ihrem Wahn noch mehr.
Ach, riefen sie, seht! seht! da liegt das Testament.
Der Kater schnappte zu und fing auf diese Weise
Vier ihm zu nah getretnen Mäuse.
Ich weiß wohl, sprach der Schalk, daß ihr nicht lesen könnt.
Geht, laßt euch meinen Bauch die wahre Nachricht sagen,
Von dem, was ich euch zugedacht;
Der Rechtsfreund, welcher mir das Testament gemacht,
Wohnt ohnehin in meinem leeren Magen.

*   *   *

Die glatten Worte sind ein Eis, das leicht bricht.
Wer falschen Leuten glaubt, der kennt die Welt noch nicht.


Die zwei Schlüssel

Ein Schlüsseloberster, ein Dietrich, welchen man
Zu allen Schlössern brauchen kann,
Sah einstmals neben sich den Kellerschlüssel liegen.
Hör, sprach er, Bruder! sag mir doch!
Wie geht dir's denn? Wie lebst du noch?
Sehr schlecht, hub dieser an; ich bin voll Mißvergnügen,
Daß man so wenig aus mir macht;
Du hast es gegen mich gewiß recht hoch gebracht;
Mich läßt man, wie du siehst, den Rost noch gar verzehren.
Hingegen du? Du kannst es besser nicht begehren;
Der Hausherr führt dich selbst beständig in der Hand.
Mir wird es nicht so gut; dort häng ich an der Wand,
Bis mich die Köchin nimmt, die manchmal aus dem Keller
Etwas zu holen hat; es graut mir oft vor ihr,
Warum? sie ist ein garstig Tier,
Dem, weil es sich nicht wäscht, der Schmutz der fetten Teller
Noch an den Fingern klebt. So bald sie mich berührt,
So werd ich auch, wie sie, besudelt und beschmiert;
Sie braucht mich ungefähr des Tags etwa einmal,
Und weiter sucht kein Mensch etwas von mir zu wissen,
Ach! stund es nur in meiner freien Wahl:
Ich würde gerne fleißiger schließen;
So muß ich müßig gehn, und du hast nur allein
Das große Glücke zu gemessen,
Den ganzen Tag gebraucht zu sein.
Der öftere Gebrauch poliert dich immer feiner,
Und reibt dich glatt und schön; hingegen unser einer
Verrostet immer mehr, und wird recht mit Gewalt
Bei der verhaßten Ruh, rauh, blind, und ungestalt;
Deswegen pflegt man dich auch mehr, als mich, zu ehren.
Ich glaube gar, man kann dich nicht entbehren,
Kaum hat dich der Patron verlegt:
So überläuft ihn Zorn und Geifer;
So wird das ganze Haus durchsucht, durchforscht, bewegt
Man fragt nach mir wohl auch, doch nicht mit solchem Eifer.

Mein! sprach der Dietrich drauf, ich geb es gerne zu;
Ich diene meinem Herrn ohne Zweifel mehr, als du.
Ist das beneidenswert? Dir scheint's. Ich sage: Nein!
Du irrst dich sehr in diesem Stücke;
Beständig Dienste tun und unentbehrlich sein
Ist eben kein so großes Glücke.

Die Füchse

Sechs Füchse saßen einst bei einem toten Bären.
Sie fraßen sich erst satt; hierauf beschlossen sie,
Man wollte sehn, wer in der Kompanie
An Klugheit und an List des andern Meister wäre.

Gar wohl! rief einer gleich von diesen jungen Herrn;
(Der dumme Schelme prahlte gern,
Und glaubte für gewiß, es könnt ihm hier nicht fehlen)
Hört, sprach er, wenn ihr wollt, ich will euch was erzählen;
Ich weiß gewiß, ihr fallt mir alle bei,
Daß ich ein ganzer Fuchs und recht verschlagen sei.
Ich hab einmal ein Kalb, vor ungefähr vier Wochen,
Auf jenem Anger dort gesprochen;
Das war ein rechtes Kalb! Man dächte nimmermehr,
Daß so ein albern Tier von Gott geschaffen wär.
Man hätt es überreden können,
Daß Wasser, Schnee und Eis, wie Hobelspäne, brennen.
Ich log ihm rechte Flecke vor,
Und sprach ich hätt einmal, aus Ekel vor dem Essen,
Ein brennend Scheitgen Holz gefressen.
So gern ich damals noch bei meiner Seele schwor,
So konnt ich mir doch hier so Fluch als Eid ersparen.
Was? sprach das läppische Kalb, und gleichwohl lebst du noch?
Wie ging's denn? Brannte dir das Feuer nicht ein Loch,
Nachdem es, wie du sagst, in deinen Leib gefahren?
Nein! sagt ich, liebes Kind! uns Füchsen schadets nicht,
Denn unsre Mägen sind gepicht;
Wir können ohne Schmerz geschmolznes Blei vertragen.
Doch höre nur den völligen Verlauf!
Als ich etwa acht Tage drauf
Bei einem Baume stund, mein Wasser abzuschlagen:
So rauchte mein Urin, und brannte dergestalt,
So daß davon der ganze Wald
Auf einmal eingeäschert worden.
Der Wind kam grades Wegs aus Norden,
Und half der Feuersbrunst von Baum zu Baume gehn;
Auch nicht ein einz'ger Stamm blieb unbeschädigt stehn.

Herr Bruder! sprach ein Fuchs, du wirst das Ziel nicht treffen;
Das kann uns kein Beweis von deiner Klugheit sein!
Des Kalbes Dummheit trägt dir keinen Vorteil ein;
Denn das ist keine Kunst, den Unverstand zu äffen.
Du hättest mich das überreden sollen:
Da hätten wir dich loben wollen.

*   *   *

Man baut sich manchmal Ehrenbogen
Aus andrer Leute Schimpf, wenn man die Narren schraubt;
Dem hab ich, spricht man oft, wer weiß? was vorgelogen.
Gesetzt auch, daß er's wirklich glaubt;
Du bist ein Narr, wie er, wofern du daraus schließt,
Daß du deswegen klüger bist.

Die Tannen und die Fichte

In einem Walde voller Tannen
Stund einst ein einziger Fichtenbaum.
Die Tannen höhnten ihn, und sprachen: Geh von dannen!
Und mache teils uns selbst, teils unsern Kindern Raum!
Du siehst, wir mehren uns, wir ziehen unsers gleichen;
Wo aber bleibst denn du mit deiner Fruchtbarkeit?
Du stehst hier schon so lange Zeit,
Und dennoch sehen wir nicht das geringste Zeichen,
Daß du den Vorsatz nur dich fortzupflanzen hast.
Du bist dem Walde nur zur Last,
Wir aber dienen ihm; uns kann er nicht entbehren.
Du lieber Gott! Wenn wir nicht wären,
Er würde längstens kahl und ohne Bäume stehn;
Du ließest ihn nun schon zu Grunde gehn.
Ja, sprach ein Tannenbaum, der zwanzig Kinder zählte,
Ich wüßte wirklich nicht, was meinem Glücke fehlte.
Ich bin gesegnet gnug, ich seh mir meine Lust
An meiner Kinder Wohlergehen,
Die hier gesund und frisch an meiner Seite stehen.
Von diesem Glück ist dir nun leider! nichts bewußt.
Wer keine Kinder hat, der hat auch kein Vergnügen,
Die Fichte schämte sich, und dacht in ihrem Sinn:

Der Himmel ist mir gram, weil ich nicht fruchtbar bin.
Sie ließ deswegen oft viel tausend Seufzer steigen,
So daß sie endlich gar beinah verzweifelt wär.
Doch siehe da! es kam, nebst einem alten Manne,
Ein Dutzend lose Jungen her,
Die hieben hier den Kindern dieser Tanne
Die Köpfe fleißig ab, und machten Quirle draus.
Der alte Mann war eben nicht viel besser;
Was vor noch stehen blieb, riß dieser vollends aus.
Er nahm sein stumpfes Taschenmesser,
Schnitt alle Wurzeln ab, lief mit den Wipfeln fort.,
Um selbige zur Lust in den Kanarihecken
Für seine Vögel aufzustecken.
Die Fichte widerrief nunmehr ihr Klagewort.
Was, sprach sie, will ich mich der Kinder wegen grämen?
Das, was mir Gott nicht gibt, das kann mir niemand nehmen.

*   *   *
Wer ohne Kinder lebt, ist vieler Sorgen los;
Den pflegen Schmerz und Not nur einfach zu bestreiten.
So viel man Kinder hat, von eben so viel Seiten
Gibt man sich auch dem Glücke bloß.

Das gesegnete Tischtuch

Ein Mensch, dem nichts, als alles, fehlte,
Sprach, weil ihn Not und Hunger quälte:
Gott hat mich wohl im Zorn gemacht.
Ich weis ihm keinen Dank dafür;
Er hat mich gar zu schlecht bedacht.
Wenn er für alle sorgt! So möcht er auch wohl mir
Den Unterhalt nach Notdurft geben;
Ich kann ja nicht vom Winde leben.
Mit einem Wort, er ließ dem Himmel keine Ruh,
Durch dies sein unaufhörlich Klagen,
Und fluchte manchmal gar dazu.

Das Schicksal sprach: Er sollte doch nur sagen,
Wie ihm zu helfen sei? Mich hungert, schrie der Mann.
Ich habe schon zwei Tage nichts gegessen;
Und weil ich mir das Brot nicht selbst verdienen kann:
So bitt ich, schaff mir was zu essen.
Es kann so gut nicht sein - - wiewohl ich schreibe dir
In diesem Punkte gar nichts für.

Das Schicksal warf ihm drauf ein Tischtuch vor die Füße.
Hier, sprach es, hast du, was dir fehlt;
Doch wenn du klug willst sein, so wisse,
Daß den, der alles hat, oft auch der Mangel quält.
Dies Tischtuch wird dir alles geben,
Was nur dein Wunsch verlangt; drum wünsche mit Bedacht,
Daß dir der Ekel nicht, bei deinem künftigen Leben,
Einst mehr Verdruß und Qual als itzt der Hunger, macht.

Schon gut! rief hier der Mensch. Ich esse gerne Fische;
Laßt sehn! die Probe mag von Stund an vor sich gehn!
Kaum aber lag das Tischtuch auf dem Tische:
So sah er einen Hecht gesotten vor sich stehn.
Dies war für unsern Hans ein recht gefunden Fressen.
Es schmeckt ihm auch gar gut; er sah nicht einmal auf,
Und schmauste so begierig drauf,
Als dächt er, sich mit eins auf ewig satt zu essen.
Kaum daß er noch davon die Gräten übrig ließ.

Ein andermal, als ihn der leere Magen
Das Tischtuch wieder decken hieß,
Ward ihm, auf sein Begehr, ein Rebhuhn aufgetragen.
Er fraß es schnell und hastig auf;
Und wünschte sich (warum? Er war noch nicht recht satt.)
Aus der berühmten Lindenstatt
Zwei Mandeln Lerchen oben drauf.
Er änderte auf diese Weise
Bei jeder Mahlzeit mit der Speise;
Und was nur zu erdenken war,
Sardellen, Brücken, Lachs und Austern auch sogar
Gab ihm sein Tischtuch überflüssig.
Er aß sich auch so gleich stets auf das erste Mal
An allen Dingen überdrüssig.

Bis hierher ging es gut. Doch als er mit der Wahl
Nicht weiter fortzukommen wußte,
Und seine Lüsternheit den Rückweg nehmen mußte,
Weil alles durchversucht und nichts mehr übrig war,
Woran er sich nicht schon den Ekel längst gefressen:
Verlor er auf einmal den Appetit zum Essen.
Von nun an klagt er immerdar:
Es schmeckt ihm gar nicht mehr; es grau ihm vor der Speise.
So machen es die satten Mäuse,
Die, wenn sie nicht mehr fressen können,
Das liebe Mehl nachgehends bitter nennen.
Er ging vielmal vom Tische hungrig fort,
Und überlegte sich des Schicksals Warnungswort.
Verflucht sei, rief er oft, die Ungeneußigkeit,
Die sich nichts weis beteilt zu machen!
Der Ekel macht mich nun gescheit.
Was hilft mir itzt der Vorrat aller Sachen,
Den ich aus eigner Schuld zwar sehn, doch darben muß?
Der Henker hole dies mein Glücke!
Hiermit zerriß der Narr, aus Eifer und Verdruß,
Sein Tischtuch selbst in mehr als tausend Stücke.

*   *   *

Die Lust ist in der Welt kein unerschöpflich Meer.
Wer alles haben kann, muß oft aus Klugheit passen,
Und seiner Sehnsucht stets noch etwas übrig lassen;
Sonst macht er sich nur selbst das leichte Leben schwer.
Sobald er nichts mehr hat, wonach er streben kann:
So ist sein Reichtum aus, und er der ärmste Mann.

Die Nachtigall und der Zeisig

Ein Mann, der gern zu Hause blieb,
Hielt eine Nachtigall, die ihm, mit ihrem Singen,
Die manchmal lange Zeit gar angenehm vertrieb.
Er war den ganzen Tag von ihr nicht wegzubringen;
Er gab ihr manchen Wurm, und tat mit ihr so schön,
Als wenn sein zeitlich Wohlergehn
Nur einzig und allein an ihrem Schnabel hinge.

Wie nun auf Erden alle Dinge,
Besonders Freud und Lust, von kurzer Dauer sein:
So traf es hier auch wirklich ein;
Denn der Johannistag hieß unsern Sänger schweigen.
Er mauste sich, und pfiff nicht mehr,
Der untröstbare Mann betrübte sich recht sehr;
Manch Wittwer weiß sich kaum so traurig zu bezeugen,
Wenn sein geliebter Schatz die Erde käuen muß.
Er weinte wirklich aus Verdruß,
Weil sein zeitheriges Ergötzen,
Weil seine Hausmusik so kurz geendigt war.
Die Freunde rieten ihm, den Mangel zu ersetzen.
Der Zeisig, sagten sie, singt fast das ganze Jahr,
Und kostet ungefähr etwa zwei gute Dreier.
Drum kaufte sich der Mann so einen kleinen Schreier;
Er hing ihn zu der Nachtigall.
Allein was war's? Des Tschätschers rauher Schall,
Der anfangs leidlich schien, ward innerhalb vier Tagen
Dem Hausherrn eine Last, die ihn nun auswärts trieb.
So gern er sonst zu Hause blieb,
Als seine Nachtigall vor diesem noch geschlagen.

Der ungeschickte Kerl schrie oft wer weis? wie sehr.
Er dachte Wunder wer er war.
Und trieb, als wenn nur er die schönste Stimme hätte,
Noch mit der Nachtigall sein höhnisches Gespötte.
Frau Schwester! sprach er, nicht so laut!
Das Haus ist alt und schlecht gebaut,
Die Balken knacken schon von deinem starken Schrein;
Ich bitte, schweig doch nur! der Giebel fällt sonst ein.
Was bist du gegen mich? Ich bin ein rechter Sänger!
Du singst ein Vierteljahr; verlohnt sichs wohl der Müh?
Gott ehre mich, ich singe länger.
O! sprach die Nachtigall. Du singst zwar; aber wie?
Ein einz'ger Ton, der mir auch ungefähr entfährt,
Ist mehr, als dein Geschrei im ganzen Jahre wert.

*   *   *

Ihr Wäscher! Wenn ihr wollt, so plaudert euch recht satt;
Weil euer ewiges Erzählen,
Dem Ordnung, Geist und Leben fehlen,
Ohnedem nichts zu bedeuten hat.
Ein Kluger spricht ein Wort, und hat Gehör gefunden:
Ein Narr schwatzt oft umsonst zu ganzen Seigerstunden.

Das Kriegsschwert und der Studentendegen

Es hatten sich des Vorzugs wegen
Ein Kriegesschwert und ein Studentendegen
Schon vielmal müd und satt gezankt.
Man hatte sie, als Leute schon bei Jahren,
Die fast nicht mehr zu brauchen waren,
Als Invaliden abgedankt.
Denn war das Schwert nichts auf den Hieb mehr nütze,
Das rost- und schartich war, und einer Säge glich:
So wars der Degen auf den Stich,
Warum? Er hatte keine Spitze.

Der Kriegsheld meinte, der andere müßt ihm weichen.
Nur ich, so rief er stets, gehör in Ehrensaal,
Nicht aber du und deines Gleichen.
Er überzählte sich des Tags wohl hundertmal
Die Scharten, die er an sich trug.
Durch die er sich berühmt gemacht.
Ich, sprach er, war dabei, als Carl die Franzen schlug;
Ich habe manchen Kopf bei Hochstädt in der Schlacht
Gespalten und zerfetzt, und wenn ich abgeglitten,
Manch ehrlich Schulterblatt durchschnitten.
Bei Belgrad war ich auch dabei;
Da zeigt ich mich wohl recht, mit meinen Fechterstreichen,
Da macht ich allemal auf einen Hieb zwo Leichen.
Bis endlich drauf das Siegsgeschrei
Mich wieder in die Scheide stieß,
Und Feierabend machen hieß.

Berühm dich, wie du willst, sprach der Studentendegen;
In - - hab ich mich schon auch hervorgetan;
Und kommt es auf das Morden an:
So bin ich dir hierin vielleicht noch überlegen.
Mein Herr war dazumal der beste Renommiste,
Der bloß durch meiner Stöße Kraft
Manch ehrlich Mutterkind aus dieser Welt geschafft.
So bald ihn jemand nicht recht grüßte:
Gleich rief er: Hundsfott! steh! und jagt ihm, voller Wut,
Mein Eisen in den Leib, daß Leben, Geist und Blut,
Auf einen Stoß, verloren gingen.
Wenn ich nur bei ihm war, so fragt er nichts danach,
Wenn auch ein ganzer Schwarm vereinigt nach ihm stach;
Sie mochten ihn auch noch so stark umringen.
Er machte sich schon Platz und spadonierte sich
Die überlegne Macht mit leichter Müh vom Leibe.
Er stach die Leute tot zum Spaß, zum Zeitvertreibe;
Und dieses alles ging durch mich.
Er nannte mich auch selbst stets seinen Menschenfresser.

Ihr Herren! sprach ein Fleischermesser,
Ihr zankt euch, wem der Rang gehört,
Und schätzt euch beiderseits der Oberstelle wert:
Ich bitt euch, sagt mir doch, wohin ihr mich denn stellt?
Wenn ihr wollt Helden sein, weil ihr viel Blut vergossen:
So bin ich unter euch gewiß der größte Held.
Was meint ihr? Hab ich recht geschlossen?

Die Fenster und der Ofen

Zwei Fenster, die der Frost vollkommen demaskiert,
Gerieten einst auf die Gedanken,
Als wären die gefrornen Ranken
Ein Werk, das ihre Kunst so artig ausgeführt.
Sie bildeten sich auch mehr als zu viel drauf ein,
Und glaubten für gewiß, das Laubwerk an den Scheiben
Würd ewig dauerhaftig sein,
Und immerfort so schön und flammend bleiben.
Der Ofen, ihr geschworner Feind,
Dem bei drei Tagen schon das Feuer ausgegangen,
Fror selbst, und wußte nicht, was weiter anzufangen.
Hört! fragten sie zum Spott. Wie gehts euch? guter Freund!
Die Köchin hat euch wohl vergessen.
Ihr habt gewiß nicht viel zu fressen,
Man siehts euch an; ihr seid nicht mehr so rot,
Ihr seht erbärmlich aus, viel bleicher, als der Tod;
Man möchte fast vor euch erschrecken.
Ein Fuder Buchenholz würd euch vortrefflich schmecken.
Wir wünschen euch als gute Nachbarsleute
Zum wenigsten davon sechs ziemlich-große Scheite.
Ja! sprachen sie. So gehts. Der Vielfraß zehrt drauflos.
Er läßt sich wohl sein bei dem Feuer,
Und fragt den Tod danach, das Holz sei noch so teuer.
Der Herr vom Hause muß für einen harten Stoß
Zum wenigsten sechs Taler geben.
Der liederliche Kerl; wie lange hat er dran?
In einem Monat ist das ganze Holz vertan.
Wenn nicht die Kacheln glühn, so weiß er nicht zu leben.
Ich glaube ganz gewiß, der Kerl bäckt arme Ritter;
Das Fasten schmeckt ihm trefflich bitter,
Er wird uns auf der Welt vielleicht so bald nicht mehr
Mit seiner Glut beschwerlich scheinen,
Noch uns hinführo wie zeither,
Gewaltsam nötigen, daß wir des Mittags weinen.

Sie plauderten noch weiter fort.
Der Ofen sagte nicht ein Wort
Zu ihrem ärgerlichen Prahlen.
Er dachte: Wartet nur! der Hausherr ist verreist,
So bald er wiederkommt, will ich euch schon bezahlen,
Weil euer prächtiger Staat doch in der Tat nichts heißt.
Er hörte drauf die Köchin kommen.
Hört! rief er, habt ihrs auch vernommen?
Ihr schönen Kinder! ihr! nehmt eurer Kleider wahr!
Wo nicht; so steht ihr in Gefahr,
Daß der Damast, den euch der Frost gegeben,
Trotz allem eurem Widerstreben!
Vor meines Atems Kraft nicht mehr zu bleiben weiß.
Der Ofen ward geheizt, die Kacheln wurden heiß;
Die Scheiben fingen an die Hitze kaum zu fühlen:
So nahm das Laubwerk gute Nacht;
Die Blumen flossen auf die Dielen.
Die Fenster weinten nun, so sehr sie vor gelacht.

*   *   *

Wir müssen unsern Feind niemals geringe schätzen,
Noch uns aus Übermut an seiner Not ergötzen.
Wie leicht wendet sich das Blatt,
Daß er Gelegenheit den Schimpf zu rächen hat!

Die Lust und der Schmerz

Der Schmerz kam mit der Lust zugleich auf diese Welt,
Es war mit allem Fleiß von Gott so angestellt;
Warum? es sollt uns hier auf Erden
Das Leben nicht zu schwer, auch nicht zu leichte werden.
Die Lust war angenehm von Reden und Gestalt,
Beständig aufgeräumt und überall willkommen;
Sie machte sich beliebt, und ward von jung und alt
Mit allen Freuden aufgenommen.

Der Schmerz im Gegenteil sah ganz verdrießlich aus,
Er redete nicht viel; und hatt er was zu sagen:
So war es weiter nichts, als ein beständig Klagen,
Drum ließ ihn niemand gern ins Haus;
Er machte sich die Leute gleich zu Feinden.
Man hatt ihn kaum gesehn, so war man ihm schon gram;
Und gleichwohl sollt er sich mit jedermann befreunden.
So oft er hier und dar zu einem Reichen kam:
So suchten ihn die Diener abzuweisen.
Bald mußte der Patron verreisen,
Bald hatt er viel zu tun, bald hielt er Mittagsruh,
Bald hieß es: Fragt nur Morgen zu!
Ihr kommt uns heute nicht gelegen.
Die Armen ließen sich viel eher noch bewegen,
Und nahmen ihn manchmal in ihre Wohnung ein.
Fuhr einem ungefähr die Holzaxt in das Bein:
So schien der Schmerz sein bester Freund zu sein,
Der hielt getreulich bei ihm Haus.
Das Weib spazierte manchmal aus,
Um an des Mannes statt die Nahrung fortzutreiben,
Drum mußte Bruder Schmerz indessen bei ihm bleiben,
Damit nur jemand bei ihm war.
Er wagte sich nicht eh zu hocherhabnen Leuten,
Als in der größten Leibsgefahr,
Da mußt er sie zum Tode zubereiten.
Sie hatten größtenteils zum Sterben keine Lust,
Und machten ihm oft viel zu schaffen.
Ihr müßt euch, sprach der Schmerz, nicht in die Welt vergaffen!
Wenn dieses noch nichts half: so rief er: Hans! du mußt!
Dies war auch insgemein sein stärkstes Argument.

Bei Hofe suchte man die Lust einst einzusperren,
Als wäre sie nur bloß ein Werk für große Herren;
Dem Pöbel wurde nur des Jahrs einmal vergönnt,
Ihr Angesicht zu sehn, wenn Kirmes im Dorfe war;
Kurz drauf verbot man sie den Bauern ganz und gar.

Das Schicksal war damit vollkommen schlecht zufrieden;
Denn die Parteilichkeit sprach seiner Gnade Hohn,
Die jedem unter uns, ohn Ansehn der Person,
Ein gleiches Teil von Lust und Schmerz beschieden.
Weil nun der Pöbel sich beschwerte,
Daß man ihm alle Lust verwehrte:
So gab Gott den Befehl! Es sollten Schmerz und Lust,
Und zwar den Menschen unbewußt,
Zusammen einen Tausch mit ihren Kleidern treffen.
Sie taten es. Und seit der Zeit
Läßt auch manch Kluger sich das angenehme Kleid,
Das itzt den Schmerz verbirgt, zu seinem Schaden äffen.
Die wahr-und echte Lust, weil sie verdrießlich scheint,
Bekommt gar selten einen Freund;
Sie geht und muß nunmehr die Leute selber bitten,
So sehr man sich nach ihr sonst riß.
Der scheinbar-süße Schmerz, dem man die Türe wies,
Ist itzund gern gesehn und immer wohl gelitten.

*   *   *

Wer auf das Ansehn traut, wird manchen glücklich nennen,
Der den vermummten Schmerz in seine Arme schließt.
Man kann die Lust gar leicht verkennen,
Weil sie der Kleidung nach sich nicht mehr ähnlich ist.

Das Echo und der Knabe

Ein Knabe hütete die Kühe,
Und zwar das allererste mal.
Er kletterte mit seinem Viehe,
Auf einen hohen Berg; gleich über lang ein Tal,
Das stieß an einen Wald, der voller Fichten stand.
Man konnte weit und breit kein schöner Echo haben,
Als das, was hier die Bäume von sich gaben.
Dem Kuhmonarchen war die Sache nicht bekannt.
Er suchte seine Untertanen
Durch die Schalmei zum Fressen zu vermahnen;
Er pfiff sein Hirtenlied, das Echo pfiff ihm nach.
Er sah sich um und konnte niemand sehen;
Drum wusst er nicht, wie ihm geschehen,
Indem er sich allein zu sein versprach.
Wer pfeift dort? fing er an zu fragen.
Wer pfeift dort? hört er jemand sagen,
Und wußte doch nicht, wer es wär.
Ich bin's, schrie dieser hin; Ich bin's, schrie jener her.
Wie heißt du? fuhr er fort. Wie heißt du? schallt es wider.
Die Stimme schien ihm ganz bekannt zu sein,
Er fing schon an, sich drüber zu erfreun,
Als spräch er hier mit einem seiner Brüder.
Komm zu mir! rief er ihm. Komm zu mir! klang's zurücke.
Ich kann nicht, hieß es hier. Ich kann nicht, hieß es dort.

Das ging nun so in einem Stücke
Fast eine Viertelstunde fort.
Nunmehr schien es unserm Knaben,
Der unbekannte Freund wollt' ihn zum Narren haben.
Sie schimpften sich zu beiden Teilen sehr,
Die Schurken flogen hin und her.
Der Wald sprach alle Worte nach,
Die der erzürnte Knabe sprach,
So daß die Esel selbst, nebst andern schönen Namen,
Vernehmlich wiederholt und stets zurücke kamen.

Ein Mann, der Kräuter las, kam ungefähr dazu;
Er hatte dem Geschrei schon lange zugehöret.
Mein Sohn, hub dieser an, weswegen schreiest du?
Es ist ja niemand hier, der deine Ruhe störet.
Ach, sprach er, sagt mir doch! kennt ihr den Jungen nicht,
Der dort im Walde steht und schimpflich von mir spricht?
Er hat mich recht zum Narren und blökt mich immer an.
Ich hab' ihm gar nichts Leids getan,
Und dennoch schimpft er mich; ich kann's nicht mehr vertragen:
Bei meiner Seel'! ich leid' es ihm nicht mehr.
O hätt' ich ihn nur hier, wenn er gleich größer wär',
Ich wollt ihm mit der Hand die Gosche schon zerschlagen.
Nicht so, mein Sohn, sprach unser Kräutermann,
Ich hab' es wohl gehört, du fingst den Händel an.
Wer andre Leute schimpft, der muß sich nicht beklagen,
Wenn sie ihm eben das zu seiner Kränkung sagen.


Der Maulwurf

Ein Dichter aus der Unterwelt,
Ein junger Maulwurf, wollt ich sagen,
War jedermann verhaßt und kaum mehr zu ertragen.
Er hatte manchem schon den guten Ruf vergällt,
Und wußte, Spinnen gleich, aus Rosen Gift zu saugen.
Er tadelte manchmal, was nicht zu tadeln war.
Ihr Kinder, sprach er, lacht! mein Nachbar hat den Star;
Und sah doch selber nichts, mit seinen blinden Augen.
Indessen stellt er sich, als könnt er wirklich sehn;
Erzählte dies und das, was hier und da geschehn,
Und was ihm insgeheim zwo weitgereiste Ratten
Vorhero teils erzählt, teils vorgelogen hatten.

Einst macht er von dem Sonnenlichte
Ein für die Nation höchstschimpfliches Gedichte;
Ihr, schloß er, seid nicht wert, daß euch der Tag bescheint;
Mit mir hat's die Natur weit ehrlicher gemeint.
Ach! wüßtet ihr, wie ich, die Sonne zu betrachten:
Wie würdet ihr euch glücklich achten!
Seht ihr sie nicht? Ich seh sie, dort!
Ein alter Maulwurf fiel dem Lügner hier ins Wort.
Der Kerl war in der Tat gelehrt;
Er hatte die Physik bei einer Maus gehört,
So daß er auch daher gar leicht zu schließen wußte,
Daß man die Sonne nicht bei Tieren suchen mußte.
Er räusperte sich erst, drauf fing er also an:
Du bist, so wie du sagst, für uns viel besser dran;
Allein bericht uns doch: Ist denn die Sonn ein Tier?
Durchwühlt es Berg und Tal, wie wir?
Wovon ernährtes sich? Frist's Wurzeln oder Kräuter?
Da stund mein Herr, der kleine Bärenhäuter,
Und sann bald hin bald her, und wußt auf diese Fragen
In langer Zeit kein Wort zu sagen.
Sein Freund hielt stets um Antwort an:
Drauf sprach er ganz getrost: So viel ich sehen kann,
Ihr Herrn! die Sonn ist eine Ziege,
Die ungefähr Gras, Laub und Kräuter frißt.
Gut! sprach der alte Herr, wie das erlogen ist!
So ist auch dein Gesicht ohn Zweifel eine Lüge.

*   *   *

Man muß die leute nicht nach ihren Worten schätzen;
Ihr Eigenruhm sieht oft die tiefste Wahrheit ein.
Will man sie auf die Probe setzen:
Sogleich wird mancher Luchs ein blinder Maulwurf sein.

Die Nullen

Fünf nachbarlichen Nullen kam
Die Torheit in den Sinn, sich von der Eins zu scheiden,
Und sie zum wenigsten nicht mehr voran zu leiden;
Sie waren ihr schon längst des Vorzugs wegen gram.
Die Menschen sprachen sie manchmal mit Furcht und Graus,
Oft mit Verwunderung, oft mit Entzückung aus;
Drum ließen sie sich auch den Stolz so weit verleiten,
Dies alles bloß allein auf ihren Wert zu deuten.
Was? sprach die hinterste, sind das nicht schöne Sachen?
So eine kleine Zahl geht uns fünf Nullen vor?
Man wird zuletzte gar nichts weiter aus uns machen;
Wer keinen Rang verdient, den hebt das Glück empor.
Das läppische Strichelgen! mein! seht mirs doch recht an!
Es sieht so künstlich aus, kaum daß ich's sagen kann,
Fast wie ein Schusterstift; wenn es von Eisen wäre,
Der Meister tät ihm schon die Ehre
Und braucht es, doch wozu? zu wichtigen Geschäften!
Den Gassenjungen unsrer Stadt
Den Absatz wieder anzuheften.
Wir werden ihm hierin den Vorzug, den es hat,
Auch schwerlich suchen abzujagen,
In Güte nicht einmal; geschweige mit Gewalt.
Die zirkelmäßige Gestalt,
Die unsern Staat erhöht, will gar was anders sagen,
Kein Mensch, so klug er immer ist,
Weis das Geheimnis zu ergünden,
Und alle Möglichkeit der Folgen zu erfinden.
Die unsre Rundung in sich schließt.

Es ist auch wahr, sprach ihre Nachbarin,
Denn, wo ich recht berichtet bin,
Die Erd ist rund, wie wir, und Sonn und Mond inglelchen,
Der Regenbogen selbst, dies prächtge Gnadenzeichen,
Sieht einer halben Nulle gleich;
Die Eins ist lange nicht so Ehr- und Wunderreich.

Die Dritte fügte dem noch bei:
Welch Herkul trägt denn nicht vor unsrer Vielheit Scheu?
Welch Land erzittert nicht vor hundert tausend Feinden,
Die wir ihm vorgezählt und schriftlich dargestellt?
Das Glücke, dem der Mensch so gern zu Fuße fällt,
Wird erst durch uns recht groß, je mehr wir uns befreunden.
Je mehr wir uns vermehrt und in Gesellschaft stehn.

Wohl! fuhr die Zweite fort, die Eins mag immer prahlen!
Hört nur! wir können sie nicht artiger bezahlen,
Als wenn wir auseinander gehn.
Sie wird alsdann schon sehn, daß ihr der Ehre wegen
An unsrer Nachbarschaft mehr als zu viel gelegen.

Die Feder hörte lange Zeit
Den stolzen Nullen zu. Hört! rief sie. Seid gescheit.
Und werft den Vorsatz weg, zu dem ihr euch entschlossen!
Versündigt euch an der gemachten Ordnung nicht,
Und bleibt in eurem Stand und Pflicht;
Denn außer dem verliert ihr euren Wert;
Glaubt nur, ihr tut euch selbst dadurch den größten Possen.
Das Schicksal spielt manchmal, und läßt den tausend gelten,
Den sein Gewissen selbst für eine Null erklärt.
Wer aber will darum die weise Fügung schelten,
Bei der die Gültigkeit von allen Zahlen steht,
Wenn sie, nach ihrem Gutbefinden,
Und ohne sich dabei an ein Gesetz zu binden,
Uns über unsern Wert erhöht?

Der Schreiber kam dazu; er sah den Unverstand,
Mit dem die Nullen hier um Rang und Vorzug stritten.
Was tat er nun? Er nahm die Feder in die Hand
Und schrieb die Eins recht in die Mitten;
Wodurch das Nullenvolk noch mehr Verdruß empfing,
Weil fast ihr ganzer Wert dadurch verloren ging.
Ach! schrien sie. Die Eins kann hier unmöglich bleiben,
Du mußt sie hinter uns und ganz zuletzte schreiben.
Der Schreiber tat es auch. Ihr Bitten ward erhört.
Doch wie der Hochmut ist, er schadet sich nicht selten,
Die Eins behielt zwar noch beständig ihren Wert;
Hingegen konnten nun die Nullen gar nichts gelten.

*   *   *

Der Stände Ordnung kommt von Gottes Weisheit her;
Wozu sie dich gemacht, das bist du und nichts mehr.
Wer höher steigen will, vertieft sich in die Schande.
Drum bleib in dem Beruf, der dir erlesen ist;
Du giltst in einem höhern Stande
Vielleicht noch weniger, als wenn du niedrig bist.

Die Nessel

Es wuchs ein Nesselstrauch auf einem Blumenstücke;
Er blieb die längste Zeit, zu seinem großen Glücke,
Dem faulen Gärtner unbekannt;
Wer ihm zu nahe trat, den brannt er an die Hand.
Das war sein ganzes Tun. Einst fragt er die Narzissen,
Warum sie sich die Blumen rauben ließen?
Wie kommts denn, fuhr er fort, daß ihr euch gar nicht wehrt?
Der Stengel steht kaum da, so wird er schon entehrt,
Und von den Kindern abgebrochen.
Ha ha! das sollte mir geschehn,
Ihr würdet euer Wunder sehn,
Ich ließe das nicht ungerochen.
Pfui! schämt euch, daß ihr nicht mehr Herz und Mut besitzt,
Und den von der Natur euch zugewandten Segen
Aus Furchtsamkeit so schlecht verteidigt und beschützt,
Als wär euch nichts daran gelegen.

Du mußt wohl, wendeten hier die Narzissen ein,
Die Pflicht der Dankbarkeit nicht kennen,
Sonst würdest du uns nicht verzagt und furchtsam nennen.
Soll man denn nicht erkenntlich sein,
Da wir hier so viel gutes genossen?
Hat man uns denn umsonst gepflanzt, gedüngt, begossen?
Der Menschen wegen schuf ja Gott die ganze Welt
Er kleidete mit uns das Feld;
Sein Endzweck war, wir sollten ihnen
Zur Lust und zur Erquickung dienen.
Wer das nicht tut, der hat sein wahres Ziel verfehlt,
Und wird mit Recht dem Unkraut beigezählt,
Das man dem Vieh zu fressen gibt.

Mein! sprach die Nessel, schweigt! wer seine Wohlfahrt liebt,
Der folget der Natur, laßt euch die Blumen rauben!
Folgt eurer Dankbarkeit und predigt immerhin!
Ich werde mich daran, so wahr ich ehrlich bin,
So leicht nicht zu Tode glauben.
Ich bin kein Sklave nicht: Das räum ich niemand ein.
Weswegen sollt ich denn dem Menschen dienstbar sein,
Und andern zu Gefallen leben?
Ich diene mir. Ist das nicht genug?
Wollt ihr euch euer Recht vergeben:
So seid ihr insgesamt nicht klug.
Doch still! Es kommt jemand, wofern ich recht vernommen.
Ich sehe, fuhr er fort, des Gärtners Kinder kommen;
Ha! krümmen sie mir nur ein Blatt:
So geb ich meiner Rachsucht statt,
Und werde sie schon wissen so zu brennen,
Daß sie die Finger kaum für Schmerzen rühren können.
Gesagt und auch geschehn. Die Kinder schreien sehr,
Ihr Vater kam herbei gesprungen,
Und fragete den ältesten Jungen:
Was ihnen widerfahren wär?
Die Nessel, sprach das Kind, hat mich hierher gebissen,
(Hier wies es seine Hand) es brennt, es tut mir weh.
Die andern reckten auch die Finger in die Höh,
Und ließen insgesamt viel tausend Tränen fließen.
Der Gärtner schien sich kaum für Eifer mehr zu kennen;
Er riß die Nessel aus, und warf sie auf den Mist.
Was? sprach er, ist's nicht genug, daß du nichts nütze bist?
Mußt du noch schädlich sein, und meine Kinder brennen?

*   *   *

Die Fabel zielt auf euch, ihr Kinder dieser Erden!
Das, was ihr noch nicht seid, das könnt ihr künftig werden,
Wofern ihr wollet Nesseln sein:
So laßt euch auch zugleich ihr Schicksal prophezein!

Die Kunst und der Kredit

Die Kunst ward einst bei ihrem Bettelgehen
Von ungefähr mit dem Kredit bekannt;
Sie wurden du und du, und gaben sich die Hand,
Einander redlich beizustehen.

Pfui! sagte der Kredit, stell deine Nahrung ein!
Wenn du mich willst zum Bruder haben;
So wirf den Bettelsack hier in den nächsten Graben;
Mein Bock wird schon im Stande sein,
Uns alle beide zu ernähren.
Man kommt mit der Musik am leichtesten durch die Welt.
Sie gibt mir Kleidung, Brot und Geld;
Was kann ich mehr von ihr begehren?
Es sei so! sprach die Kunst; allein halt auch dein Wort,
Und lauf nicht wieder von mir fort!
Dort liegt der Bettelsack! Ich kann ihn leicht verlassen.
Er wiegt ohndem gar schwer und trägt zu wenig ein;
Doch müßt ich ihn aufs neu auf meine Schultern fassen:
So würd er mir alsdann erst unerträglich sein.
Schon gut! sprach der Kredit, du kannst ja komponieren?
Die Stücke, die ich blasen kann,
Sind alt; ich könnte leicht die Gunst der Welt verlieren;
Bei neuen Sachen ist man immer besser dran.

Zu dienen! rief die Kunst. Sie nahm ein Blatt Papier;
Und schrieb ihm gleich zwo neue Polonaisen,
Als die schon dazumal stark im Gebrauch gewesen,
Nebst einem Rigadon, an statt der Probe für.
Sobald sich der Kredit, mit diesen neuen Stücken,
Auf seinem Bocke hören ließ,
Lief alles Volk herzu, daß eins das andre stieß;
Es schien, als wollten sie den Pfeifer gar erdrücken.
Wer zahlt denn? rief die Kunst. Gleich bot ihr jedermann,
Weil sie Kassierer war, zwei gute Dreier an.
Der mäßige Gewinnst schien an sich selbst zwar klein;
Doch in der Summe trug das Fazit schon was ein,
Zumal bei einer solchen Menge.

Inzwischen ward der Kunst das Zahlbrett oft zu enge.
Hielt jemand eine Gasterey:
So war auch der Kredit dabei,
Der auf der teuren Pfeife blies,
Und bei der Tafel sich oft kostbar hören ließ.
Man konnt ihn auch sogar bei Hofe nicht entraten.
Kaum meckerte der Bock: So flogen die Dukaten,
Als wären sie dazu verbannt,
Der geldbedürftgen Kunst recht fleißig in die Hand.
Je mehr sie nun bekam, je mehr sie haben wollte.
Sie lernte geizig sein, und hielt den Spielmann an,
Damit er ja nicht mehr so wohlfeil spielen sollte.
Pfui! sprach sie, schade doch für den gemeinen Mann,
Der nur zwei Dreier zahlt! das will nicht viel bedeuten!
Wir finden weder Glück noch Stern,
Bei schlechten und geringen Leuten;
Gott ehre mir die großen Herrn!
Die haben mehr, und können auch mehr geben.
Ich will dir eben zwar hierin nicht widerstreben;
Allein gib Achtung drauf, versetzte der Kredit,
Wir schaden uns gewiß damit.
Du wirst den Bettelsack von neuem nehmen müssen:
Denn den gemeinen Mann wird dieser Stolz verdrießen.
Der Neid, der itzt noch schläft, wird nach der Zeit erwachen,
Und mich und dich zu Schanden machen.

Drauf fiel das Kirchweihfest zu Rumpelshausen ein.
Die Bauern ließen gleich den Dudelsack besprechen,
Ihr Gast und Zeitvertreib zu sein.
Der Henker, rief die Kunst, müsse euch die Hälse brechen!
Packt euch mit eurer Kirms! wir wollen itzund ruhn.
Ich glaube gar, ihr denkt, wir hätten nichts zu tun.
Als euch Halunken aufzuspielen;
Seht, wo der Müller wohnt! Für Leute, wie ihr seid,
Ist das Geklapper in den Mühlen
Die herrlichste Musik. Durch diese Sprödigkeit
Ward der gemeine Mann zu Zorn und Haß bewogen.
Die Narren, sprach man, mögen gehn;
Wir werden ohne sie schon wissen zu bestehn.
Drauf kam ein Leiermann den Kirmsen nachgezogen.
Das Landvolk nahm ihn gleich zum Musikanten an;
Man tanzte, daß die Flecke stoben.
So sehr man ehedem den Dudelsack erhoben,
So sehr erhob man nun den neuen Leiermann,
Und schwur, auch nicht einmal des Bockes zu erwähnen,
Geschweige sich darnach zu sehnen.

Bei Hofe fand er zwar noch Beifall und Gehör;
Allein er dauerte auch hier nicht lange mehr;
Er stieg und und fiel, gleich einem Ballen
Dort stürzt ihn eigner Stolz, hier grub ihm fremder Neid
Das Loch zu seinem schnellen Falle.
Die Arglist hatte hier die Zeitung ausgestreut:
Der Pfeifer sei ein eingefleischter Teufel,
Hierdurch ward dem Kredit der gute Ruf geraubt;
Denn was erlogen ist, daran trägt niemand Zweifel,
Weil man die Wahrheit nur mit großer Mühe glaubt.
Ja ja! sprach jedermann. Das hab ich wohl gedacht.
Der Kerl spielt mit der schwarzen Kunst.
Natürlich gehts nicht zu, wenn er der Leute Gunst,
Durch seine Hexerei sich gleichsam dienstbar macht.
Der Hof gab folglich dem Kredite
Den Abschied ungefähr auf neun und neunzig Jahr.
Nunmehro nahm die Kunst, mit traurigem Gemüte,
Die Torheit ihres Stolzes wahr.
Denn da ihr der Kredit entgangen:
So wußte sie nichts weiter anzufangen;
Bei Hofe galt sie nichts; der Pöbel war ihr Feind;
Und kurz und gut, sie mußte sich bequemen,
Den Bettelsack, als ihren alten Freund,
Von neuem in die Hand zunehmen.

*   *   *

Ihr, die ihr durch Kredit euch glücklich machen wollt,
Müßt nicht des Pöbels Gunst verächtlich von euch stoßen;
Denn kommt ihr um die Gunst der Großen:
So wißt ihr nicht, an wen ihr euch mehr halten sollt.
Trotzt nicht auf den Kredit! Er ist kein Goliath.
Gesetzt, er wär es auch im Werk und in der Tat:
Welch Kluger wird auf ihn sein Glücke sicher stellen?
Der kleinste David kann ihn fällen.

Der Kletterstrauch und der Pflaumenbaum

Es wuchs ein Klettenstrauch bei einem Garten auf,
Und zwar ganz nahe bei dem Zaune;
Er war schon groß, er langte fast hinauf,
Und plauderte manchmal mit einem Pflaumenbaume,
Der ihm von innen zu am allernächsten stand.
Sie waren zwar einander nicht verwandt;
Doch waren sie einander gut.
Hier tat die Nachbarschaft, was das Geblüte tut.
Herr Bruder rief der Strauch , als einst die Kinder kamen,
Und um den Baum herum, im Grase hin und her,
Die abgefallnen Pflaumen nahmen.
Nach mir fragt niemand nicht; wie kommt's doch immermehr,
Daß mich die Menschen so verachten?
Ich ärgre mich zu Tode noch;
Wie kommt's, daß sie nicht auch nach meinen Früchten trachten?
Bin ich denn giftig? Sag mir doch!

Das weis ich, sprach der Baum, wohl eben nicht zu sagen.
Die Früchte, die du trägst, sind freilich nicht beliebt,
Weil ihr Genuß dem leeren Magen
Vielleicht zu schlechte Nahrung gibt;
Vielleicht ist dies die Schuld, daß dich kein Mensch begehrt.
Wenn deine stachlicht-rauhen Kletten
Ein saftig-süßes Fleisch, wie meine Pflaumen, hätten:
So würdest du, wie ich, gesucht, geliebt, geehrt.
Mit einem Wort, du bist zum Essen nicht gemacht.

Was? schrie der Klettenstrauch, vom Eifer aufgebracht,
Wer hat mich denn probiert? Wie will man dieses wissen?
Die Menschen mögen mich mit Fleiß nur nicht genießen,
Da doch ihr lüstern Maul Geschmack an Dingen findt,
Die strenger, häßlicher und ekelhafter sind.
Ach! wenn sie nur die Kletten kosten wollten,
Ich glaube, daß sie schon so ziemlich schmecken sollten.
Doch dazu kommt's wohl nicht. Die Narren bleiben lieber
Bei ihrem eigensinnigen Wahn.
Ich ärgre mich gewaltig drüber,
Denn biet ich ihnen gleich die Früchte selber an,
Die beim Vorübergehn an ihren Kleibern kleben;
So sind sie böse drauf, und leiden es nicht gern.
Ich hatt erst gestern einem Herrn,
Den meine Gutheit noch verdroß,
Ein Paar mit auf den Weg gegeben.
Er ward es kaum gewahr, so riß er sie schon los.
Statt daß er sich bei mir dafür bedanken sollen;
So flucht er, daß ich ihn damit beschimpfen wollen.

Du kennst die Menschen nicht, sprach unser Pflaumenbaum,
Ihr Beifall, ihr Geschmack läßt sich durch nichts erzwingen;
Wer klug ist, sucht sich nicht den Leuten aufzudringen;
Ein angebotner Dienst gefällt dem zehnten kaum,
Auf was die Menschen nicht von freien Stücken fallen,
Das halten sie auch nicht für schön und angenehm,
Es sei sonst noch so gut, echt, brauchbar und bequem.

*   *   *

Der Pflaumenbaum hat Recht. So ist es mit uns allen.
Kann die Gefälligkeit nun nicht erbettelt sein;
Warum berühmt sich Mops mit seinen schlechten Sachen,
Und nötigt uns ihr Lob stets wider Willen ein?
Er kann sich und sein Tun nicht mehr verächtlich machen.

Der Doktor und der Papagei

Ein Medicus hatt einen Papagei,
Ein rechtes Plaudermaul, das niemals schweigen wollte.
Wenn jemand kam, der Arznei holen sollte:
So fragt er ihn, was sein Begehren sei?
Was willst du? sprach er. Setz dich nieder!
Du Bengel! bringst du Geld? Mein Herr trinkt gerne Wein;
Was fehlt dir? Bist du krank? Nimm nur zu schwitzen ein!
Du bist ein rechter Narr; Haha! komm morgen wieder!
Ohn was er sonst für Possen machte,
Worüber sich sein Herr oft aus dem Atem lachte.

Der Doctor hielt einst seine Mittagsruh;
Drauf kam ein Bauernkerl unangemeldt ins Zimmer;
Er schlug aus aller Macht die Türe nach sich zu,
Der Doctor schlief gleichwohl noch immer.
Was willst du? sprach der Papagei:
Du Räkel, bist du krank? der Himmel steh dir bei!
Mit mir hat's eben nicht Gefahr.
Der Bauer ward des Vogels nicht gewahr;
In Meinung, daß der Doctor redte,
Trat er was näher hin zum Bette.
Herr! sprach er, seid so gut, ich hab ein krankes Weib,
Ihr werdet euch schon drauf verstehen,
Sie muß so oft zu Stuhle gehen,
Sie hat so einen dünnen Leib,
Und ein gewaltig Herzedrücken,
Ihr sollt ihr was zu brauchen schicken.
Du Bengel! rief der Papagei,
Gib deinem Pferd ein Bündel Heu!
Hans, grüß mir deine Frau! Fort, fort, ihr eitlen Grillen!
Dort auf dem Tische liegen Pillen.

Der Bauer sah sich um, und sah auch wirklich dort,
Zu seinem innigsten Vergnügen,
Zwölf Pillen auf dem Tische liegen;
Die steckt er ein, und nahm sie mit sich fort,
Zu Hause gab er sie der kranken Mutter ein.
Das Weib fing an gewaltig zu laxieren;
Ihr Übel schien dadurch vermehrt zu sein,
Statt daß sie sollte Lindrung spüren.
Die Pillen zwangen die Natur,
Dem Unrat auf einmal und völlig abzuführen;
So daß des Weibes rote Ruhr
Nun mit Gewalt gedämpft und glücklich außen blieb.
Der Bauer wußte sich für Freuden kaum zu fassen,
Er hatte seinen Schatz recht lieb.
Um nun den Arzt nicht unbezahlt zu lassen,
Begab er sich zu ihm. Herr, sprach er, sagt mir doch,
Ich bin in euren Schulden noch,
Was wollt ihr für die Pillen haben?
Mein Weib wär ohne sie vielleichte schon begraben.
Gottlob! daß ihr und mir nun weiter nichts gebricht.
Der Doctor sprach: Mein Freund! ich wüßte wahrlich nicht,
Wenn ich euch was verordnet hätte.
Je Herr, besinnt euch nur! ihr schlieft dort auf dem Bette,
Ihr schnarchtet ja so stark, als eine Sau,
Und spracht: Hans, grüß mir deine Frau,
Dort auf dem Tische liegen Pillen!
Die nahm ich, und ging fort, nach eurem eignen Willen.
Mein Weib ward auch dadurch von ihrem Durchfall frei.
Dem Doctor fiel hier gleich sein Vogel bei.
Ach! sprach er bei sich selbst, mein dummer Papagei,
Der den Hippokrates sein Tage nicht gelesen,
Ist glücklicher, als ich. Wär ich hier Arzt gewesen,
Der Kranke war wohl kaum so leicht und bald genesen;
Was bin ich ohne Glück? Nichts, sprach er mit Verdruß.

*   *   *

Herr Felix bleibt wohl stets der beste Medlcus.

Das Haus und die Ratten

Ein altes Haus stund feil, und niemand wollt es haben,
Indem es kaum mehr zu bewohnen war.
Wer gibt sich ohne Not wohl gern in die Gefahr,
Sich selbst lebendig zu begraben?
Der Handel sah sehr furchtsam aus.
Es war im übrigen ein ungeheures Haus,
Jedoch nach Art der lieben Alten,
Die viel von wenig Stuben halten,
Vollkommen schlecht gebaut, mit Fleiß gedrang gemacht,
Und alles nach der Kunst recht närrisch angebracht.
Die Finsternis schien hier beständig zu regieren;
Vergebens ward es Tag, denn man empfand ihn nicht.
Das glücklichgnug verbaute Licht
Ließ einen kaum den hellen Mittag spüren.
Man kann wohl denken, daß die Ratten,
Die ihren Tummelplatz hier hatten,
Gar wohl damit zufrieden waren;
Sie konnten hier so Tag als Nacht,
Als wär das Haus mit Fleiß und bloß für sie gemacht.
Die Mauern, weil sie alt, bequem und leicht durchfahren.

Inzwischen war das Haus sehr müde von dem Stehn;
Es schien, als wollt es weiter gehn,
Und andre Häuser mit sich nehmen.
Dies gab Gelegenheit zu vielem Zank und Streite
Der Grundherr wollte sich zum Bauen nicht bequemen.
Die Nachbarn drungen drauf. Kurzum, die Obrigkeit
Gab dem Besitzer den Bescheid,
Sein Haus mit Vorsicht abzutragen.
Die Ratten hatten zwar dawider viel zusagen;
Man schreibt, sie hätten protestiert,
Allein das alte Haus ward gleichwohl eingerissen,
Und an desselben statt ein neues aufgeführt.
Der Nachbarschaft war's lieb, die Ratten wollt's verdrießen;
Denn dieser neue Bau stund ihnen gar nicht an.
Sie waren in der Tat darin sehr übel dran.
Des Tages war das Haus nunmehro voller Licht,
Und nächtlich fanden sie hier ihre Löcher nicht,
Die in den alten Mauern waren.
Die neuen ließen sich nun nicht so leicht durchfahren.
O sprachen sie, das vorige Haus
Sah tausendmal bequemer aus.
Pfui! Schande! seht doch nur die schöne Baukunst an.
Die dümmer nicht ersonnen werden kann!
Der Menschen Einsicht muß wohl Wind und Torheit heißen;
Sonst ließen sie die alten Häuser stehn,
Und würden billiger die neuen niederreißen.

*   *   *

Was einem dienlich scheint, das lobt man, das ist schön.
Die Eigennützigkeit pflegt alles falsch zu malen.
Wer eine Lobschrift braucht, der darf sie nur bezahlen.

Der Teich

Ein ohnedem schon voller Teich
Wollt immer noch mehr Wasser haben;
Die Bauern sollten ihm stets neue Quellen graben,
Und gleichwohl war der Narr vorhin schon wasserreich.
Der Geiz hat niemals gnug. Es kam mit ihm so weit,
Daß er auch nicht einmal den Ständer leiden wollte.
So oft ein Wetter kam, so war es ihm nur leid,
Daß er den Regen nicht allein genießen sollte.

Ein kleiner Bach stoßt neben ihm vorbei,
Den hätt er herzlich gern, durch List und Schmeichelei,
Verleitet und verführt, sich mit ihm zu vermischen.
Herr Bruder! rief er ihm. Hierher! nur auf ein Wort!
Wir sind Geschwisterkind! der Bach lief immer fort,
Und dacht in seinem Sinn: Bei mir ist nichts zu fischen.
Der Geizhals ließ sogar den Pfützen keine Ruh.
Ihr Schwestern! schrie er ihnen zu,
Wollt ihr mir denn die Ehre niemals geben,
Mit mir vertraut und schwesterlich zu leben?
Warum besucht ihr mich denn nicht?
Kommt, wenn es euch an was gebricht;
Ihr mögt euch, was ihr seht, bei mir zu Nutze machen.
Allein sie pflegten ihn damit nur auszulachen.
Sie kannten seinen Geiz, und flohen die Gefahr.

Ein Hagebuttenstrauch, der sonst sein Nachbar war,
Ein Freund der alten Redlichkeit,
Bemühte sich umsonst, ihm die Zufriedenheit
Als eine nöt'ge Pflicht, mit Nachdruck, anzupreisen.
Herr Nachbar! sprach er oft: Was wünscht ihr euch wohl mehr?
Ihr macht euch ohne Not das Leben selber schwer;
Der Himmel kann sich euch nicht gnädiger erweisen.
Ihr müßt doch wohl dem Nächsten auch was gönnen,
Die Leute werden euch sonst einen Geizhals nennen.
Ach! sprach der alte Schalk, und fluchte noch dazu:
Gott straf mich, wenn ich es etwan aus Geize tu.
Mir ist am Reichtum nichts gelegen;
Ich tu es nur des Weydenmüllers wegen,
Der meinen Abfluß braucht. Er feiert dann und wann,
Wenn ich ihm nicht gnug Wasser schaffen kann.

Das war wohl ganz gewiß erlogen.
Der Abfluß reut ihn vielzusehr;
Er hätt ihn, wenn es nur bei ihm gestanden wär,
Dem Müller lieber gar entzogen.
Er gönnte niemand was. Wenn nur ein Vogel kam,
Und ihm aus Durst ein Tröpfgen Wasser nahm,
So war er schon sehr übel drauf zu sprechen.
Er schien zwar reich zu sein, und war doch wirklich arm.
Ach! schrie er oft: Das Gott erbarm!
O müßten doch die Wolken brechen!
Man sagt, die Welt sei schlimm: Wo bleibt denn Straf und Fluch?
Wenn eine Sündflut käm, wie glücklich wollt ich sein!

Nach diesem stellte sich ein dicker Regen ein,
Und endlich gar ein Wolkenbruch.
Das Wasser kam, mit ungeheuren Wogen,
Gegangen? nein! es kam geflogen.
Gut! schrie der Teich mit brennender Begier:
Das Wasser will gewiß zu mir;
Hier bin ich! immer her! Er wollte weiter sprechen;
Die Flut kam mit Gewalt, und fiel ihm hier ins Wort.
Er sah den festen Damm auf allen Seiten brechen;
Sein eignes Wasser selbst lief mit dem Strome fort.

*   *   *

Der Geizige wird niemals satt,
Und da er alles wünscht, verliert er, was er hat.

Das Sprachrohr und der Kater

Ein Sprachrohr rühmte sich mit seinem lauten Schreien,
Und zog sich überhaupt den stolzen Sängern für.
Ich, sprach es, habe mich des Vorzugs zu erfreuen;
Der Cantor schreit zwar auch; was ist der gegen mir?
O schade! daß ich nicht sein Amt verwalten soll!
Wie wollt ich auf dem Chore brüllen!
Ich schrie der halben Welt umsonst die Ohren voll;
Ich würde wenigstens die Kirche besser füllen.
Wenn ich Director Chori wär,
Wie glücklich würde man mit meiner Stimme fahren!
Man könnte sich zugleich den Organist ersparen;
Man brauchte, wie gesagt, das Positiv nicht mehr.
Die Leute würden schon im Tone bleiben müssen,
Die Bauern sonderlich, die heuer insgemein
Im Singen schlechte Künstler sein,
Und wenig oder nichts von Takt und Weise wissen;
So daß sie, wie mir nächst die Kirchenmaus erzählt,
Die auf dem Chore wohnt, oft schrecklich unterziehen;
Denn haben sie einmal den Cantor überschrien;
So ist die Melodie so gut, als schon verfehlt.
Das Sprachrohr prahlete noch immer weiter fort.

Ein Kater fiel ihm hier ins Wort:
Freund! sprach er, kannst du auch dein großes Lob beschwören?
Ich zweifle zwar nicht dran; jedoch dein Wort in Ehren!
Der Wind geht manchmal stark; wir bilden uns viel ein,
Da wir doch wirklich oft soviel als nichts bedeuten.
Ich nehm es mit dir an! laßt uns zur Probe schreiten!
Der Kater fing sogleich erbärmlich an zu schrein.
Das Sprachrohr konnte nicht; statt daß es brüllen sollte,
Fiel sein zu schwacher Laut kaum merklich ins Gehör.
Es sprach: Das Schreien fiel ihm schwer,
Weil niemand in dem Zimmer wär,
Der ihm den Atem leihen wollte.
Es rief: Gedulde dich! ich will schon stärker schrein,
Wenn nur mein Herr erst wird nach Hause kommen sein;
Ich werde dich alsdann mit leichter Müh besiegen.
Warum nicht itzund bald? fiel hier der Kater ein.
Ich höre schon, du mußt mit fremden Kälbern pflügen;
Du Großmaul! schweig doch lieber still!
Wenn du dich zeigen sollst: So mußt du schimpflich passen.
Ich lobe mich; ich kann mich hören lassen,
Zu aller Zeit, wie, wenn und wo ich will.

*   *   *

Wie mancher läßt sich prächtig hören,
Dem andrer Leute Wort vom Munde zierlich fließt!
Wer wird ihn darum gleich als einen Redner ehren?
Indem er in der Tat nichts als ein Sprachrohr ist.

Der Organist und der Balkentreter

Ein Organist voll Aufgeblasenheit
Verzweite sich mit dem Calcanten.
Sie zankten einst mit größter Heftigkeit,
So daß sie beide fast vor Wut und Eifer brannten.
Der eine schimpfte hin, der andre schimpfte her,
Hört, sprach der Organist, ihr Kerl! habt Zeit zu schweigen,
Sonst werd ich euch was anders zeigen;
Denkt nur nicht, daß mir was an euch gelegen wär!
Was? sagte jener drauf, ihr drohet mir mit Schlägen?
Und sprecht, an mir sei nichts gelegen?
Schon gut! das will ich euch gedenken.
Ich werde bei Gelegenheit
Euch diese Prahlerei schon wissen einzutränken.

Drauf ward ein adlich Paar getraut.
Als nun die Traumusik den Anfang nehmen sollte,
Und unser Organist am besten spielen wollte:
So wurden unverhofft die Orgelpfeifen stumm;
Er schüttelte den Kopf, fing wieder an zu greifen;
Noch immer hört er nichts, es schwiegen alle Pfeifen,
Denn in dem Tacito stund sein Präludium.
Der Possen rührte vom Balkentreter her,
Den der gelungne Streich recht in der Seel ergötzte.
Als ihn der Organist darum zur Rede setzte,
So sprach er: Merkt ihr was? Was meinet ihr nunmehr
Ihr sagtet, daß euch nichts an mir gelegen wär:
Gelt! Herr, ihr seid bezahlt; es hat sich ausgewiesen,
Wie schön ihr ohne mich zu Rechte kommen könnt.
Der Wind ist euer Element,
Der Schöpfer, das bin ich. Sie zankten sich nach diesen
Deswegen vielmal noch; einst kam es gar zu Schlägen;
Sie schwuren sich den Tod. Ihr Narren, lebt in Ruh!
Rief ihnen hier die Orgel zu;
Glaubt, daß an mir so viel, als kaum an euch, gelegen,
Die Gaben sind geteilt: Was bildet ihr euch ein?
Der Kleine muß so gut, als wie der Große sein.

*   *   *

Ihr, denen Gott das Recht der Herrschaft erblich gönnt,
Und schlechte Leute kaum des Ansehns würdig nennt,
Dankts Gott, daß euch das Glück so vorteilhaft geschienen!
Wär euer Knecht ein Herr; wer sollt euch denn bedienen?