Die Gelegenheit
Vordem kam die Gelegenheit,
So Ehr' als Reichtum zu erlangen,
Zu einem Mann aufs Land gegangen.
"Hans!" rief sie, "komm, geh mit!"
Hans sprach: "Um welche Zeit?"
"Gleich! Gleich den Augenblick."
"So hurtig, und wohin?"
"Komm fort, du wirst's schon sehn."
"Je nu! so wartet doch
Zum wenigsten so lange noch
Mit der mir zugedachten Gabe,
Bis ich mir, weil ich barfuß bin,
Die Stiefeln angezogen habe."
Der Bauer dachte nicht, daß die Gelegenheit
In einer oft noch kürzern Zeit
Sich einem aus den Händen schwinge
Und so gar schnell verloren ginge.
Er zog die Stiefel an und rief seinem Weibe,
Die noch im Bette lag. "Hör", sprach er, "lieber Schatz!
Räum alle Kasten aus und mach indessen Platz,
Damit ich, wenn ich ja bis mittags außen bleibe,
Bei meiner Wiederkunft als ein beglückter Mann
Das mitgebrachte Geld darein versperren kann."
Er lief und öffnete sein Haus nun mit Verlangen;
Doch als er vor die Türe kam,
War die Gelegenheit zu seinem großen Gram
Schon weg und wieder fortgegangen.
Er rief, jedoch umsonst; sein Weib kam auch herbei
Und unterstützte sein Geschrei.
Sie liefen hinters Haus, durchsuchten Stall und Scheune,
Besahen auch sogar die Herberge der Schweine,
Ob die Gelegenheit sich etwa hier versteckt.
Jedoch mit aller Mühe ward endlich nichts entdeckt.
Der Bauer setzte sich vor seiner Türe nieder
Und schwur, ins Künftige schon hurtiger zu sein.
Allein was half ihm dies? Sein Hoffen traf nicht ein,
Denn die Gelegenheit kam nach der Zeit nicht wieder.
Die Gans
Einst tadelte die Gans den Enten ihren Gang;
"Pfui!" sprach sie, "müßt ihr denn so unanständig hinken?
Was Henker, fehlt euch denn? Ihr seid vielleicht krank;
Sonst würdet ihr wohl nicht zu ganzen Stunden lang
Dem Tode mit dem Steiße winken;
Ihr sauft euch, wie es scheint, nach Art der Menschen, voll,
Und wetzt darnach durch alle Gassen;
Mir graut schon, wenn ichs sehen soll.
Man muß euch auch nur bloß des Ganges wegen hassen;
Ich bitte, was euch schimpft, das unterlasset doch!
Wenn meine Kinder also gingen:
So wollt ich, daß sie heute noch
Beim Feuer an dem Spieße hingen;
Gott ehre mir mein Volk! von dem, wofern ihr wollt,
Lernt, wie ihr Fuß und Leib geschickt bewegen sollt,
Und ohne daß ihr euch so unanständig renket,
Und Kopf und Schweif bald Ost- bald wieder Westwärts
schwenket."
"Du rühmst dich ohne Grund", sprach eine Ente drauf,
"Well deine Kinder deine sind:
So bist du, als ein Narr, bei ihren Fehlern blind;
Betrachte doch einmal nur ihren Gang und Lauf!
Sie watscheln, wie du siehst, so sehr
Als unsre Kinder immermehr."
* * *
Ihr Eltern, seht hier euer Bild!
Was eure Tadelsucht an fremden Kindern schilt,
Das haltet ihr an eurer Jugend,
Wie hier die dumme Gans, wohl gar für eine Tugend.
Das Löschpapier
Das Löschpapier beklagte sich,
Daß die Gelehrten stets auf ihren Köpfen blieben,
Und seine Seiten nicht beschrieben.
Es sprach: "Die Federn hassen mich,
So daß ich ihre Schrift recht ärgerlich entbehre;
Als wenn ich auf der Welt zu sonst nichts nütze wäre,
Als in den Schulen hier und dort
Den Schülern dann und wann den Streusand zu ersparen;
Wie manche Sau muß in mich fahren!
Wie manchen Tintenklecks, wie manch verschriebnes Wort
Verschluck ich mit Verdruß; und muß, zu meiner Pein,
Ein rechter Wischehader sein!"
Was taugt wohl unversucht? Hierauf entschloß es sich,
Bei einem großen Herrn sein Glücke zu probieren;
Es sprach: "Ihr Gnaden möchten mich
Wohl auch durch ihre Schrift, wie andre Blätter, zieren;
Versuchen sie es nur mit mir!
Ich bin doch eben auch ein ehrliches Papier,
So gut, als wie ein Stempelbogen."
Der große Herr, der gleich in dem Begriffe stand,
Für einen, dem er nicht gewogen,
Und bloß nur weil er ihm vom Vater her verwandt,
Die Hoffnung auf ein Amt gezwungen zu verschreiben,
Ergriff das Löschpapier und schrieb: Laut dieser Schrift
Soll, wenn die Sterbensruh den Pfarr zu N. N. trifft,
Sein hinterlaßnes Amt für meinen Vetter bleiben.
Der Kandidate schien nun außer der Gefahr;
Sein Expeetanzbefehl, der noch halb naß gewesen,
Ließ anfangs sich zur Not noch ziemlich deutlich lesen;
Doch als der Zettel trocken war,
Verlor sich diese Deutlichkeit;
Denn niemand konnte nach der Zeit
Den Inhalt dieser Schrift erraten,
Die dem geäfften Kandidaten
Auch weiter keinen Nutzen brachte,
Als daß manch Schadenfroh auf seine Rechnung lachte.
Kurz, dieser schlechte Spaß ward endlich allgemein,
Bei Leuten, die ihr Wort oft wankelmütig brechen,
Voraus bei großen Herrn, die manchmal mehr versprechen.
Als sie zu halten Willens sein.
Sie wollen unser Glück, als wie ihr eignes, lieben;
Sie wollen. Dabei bleibts, und mehr wird nicht geschehn.
Denn wenn wir ihre Gunst genau und recht besehn:
Ist der Beweis davon auf Löschpapier geschrieben.
Der Indianer
Ein Indianer war zu großem Reichtum kommen,
Und daher hatt ihn auch der Hochmut eingenommen.
Er wünschte Stadt -und Land -und Weltbekannt zu sein.
Mit diesem Kummer schlief er oft sehr mühsam ein;
Er pflegt auch manche Nacht zu wachen,
Und hatte stets dabei den Ruf zum Augenmerk.
Er wollte durch ein großes Werk
Sich einen großen Namen machen.
Immittelst kam die Nachricht an,
Daß der Monarch von Indostan,
Der große Mogul, sich hierher erheben wollte,
Und daß man darum auch die Wege bessern sollte.
Der Ruhmbegierige fand hier Gelegenheit,
Den längstgehegten Wunsch im Werk erfüllt zu schauen.
Er ließ in der Geschwindigkeit
Gleich eine große Brücke bauen,
Sechs hundert Ellen lang und sieben Ellen breit,
Von einem Berge auf den andern.
Warum denn? War etwa der Strom zu schnell, zu tief,
Der zwischen beiden Bergen lief?
Und mußte dieser Bau vielleicht aus Not geschehn,
Um trocken drüber hin zu wandern?
O nein! kein Wasser war zu hören und zu sehn.
Drum wußt auch niemand sich herinnen
Des Mannes Endzweck auszusinnen.
Daher entstund von ihm der allgemeine Wahn:
Er wäre nicht mehr bei Verstande.
Inzwischen kam sein Herr der große Mogul, an;
Der sprach: "Was soll denn hier die Brück auf trocknem
Lande?
Welch Bauherr hat sein Geld so närrisch angelegt?"
Man sagte: Der und der. Der Kaiser trug Verlangen,
Aus dessen Munde selbst die Nachricht zu empfangen,
Was ihn zu diesem Bau bewegt.
Man rief. Er kam und fiel dem Mogul zu den Füßen.
Der Kaiser, voller Neubegier,
Begehrte nun von ihm zu wissen,
Was er doch immermehr mit dieser Brücke hier,
Auf trocknem Lande, haben wollte.
Der Bauherr neigte sich, und sagte keck und frei,
Daß weiter nichts, als dies, sein Zweck gewesen sei,
Daß Ihro Majestät nur nach ihm fragen sollte.
* * *
Wir würden in der Welt manch großes Werk entbehren,
Wenn in Europa nicht auch Indianer wären,
Die durch den größten Bau nichts anders haben wollen,
Als daß die Leute nur nach ihnen fragen sollen.
Die zween Bauern
Zween Bauern redeten von N. N. einer Stadt;
(Was diese eigentlich für einen Namen hat,
Verschweig ich hier mit Fleiß. Was ist daran gelegen?)
Sie lobten sie recht sehr, des guten Bieres wegen.
Der eine Bauer sprach: "der Weg ist nur zu weit,
Sonst wollt ich, hätt ich auch kaum halb satt Brot zu essen,
Bei dieses Bieres Trefflichkeit,
Den Hunger, wie mich selbst, nebst Weib und Kind, vergessen;
Wenn nur der Ort was näher wär!
Der Trunk ist an Geschmack schon gut und auserlesen;
Ich bin erst neulich da gewesen,
Wie hat mich nicht verlangt? Der Berg fällt einem schwer,
Man steigt, man schwitzt, man keucht, und läuft sich müd und
krank,
Bevor man noch die Stadt, die gleichsam immer weichet,
Und scheinbar weiter rückt, mit großer Müh erreichet."
Der andre Bauer sprach: "Der Weg ist gar nicht lang,
Wenns hochkommt, sind es nur kaum anderthalbe Meilen;
Du weißt schon meinen Gang, ich bin kein Freund vom Eilen,
Ich schleiche ganz gemächlich fort,
Und dennoch bin ich oft in zwoen Stunden dort." -
"O schweig!" hub jener an. "Ich bin Gottlob! kein Kind;
Ich werde doch so viel wohl wissen,
Was anderthalbe Meilen sind;
Ich glaube mir und meinen Füßen
In diesem Stücke mehr als dir;
Es sind zum wenigsten von hier
Zwei starke Meilen; wo nicht weiter." -
"Du bist," sprach dieser drauf, "ein rechter Bärenhäuter,
Wofern du mir nicht glaubst." O seht den schönen Schluß!
Hub jener wieder an; "ich könnt auf diesen Fuß
Vielleicht, so gut als du, das Gegenteil bestärken;
Doch nein! ich ließe mich dadurch zu deutlich merken,
Als wenn ich meinen Satz nicht weiter schützen könnte;
So ein Beweis wird ausgelacht.
Denn wer nicht weiter kann, wird böse, schimpft und macht
Die Gabe, grob zu sein, zum letzten Argumente."
Die Kropfländer
Ein jeder Ort hat seine Gaben,
Indem sich die Natur hier so, dort so, beweist.
Es gibt ein Land, das Kropfland heißt,
Wo alle Leute Kröpfe haben.
Weil an den Jungfern auch sogar
Ein artig Kröpfchen hier der größte Liebreiz war:
So trug das junge Volk auch folglich kein Bedenken,
Der schönsten Kröpfichten Mund, Hand und Herz zu schenken.
Wenn manchmal hier und da ein Kind geboren ward,
Das, wider ihre Landesart,
Dies Ehrenzeichen nicht mit auf die Welt gebracht:
So schämten sich die Eltern halb zu Tode,
Weil die Natur ihr Kind, zum Schimpf der Landesmode,
Nicht kröpficht, oder deutsch, nicht artig gnug gemacht;
Ja sie bekreuzten sich vor einem solchen Kinde,
Das, zur Bestrafung ihrer Sünde,
Ein Schandfleck seines Hauses war.
Laut den Statuten hieß es klar,
Daß so ein Wechselbalg kein Handwerk lernen sollte,
Es war ihm zwar erlaubt, wenn er studieren wollte;
(Denn wer zu sonst nichts taugt, der taugt auf den Parnaß.)
Doch durft er lebenslang kein Ehrenamt bekleiden;
Man wollt ihn nicht einmal in Zunft und Zechen leiden;
Warum? Der allgemeine Haß
War ihm und seinem Glück zuwider,
Man schlug ihm auch sogar die Hoffnung dazu nieder.
Denn hier fiel jung und alt dem Vorurteile bei,
Daß ein geschlanker Hals der Torheit Merkmal sei;
Drum baten sie auch Gott, anstatt um gute Köpfe,
Nur um das Wachstum ihrer Kröpfe.
Einst kam ein junger Herr, ein rechtes Schönheitsbild,
Der nach dem Bürgermeister fragte,
Und über den Verdruß von einem Bürger klagte:
Kaum daß ihn dieser noch für einen Menschen hielt;
Er rief gleich seine Frau herbei,
Und sprach: Schau, lieber Schatz! was das für Elend sei,
Wenn einen die Natur zum Krüppel auserkoren.
Sie dankten beiderseits der göttlichen Gewalt,
Daß sie, wie dieser Mensch, nicht ohne Kropf geboren,
Ach! und bejammerten des Fremden Ungestalt.
* * *
Wir kommen eben auch mit unserm Mitleid blind,
Und merken nicht, wie stark die Vorurteile sind,
Die, wenn wir sie einmal zu unsrer Richtschnur setzen,
Selbst die Vollkommenheit für einen Fehler schätzen.
Die Henne
Ein Ochs, der oft Kalender machte,
Und in der stillen Einsamkeit
Sich seine schwere Lebenszeit,
Der künftgen Länge nach, bald hin bald her bedachte,
Ward durch das Schreien einer Henne,
Die auf dem Zaune saß, in dem Konzept gestört.
Sie rief ohn Unterlaß: Habt, habt ihr nichts gehört?
Der Ochs, aus großer Furcht, daß Haus und Hof schon brenne,
Sprang auf und sah sich um, wie ein Erschrockner tut,
Den jemand nächtlich ruft. Er merkte keine Glut.
Er lief auf einen Berg, der in der Nähe war,
Und untersuchte hier den Ursprung der Gefahr,
Ob nicht der Boberfluß mit einer Sündflut käme,
Und Schoppen, Scheun und Stall im Strome mit sich nähme;
Er zitterte vor Angst, und nahm schon gute Nacht.
Von jenen Wiesen dort, die in dem Tale lagen,
Und seinen Heubedürftgen Magen
Zeither so vielmal satt gemacht.
Seht, was die Furcht nicht kann! das Leben war ihm lieb.
Inzwischen weil der Fluß in seinen Ufern blieb:
So spürt er endlich wohl, daß ihm in diesem Stücke
Nichts zu befürchten war. Er kam hierauf zurücke,
Und trat zur Henne hin, die noch beständig schrie;
Was fehlt dir denn? so fragt er sie,
Entdeck mirs ohne Scheu! du magst mirs immer sagen,
Was dich zu dem Geschrei bewegt;
Es hat sich ganz gewiß was Großes zugetragen.
Ach! sprach sie, lieber Herr! Ich hab ein Ei gelegt.
Du Närrin! sprach das Rind, man muß von kleinen Sachen
Kein so gar groß Geschrei nicht machen;
Ich dachte Wunder! was es sei,
Und wie ich hören muß: So ists ein lumpicht Ei.
Die Schwalben
Die Schwalbe, die ihr Nest am Tempel angekleibt,
Und zwar der sichern Höhe halben,
Indem sie Stein und Wurf hier selten weiter treibt,
Begegnete zwo andern Schwalben,
Die an ein altes Haus der nahgelegnen Stadt,
In welcher Geiz und Neid viel Untertanen hat,
Ihr Frucht- und Sommerhaus zu öberst angehangen.
St! rief der Tempelherr, wie ist es euch gegangen?
Wo habt ihr angebaut? Wie stehts um eure Zucht?
Du bist doch, sagten sie, schon in der Stadt bekannt;
Dort, wo der Rührtrog steht, zwei Häuser linker Hand,
Da haben wir uns itzt die Wohnung ausgesucht.
Ja! ich besinne mich, wohnt der und der nicht da?
Ist der itzt euer Wirt? Ja! ja!
Ich kenn ihn schon zwei Jahre, wo nicht länger;
Er ist ein fleißger Kirchengänger,
Der keine Predigt leicht und kein Gebet versäumt;
Sein Christentum muß Gott besonders wohl gefallen;
Ich seh ihn immer früh hier in den Tempel wallen.
Wenn manchmal mancher noch im Bette liegt und träumt:
So wackelt euer Wirt schon in das Haus des Herrn.
Der Heuchler! sagten sie, hört Gottes Wort zwar gern;
Allein wo bleibt die Frucht? Er stund am Osterfeste
Vor seiner Tür, gleich unter unserm Neste,
Mit einer alten Frau, die ihn Herr Vetter hieß,
Und ihn mit Tränen bat, die Köchin fortzuschicken;
Folgt! sprach sie, reißt euch los von diesen Satansstricken!
Wer sich mit Huren schleppt, den drückt der Fluch gewiß;
Ihr könnt doch, Gott sei Dank! noch wohl ein Weib ernähren,
Ihr habt ja Geld und Gut, was hats mit euch für Not?
Gott wird euch euer täglich Brot
Auch in der Ehe schon bescheren.
Geht! geht! sprach unser Wirt, bekümmert euch um euch!
Denn wär ich auch gleich noch einmal so reich:
So wagt ichs dennoch nicht, ein Weib darauf zu nehmen;
Ja! ja! wenn keine Kinder kämen;
Sie fressen mich wohl gar; die hätten mir gefehlt;
Solch Ding kann unterwegens bleiben,
Die Zeiten sind darnach, man muß itzt Wirtschaft treiben.
Wenn das ist, hörte man die Kirchenschwalbe schrein:
So muß wohl euer Wirt ein rechter Lügner sein,
Der Gottes Macht bekennt, und durch die Tat verdringt;
Denn er verzagt an Gott, von dem die Kirche singt;
Er will uns allezeit ernähren.
Auch unser Beispiel selbst sollt ihn ja dieses lehren.
* * *
Ihr habt schon Recht, ihr lieben Schwalben!
Doch wundert euch deswegen nicht,
Wenn Mund und Herz sich manchmal widerspricht;
Dergleichen lügenhafte Sänger,
Dergleichen fleißge Kirchengänger
Gibts leider! itzund allenthalben.
Der große Mann
Ein Mensch von ungeheurer Länge
Kam einst in eine kleine Stadt;
So gleich ward auch um ihn ein schreckliches Gedränge;
Die Bürger wußten sich an diesem Goliath
In langer Zeit nicht satt zu sehen.
Ein jeder gab sich hier mit seiner Neugier bloß,
Und kurz, der Zulauf war so groß,
Als wär ein Wunderwerk geschehen;
Von Weibern sonderlich, die stets auf unsern Riesen
Mit wunderhaften Fingern wiesen.
O seht doch, sagten sie, den hier, den sollte man
Zu unserm Bürgermeister machen;
Der wäre groß genug dazu;
Mit dem hier spielte wohl kein Mensch die blinde Kuh,
Er ließe sich gewiß nicht äffen und verlachen,
Wie jener, der nunmehr, an Schand und Kränkung satt,
Sich in das Grab verkrochen hat.
Die Weiber suchten ihn den Männern einzuloben;
Mit einem Wort, es kam so weit,
Daß diese, seht doch nur die Unbesonnenheit!
Den ungeheuren Mann zum Haupt der Stadt erhoben.
Er ward erwählt, und auch den Tag noch installiert;
Aus Furcht, daß nicht etwan die Bauersleute kämen,
Und ihnen ihren Saul zum Dorfregenten nähmen.
Drum eilten sie so sehr, und dankten Gott dafür,
Daß ihre Wahl so wohl gelungen;
Indem sie auf dem Turm, aus blinder Dankbegier,
Denselben Abend gleich noch das Te Deum sungen.
Ich hätt es keinem raten wollen,
Der unsern Bürgern dazumal
Die närrisch- gnug vollzogne Wahl,
Auch nur im Spaße tadeln sollen.
Warum? Sie glaubten zweifelsfrei,
Und ohne den Verdacht des Gegenteils zu schöpfen,
Daß in geraum- und großen Köpfen
Auch großer Witz enthalten sei.
In diesem Vorurteil lag hier der Hund begraben.
Doch in der ersten Session
Verriet der Bürgermeister schon
Den Mangel der ihm nötgen Gaben.
Es kam ein Amtsbefehl, den nahm er in die Hand,
Und noch dazu verkehrt; er sah ihn unverwandt
Mit starren Augen an. Drauf spie er auf den Tisch,
Und sprach: Wenn dies Papier zu sonst nichts gut gewesen:
So brauch ichs hier als einen Wisch.
O weh uns! rief ein jeder aus,
Ihr Herren! wo will das hinaus?
Der Bürgermeister kann nicht schreiben und nicht lesen.
* * *
Wer aus des Leibes Höh der Seelen Größe schließt,
Und blindlings jeden Wirt nach seiner Wohnung mißt,
Der irrt sich oft in seiner Wahl.
Vergebens, daß man sich mit Simsons Länge brüste!
In großen Häusern steht manchmal
Das Oberstockwerk leer und wüste.
Der Gärtner
Ein Gärtner, dem man allemal
Zur Herbstzeit, wenn der Mond des Nachts am Himmel fehlte,
Wenn Finsternis und Wind den Diebesgriff verhehlte,
Die Früchte von den Bäumen stahl,
Trotz allen aufgestellten Wachten!
Fing endlich an im Ernst sein Elend zu betrachten.
Was mach ich? fragt er sich, was hilft mir Müh und Schweiß,
Wenn ich die Frucht davon, die hoffnungsvolle Beute,
Nicht, wie es billig ist, auch einzuernten weiß?
Erzeug ich denn mein Obst nur bloß für andre Leute?
Man gab ihm den verfluchten Rat:
Er sollte nur auf frischer Tat
Den sogenannten Diebessegen,
Gleich als ein Zauberschloß, vor seinen Garten legen;
Dies Mittel, sprach man, hat schon manchem Ruh geschafft.
Allein er wollte nicht. Er war gewissenhaft,
Und hatte keine Lust zu solchen Teufelsränken.
Indessen sagt er doch, er wolle sich bedenken.
Die Äpfel reuten ihn, wie leicht zu glauben ist;
Deswegen sann er nach, durch eine kluge List,
Die Diebe, die so gern gestohlne Früchte speisen,
Von seinem Garten abzuweisen;
Doch wollt er darum nicht dem Teufel Weihrauch streun,
Um ja nicht in Gefahr zu sein,
Durch sein erhaltnes Obst die Seele zu verlieren.
Gevatter! sprach er, hört nur her!
Doch unter uns gered’t! Ich werd und will nunmehr
Schon ein Exempel statuieren!
Der so genannte kluge Mann,
Der dort in Böhmen wohnt, und alles bannen kann,
Hat die vergangne Nacht, in ders so stark geregnet,
Mir endlich in geheim, für ein gewisses Geld,
Den ganzen Garten eingesegnet,
Und dies mein heurig Obst in Sicherheit gestellt;
Doch seid so gut und schweigt! Es ist Gefahr dabei;
Ich überlasse mich hierinnen eurer Treu.
Doch eben das Verbot ist bei dergleichen Leuten,
Wohl stets der nächste Weg, ein Ding recht auszubreiten
Eh eine Stunde noch verschwand,
War das Geheimnis schon der ganzen Stadt bekannt.
So recht! So sollt es sein. Der Gärtner blieb dabei,
Daß die, die immerzu nach fremdem Obst gelüsten,
Auch durch ein Beispiel sehen müßten,
Wie kräftig und wie stark sein Zaubersegen sei.
Er redete den Spaß mit einem Bettler ab.
Der seine Diebsperson gar wohl zu spielen wußte,
Und für das bare Geld, das ihm der Gärtner gab,
Sich durch den Zauberspruch gefesselt stellen mußte.
Aurorens Licht verriet des Tages Ankunft kaum,
So stund der falsche Schalk schon unter einem Baum,
Beladen mit der Gartenbeute,
Die ihm der Gärtner selbst vorher in Sack gerafft.
Er stund und hing den Kopf recht ängstlich nach der Seite,
Und seufzt und schrie aus aller Kraft:
Ach! helft mir! Macht mich los von diesen Zauberbanden!
Ich habe lange gnug zur Strafe hier gestanden;
O Gärtner! kommt, erbarmt euch mein!
Macht mit mir was ihr wollt; nur sucht mich zu befrein!
Die Nachbarn liefen zu, sie reichten ihm die Hand,
Und meinten, ihn dadurch vom Baume wegzuziehen;
Allein es ging nicht an; des Bettlers Widerstand
Verhinderte mit Fleiß ihr redliches Bemühen;
Es war, als wenn der Kerl hier angewachsen wär.
Geht! sprach er mit verstelltem Kreißen,
Ihr macht mir nur der Schmerzen mehr,
Und könntet mir wohl gar den Arm vom Leibe reißen.
Drauf kam der Gärtner auch dazu;
Was machst du, sprach er, hier? Du saubrer Vogel, du!
Bist du der gute Freund, der mir mein Obst gestohlen?
Versprich mir, keines mehr zu holen:
So mach ich dich hier los. Ich schwöre, sprach der Dieb,
So wahr mir Seel und Leben lieb,
Mich nimmermehr hierher zu wagen;
Nur sucht mich diesesmal der Fessel zu entschlagen!
Der Gärtner ging hierauf dreimal um ihn herum;
Nu, sprach er, kannst du immer gehen!
Doch hüte dich vor mir, und dreh nicht wieder um:
Sonst sollst du mir gewiß drei Tage Schildwach stehen.
Der Bettler sprang drauf fort, und in ein ander Land.
Der Ruf von dieser Tat ward überall bekannt,
Und folglich konnt es auch nicht fehlen;
Die Leute fürchten sich, und scheuten die Gefahr,
Dem Gärtner ferner was zu stehlen,
Wenn auch der Garten offen war.
* * *
Der Grund der größten Furcht ist oft ein leerer Schein.
Die Welt will gern betrogen sein.
Wer Narren vor sich hat, die Recht und Tugend hassen,
Muß seinen Gegenpart, durch eine kluge List,
Bei ihrem Vorurteile fassen.
Der wird gar leicht berückt, wer abergläubisch ist.
Der Sperling
Ein Sperling, dem ein Schuß sein liebes Weib entzog,
Schien, wenn er den Verlust von ihrer Treu erwog,
Vor Wehmut und vor Angst beinahe zu zerfließen.
Der Witwer schwur so gar, nachdem ihm die entrissen,
So acht er ferner auch kein Frauenzimmer mehr.
Ach! rief er, wer doch nur schon eingeschlafen wär!
Fort mit mir aus der Welt! Komm, Tod! erlöse mich,
Damit mein Leidensquell im Grabe sich verstopfe!
Er heult und schrie, und raufte sich,
Aus treuer Ungeduld, die Federn aus dem Kopfe.
Bald stieß er sich, aus Sterbenslust,
Den eignen Schnabel in die Brust;
Bald wollt er sich in Bober stürzen,
Um in dem Wasser sich sein Elend zu verkürzen.
Die Nachbarn tadelten ihn zwar,
Daß sein untröstlich Herz nach Menschenart verführe;
Weil damals in dem Reich der Tiere
Der Selbstmord, wie noch itzt, was unerhörtes war.
Begreif dich, sagten sie, und tu nicht so vermessen!
Was hin ist, das ist hin; drum hemme deine Qual,
Und suche, wie du kannst, in einer andern Wahl,
In einer neuen Eh, dein leiden zu vergessen.
Ach! rief der Witwer, schweigt! ich habs euch schon gesagt,
Ich bleib auch noch dabei, daß mein gescheuchtes Herze,
Nach einmal unterbrochnem Scherze,
Nichts weiter nach der Liebe fragt;
Eh wird das Eis im Winter brennen.
Eh scheinen, mit verkehrter Pracht,
Der Mond des Tags, die Sonn bei Nacht:
Eh ich und diese Brust der liebe Platz vergönnen;
Eh das geschieht, eh muß ein Wunderwerk geschehn.
Drauf flog er fort, und kroch in eine hohle Weide,
Und wollte von der Welt, und ihrer Lust und Freude,
Den ganzen ersten Tag, nichts hören und nichts sehn.
Dawider half kein Trost, kein Zuspruch und kein Bitten.
Er blieb, und fuhr beständig fort,
Die größten Klagen auszuschütten;
Schlaf wohl, geliebter Schatz! das war nur stets sein Wort.
Vier junge Sperlinge, die noch nicht viel erfahren,
Und um den Trauerheld recht sehr bekümmert waren,
Beklagten auf dem Kirchendache
Den treuen Eigensinn, der ihren Nachbar hier
Zum Mörder seiner selber mache;
Ihr Vater kam dazu, der sprach: Ihr Narren, ihr!
Besorgt doch dieses nicht von unsers Nachbars Trauer;
Was übermäßig ist, das ist von keiner Dauer.
Die Tat erwies es auch, wie wahr dies Urteil sei.
Denn binnen vier und zwanzig Stunden
War Schmerz und leid und Harm, gemäßigt? nein! verschwunden;
War unser Witwer schon ein Bräutigam aufs neu,
Die jungen Sperlinge, die seinen starren Schmerz
Vorher so sehr bewundert hatten,
Bewunderten anitzt sein leichtgesinntes Herz,
Indem auch nicht einmal der Schatten
Des Angedenkens mehr in seiner Seele blieb.
Der neue Buhler schrie, mit lachenden Gebärden:
Ihr Herren! Tadelt nicht an mir den Liebestrieb;
Hört! eh ihr mich verdammt, erwägt erst meinen Fleiß!
Wer mit der Trauer sich, wie ich zu fördern weiß,
Der kann auch leicht mit fertig werden.
* * *
Der Quell der Wehmut ist kein unerschöpflich Meer,
Daher die Tränen auch, die gar zu häufig fließen,
In kurzer Zeit vertrocknen müssen;
Denn der Verschwendung folgt der Mangel hinter her.
Die zween Quellen
Ein warm- und frischer Quell, als alte Nachbarsleute,
Bewohnten einen Berg, dort an der Mittagsseite.
Der warme Quell beklagte sich,
Daß, wenn er sich mit Fleiß gleich noch so stark ergösse,
Sein Abfluß in das Tal doch stets unbrauchbar flösse.
O! sprach der frische Quell, Gott lob! ich habe mich
Hierüber gar nicht zu beschweren;
Ich kenne Menschen gnug, die sich für mich erklären;
Denn wen in diesem Walde hier,
Im Sommer, Durst und Hitze drücken,
Der sucht sich allemal bei mir
Die matte Seele zu erquicken;
Bei dir läßt niemand sich den Hut voll Wasser laufen;
Tuts jemand aus Versehn: So trinkt er dich doch nicht;
So speit er vor dir aus, erschüttert sich, und spricht:
Pfui dich! du Höllenfluß! wer wird denn Schwefel saufen?
Mir fällt in Wahrheit selbst der Argwohn manchmal bei,
Ob etwan gar der Styx vielleicht dein Vater sei,
Der dich im wilden Ehestande
Erzeugt; und nach der Zeit, zu Minderung der Schande,
Dich, als sein Hurenkind, in diesen Busch versteckt.
Wie nun die Spötterei stets Zorn und Haß erweckt:
So wurden folglich auch die nachbarlichen Freunde,
Der warm und frische Quell zween unversöhnte Feinde,
In deren Herz und Wunsch die Rachsucht Platz gewinnt.
Was? schrie der warme Quell. Wer? ich ein Hurenkind?
O! der Spaß klingt zu grob! das werd ich nicht vergessen!
Ich könnte dir zwar wohl mit gleichem Maße messen,
Allein es mag drum sein; doch glaube sicherlich,
Die Zeit verändert viel; die Menschen werden sich
An mir noch einst so gut, als itzt an dir, vergaffen;
Laß sein, ich gebe dir vollkommen Recht hierin,
Ich bin für ihren Durst zum Trinken nicht geschaffen;
Gnug! daß ich von Natur ein halber Doktor bin.
Wie glücklich werd ich mich von Schand und Spott entfernen,
Wenn mich der Mensch dereinst wird besser kennen lernen,
Der, wen mein Schwefelgeist so Schweiß als Ausschlag treibt,
Mich mit Bethsedens Teich auf eine Rolle schreibt,
Well seine Kranken sich, so groß auch gleich ihr Schaden,
Gesund in meinem Wasser baden.
Ach! sprach der frische Quell, mein Freund! verirr dich
nicht!
Du wirst doch nimmermehr ein Karlsbad werden wollen?
Phantasie! wer, wie du, von Hochmut aufgeschwollen,
Glaubt alles ohne Grund, was ihm sein Wunsch verspricht,
Trotz! daß sich die Vernunft dawider setz und stemme;
Du bist kaum gut genug zu einer Pferdeschwemme,
Und willst ein Bad für Menschen sein?
Was einem närrisch träumt, das trifft gar selten ein.
Der warme Quell schwieg still, und hoffte, mit der Zeit,
Die Proben seiner Würdigkeit
Dem Spötter in der Tat zu weisen.
Zwölf Jahre gingen hin; drauf mußt ein Medikus
In diese Gegend hier zu einem Kranken reisen;
Der fand den warmen Quell, und fällte gleich den Schluß
Daß dieses Prudels Schwefellauge
Zu einem warmen Bade tauge.
Er riet der Herrschaft nach der Zeit,
Um dadurch Raum und Platz zum Sitzen zu erlangen,
Den tiefgesuchten Quell, zu mehr Bequemlichkeit,
In ein Behältnis aufzufangen.
Man tats, man führt auch oben drauf,
Noch zur Bedeckung vor dem Regen,
Der künftgen Badegäste wegen,
Ein herrliches Gebäu, gleich einem Tempel, auf.
Dies sah der frische Quell. Er ärgerte sich zwar
An seines Nachbars Ehr und Glücke;
Allein, was wollt er tun? Ob gleich in diesem Stücke,
Wie leicht zu glauben ist, sein Neid untröstlich war:
So sprach er doch: Mein Freund! ich gönne dirs mit Freuden,
Daß endlich dein Verdienst erwünschte Früchte trägt;
Den schönen Hausarrest, den man dir angelegt,
Den könnt ich ohnedem nicht leiden;
Die Freiheit ist für mich, und ich für sie, gemacht.
Indessen wünscht ers doch von Herzen,
Und hoffte stets umsonst, mit sehnsuchtsvollen Schmerzen,
Auf einen Bau von gleicher Pracht.
* * *
Man muß die eben nicht so gleich für Narren schelten,
Die gegenwärtig wenig gelten;
Die Zeit, die künftig kommt, hebt manchen, der itzt liegt,
So daß sein Ruf und Glück weit über unsers fliegt;
Man speit alsdann umsonst die Ehrenzeichen an.
Die man an andern sieht, und selbst nicht haben kann.
Die Narrenkappen
Ein Man, der manchen Markt zeither umsonst durchlaufen,
Trug Narrenkappen feil, und konnte nichts verkaufen.
Er wunderte sich sehr, daß gar kein Abgang sei;
Daß, da die ganze Welt ein Nest voll Narren wäre.
Doch gleichwohl niemand was von seinem Kram begehre.
Kauft! kauft doch! rief der Handelsmann,
Probiert mich! ich verteure keinen;
Der Preis muß in der Tat dem Ärmsten leidlich scheinen,
Drei Groschen sind ein Geld, was jeder zahlen kann;
Ist das nicht wohlfeil gnug? Jedoch was half ihm dies?
Der Nam und schlechte Preis war selbst ein Hindernis,
Daß gar kein Abgang war; so daß ich sicher wette,
Er hätte nichts verkauft, wenn er dem Käufer gleich
Drei Groschen zugegeben hätte.
Das war für seinen Geiz ein ärgerlicher Streich.
Gut! sprach er, will kein Narr zum Kaufen sich entschließen:
So bin ich selbst ein Narr; so werd ich nach und nach,
Zu meiner eignen Schand und Schmach,
Die Kappen selbst zerreißen müssen.
Er setzte sich, gleich auf der Stelle,
Die schönste, mit der größten Schelle,
Auf seinen eignen Kopf. So närrisch dieses schien:
So wars doch in der Tat ein großes Glück für ihn.
Gleich kam ein junger Herr, der von ihm wissen wollte,
Was dies für eine Art von neuen Mützen sei,
Und was das Stücke gelten sollte?
Der Kaufmann log und schwur bei seiner Ehr und Treu,
Daß, wenn in Afrika die Sonn am höchsten stiege,
Die Ritterschaft daselbst, zu Haus und öffentlich,
Dergleichen Sommermützen trüge.
Wer eine haben will, der komm und melde sich;
Wo nicht: so muß er sich bis übers Jahr gedulden.
Mein Vorrat ist nicht groß, und auch schon halb vertan;
Der Preis ist so und so: Das Stücke für drei Gulden.
Der junge Herr nahm gleich den Kauf begierig an,
Und bat, man möcht ihm doch das Ding vorher erklären,
Zu was an dieser Tracht die Schellen nütze wären?
Der Kaufmann mußte sich die Frage selbst belachen;
Doch sprach er: lieber Freund! die Schelle, wie ihr seht,
Ist, nicht zur Zierrat bloß, nein! darum dran genäht,
Groß Aufsehn in der Welt zu machen,
Wie an den Pferden das Geläute;
Im Finstern sonderlich erweckt es Furcht und Scheu,
Damit ein jeder von der Weite
Gleich hören kann, wer vor ihm sei.
Gar gut! mein Herr! lebt wohl! sprach dieser deutsche Lappe,
Ging heim, und legte sich mit seiner Narrenkappe
Ans Fenster in sein Staatsgemach;
Das Volk erblickt ihn kaum: Gleich äfft ihm jeder nach.
Wie sonst ein einzger Narr viel hundert andre macht:
So ging es auch allhier mit dieser neuen Tracht;
Man sprang danach mit vollem Draben;
Zuletzt schlugen sich die Leute gar darum.
Der Zeit nach waren kaum zwo Stunden völlig um:
So war schon keine mehr zu haben.
Das junge Volk trug ohne Scheu
Die Zimbeln an der Modemütze,
Ganz sichtbar, ungedämpft und frei;
Die Alten, als ein Volk von weitgeübtrem Witze,
Verhinderten den Klang, so gut es möglich war,
Indem sie einen Flor um ihre Schellen schlungen.
Damit sie nicht so stark, so frech und offenbar;
Damit sie nicht so helle klungen.
* * *
Ein Affe wird kein Mensch, er sei so klug er sei;
Doch wird der Mensch manchmal zum Affen;
Der pflegt sich sonderlich in Kleider zu vergaffen,
Und pflichtet, als ein Narr, der dümmsten Mode bei.
Das Fernglas und das
Auge
Das Fernglas rief dem Auge zu:
Ich bin doch, wie du siehst, weit besser noch, als du;
Gestehs nur lieber bald, und falle mir zu Fuße,
Die Wahrheit trägt dir keine Buße.
Das Auge sprach! Mein Freund! das wird wohl kaum geschehn;
Du bist gewohnt, ein Ding vergrößert vorzustellen:
Wie willst du von dir selbst ein richtig Unheil fällen?
Du kannst ja ohne mich so viel als gar nichts sehn.
Was? fuhr das Fernglas auf; ist dieses denn erwiesen?
Ich kenne deinen Neid, allein ich kenn auch mich;
Gottlob! ich bin doch über dich;
Schau! rief es, kannst du mir die Mücke dort erkiesen,
Die um den Kirchturm schwärmt, der gleich hier vor uns
liegt?
Schau! wie sie itzt ums Dach, itzt um die Spille fliegt;
Itzt tanzt sie um den Knopf, itzt kommen ihrer mehr,
Die schließen einen Kreis und flattern um sie her;
Schau! wie sich Scherz und Lust bei diesem Volke wittert;
Itzt niest die eine, schau! wie sich ihr Leib erschüttert,
Und wie sie sich hierauf, von andern ausgezischt,
Den Rotz von Maul und Nase wischt.
Pfui! sprach das Auge, leug doch nicht!
Ich kenn dich gar zu gut, du kannst dir viel ersinnen;
Es fragt sich, ists auch wahr? O nein! ich trau hierinnen
Weit gründlicher auf mein Gesicht,
Das nichts vergrößert, nichts vermindert.
Wenn anders dessen Kraft kein Gegenstand verhindert.
Die Dinge, die du siehst, sind gar zu weit entlegen,
Sind Sachen, die uns oft nichts anzugehen pflegen;
Denn sage mir doch selbst, wem wohl daran was liegt,
Daß eine Mücke dort auf jenem Turme fliegt?
Die Welt kann den Bericht davon gar leicht entraten;
Du bist so nötig nicht, mich braucht man allezeit;
Drum schweig, und mache dich mit deinen Heldentaten,
Die überflüssig sind, nicht so vergebens breit.
Du magst dich noch so sehr aus Eigenliebe loben;
Erheb dich, wie du willst, du kommst mir doch nicht oben.
Dich hat ein kluger Kopf, dich hat ein Mensch erdacht;
Mich hat des Schöpfers Hand, die Weisheit selbst, gemacht;
Die weis schon, daß der Mensch dein Weitersehn entbehre;
Denn wenn sein wahres Glück und seine Seelenruh,
Mit deiner Kunst verbunden wäre:
So säh ich von Natur vielleicht so weit, als du.
* * *
Gott hat die Sehungskraft mit Fleiß so kurz geschaffen,
Damit der Mensch, an Neugier voll,
Sich nicht etwan zu weit in diese Welt vergaffen,
Und lieber mit Vernunft zu Hause bleiben soll;
Weil die, die sich zu weit mit ihrem Blick entfernen,
Die Selbsterkenntnis leicht verlernen.
Die Magd
Die so genannte große Magd,
Von N. N. einem Kammergute,
Ging mit betrübt und blödem Mute,
Als eine Sünderin, die das Gewissen nagt,
Voll Angst und Reu, zur Osterbeichte.
Hier machte sie sich nun ihr Herz recht leer und leichte,
Und zählte, gleich als wenn die Sünde zählbar wär,
Das, was sie wider Gott in Jahr und Tag begangen,
Im Beichtstuhl nach der Reih, wie an den Fingern, her;
Sie meldete zugleich ihr brünstiges Verlangen,
Von dieser ihrer Schuld, von Fluch und Höllenpein,
Durch den Vergebungsspruch, bald losgezahlt zu sein.
Das tat der Beichtiger. Gut! sprach die Sünderin,
Ich glaube, daß ich zwar mit Gott versöhnet bin;
Allein ich kann noch nicht die Seelenruh genießen;
Es liegt mir außerdem noch was auf dem Gewissen.
Der Hoffartsteufel setzt mir manchmal heftig zu,
Ich weiß für Hochmut oft kaum selber, was ich tu,
Ich bilde mir viel ein, und prahlte herzlich gern,
Trotz der Gemahlin selbst von unserm gnädgen Herrn!
In Kleidern, die vom Golde gleißen;
Ich möchte, wie gesagt, für Aufgeblasenheit
Manchmal zerplatzen und zerreißen;
Dies Großtun ist mir selbst recht ärgerlich und leid;
Ich kann es kaum mit Worten sagen,
Wie sehr und oft ich mich hierüber schon betrübt,
Wenn mir der böse Feind den Wunsch ins Herze gibt,
Mich über meinen Stand zu tragen.
Und, hub der Pater an, habt ihr auch was dazu?
Denn schöne Kleider kosten Geld;
Ach! sprach die Magd, ich bin die ärmste von der Welt.
Wenn das ist, rief der Pfarr, so gebt euch nur zu Ruh,
Und kränkt euch ferner nicht des stolzen Wesens wegen;
Es wird sich mit der Zelt schon legen.
Der Religionsglaube und
der Handlungsglaube
Der Glaube, der uns selig macht,
Zog den berufnen Handlungsglauben,
Und zwar nicht ohne Grund, in Argwohn und Verdacht,
Als würd er ihm noch gar sein ganzes Ansehn rauben.
Er sprach: Mein Himmelreich ist mehr, als alles Geld;
Und dennoch ziehen mir die Kinder dieser Welt
Den kleinen Vorteil vor, der mit Betrug und List,
Oft sinn- und Sündenreich, durch dich erschachert ist;
Denn rühm ich ihnen gleich den Reichtum jenes Lebens:
So ist doch meine Müh vergebens;
Sie nennen ihn oft gar ein ungelegtes Ei,
Worauf kein Staat zu machen sei;
Sie trotzen auf ihr bar- und sichtbares Vermögen.
Der Handlungsglaube sprach dagegen:
Dein Argwohn, lieber Freund! geht diesfalls gar zu weit;
Das Handlungschristentum hat seine Richtigkeit
Bei vielen, ob schon nicht bei allen;
Seitdem der erste Mensch gefallen,
Fällt freilich mancher nach, den Geiz und Stolz erschleicht,
Und dessen Glaube sich oft höher nicht erstrecket,
Als etwan ungefähr das Dach, das ihn bedecket,
Nebst seines Hauses Giebel reicht;
Sein Glaube, wie gesagt, erstreckt sich in die Weite,
Nur in die Höhe nicht. Doch gibts auch Handelsleute,
Die durch ihr Christentum des Geizes Abweg fliehn,
Und stets beschäftigt sind, dem Reichtum ihrer Gaben,
Den Fleiß und Redlichkeit mit Recht erworben haben,
Durch die Verleugnungskraft den Himmel vorzuziehn.
So einen möcht ich sehn, versetzte voller Grämen
Der Glaube der Religion.
Komm mit mir! sprach sein Freund, Herr N.N. wird dir schon
Den Zweifel, den du trägst, mit leichter Müh benehmen;
Sein frommes Beispiel ist ein Wunder unsrer Zeit;
Sein unbeleidigtes Gewissen
Ist, wie ihm Freund und Feind dies Zeugnis geben müssen,
Beständig weit entfernt von Ungerechtigkeit;
Zu diesem mußt du mit mir gehen.
Sie kamen in sein Haus, und blieben unerkannt.
Dort bei der Stubentür, und zwar zur linken Hand,
In einem finstern Winkel stehen.
Es waren Leute da, die eben zu der Zeit
Für ihre acceptirte Tratten
Viel tausend Taler Geld hier zu erheben hatten,
Die unser Handelsmann auch ohne Schwierigkeit,
Und sonder Widerspruch, gleich bar zufrieden stellte,
Zum Zeugnis, daß bei ihm der Handlungsglaube gelte.
Der Glaube der Religion
Trat endlich auch hinzu, und bat zu vielen malen,
Der Kaufmann möcht ihm doch für Gottes Rechnung schon,
Zu seiner Notdurft auch zwölf harte Taler zahlen.
Doch sein Begehren fand nicht statt,
Er predigte hier einem Tauben.
Schau! sprach er zu dem Handlungsglauben,
Wie wenig Gott Kredit bei reichen Leuten hat,
Die auf sein Ansehn selten trauen,
Und auf ein Menschenwort oft goldne Berge bauen,
Die doch Betrug und Fall manchmal zu Schanden macht.
Das hätt ich nimmermehr gedacht,
Versetzte jener drauf; jedoch was hats zu sagen?
Es gibt noch andre gnug; wir müssen weiter fragen.
Der aber wollte nicht; sein Zweifel blies ihm ein,
Die andern könnten wohl vielleicht noch strenger sein.
* * *
So wars vor diesem nur; itzt ist es umgekehrt;
Itzt findet Gottes Wort beständig seinen Wert;
Itzt haben alle Handelsleute
Von der Barmherzigkeit den deutlichsten Begriff;
Sie wissen, daß der Fluch den strengen Geiz begleite,
Und daß des Armen Angstgeschrei
Ein auf ihr mildes Herz gestellter Wechselbrief
A vista zu bezahlen sei.
Der Komponist und
die Noten
Die Noten ließen sich den Hochmut einst verleiten,
Einander Ehr und Rang verächtlich abzustreiten.
Hör! sprach ein ganzer Takt zu einem Sechzehnteil,
Geh immer weg! geh! geh! ich mag dich nicht mehr sehen;
Trag deine Sense sonst wo feil,
Hier in der Partitur ist so nichts abzumähen.
Mein! sprach das Sechzehnteil, befehlt! ich bleibe stehn;
Denn euer Ausspruch ist doch wohl kein Herrngebote;
Im Ernst, ich weiche nicht; was soll ich weiter gehn?
Macht aus mir, was ihr wollt, ich bin doch eine Note,
Ich bin euch, wie ihr sprecht, an Geltung zwar nicht gleich;
Indessen singt man mich doch mit, so gut, als euch;
Mein Klang sei noch so kurz: So laß ich mich doch hören;
Der Sänger wollte denn so Takt als Ordnung stören.
O! sprach der ganze Takt, es singt dich niemand gern;
Du deutest stets auf Krieg, als ein geschwänzter Stern.
Denn wenn die Sänger sich zu sehr auf dir verweilen:
So regnets auf dem Chor oft Schläge, Stöß und Beulen.
Was? rief das Sechzehnteil, was geht das mich denn an?
Und wenn der Kantor Holz auf seinen Schülern hackte:
So kann ich nichts dafür; sie selbst sind Schuld daran,
Weswegen bleiben sie nicht besser in dem Takte?
Weswegen gibt man mir, mehr Zeit, als mir gehört?
Ich hab es wenigstens von keinem noch begehrt.
Inzwischen weil ihr mich so übel leiden könnt,
Und mir die Nachbarschaft hier neben euch nicht gönnt:
So redet mit dem Komponisten,
Damit er mich nicht mehr in eure Reihe schreibt;
Damit der Unverstand von seinen Choralisten
Bei eurer Langsamkeit fein in dem Schritte bleibt.
Sie gingen kurz hierauf den Notenschreiber an,
Hört! sagten sie, ihr habt beinahe gleiches Glücke
Mit dem berühmten Telemann;
Man tadelt eure Kirchenstücke,
Als fielen sie zu frei und theatralisch aus;
Wir wissen es zwar wohl, ihr macht euch nichts daraus;
Doch wenn ihr folgen wollt, die Schart ist auszuwetzen:
Gebt nur der Langsamkeit in Zukunft besser statt;
Ihr müßt einmal ein Stücke setzen,
Das lauter ganze Takte hat;
Schafft die geschwänzten Noten ab,
Die frommen Ohren stets so wild und weltlich klingen,
Und oft der Andacht selbst den schnöden Wanderstab
Recht künstlich in die Hände zwingen;
In Wahrheit, wenn ihr so verfahrt:
So wird euch kein Tartüff den Vorwurf weiter machen,
Als glaubtet ihr, die Kirchensachen,
Und ein Konzert bei Tisch, sei gleichsam einer Art.
Der Komponist erwog den angeführten Grund,
Und weil es nicht zu leugnen stund,
Daß Kunst und Hurtigkeit ihm viel Verdruß erwackten:
So setzt er drauf ein Stück von lauter ganzen Takten.
Er sprach: Zum wenigsten wird das was neues sein,
Und eben nicht zu lustig klingen.
Kaum aber ließ er es die Kinder Korah singen:
So schlief halb Israel schon vor der Predigt ein;
Die andre Hälfte schwur, vom Ekel eingenommen,
Es habe die Musik das Podagra bekommen.
Pfui! sprach man, das klingt lahm! Scheints nicht, daß Kunst
und Geist
Hier fast bis an die Knie im Kote mühsam bade?
Ja! ja! rief jedermann, es ist nur ewig Schade,
Daß unser Komponist nicht Mephibofeth heißt.
* * *
Die ernten Schimpf für Lob, die, wenn Verdruß entsteht,
Von einem Gegenteil gleich auf das andre fallen.
Der beste Weg ist unter allen
Der Weg, der in der Mitten geht.
Der leere Topf
Ein Bürger einer großen Stadt,
Die, glaub ich, in Europa liegt,
War, weil er viel zu brauen hat,
Mit einem Keller nicht vergnügt;
Er wollte deren zwei in seinem Hause haben,
Und fand, nachdem er kaum zwo Ellen tief gegraben,
Drauf einen leeren Topf, der einer Urne glich.
O schöne Rarität! Hierüber zankten sich
Die Leute, die so gern nach Altertümern schnappen,
Und an der Juno statt oft eine Wolk ertappen.
Man schrieb ein Buch davon, und machte diesen Fund,
Zum Trost der Christenheit, der Welt und Nachwelt kund.
Da mußte sich der Topf, umkränzt mit Lorbeerzweigen,
Auf einem Kupferblatt in Lebensgröße zeigen;
Und weil er oben zu ganz schmal und spitzig lief,
Erwies ein großer Mann durch einen langen Brief,
Der Name sei nicht recht; man werde sich betrügen;
Der Topf sei, allem Ansehn nach,
Ein Gleichnis einer Art von alten deutschen Krügen.
Der Autor, dem er widersprach,
Blieb dennoch steif dabei, sein Topf sei doch ein Topf,
Und schalt den Kritikum für einen Hasenkopf.
Ein starkes Argument! Der andre schimpfte wieder,
Und höhnte seinen Feind durch grobe Stachellieder.
Der Krieg der Union ward gleichsam wieder neu.
Ein Teil hing diesem an; ein Teil fiel jenem bei.
Die Töpfer fochten hier; dort kriegeten die Krüger;
Die waren nicht gescheit, und jene nicht viel klüger.
Vertragt euch! rief der Bürger aus;
Es kommt aus eurem Streit doch weiter nichts heraus,
Als daß die halbe Welt auf eure Rechnung lache;
Mir liegt zum wenigsten nichts an der ganzen Sache;
Es sei nun Topf und Krug, und wie man es begehrt:
Wem scheint ein leer Gefäß wohl so viel Redens wert?
* * *
Und doch wird dieser Zank noch täglich fortgestellt.
Indem die Kinder, dieser Welt
Sich immer noch, wie Hund und Katzen,
Um einen leeren Topf verfeinden, beißen, kratzen.
Die Hoffnung
besserer Zeit
Die Hoffnung besserer Zeit, nach der wir insgemein
Die größte Sehnsucht in uns tragen,
Nach der wir Menschen mehr, als nach Gott selber fragen,
Sprach einst in einer Stadt recht unversehens ein.
Die Bürger hießen sie wohl tausendmal willkommen;
Sie ward von jedermann begierig aufgenommen,
In Meinung, alle Not war auf einmal vorbei,
Da dies Palladium in ihren Mauern sei.
Gottlob! schrie jung und alt; nun haben wir gewonnen,
Nun ist der Tränenquell versiegt und verronnen!
Schweigt! rief die Hoffnung aus, was triumphieret ihr?
O hört erst, was ich will; ich komm und suche hier
Die Lebensbesserung, den Untergang der Sünde;
Und wo ich diese nicht in euern Werken finde:
So geh ich wieder fort. Ach! sprach ein alter Mann,
Dies ist, wofern ich mich noch recht besinnen kann,
Die Frau, die nächst einmal so viel zu reden machte,
Und die der Pfarr so oft mit auf die Kanzel brachte;
Die Lebensbesserung? Ja! ja! er hieß sie so;
Sie wohnt, ich weis es itzt so eigentlich nicht wo?
Gnug! sprach die Hoffnung, gnug! die Freundin, die ich
suche,
Befindet sich bei euch; doch nur im Predigtbuche;
Aus dieser Gegend wird noch kein gelobtes Land;
Lebt wohl! ich bleib euch auch dem Namen nach bekannt.
* * *
Es richtet sich das Glück beständig nach den Leuten;
Denn, wie die Menschen sind, so sind auch ihre Zeiten.
Der Kettenhund
Herr Türk, ein Kettenhund, der sehr bewahrsam war,
Und Haus und Hof bewachen mußte,
Auch, wenn ein Nachtdieb kam, den Vogt vor der Gefahr
Vernehmlich gnug zu warnen wußte,
Besprach sich oft mit einem andern Hunde,
Der aus der Nachbarschaft sehr fleißig zu ihm kam;
Besonders um die Mittagsstunde,
Wenn Türke Tafel hielt, der nur das Beste nahm,
Und an den Knochen sich stets satt und müde biß,
Die Brühe gegenteils dem armen Nachbar ließ.
Einst als die Tafel aufgehoben,
Fing Schwager Ringel sich hier zu beklagen an:
Er könne seinen Herrn nicht loben.
Dem er doch Dienste gnug getan,
Dafür er ihn manchmal beinah verhungern ließe,
Dieweil er seine Treu nicht zu erkennen wisse.
Du dienest, fuhr er fort, schon einem bessern Herrn;
Der seiner Leute Fleiß vollauf und recht belohnet.
Weil die Erkenntlichkeit sein mildes Herz bewohnet;
Ich gönne dir dein Glück zwar gern.
Und ohne daß ich dirs etwan aus Neid bebelle,
Ich wünschte mich gleichwohl ein Jahr an deine Stelle;
Hätt unsre Nation ein Himmelreich zu hoffen,
Dergleichen sich der Mensch, der Rede nach, verspricht;
Drauf stünde mir der Dienst bei deinem Herrn hier offen:
So wählt ich mir den Dienst, den Himmel möcht ich nicht;
Ich glaubte, als ein Hund, hier glücklich gnug zu leben.
Ach! sprach der Kettenherr, so wohl es auch um mich steht;
Der Pfau verdreust mich nur, der dort im Hofe geht;
Ich kann mich nicht zu gute geben;
Ihn loben Herr und Knecht, wer aber lobt denn mich?
Er hat es in der Tat viel besser noch, als ich;
Er schleicht nur so herum; er mag spazieren gehen,
Und darf den ganzen Tag nichts tun;
Ich muß hier angebunden stehen,
Und darf auch nicht einmal des Nachts gehörig ruhn.
Ich glaube, daß ich mich noch gar an ihm vergreife,
Ich darf nur meinen Vorteil sehn;
Denn kommt er mir zu nah: So ists um ihn geschehn;
Die Hand voll Blumen in dem Schweife,
Die ihm um seinen Hintern blühn,
Und aller Augen an sich ziehn,
Sind giftig, weil sie mir so viel Verdruß erwecken.
O Torheit! rief der Pfau, itzt merk ich, was dir ist;
Wie kannst du glücklich sein, wenn du so neidisch bist?
Ich möcht in deiner Haut nicht stecken,
Ich kenn die Mißgunst schon; sie ist die größte Plage,
Die auch dem Reichsten in der Welt,
Die allerbesten guten Tage,
Und zwar aus eigner Schuld, verleidet und vergällt.
* * *
Wen andrer Leute Wohlsein kränkt,
Kann bei dem größten Glück von keinem Glücke sagen;
Denn würd ihm auch von Gott die halbe Welt geschenkt:
So wird ihn darum doch der Neid noch immer nagen.
Denn wenn der Narr nicht auch die andre Hälfte kriegt:
So bleibt er, wie er war, und wie denn? mißvergnügt.
Der Hamster
Ein Hamster war vom frühen Morgen
Bis in die späte Nacht bemüht,
Sich auf den Winter zu versorgen;
Wie denn ein guter Wirt stets auf das Künftge sieht.
Er erntete voraus, und ging und trug sich selber
Der Ähren reife Frucht in seine Korngewölber,
Eh noch der Herr des Feldes kam,
Und diesen Zuwachs zu sich nahm.
Sein Nachbar, als ein Feind der klugen Sparsamkeit,
Versäumte die Gelegenheit,
Sich was zum voraus aufzuheben,
Und schlug die Warnungen des Alten in den Wind.
Man weiß, wie junge Leute sind,
Die von der Hand ins Maul und ohne Sorgen leben.
Weil gegenwärtig noch das angebaute Land
Voll auf in seinen Diensten stand:
So wollt er keine Wirtschaft treiben;
Als müßten hier und anderswo,
Die vollen Ähren immer so
Zu seiner Sättigung im Felde stehen bleiben.
Pfui! sprach er, seht mir doch den alten Geizhals an,
Der die Vergnügsamkeit durchaus in Bann getan;
Der auf den eignen Fleiß sein künftig Wohlsein bauet,
Sich selbst versorgen will, und nicht auf Gott vertrauet.
Der doch die ganze Welt ernährt,
Und jeglichem Geschöpf sein täglich Brot beschert.
Wer keinem Gott nicht glaubt, mag selbst nach Nahrung
streben;
Ich überlasse mich des Himmels Gütigkeit;
Mein Schatz ist die Zufriedenheit;
Ich will deswegen doch wohl leben.
Indessen kam der Herbst und plünderte das Feld.
Wie wenn ein siegend Heer im Lager und Gezelt
Sich in des Feindes Habschaft teilet,
Und eh nicht von der Wahlstatt eilet,
Bis alles aufgeräumt und ausgeplündert ist,
Wie denn dergleichen Volk nicht leichte was vergißt:
So eben hielten es auch hier die Bauersleute;
Sie bunden alles auf, und machten auf einmal
Das Feld der ganzen Gegend kahl;
Den armen Kindern blieb das übrige zur Beute,
Was ungefähr verstreut und in den Furchen lag.
Denn diese hatten hier recht ihren Ährentag;
Sie glaubten, daß die einzeln Ähren
Nur ihnen zugehörig wären.
Der Hamster hatte dies mit Augen selbst gesehn,
Er sah den Nachbar auch schon seines Schadens lachen,
Denkt, wie das schmerzen muß! Allein was wollt er machen?
Die Sache war und blieb geschehn;
Er hatte weiter nichts, als die Zufriedenheit,
Mit der er, weil sie ihm kein Brot zu schaffen wußte,
Den ganzen Winter durch, voll Scham und Reu und Leid,
Teils betteln gehn, teils stehlen mußte.
* * *
Wer der Gemächlichkeit zuliebe
Sich von dem Geiz zu weit entfernt,
Und die Zufriedenheit zu zeltig kennen lernt,
Wird, wenn er älter wird, zum Bettler oder Diebe.
Der Mann und das Weib
Ein Mann, der ungern schwieg, hatt ein verbißnes Weib,
Mit diesem kam er stets von Worten zu den Schlägen,
Und zwar des letzten Wortes wegen.
Es schien, als wär der Zank ihr bester Zeitvertreib;
Sie waren beide sehr empfindlich,
Und an Beredsamkeit beinah unüberwindlich.
Ihr Hauskrieg, der so alt, als ihre Hochzeit war,
Trat grad ins kleine Stufenjahr.
Weib! sprach der Mann, hör auf zu zanken!
Vergiß einmal den alten Streit;
Du weist ja, in der Welt hat alles seine Zeit.
Ich bin schon lange der Gedanken,
Erwiderte das Weib; allein, mein lieber Mann!
Ich seh nicht, wie der Krieg zu Ende kommen kann;
Du bist zu sehr in dich und in dein Recht verlebt.
So oft es was zu sagen gibt:
So soll ich, wie du meinst, gleich einem Stummen, passen,
Und dir das erste Wort, und auch das letzte, lassen.
Du weist ja, Mann und Weib, hat Last und Lust gemein;
Wo rechnet denn dein Eigensinn
Der Weiber höchstes Gut, die Lust zu reden, hin?
Soll die hier ausgenommen sein?
O nein! soll unter uns der liebe Friede walten:
Muß alles teilbar sein, das Reden auch sogar;
Dir bleibt das erste Wort, ich leid es ohn Gefahr;
Doch ding ich mir es aus, das letzte zu behalten.
Das duld ich nimmermehr, versetzte drauf der Mann,
Ich bin das Haupt, ich kann der Herrschaft nicht entsagen;
Du weist, warum ich dich oft braun und blau geschlagen;
Denn auf das letzte Wort kommt Recht und Unrecht an.
Gut! sprach das schlaue Weib, du bist mein Herr und Schatz,
Das ist und bleibt einmal ein unleugbarer Satz;
Doch wo dir anders was an Fried und Ruh gelegen:
So laß dich zum Vergleich bewegen;
(Sie fiel ihm um den Hals und küßt ihn auf das beste.)
Ich lasse dir dein Recht, und schweige Tag für Tag,
Wenn ich des Jahrs viermal, auf alle hohe Feste,
Das letzte Wort behalten mag.
Der Mann erlaubt ihr das. Es reute ihn zwar bald,
Der neuen Ordnung nachzuleben;
Doch überwand er sich, und tat sich selbst Gewalt,
Der Widersprecherin nach Wunsche Recht zu geben.
Viermal im Jahr, das ist nicht oft.
Indessen ward ers unverhofft
Und unvermerkt gewohnt, den Widerspruch zu hören.
Wie nun die Weiber jederzeit,
So bald ein Finger folgt, die ganze Hand begehren:
So griff die unsrige, durch ihre Freundlichkeit,
Nach diesem immer weiter fort,
So daß ihr Ausspruch und ihr Wort
Auch an Aposteltagen galt.
Kaum aber wars so weit gekommen:
So ward der Sonntag auch noch mit dazu genommen.
Der arme Mann kam dergestalt,
Wiewohl aus eigner Schuld, um Ansehn und Gewalt;
Und fand sich, weil für ihn kein andrer Rat zu fassen,
Zuletzt genötigt, zu allem gut zu sein,
Und seiner Herrscherin tagtäglich und allein,
Die ganze Woche durch, das letzte Wort zu lassen.
* * *
Das Recht der Herrschaft läuft beständig in Gefahr;
Und wenn es noch so fest auf seinem Grunde stände;
So bald es merklich wankt: So sinkt es endlich gar.
Wo schon ein Anfang ist, da kommt es auch zum Ende.
Der Baugeist
und die Büchersucht
Der Baugeist und die Büchersucht
Beraubten einst den Geiz, der seines Schweißes Frucht,
Sein schönerschundnes Geld zwar fleißig gnug bewachte,
Itzt aber sich umsonst um Schlaf und Ruhe brachte.
Sie sagten ihm: Gib her! du brauchst den Reichtum nicht,
Der nur bei dir gefangen sitzet,
Und, trotz der Forderung der allgemeinen Pflicht!
Den Nebenmenschen gar nichts nützet.
Was sperrst du dich? Gib her! entschütte dich der Last,
An der du ohnedem zu schwer zu tragen hast!
Der Geldgeiz kratzte sich im Kopfe;
Warum? er sah sich übermannt;
Inzwischen hofft er doch, sie würden von dem Topfe,
Der auf dem Taubensöller stand,
Noch weniger den Wert von dessen Inhalt wissen;
Und wenn sie ihm nur den noch ließen:
So hätt es keine Not um ihn und um sein Haus.
Zu allem Unglück war die Sache schon verraten.
Die Räuber rochen gleich das Fett von diesem Braten,
Und räumten überall mit größter Sorgfalt aus.
Der Geiz ward bettelarm; er klagte nach der Zeit
Sein Elend der Gerechtigkeit,
Und bat um Hülf und Trost für den erlittnen Schaden.
Die Räuber wurden gleich vor ihren Thron geladen.
Hört! sprach die Richterin, man klagt hier über euch,
Ihr wäret unter Lichts zu dem und dem gekommen,
Und hättet ihm sein Geld genommen;
Gebt Antwort! ist das wahr? Ja! schrieen sie zugleich,
Allein wir bitten, uns deswegen
Mit keiner Strafe zu belegen;
Der Endzweck unsrer Tat ist wohlgemeint und gut;
Denn weil Herr Euclis viel hat und nichts vertut;
Wir aber viel vertun, und gleichwohl nichts besitzen:
So haben wir getauscht; sein unbrauchbares Geld
Wird, da es unser ist, der Welt
Ins künftige schon besser nützen.
Und, sprach die Richterin, gesteht uns doch nur frei,
Was diesfalls euer Vorsatz sei;
Gesetzt, es blieben euch die barattierten Sachen:
Wie wollt ihr sie der Welt und euch zu Nutzen machen?
Ich, sprach der Baugeist, will zur Zierde unsrer Stadt,
Mein Haus, das itzund noch kein rechtes Ansehn hat,
In eine neue Forme gießen,
So daß es Freund und Feind einst wird bewundern müssen.
Ich, sprach die Büchersucht, ich will mir für das Geld,
Das hier auf meinen Anteil fällt,
Durch eine Sammlung kluger Schriften,
Ein ewig Angedenken stiften;
Es ist doch eine Tat, die Ruhm und Lob erwirbt,
Wenn ein gelehrter Mann, wie unsereiner, stirbt.
Und hübsch viel Bücher hinterlassen,
Daß zwanzig Bogen kaum die Namen davon fassen.
Gut! sagte die Gerechtigkeit,
Vernehmt nun auch von mir den rechtlichen Bescheid!
Teilt das geraubte Geld sogleich
In dreien Teilen unter euch,
Auf daß dem Kläger auch was bleibe,
Damit ihn der Verlust nicht zur Verzweiflung treibe.
Als der Befehl vollzogen war,
Bekam ein jeglicher dreitausend Taler bar.
Geht, sprach die Richterin, und macht nun meinetwegen,
Was euch am besten dünkt; ihr habt die freie Wahl,
Das hier erhaltne Kapital
Nach eigner Willkür anzulegen;
Der Ausspruch, ob ihr klug, vielleicht auch närrisch, seid,
Kommt euern Kindern zu, die werden mit der Zeit
Euch, wie ihr es verdient, das Lob zu preisen wissen.
Der Baugeist, der zuerst die Welt gesegnen müssen,
Verließ den Seinigen ein schönerbautes Haus,
Nebst vielen draufgemachten Schulden.
Es ward hierauf verkauft für dreimal tausend Gulden;
So viel betrug die Schuld, und mehr kam nicht heraus.
Pfui! sprach der älteste Sohn, ist unser Vater nicht
Ein rechter schlechter Wirt gewesen,
Der Stein und Kalk und Sand zu seinem Trost erlesen,
Dafür uns itzt das Brot gebricht;
Er hat sich satt gebaut, und läßt uns, seine Erben,
Nunmehr vor Durst und Hunger sterben.
Die Büchersucht ging auch kurz drauf den Weg der Welt;
Die Kinder nahmen nun, wie leicht zu gedenken,
Die teuren Bücher aus den Schränken;
Man hielt mit Auktion und setzte sie ins Geld;
Allein der Markt war schlecht, weil alte Bücher selten
Mehr als den dritten Teil der eignen Kosten gelten.
O Torheit, sagten sie, wie schädlich zeigst du dich!
Unnötiger Verlust, den wir hier leiden müssen!
Der Büchersammler hat hierbei recht liederlich
Sein Geld, uns zum Verdruß, die Hälfte weggeschmissen.
Der Geiz mußt endlich auch in seiner Ordnung sterben,
Der hinterließ nun seinen Erben,
Bei seinem Scheiden aus der Welt,
Das aufgehobne bare Geld.
Seht! sagten sie, der Ehrenmann!
Der hat, nach Art der lieben Alten,
Trotz daß es jemand leugnen kann!
Recht klug und weislich hausgehalten.
* * *
Wer alles, was ihm Gott beschert,
In Stein und in Papier verkehrt,
Bestiehlt sein eigen Volk. Was Wunder? wenn die Seinen
Die Torheit seiner Hand mehr, als ihn selbst, beweinen.
Die Pferde
Die Fuhrleut blieben über Nacht
In einem Dorfe stille liegen;
Sie hatten hier ihr Vieh kaum in den Stall gebracht:
So ließ ein Teil davon schon tausend Klagen fliegen.
Ach! sprach ein Sattelpferd, wie geht man mit uns um!
Wie werden wir verflucht, verwünscht und ausgeschändet!
Der böse Geist hat wohl den Kutscher gar verblendet;
Er schilt den ganzen Tag, und peitscht um sich herum,
Als könnt er Maul und Arm unmöglich stille halten;
Wir ließen ihn zwar gern, nach seiner Torheit, walten,
Indem er ohnedem nur mit der Geißel spielt,
Daß unsereiner kaum den zehnten Hieb recht fühlt:
Allein es muß uns doch der Ehre wegen kränken;
Denn wenn es jemand sieht und hört:
So muß er, uns zur Schande, denken,
Wir wären keinen Henker wert.
Inzwischen weil der Narr beständig auf uns schlägt,
Beständig auf uns flucht: so flucht er tauben Ohren;
So tun wir, wenn uns auch ein Schmitz zu treffen pflegt,
Als hätten wir schon längst die Fühlung gar verloren.
Was klagt ihr denn? versetzten drauf
Die Pferde von dem andern Wagen;
Wir könnten noch wohl mehr von Not und Elend sagen;
Der Weg sei, wie er will, Berg unter und Berg auf:
So müssen wir doch stets in einem Takte ziehen.
Ha! sprach das Sattelpferd, das tät ich nimmermehr!
Wenn ich bei eurem Herrn, wie ihr, in Diensten wär,
Ich würde mich gewiß noch weniger bemühen;
Warum? er gibt euch ja manchmal den ganzen Tag
Kein unbescheidnes Wort, geschweige einen Schlag.
Schon gut, versetzten jene wieder,
Ihr wißt nur nicht, ihr Herren Brüder!
Wie weh ein einzger Schmitz von seinen Händen tut;
Er schlägt zwar selten, aber gut,
So daß wir allemal die ausgelaufnen Schwülen
Zum wenigsten vier Wochen fühlen;
Er hat das Peitschen recht gelernt,
Indem von seinen kleinsten Hieben
Die Haare Flockenweise stieben.
Gesetzt auch, daß der Schmerz sich nach und nach entfernt:
So muß uns doch die Furcht vor seinen künftgen Schlägen,
Zu allem, was er will, bewegen;
Indem er, wie ihr seht, nur auf uns reden darf:
So zittern wir vor Angst; so fühlen unsre Lenden,
Aus Furcht, im Geiste schon den Blitz in seinen Händen;
Drum sprecht nur nicht, er sei nicht scharf.
* * *
Wer selbst zu furchtsam schlägt, und mit der Rute spielt,
Wird, auch mit wiederholten Schlägen,
Bei Kindern wenig Scheu und schlechte Furcht erregen.
Wer selten strafen will, der strafe, daß mans fühlt.
Das Lamm
Dort, wo sich Tag für Tag das heiße Mlttagslicht
An einem hohen Felsen bricht,
Der, weil sein Schatten sich tief in das Land erstrecket.
Gleich als ein Sonnenschirm, das nahe Tal bedecket;
Da ließ Menalcas insgemein
Sein Schafvieh weiden gehn, um auf den grünen Rasen
Die fetten Kräuter abzugrasen;
Er aber setzte sich bei Seit auf einen Stein,
Und sang, und machte hier mit seinem Hirtenliede
Das nachbarliche Echo müde;
Denn dieses gab den Schall wohl siebenfach zurück.
Das war der Schafe Tischmusik
Bei ihrer grünen Gasterei.
So bald die Sättigung vorbei:
So hielt man gleichsam Ball; so hüpft und sprang die Herde.
Die stärksten forderten einander auf den Schmaus,
Im Scherz zu einem Zweikampf aus,
Zu sehen, wer an Stärk dem andern weichen werde.
Indem nun diese sich hier Mann für Mann bemühten,
Der dem, der jenem dort, so Stirn als Kopf zu bieten:
So rannt ein kleines Lamm, damit ihm einst der Streit
Mit seinesgleichen glücken sollte,
Zur Übung an den Fels, mit größter Heftigkeit,
Als wenn es Klipp und Berg zu Boden laufen wollte.
Es prallte zwar zurück, kam aber immer wieder,
Und rannte, wen? den Fels? o nein! sich selber, nieder.
Der Schäfer jagt es endlich fort,
Aus Vorsicht, weil das Lamm nicht Maß zu halten wisse,
Damit sichs, wie es schien, nicht etwan gar erstieße.
Doch eh er sichs versah, so war es wieder dort,
Und härtete sich seine Stirne
Durch dieses Felsenrennen ab.
Inzwischen warf ein Kind, das darauf Achtung gab,
Das Lamm von obenher mit einer teigen Birne.
O wie erschrack es itzt! wie fiel ihm Herz und Mut!
Es glaubt in aller Angst, der Fels stürz übern Haufen,
Weil seine Stirn so oft daran zu Sturm gelaufen.
O seht, was Furcht und Einfalt tut!
Von nun an ging das Lamm der Klippe nicht mehr nah;
Und wenn es ja aus Zwang geschah:
So traut es sich doch nicht, den Fels mehr anzurühren,
Aus Furcht, durch seinen Fall das Leben zu verlieren.
* * *
Der Grund zu dieser Furcht sieht trefflich kindisch aus.
O Mensch! schau, deine Furcht läuft gleich so lahm hinaus!
Die Einfalt läßt sich oft mit Dingen furchtsam machen,
Worüber kluge Leute lachen.
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