Fabelverzeichnis

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Buch 2
 
Der Hund
Der kindliche Gehorsam
Das Tal und die Berge
Der Pfau

Der Hund und die Katzen
Der Wolf und das Schwein
Der Sklave
Die Fliegen
Die Arbeiter
Das Hundebegräbnis
Der Nordwind und die Sonne
Der Bauer und der Weinstock
Das Pferd
Der Esel
Der Schüler und der Hut
Der Leuchter und das Licht
Der Tod und der Schlaf

 
Der Hottentotte
Das Echo
Die zwo Seelen
Der Bauer und der Acker
Der Jagdhund
Der Europäer
Der alte Mann und die Kinder
Die Tadler

 

Der Hund

Ein Mops, der in der Welt sich trefflich umgesehn,
Und auch dasjenige, was hier und da geschehn,
Gar artig zu erzählen wußte,
War, wenn er in Gesellschaft kam,
Der andern Zeitvertreib, indem er ihren Gram
Durch manch Histörchen stillen mußte.

Er kam mit seinem Herrn, vor nicht gar langer Zeit,
Zu Junker Hansens Hochzeitfeste,
Und vergrößerte, bei der Gelegenheit,
Die Zahl der ungebetnen Gäste.
Er hatte grade noch gefehlt,
Und war der Vierzigste, wofern ich recht gezählt.
Bei so viel Hunden ward Gang, Haus und Hof Gedränge,
Man hatte Not genug, daß man nur keinen trat.

Dem Koche selbst ward in der Tat
Vor so viel Nebentischern bange,
Die, wenn sie in die Küche kamen,
Ihm, eh er sichs versah, das Fleisch vom Spieße nahmen;
Er prügelte gewaltig zu,
Und dennoch ließen ihm die Hunde keine Ruh.
Mops war der ehrlichste; der ging nicht von der Stelle;
Er lag im Winkel dort, unweit der Stubenschwelle,
Und plauderte sich da nach Wunsche müd und satt,
Mit einem Pudel aus der Stadt.

Die Trauung sollte noch geschehen.
Ach! hub der Pudel an, das Ding, das muß ich sehen;
Ich bin ein Kerl, der gern was Neues sieht und hört;
Sobald man in die Kirche fährt:
So will, so werd ich mich, zu meinem großen Glück,
Schon wissen mit hinein zu dringen;
Die angestellte Brautmusik
Soll, hör ich, gar vortrefflich klingen.
O ja! versetzte Mops. Es wird dich nicht gereuen,
Lauf immer mit und dräng dich auf das Chor!
Ich hab es schon gesehn; mir tut so Kopf als Ohr
Noch heut zu Tage weh von dem empfundnen Schreien.
Wie, fragte Pudel, siehts mit der Musik denn aus?
Beschreib mirs doch ein wenig zum voraus.

Hier steht, verfolgte Mops, ein groß- und schwarzer Mann,
Der seinen rechten Arm nicht stille halten kann;
Er schleudert ihn bald auf, bald wieder unterwärts,
Um, weil er in dem Ernst die Leute nicht darf schlagen,
Durch diesen fürchterlichen Scherz
Der Jugend neben ihm ein Schrecken einzujagen.
Es hält ein jedes Kind ein Blatt in seiner Hand;
Was drauf geschrieben steht, das ist mir nicht bekannt,
Vielleicht ists ein Bericht von lauter Mordgeschichten;
Die Rute wenigstens muß drauf gemalet sein;
Sie fangen allemal erbärmlich an zu schrein,
So oft sie das Gesicht auf ihre Blätter richten.
Nächst diesen sah ich auch noch zwo Perücken stehn;
Wem die gehörten, das kann ich nicht mehr wissen;
Doch das gedenkt mich noch, sie fingerten gar schön
Auf gelben Prügelchen, worein sie stattlich bliesen.
Ein Blaurock, der daneben stund,
Nahm einen gelben Wurm in Mund;
Und weil er ihm vielleicht den Kopf halb abgebissen:
So schrie der arme Wurm so gar erschrecklich sehr,
Als wenn er wirklich schon dem Tod im Rachen wär.
Das aber, wie mich dünkt, war hier der größte Spaß,
Daß ein gewisser Herr bei einem Kasten saß,
Auf welchem eine lange Reihe
Von gelb- und schwarzen Hölzchen lag.
So bald er stark drauf schlug, erhob sich ein Geschreie,
Daß jedermann davor erschrak;
Da ließ er auf einmal viel tausend Amseln pfeifen,
So daß der Schall davon den Turm gefährlich wog;
Im Gegenteil, bei seinem sachten Greifen,
Piept allemal ein junges Huhn,
Und zwar so lang in einem Tun,
Bis der vergriffne Herr die Hand zurücke zog;
Sie nannten ihn den Organist.

Itzund besinn ich mich, versetzte Pudel, wieder;
Ich habe viel gehört von einem meiner Brüder,
Daß dieser Hühnervogt ein großer Künstler ist,
Den niemand ohn Entzückung höre.
Den jedermann bewundre, lieb und ehre.

Hoho! rief unser Mops. Mit Gunst!
Ein Organist zu sein ist eben keine Kunst;
Die Hühner müßten denn mit allem Fleiße passen,
Sonst will ich sie so gut, als jemand, schreien lassen;
Ich weis schon, wie mans macht. Mops nahm nun den Entschluß,
Mit auf das Chor zu Zehn und seinen Mann zu weisen.

Er lief und nahm den Pudel mit;
Der sollte nach der Zeit sein Lob bei andern preisen.
Der Bräutgam und die Braut tat gleich den letzten Schritt
An den geweihten Ort, wo man sie trauen sollte;
Der rechte Organist saß schon und griff drauf los;
Der Anfang war versäumt. Weswegen Mops beschloß,
Daß er nach diesem sich der Welt schon zeigen wollte.
Er mußte mit Verdruß die längste Weile rasten,
Bis endlich auch an ihn die Reih zu greifen kam.
Denn als die Vormusik ihr frohes Ende nahm:
Verließ der Organist den Sitz bei seinem Kasten,
Trat bei dem Brustbaum hin, und sah in stiller Ruh
Der angegangnen Trauung zu;

Sogleich sprang unser Hund, mit schnell-bewegten Füßen,
Auf dem Pedal herum, und orgelte recht grob.
Den alten Organist schien dieses zu verdrießen,
Und da sein Substitut sich in die Höhe hob,
Die schwarzen Hölzchen zu berühren:
So gab er ihm so gleich das Trinkgeld vor den Kopf,
Und hinderte dadurch den unverschämten Tropf
An seinem weitern Musizieren.

Der Hund erzürnte sich, fing selber an zu schrein,
Und biß den, der ihn schlug, aus Rachsucht in das Bein.
Durch dieses lärmen nun, wie leicht zu denken ist,
Ward das gesamte Chor auf einmal wild und rege.
Der unbefugte Organist
Bekam für seine Müh recht sehr viel Stoß und Schläge.
Das war sein unverhoffter Lohn.
Er schlich mit seiner Kunst nunmehr beschämt davon,
Und schwur, selbst wenn ihn auch die Leute darum bäten,
Die Orgel und das Chor nicht wieder zu betreten.

*  *  *

Als ein Historikus war unser Hund schon recht;
Doch als ein Organist bestund er gar zu schlecht.

Der kindliche Gehorsam

Einst ward in einer großen Stadt,
Worin der Eigensinn sehr viel zu sprechen hat,
Der kindliche Gehorsam krank;
Und zwar aus Ärgernis, weil man ihm schlechten Dank
Für sein Bemühn zu geben pflegte.
Die Jugend war ihm gram. Er predigte zu sehr.
Man sprach, so bald er sich ins Krankenbette legte:
O wenn er schon gestorben wär!
Nur bloß was alte Leute waren,
Die schienen sich daher nichts Gutes zu befahren,
Und wünschten ihn bald wiederum gesund.

Man hielt ihm einen Arzt; allein das war der rechte;
Ein Mann, der seine Kunst vollkommen schlecht verstund,
Und den ich nimmermehr zum Doktor haben möchte;
Ein Mann, der jährlich mehr, als tausend Leichen zählt.
Die Kinder hatten ihn mit Fleiß dazu erwählt.
Er tat sein Bestes hier. Die Krankheit ward nun immer
Von Tag zu Tage desto schlimmer.
Man zählte noch kein halbes Vierteljahr:
So starb der Patiente gar.

Sein Tod ward schlecht beweint, wohl aber gnug belacht.
Denn weil man sich aus ihm Zeitlebens nichts gemacht:
So trieb das junge Volk noch drüber sein Gespötte,
Als wenn es weiter nichts damit zu sagen hätte.
Dem Doktor, als Patron der Leiche,
Ward seine Müh, bei dem vollzognen Streiche,
Gleich bar und reichlich gnug bezahlt.
Die liebe Jugend ließ nun ihren Feind begraben;
Doch der Verstorbne ward vorher erst abgemalt.
Ihr wißt, wie Kinder sind, die gerne Bilder haben.
Man hing das Konterfei, in einem Tempel auf;
Doch was geschah? man fand des andern Tages drauf
Das Wohlergehn und auch das lange Leben,
Natürlich abgemalt daneben.
Die Kinder wunderten sich gar erschrecklich sehr,
Und wußten nicht, woher die andern Bilder kämen,
Noch was damit gemeinet wär.
Sie wollten sie herunter nehmen;
Doch eine Stimme sprach: Ihr Toren, haltet ein!
Laßt dieses Kleeblatt hier beisammen ruhig sein;
Was Gott zusammen fügt, das soll der Mensch nicht scheiden;
Wer den Gehorsam flieht, muß Glück und Alter meiden.

Dies traf auch richtig zu. Das Wohlergehn verdarb,
Die Schwindsucht zehrt es ab, die Not ward allgemein:
Doch schien das noch ein Glück zu sein,
Daß auch zu gleicher Zeit das lange Leben starb.

Das Tal und die Berge

Gott, der die Berge schuf, schuf auch das Tal zugleich,
Ein jedes mit besondern Gaben;
Was dem zu fehlen schien, schien der zu viel zu haben.
Der Schöpfer sprach: Vertragt euch!
Ihr Berge sonderlich vertragt euch mit den Tälern,
Denn euer Überfluß beruht auf ihren Fehlern.

Allein der Hochmut nahm die Berge dennoch ein;
Ihr Täler! schrieen sie, ihr macht euch zu gemein;
Gebraucht mehr Höflichkeit und geht zu eures gleichen.
Ihr Herren! rief ein Tal, wir werden schwerlich weichen;
Wenn ihr gleich höher seid als wir:
Genug! daß wir tiefer sind als ihr.
Zudem so müßt ihr ja auf unsere Kosten leben;
Was uns Gott abgekürzt, das hat er euch gegeben;
Daß ihr erhabner seid, rührt nicht von eurer Wahl,
O nein! das stund bei dem, der uns erschaffen hat;
Denn fände zwischen uns die gleiche Teilung statt,
So wäre weder Berg noch Tal.

Die Berge wollten noch nicht Fried' und Freundschaft hegen;
Sie taten unerträglich groß
Und schimpften unerlaubt auf ihre Nachbarn los.
Der eine Berg war sonderlich verwegen;
Und da er auf den Fall der nahen Täler drang,
So stellte er sich mit Fleiß, als wenn er niesen wollte,
Damit durch die Erschütterung
Ein losgerissner Stein das Tal erschlagen sollte.
Allein der weise Gott, der darauf Achtung gab,
Daß jegliches Geschöpf in seinen Schranken bliebe,
Damit der Größere den Kleinern nicht vertriebe,
Warf endlich selbst den Berg zur Straf' ins Tal hinab
Und machte Berg und Tal dadurch zum ebnen Lande.

*  *  *

Ihr Menschen von erhabnem Stande!
Die Fabel zielt auf euch. Seht her! und stellt euch hier
Den umgeworfnen Berg zu eurem Beispiel für.

Der Pfau

Der Kaiser in der Luft, ein Adler, lag im Neste,
Und war an einem Fieber krank;
Doch wars zum Sterben nicht. Das war hier noch das Beste.
Inzwischen wurd ihm doch so Zeit als Weile lang.
Sein Ministerium hielt dessentwegen Rat;
Man fiel auf das Projekt, so gleich durch ein Mandat
Die besten Sänger zu verschreiben,
Um ihm die Grillen zu vertreiben.

Was nun der Hof befiehlt, das wird auch gleich getan.
Die Vögel flogen allenthalben
In großer Zahl herbei, von Nachtigallen an
Bis auf die zwitscherhaften Schwalben.
Der Pfau flog gleichfalls mit, und bildete sich ein,
Man würd ihn zum Direktor machen.
Denn, sprach er, ists nicht wahr? ich kann am stärksten schrein.
Ein Star fing drüber an zu lachen.
Was? rief der Pfau. Es scheint, ihr wollt euch meiner schämen;
Er schwur, er ließe sich den Vorzug keinen nehmen,
Er wüßte schon dem Amte vorzustehn.

Die Probe sollte vor sich gehn.
Das ganze Chor fing an, und sang zu gleicher Zeit,
Das herrlichste Choral mit größter Zierlichkeit.
Wie nun bei der Musik, die nichts als Anmut hegt,
Beständig Schmerz und Unlust passen:
So ward auch der Monarch, statt daß er Grillen fing,
Zu tausend Freud und Lust bewegt.
Drauf sollt ein jeder sich besonders hören lassen.
So lang als alles tutti ging,
So hatt es mit dem Pfau nicht eben viel zu sagen,
Man konnte sein Geschrei mit unter schon vertragen.
So bald man nun das Zeichen gab:
So sang der Zeisig erst sein zähes Rindfleisch ab.
Die Lerche war hierauf bemüht,
Ihr schönes Leib-und Morgenlied,
(Wie Opitz es verdeutscht) ihr: Dir, dir, Gott! allein
Dir, dir, dir will ich dankbar sein,
Mit vielem Beifall abzusingen.
Nach diesem hörte man der Wachtel Bacbrabac
Zwölfmal in einem Tun durch Luft und Wald erklingen;
Die Finke suchte drauf durch ihren längsten Schlag,
Den sie gewaltig-schnell aus Lung und Kehle stieß,
Das: Reitzu! deutlich nachzusprechen.
Kein Vogel konnte sich, der Reihe nach, entbrechen,
Daß er sich nicht besonders hören ließ;
Ein jeder ließ sein Lied erschallen.

Der Adler hörte stets mit innigstem Gefallen
Dem Wettstreit seiner Sänger zu.
Sie waren alle durch; der Pfau war noch zurücke.
Der Kaiser winkt' ihm selbst mit gnadenvollem Blicke;
Nu, sprach er, laß doch sehn, wie schöne singst denn du?
Denn klingt dein Lied so schön, als deine Federn sein:
So ist der Rang ohn allen Zweifel dein.
Der stolze Pfau fing endlich an zu schrein:
Pfau! Pfau! und immer Pfau! sonst wußt er nichts zu sagen.
O, rief der Adler, schweig! das kann ich nicht vertragen;
Du singst ja gar erbärmlich-schön;
Dein halbes Katzenlied beschimpft das prächtge Kleid
Durch deiner Stimme Häßlichkeit;
Du magst ins Chor der Eulen gehn;
Inzwischen ist es nur um deine Federn Schade;
Ihr andern insgesamt versprecht euch meine Gnade.

*  *  *

Diejenigen, die wie der Pfau, befließen,
Stets ihren Namen auszuschrein,
Tun auch dadurch zugleich der ganzen Welt zu wissen,
Daß sie nur bloße Namen sein,
Aus denen in der Tat so viel als nichts zu machen;
Denn Hochmut ohn Verdienst zwingt jedermann zum Lachen.

Der Hund und die Katzen

Ein Kind, das im Begriffe stund,
Sich in die Schule zu verfügen,
Hatt auf dem ABC ein Stückchen Kuchen liegen.
Dies sah ein großer Fleischerhund;
Und weil ihm gleich das Morgenbrot gebrach:
So ließ er sich den Appetit verblenden;
Er schlich dem kleinen Schüler nach,
Und riß ihm unvermerkt das Frühstuck aus den Händen.
Der Knabe hatte sich des Streiches nicht versehn;
Er wußte nichts von dem, was hinter ihm geschehn,
Und ging und trug noch stets den Kuchen in dem Sinne.

Dies sahen nun zwo Katzen auf der Rinne;
Sie konnten beiderseits den Hund nicht gnug verfluchen.
Man seh doch, sprachen sie, des Räubers Bosheit an!
Der Knabe hat ihm nichts getan.
Und dennoch stiehlt er ihm den Kuchen;
Ach! sollte das den Himmel nicht verdrießen?
Doch so ein Kerl hat kein Gewissen.
Sie machten ihn erbärmlich aus.

Indessen schlichen sich die heiligen Gespenster
Zu einem offnen Kammerfenster
In ihres Nachbars Taubenhaus.
Die Kinder hatten hier ihr Trinkgeld angelegt,
An zwei Paar schwarzgeschirrte Tauben;
Und diese wurden hier zu ihrer Lust verpflegt.
Die Katzen fraßen sie. Wer sollte das wohl glauben,
Von Leuten, die sich doch vorher so weiß gebrennt?
Wer kann uns, sprachen sie, deswegen wohl verfluchen?
Ein jedes Tier muß seine Nahrung suchen.
Kurzum, der Hunger war ihr bestes Argument.

*  *  *

Was andre tun, ist schlimm; was wir tun, das ist recht;
Als wär nur bloß der Schmutz der Sünden
An andern, nicht an uns, zu finden.
Man ist sich selbst so nah, und kennt sich doch so schlecht!

Der Wolf und das Schwein

Ein Wolf verfolgt ein wildes Schwein.
Er hatte manches schon in seinen Bauch begraben.
Das Schwein sprang in der Angst auf einen hohen Stein;
Hier wußt ihm nun sein Feind nichts weiter anzuhaben,
Als daß er es belagert hielt.
Sein Anfall war bereits schon zweimal abgeschlagen;
Drum wollt er keinen Sturm mehr wagen.
Wer klug ist, wählt die List, wo die Gewalt nichts gilt.
Weil dem Belagerten schwer beizukommen war:
Rief ihm der schlaue Wolf, zu Meidung der Gefahr,
Mit guten Worten zu, er sollte sich ergeben.
Komm, sprach er, steig herab! Ein Schelm, der dir was tut!
Wir können ja in Fried und Freundschaft leben;
Verlaß den falschen Wahn, als wär ich dir nicht gut!
Ich trage gegen dich wahrhaftig keinen Haß;
Denn daß ich dich verfolgt, das war nur so mein Spaß;
Itzt ists mein ganzer Ernst, du magst mir immer trauen.

Das läßt sich hören, rief das Schwein:
Doch auf dein Wort ist nicht zu bauen;
Ich kenn dich schon, mein Freund! du kannst versichert sein,
Ich werde mich so leicht des Vorteils nicht begeben;
Geh nur! das wirst du nicht erleben.
Bleib droben! schrie der Wolf, ich will hier Wache stehn;
Du wirst mir doch wohl nicht entgehn,
Ich werde dich schon auszuhungern wissen;
Ich habe manchmal schon acht Tage fasten müssen;
Du bist das ungewohnt; mir fällt es gar nicht schwer;
Die Mahlzeit wird mir drauf um desto besser schmecken.
Der Wolf, der schlaue Gast, bemühte sich nunmehr
Den erstbesagten Schluß behutsam zu vollstrecken,
Das Schwein war wirklich übel dran.

Zween Tage giengen hin. Der Hunger kam nun an,
Der dem Belagerten so viel zu schaffen machte,
Daß ihm die längre Qual fast unerträglich schien,
Die ihn auch endlich gar zu dem Entschlusse brachte,
Den Tod dem Hunger vorzuziehn;
Er konnte ohnedem kaum einen Tag noch leben,
Und wollte wirklich schon die Festung übergeben:
Als gleich ein Schuß geschah, der den Belagrer traf.
Die Jäger hatten ihm schon lange nachgespüret;
Weil er zeithero manches Schaf
Den Hirten mit Gewalt entführet;
Hier trafen sie ihn an; hier hielt er ihnen Stand;
Es mußt auch alles sich zu ihrem Vorteil schicken.

Der Räuber sah mit unverwandten Blicken
Nur stets auf seinen Raub, den er hier vor sich fand.
Und ward es nicht gewahr, daß jemand nach ihm zielte,
Bis er das heiße Blei in Lung und Herze fühlte;
Wiewohl er fühlt es kaum: So sank, so lag er schon.
Das Schwein ging auf den Schuß gleich durch und kam davon.

*  *  *

Der eigne Untergang ist oft der Arbeit Frucht,
Die durch des Nächsten Fall sich zu bereichern sucht.

Der Sklave

Ein Neger, welcher Botschaft lief,
Mußt einen Korb, worin Orangen lagen,
Und einen zugeschloßnen Brief,
Von Lima nach Potosi tragen.
Dem Sklaven fiel der Weg zu Fuße ziemlich schwer;
Er schien zuletzt fast ganz von Kraft und Atem leer.
Er tat, was müde Leute tun;
Er setzte sich, um auszuruhn,
Jedoch behielt er stets den Korb in dem Gesichte.
Hier sah er die Orangenfrüchte
Die längste Zeit mit heißer Sehnsucht an,
Und endlich ließ er sich den Appetit verleiten;
Er wagt es, und vergriff sich dran.
Er sah sich um von allen Seiten,
Ob etwa ein Spion, der ihn verraten möchte,
Dem Raube zugesehn. Die Straße war ganz leer:
Drum macht er sich auch kein Gewissen mehr;
Er schmauste, wie gesagt, von neuem wacker drauf.
Und zehrte die Orangen auf,
Der Meinung, wenn er nur das Schreiben überbrachte:
So hätt es weiter nichts zu sagen.

Doch eben dieser Brief, der sein Verräter war,
Wies seinen Diebstahl offenbar.
Er ward von seinem Herrn dafür halb tot geschlagen.
Drauf schickte man ihn wieder fort,
An eben diesen Freund, an eben diesen Ort;
Die Fracht war, wie zuvor, ein Korb mit neuen Früchten.
Dabei lag wiederum ein Brief.
Der Sklave, da er sich von neuem durstig lief,
Fing an auf eine List zu dichten,
Den Diebstahl ungestraft und klüger zu verrichten,
Mein! überlegt doch nur den großen Unverstand!
Er nahm den Brief, vergrub ihn in den Sand,
Noch eh er die Orangen stahl;
Durch welche List er denn verhindern wollte,
Daß ihn der Brief nicht noch einmal
Bei seinem Herrn verraten sollte;
Er deckte noch dazu den Mantel oben drauf,
Entfernte sich davon beinahe hundert Schritte,
Und fraß mit ruhigem Gemüte
Die ganzen Früchte wieder auf,
So viel derselbigen in seinem Korbe waren.
So macht mans, hörte man ihn schrein,
Wenn man nicht will verraten sein;
Unmöglich kann mein Herr etwas davon erfahren;
Sein Brief hat diesmal nichts gesehn.

Die Mahlzeit war vollbracht; der Diebstahl war geschehn;
Der Sklave grub den Brief, da, wo er ihn verborgen,
Recht triumphierend wieder aus,
Und ging und trug ihn ohne Sorgen
An den bestimmten Ort, in das bewußte Haus;
In Hoffnung, daß er schweigen müßte,
Weil er so viel, als nichts, von dem Vergangnen wüßte.
Allein der Brief verriet ihn doch;
Man gab ihm, wie zuvor, das Trinkgeld auf den Rücken.
Der Sklave weis bis dieser Stunde noch
Sich in die Sache nicht zu schicken,
Wie das denn möglich sei, daß das beschriebne Blatt
Den Diebstahl nicht gesehn und doch verraten hat.

*  *  *

Kann auch ein größer Elend sein,
Als nichts von Wissenschaft und guten Künsten wissen?
Denn will man nicht, betrogen durch den Schein,
Vom Prügel auf den Winkel schließen:
So muß man in den Schulen lernen,
Sich von der Unvernunft vernünftig zu entfernen.

Die Fliegen

Ein Krug voll Buttermilch, der frei und offen stand,
War, wie es schien, den Fliegen Preis gegeben.
Es fand der ganze Schwarm hier Vorrat gnug zu leben.
Die Gäste saßen um den Rand,
Und soffen sich nach Wunsche dick und satt.
Sie wagten sich mit Fleiß nicht in die Mitten.
Hierinnen gaben sie der klugen Vorsicht statt,
Damit sie nicht im Kruge Schiffbruch litten.
Weil nun viel Fliegen drunter waren,
Die noch ihr Leben kaum auf einen Tag gebracht.
Und folglich in der Welt nicht eben viel erfahren:
So sprach man: Hört, nehmt euch in Acht!
Ihr müßt, wie wir, am Rande bleiben;
Wo nicht: So ists um euch geschehn;
Ihr seid zu kindisch noch das Unglück einzusehn,
Zu dem euch Geiz und Vorwitz treiben.

O lacht doch! hörte man die jüngste Fliege schrein,
Wer weis, wer klüger ist? Man merkts gar sehr an euch,
Daß alte Leute furchtsam sein;
Weswegen wagt ihr euch nicht mitten in den Teich?
Das Mittelste ist allemal das Beste;
Ihr spart die schönste Milch vielleicht auf andre Gäste;
Wers so gut haben will, als ich,
Der folge mir nur nach; es wird ihn nicht gereuen,
Die Furcht ist ohne Grund, wir haben nichts zu scheuen.
Die Alten widersetzten sich,
Bleib, sprachen sie, du kommst sonst in Gefahr des Lebens;
Doch ihre Warnung war vergebens.

Die Närrin machte sich so viel, als nichts daraus,
Sie scherzte noch, und rief mit vollem Lachen aus:
Nu gute Nacht! ihr Schwestern und ihr Brüder!
Lebt wohl! wir sehen uns in der Welt nicht mehr wieder.
Drauf schwang sie sich und flog recht mitten in den Krug,
Wohin sie ihr Verlangen trug.
Hier schwamm sie in der Milch, als einer weißen See,
Ging unter, wehrte sich, kam wieder in die Höh,
Und suchte, doch umsonst, dem Tode zu entlaufen;
Sie mußte jämmerlich ersaufen.
Die andern Fliegen um den Rand
Beklagten ihren Tod und ihren Unverstand.
Die Spinne, die von oben her
Dies neue Trauerspiel zugleich mit angesehen,
Rief ihren Nachbarn zu: Weint nicht! was ists denn mehr?
Der Närrin ist gar recht geschehen;
Wer die Gefahr verlacht, und keine Warnung hört:
Der ist auch nicht beklagenswert.

Die Arbeiter

Zween Handarbeiter, Hans und Görge,
Vom so genannten Boberberge,
Bekamen in der Stadt, der dies, der das, zu tun.

Hans schlug der Köchin Holz zum backen,
Das war nicht gnug, sie ließ ihn noch nicht ruhn,
Er mußt ihr auch noch Fischholz hacken;
Allein auch dabei bliebs noch nicht,
Er mußt ihr noch dazu das Holz, das er geschlagen,
Drei lange Steigen hoch bis in die Küche tragen.
Er plagte sich wohl recht, sein ganzes Angesicht
War, weil er stark geschwitzt, wie ein betautes Land,
Das voller Wasserperlen stand.
Er klagte sonderlich sehr über seinen Rücken.
Mit Görgen gings viel leichter her,
Dem fiel die Arbeit gar nicht schwer,
Er durfte nur vier Mandeln Vögel pflücken;
Das war sein ganzes Tun; mehr trug man ihm nicht auf.

Als sie nun beiderseits hierauf
Der Frau vom Hause sagen sollten,
Was sie für ihre Müh zum Lohne haben wollten:
Begehrte Hans zwei Kreuzer ungefähr.
Wem sollte dieses wohl zu viel gefordert scheinen?
Es war ja wenig gnug. Der Kerl verdiente mehr.
Zwei Kreuzer? schrie die Frau. Nehmt hin, hier habt ihr einen,
Ich geb euch so zu viel. Hans weigerte sich zwar;
Allein was half es ihm? Er mußt sich doch bequemen,
Mit diesem wenigen aus Not vorlieb zu nehmen,
Weil weiter nichts mehr zu erlangen war.

Inzwischen kam die Magd gelaufen:
Hört, sprach sie, Frau! ihr müßt noch eine Henne kaufen;
Wer fett zu mästen denkt, sperrt eine nicht allein,
Weil die Gesellschaft mehr, als Gerst und Weizen tut;
Sie fressen noch einmal so gut,
Wenn ihrer zwo beisammen sein.
Als drauf die Frau nun auch von Görgen wissen wollte,
Was er bei ihr verdient und sie ihm schuldig sei:
So sagt er, daß sie ihm zwei Kreuzer geben sollte.
(Das hieß recht übersetzt!) Warum denn, sprach sie, zwei?
Ich dächt ein einzger sei für eure Arbeit schon
Ein überflüssig reicher Lohn.
Sie fressen besser, sprach der Dieb,
Und mästen noch einmal so schön,
Wenn ihrer zwei zugleich in einem Stalle stehn.
Die Frau, die gerne Posten trieb,
Gab Görgen, der durchaus bei seiner Fordrung blieb,
Des lächerlichen Einfalls wegen,
Die Hälfte noch so viel, als was sie Hansen gab.

*  *  *

Wenn man für Arbeit zahlt: So dingt man stets was ab.
Ein Schwänkstreich, der uns wohlgefällt,
Gilt ohne Widerspruch stets sein gebornes Geld.

Das Hundebegräbnis

Ein Hund, der müd und Lebenssatt
Dem Tode nahe war, ward unpaß, und verreckte.
Das Hundevolk der ganzen Stadt,
Dem dieser Todesfall viel Leid und Harm erweckte,
Verfiel auf den Entschluß, die Leiche zu begraben.
Man sprach: der Mensch, das kluge Tier,
Ist seinem Leibe nach, nichts besser, als wie wir;
Warum sollt unser Volk nicht auch die Freiheit haben,
Die Toten, so wie er, zur Erde zu bestatten?
Die Leiche war ohndem nicht weit
Vom Galgenberg entfernt, auf dem seit langer Zeit
Die Hunde ihr Begräbnis hatten.

Man schickte gleich zween Totengräber ab,
Die scharrten hier ein Loch, so tief, als sonst ein Grab.
Der Pfarrhund, welcher alles wußte,
Was bei dem Grabegehn etwan gebräuchlich war,
Wie Schul und Leiche ziehn, und wie die Trauerschar
In Glieder eingeteilt, einander folgen mußte,
Bestellte alles ordentlich.
Zum ersten kam ein Hund, der trug ein Bein im Munde.
Drauf folgten sechs Paar kleine Hunde,
Die heulten den Diskant. Nach diesen zeigte sich
Ein großer Fleischerhund, ein trefflicher Bassist,
Ein Sänger, welcher kaum noch seines gleichen hat.
Der war hier an des Cantors Statt.
Der Kopf ward einem recht von seinem Heulen wüste.
Zween Träger trugen drauf die Leich auf ihrem Rücken,
Quer über beide hingelegt.

Man mußte sich hier in den Notfall schicken;
Ein Hund ist nicht ein Mensch, der mit den Schultern trägt.
Die Reihe kam nunmehr auch an die Trauerleute.
Der erste Leidmann war ein schwarzer Budelhund,
Der auf das Trauern sich vortrefflich wohl verstund;
Er ging und hing den Kopf recht kläglich nach der Seite,
Als würd er noch so tief von Schmerz und Leid gerührt.
Gleich hinter diesem ward ein alter Mops geführt,
Der gab dem Trauern erst das völlige Gewichte
Durch sein erbärmliches Gesichte.
Nach diesem folgte die ganze Leichenschar,
In einer langen Reih und immer Paar und Paar.
Der abgeschickte Rackerknecht
Kam eben hier dazu; der sollte sie verjagen.
Er hatte ihrer zween schon vor den Kopf geschlagen.
Was? rief der Pfarrhund, ist das recht?
Wie könnt ihre uns für übel haben,
Daß wir die Unsrigen nach Menschenart begraben?
Da ihr doch denen selbst, die wie ein Hund gelebt;
Die, außer dem Gesicht, nichts menschlichs blicken lassen,
Und, wie mein Herr es nennt, den Nächsten hündisch hassen,
Ein menschliches Begräbnis gebt.

Der Nordwind und die Sonne

Der Nordwind fing einst an den Horizont zu stürmen,
Und tausend Wolken aufzutürmen;
Die tiefste Finsternis nahm Luft und Himmel ein;
Der Tag verlor den Glanz; es schien halb Nacht zu sein.
Die Sonne mußte sich hierüber freilich kränken.
War es ihr deswegen zu verdenken?
Herr Nachbar! nicht zu arg! schrie sie den Nordwind an,
Es scheint, du willst mich gar vom Horizont verjagen;
Ich werde den Verdruß, den du mir angetan,
So schlechterdings nicht mehr vertragen.
Du mußt wohl, fiel die Antwort drauf.
Und, sprach die Sonne zu dem Winde,
Ich wüßte doch wohl nicht, wo das geschrieben stünde,
Geh, schlag dir, rief der Nord, nur Hiobs Leben auf!
Wer schwächer ist, muß vieles übersehen,
Was ihm von stärkrer Hand Verdrießliches geschehen.
Du stärker sein als ich? sprach hier das Sonnenlicht,
Das sind mir noch zur Zeit ganz unbekannte Sachen;
Ich glaub, es wenigstens noch nicht;
Komm, laß uns eine Probe machen!
Die neugebaute Scheune dort:
Wer die wird wissen umzuschmeißen,
Es treffe wen es will; Der soll der Stärkste heißen.

Der Wind versprach sich schon den Vorzug zum voraus;
Er nahm die Backen voll, fing an mit Macht zu rasen,
Brach manchen Turm entzwei, riß ganze Wälder aus,
Und ward ganz schwarz von seinem starken Blasen;
Er gab der Scheune manchen Stoß,
Und stürmte recht erhitzt auf Dach und Giebel los,
Und plagt und äscherte sich fruchtlos müd und matt;
Die Scheune wich nicht von der Stelle.
Der Wind zog endlich ab, der Tag ward wieder helle;

Die Sonne trat nun an die Statt,
Zu sehn, wie weit denn sie die Sache bringen könnte;
Sie waffnete sich bloß mit ihrer Freundlichkeit.
Die Luft ward nun schwül, wie wenn der Himmel brennte,
Die Berge rauchten weit und breit;
Es war auch in der Tat recht unerträglich heiß.
Die Sonne ließ mit allem Fleiß
Die Strahlen doppelt-stark auf unsre Scheune schießen.
Dem Leser dienet hier zu wissen:
Ihr Bauherr hatte sehr gefehlt.
Das Bauholz, das man sonst zu Latt-und Balken wählt,
Muß, nach den Regeln, insgemein
Schon lange Zeit gefällt und ausgetrocknet sein;
Hier war es grün und naß kaum aus dem Busche kommen
So wurd es auch so gleich zu diesem Bau genommen.
Drum war es eben auch kein großes Wunderding,
Daß Fugen, Nägel, Band, und alles, nach und nach
Erlechzte, ritzte, trennte, brach.
Und krachend auseinander ging.

*  *  *

Seht euern Unverstand, die ihr Tyrannen seid!
Wen die Gewalt nicht zwingt, den zwingt die Freundlichkeit.

Der Bauer und der Weinstock

Ein Bauer kostete das Blut der edlen Reben,
Den Göttertrank, den teuren Wein;
Und dadurch schien er sich ganz umgekehrt zu sein.
Er sprach: Ich wüßte nicht, daß mir in meinem Leben
Auch nur ein einzigmal so hübsch gewesen wär;
Mir ist itzund so wohl zu Mute,
Als hätt ich keine Schulden mehr
Auf meinem ausgesaugten Gute;
O wie erfreu ich mich! Ich bin recht wie behext;
Gesegnet sei das Land, worin dies Labsal wächst!
Die Bäume möcht ich sehn, die solche Früchte tragen;
Das müssen Stämme sein, die bis in Himmel ragen.

Was gebt ihr, sprach der Freund, der ihm den Trunk gereicht:
So will ich, eh ihr noch aus meinem Hause weicht,
Euch einen Weinstock sehen lassen;
Kommt mit mir in den Hof, da hab ich einen stehn!
Gut! rief der Bauer, laßt uns gehn;
Den Weinbaum muß ich mir recht in das Auge fassen.
Er ging und sah ihn stehn, und fragte: wo er sei?
Man wies ihm, mit der Hand, die schwach und krummen Reben,
Die diesen Lebenstrank zur Herbstzeit von sich geben.
Zu allem Unglück war der Frühling noch zu neu;
Die Ranken schienen noch so dürr, als ihre Latten,
Indem sie noch zur Zeit kein Laub gewonnen hatten.
Was? hub der Bauer an, kann das wohl möglich sein?
So unansehnliche, so halbverdorrte Ruten
Gewähren uns den teuren Wein?
O Gott! wer sollte das vermuten,
Daß so ein Lebenssaft, der so vortrefflich schmeckt,
Und dessen Stärk und Geist die halbe Welt entzücken,
In diesem schlechten Holze steckt?
Ich glaube, ich würde hier den größten Baum erblicken.

*  *  *

Und wenn wir alle die, die wir mit Ehrfurcht lesen;
Die jemals schriftlich groß gewesen,
Und von dem Pöbel sich durch Geist und Witz entfernen,
Persönlich sollten kennen lernen!
Es würd uns eben auch, wie hier dem Bauer gehn.
Bei vielen würden wir wohl noch im Zweifel stehn,
Ob sie die großen Leute wären,
Die wir in ihrer Schrift als unvergleichlich ehren.
Wir glaubten es wohl kaum, daß so viel hohe Gaben
So einen schlechten Leib zu ihrer Wohnung haben.

Das Pferd

Ein wohlgebautes Roß, das beste von der Herde,
Das auf der hohen Schul der Pferde
Manch Malter Haber weich gemacht,
Und an Geschicklichkeit, an Schulwitz und Verstande,
Es trefflich weit und hoch gebracht,
Ward einem Junker auf dem Lande
Für fünfzig Louis blanc beinah noch halb geschenkt.
Er hatte viel dafür, doch nicht zu viel, gegeben.

Bei diesem konnte nun das Pferd recht herrlich leben;
Es ward zu rechter Zeit gefüttert und getränkt,
Und dafür zog es keinen Strang;
Es durfte mehr nicht tun, als eine Stunde lang
Tagtäglich seinen Herrn auf seinem Rücken tragen.
Er ritt nur stets den Schritt, weil er in Sorgen stand,
Das teure Pferd zu überjagen.
Wer auf der Straße sich befand,
Wenn er geritten kam: Blieb stehn und sah ihm nach,
Wie das gelenke Tier so sanft und so gemach
Die leichten Schenkel warf und mit den Knochen spielte,
Daß selbst sein Reiter nichts von der Bewegung fühlte;
Es trug den Hals so steif, als wenn er eisern wär.
Das Pferd gefiel auch allen Leuten.

Der junge Graf von N. sah unsern Junker reiten;
Er hatte Pferde gnug vorher,
Die alle wohlgebaut, von gleicher Größ und Jahren,
Und kostbar zugeritten waren;
Gleichwohl verliebt er sich in dieses Roß so sehr,
So daß er seinem Herrn gleich hundert Stück Dukaten
Bargeld dafür versprechen ließ;
Der aber kein Belieben wies,
Sein Pferd so wohlfeil zu entraten.
Der Graf bot ihm noch mehr; der Junker blieb dabei,
Daß alle Müh vergebens sei;
Er ließe nimmermehr das Tier aus seinen Händen,
So lang ihm noch die Augen offen ständen;
Wodurch der Handel denn hiermit sein Ende nahm.

Als nun das Roß hierauf im Stall nach Hause kam,
Erzählt es den vier Kutschepferden
Mit ziemlich schwülstigen Gebärden,
Was heute mit ihm vorgegangen.
O, sprachen diese, lieber Freund!
So gut, so gnädig dir der Junker itzund scheint,
Er wird dich doch nicht mehr verlangen,
Wenn du zu Jahren kommen bist;
Wir wissen es am besten, wie er ist.
Der Mohrenkopf, den er vor dir geritten,
War ihm so lieb, als du. Kaum hats ein Jahr gewährt,
So ward er ihm schon gram. Warum? das arme Pferd
War mit den Füßen ausgeglitten, und hatte sich gerückt.

Mir wird es so nicht gehn,
Erwiderte das Roß; ich muß nur euer lachen;
Mein Herr und ich, mir werden es schon machen.
Wir wissen schon, wie wir zusammen stehn.
O nein! er ist mir viel zu gut;
Ihr seht es selbst, wie schön er mit mir tut,
Er klopft mich ja so sanft, so liebreich auf den Rücken,
Und fallt mir um den Hals, als wär ich seine Frau,
Als wollt er mich für Liebe gar erdrücken,
So daß ich all mein Glück auf seine Neigung bau.

Den andern Morgen drauf ritt unser Edelmann
Auf seine Felder aus, zu sehen, ob die Saaten
Auch allenthalben wohlgeraten.
Hier traf er manchen Graben an.
Sein Pferd setzt immerzu mit gleichen Füßen drüber,
Es scherzte nur und machte sich nichts draus.
Indessen sah die Luft sehr regenhaftig aus;
Der Horizont ward immer trüber,
Der auf ein kaltes Bad ganz ungezweifelt wies.
Weil nun der Junker sich nicht gern beregnen ließ,
So ließ er seinen Hengst nach Hause galoppieren.
Das Pferd riß mit ihm fort; es flog mit allen Vieren;
Man konnte kaum so hurtig sehn.
Der Weg ging durch den Wald. Hier mußt es nun geschehn,
Daß das behende Tier, bei seinem schnellen laufen,
An einer Wurzel hängen blieb,
Die hier ein alter Stock quer durch den Fahrweg trieb;
Da stürzte Roß und Mann, und über einen Haufen.
Dem Junker fehlte nichts; dem Pferde desto mehr,
Das hatte, weil es zart von Knochen,
Im Fallen sich ein Bein zerbrochen.
Sein Herr erboste sich, und noch dazu recht sehr;
Hui! sprach er, blinder Hund! daß dich der Schinder hole!
Und nahm im Eifer die Pistole
Und schoß es auf der Stelle tot.
So wenig Liebe fand das Pferd nun in der Not!

*  *  *

Ihr, die ihr in der Welt in Gunst und Ansehn schwebet,
Gebt Achtung, daß ihr nicht ein gleiches End erlebet;
So lange sieht man euch bei Hofe gnädig an,
So lange man euch brauchen kann.

Der Esel

Ein Esel aus Madrid ging einst nach Deutschland über;
Die Lust zu reisen war ihm lieber,
Als sein berühmtes Vaterland;
Wiewohl es war vielmehr ein stolzer Unverstand.
Der Kerl war gern gelobt; deswegen wollt er reisen.
Er bildete sich viel auf seine Eltern ein.
Was, sprach er, wird um mich für ein Gedränge sein!
Mit Fingern wird man auf mich weisen;
Seht doch den großen Herrn! Wer ist der? wird man schrein.
Er war bereits in Wien gewesen,
Allwo man sich aus ihm nicht eben viel gemacht.
Dies hatt ihn auch auf den Entschluß gebracht,
Sich weiter umzusehn. Er ging den Weg nach Dresden
Ganz langsam, Schritt vor Schritt, als trüg er zentnerschwer.
Er hätte nicht viel Geld genommen,
Wenn jemand auf ihn sah, daß er gesprungen wär,
Aus Furcht, um den Respekt zu kommen.

Er kam, es war noch hoher Tag,
Bei einen Bauernhof, der an der Straße lag.
Hier sah er nun drei Pferd im Grase gehen;
Der Esel sagte nichts, er blieb vor ihnen stehen,
Und meinte, aus Aufgeblasenheit,
Als wär es eine Schuldigkeit,
Daß ihn die Pferde grüßen müßten.
Die Pferde schwiegen still, und fraßen immer drauf,
Als wenn sie gar nichts von ihm wüßten.
Der Fremde nahm es übel auf,
Ihr Flegel! seid ihr blind? so rief er ihnen zu.
Ach! schrie das eine Pferd, du armer Esel, du!
Was? sprach der Passagier. Ihr duzt mich? ihr Halunken!
Wann hab ich denn mit euch, auf du und du getrunken?

Macht euch nur nicht so gar gemein!
Du wirst vielleicht was Bessres sein.
Ja ja! das bin ich auch, und zwar mit allem Rechte;
Ich bin vornehmer Leute Kind,
Aus dem berühmtesten Geschlechte,
Das kaum in Spanien noch seines gleichen findt;
Mein gnädiger Papa hilft an den Galatagen
Den König in der Sänfte tragen.
Ihr Bauernkerle hier, was führt ihr? Holz und Mist;
Ihr stammt von Eltern her, die schlecht und niedrig leben.

O, sprach ein Sattelpferd, um Antwort drauf zu geben,
Folgt denn etwan hieraus, daß du kein Esel bist?
Du magst auch dem Geschlecht noch zehnmal höher treiben:
So bleibts doch allemal dabei,
Ein Esel muß ein Esel bleiben,
Sein Vater sei auch, wer er sei;
Ein jung und stark, und muntres Pferd
Aus einer schlechten Bauerhütte,
Ist, Trotz dem Adel im Geblüte!
Mehr als ein fauler Ese! wert.

*  *  *

Wen das Verdienst nicht hebt, dem wird Geschlecht und Ahnen,
Brief, Wappen, Helm und Schild, und hundert alte Fahnen,
Den Weg zur Ehre schwerlich bahnen.

Der Schüler und der Hut

Ein Schüler, dem der Tod der Eltern Hülf entzogen,
Kam als ein armes Kind in eine große Stadt.
Hier ward er Tag für Tag aus fremden Händen satt.
Es war ihm jedermann gewogen,
Bloß wegen seiner Höflichkeit;
Durch diese bracht er es in kurzem hier so weit,
Daß ihm die Leute alles gaben.
Was Schüler etwa nötig haben:
Tisch, Schulgeld, Wäsch und Kleid, Buch, Stube, Holz und Licht,
Auch an Bedienung fehlts ihm nicht.
Er konnte trotz den Reichsten! leben,
Die hier oft übersetzt ein großes Kostgeld geben.

Er hat es, wie gesagt, recht gut.
Sein fleißig, abgezogner Hut,
Seine tiefe Reverenz, sein höfliches Bezeigen,
Erwarb ihm viele Gunst, und macht ihm jedermann,
Auch manchmal selbst den Geiz, der nichts entraten kann,
Recht mit Gewalt zu seinen Diensten eigen.
Bis hierher ward er stets geliebt und wertgeschätzt.

Inzwischen wurden drauf die Schüler fortgesetzt,
Der unsrige ward nun, aus einem Sekundaner,
Etwa ein Rektor selbst? o nein! nur ein Primaner.
Die Ehre schien für ihn schon groß genug zu sein;
Er bildete sich auch nicht wenig darauf ein.
Sein Hut bediente sich hier der Gelegenheit,
Und widersprach der alten Höflichkeit.
Was meinst du? sagt er zu dem Knaben,
Wie lange wirst du an mir haben?
Ein halbes Vierteljahr; wo noch?
Wenn ich gleich eisern wär, ich glaub, ich bräche doch,
Du mußt ja eben nicht die Narren alle grüßen,
Erwart itzt lieber selbst dergleichen Höflichkeit;
Bedenke wer du bist; es ist nun einmal Zeit,
Daß sich die Leute selbst vor dir entblößen müssen.
Ein Schüler aus der ersten Klasse,
Wie du und deines gleichen bist.
Verdienet schon, daß ihn der Pöbel auf der Gasse
Mit abgenommnem Filze grüßt.
Du mußt ja lernen Wirtschaft treiben;
Sonst wirst du mich gar bald zergreifen und zerreiben.

Der Schüler war ein Narr, wie junge Leute sind,
Er tat, wie ihm sein Hut geraten,
Und stellte sich, als wär er blind,
So oft ihm hier und da die Leut entgegen traten;
Er grüßte niemand mehr. Sein Stolz war kaum bekannt:
So schwand auch alle Gunst. Man fing ihn an zu hassen.
Und da man ihn vorher den Höflichen genannt,
So riefen ihm nunmehr die Jungen auf den Gassen
Mit vollem Halse nach: Da geht Herr Grobian!
Die Freunde, die ihm noch zeithero wohlgetan,
Versagten ihm den Tisch und wiesen ihn zurück.
Mit einem Wort, sein ganzes Glück
War unter seinem Hut erstickt, verwelkt, verblüht.
Der dritte Mittag kam, noch hatt er keinen Bissen.
Er trat aus Ungeduld den Hut nunmehr mit Füßen,
Der ihm die Höflichkeit so närrisch widerriet.
Drauf nahm er ihn und schrieb mit eigner Hand
Den wahren Denkspruch um den Rand:
Dem wird mit Hunger abgelohnt,
Der seinen Hut zur Unzeit schont.


Der Leuchter und das Licht

Man sah den Leuchter einst mit seinem Lichte zanken.
Verlaß mich, rief er aus, du rinnest gar zu sehr,
Und machest dir vielleicht die närrischen Gedanken,
Als wenn ich gut genug für deinen Unflat wär;
Du bringst mich, wie gesagt, um Ansehn, Glanz und Pracht,
Indem der fette Tau, der von dir abgeflossen,
Mich, mir und auch zugleich der Reinlichkeit zum Possen,
Zu einem Hottentotten macht,
Auf deutsch, zu einem halben Schweine.

Still, still! Herr Nachbar! sprach das Licht,
Wofern ich dir beschwerlich scheine:
So leid es mit Geduld, und klag und murre nicht;
Verschone wenigstens nur mich mit deinen Klagen,
Du zürnest ohne Grund mit mir;
Daß du ein Leuchter bist, da kann ich nichts dafür,
Du bist dazu gemacht, du sollst und mußt mich tragen.

Ist, sprach der Kläger drauf, denn sonst kein Leuchter mehr?
Schau! wie viel ihrer noch dort an dem Rechen hängen.
Vielleicht klagten sie die Hälfte noch so sehr,
Wofern sie gleichen Lohn für ihren Dienst empfängen.
Nicht wahr? ich bin dein Wirt, mein Hausmann, das bist du;
Der Hauszins, den du gibst, mag Sauen nur gefallen,
Die gern bis an den Hals in Koch und Unflat wallen,
Ich achte mich zu gut dazu;
Kurz! ändre nur fein bald den garstgen Lebenslauf;
Wo nicht: So sag ich dir hiermit die Wohnung auf.

Wie kannst du, sprach das Licht, dich doch so weit vergehen?
Der Bierkrug, den du dort siehst auf dem Tische stehen,
Sei Richter zwischen dir und mir.
Herr Leuchter! rief der Krug, der beste Rat ist hier:
Hör auf, dich närrisch zu beklagen!
Du bist ja darum da, das Licht empor zu tragen;
Und wenn dir dieses Amt zu schlecht, zu schimpflich ist,
So sage mir, wozu du sonst denn nütze bist?

*  *  *

Es klingt recht lächerlich, wenn Leute sich beschweren,
Ihr Handwerk, ihre Kunst sei ihnen recht verhaßt;
Sie sehnen sich umsonst nach einer leichtern Last;
Ja! wenn die Toren erst zu sonst was nütze wären.

Der Tod und der Schlaf

Das Skeleton, der Tod, begegnete dem Schlafe,
Der aus der Kirche kam und eben müßig stand.
Er reicht ihm gleich die dürre Hand,
Und sprach: Gott grüße dich, du Hirte meiner Schafe!
Wie steht es? Wird hier bald was abzuschlachten sein?
Das mußt du, sprach der Schlaf, am besten selber wissen,
Wer deine Mordbegier wird heut empfinden müssen;
Das Schicksal schickt dir ja den Zettel täglich ein,
Auf welchem alle die mit ihren Namen stehen,
Die deine Sense zwingen soll,
Ins Reich der Toten abzugehen.
Ist denn dies finstre Land noch nicht von Menschen voll?

Nein! sprach der Tod, kaum halb! denn vor dem jüngsten Tage
Verseh ich mich gewiß des Feierabends nicht;
Das kränkt mich nur, je mehr ich Sorge trage
Für die Vollziehung meiner Pflicht.
Um desto größer wird der Haß bei allen Leuten,
Man flieht mich, wo man weis und kann;
Dich aber nimmt der Mensch mit Freuden auf und an,
Da wir doch Brüder sind noch von den ersten Zeiten;
Denn ich bin eigentlich ein Schlaf so wohl, als du,
Wo ich bin, macht der Mensch die Augen gleichfalls zu.
Man will uns unterschieden nennen,
Ich wüßte wohl nicht, wie? Es wäre denn hierin,
Daß meine Schlafenden viel länger schlafen können;
Und dennoch zieht man dich, aus bloßem Eigensinn,
Mir unbedachtsam vor; es ist mir ärgerlich,
Daß sie nur immer dich, mich aber nie begehren;
Im Tempel auch so gar kann ihre Freundschaft dich
Im lichten Tage nicht entbehren.

Herr Bruder! sprach der Schlaf, wie kann es anders sein?
Wen du zur Ruhe bringst, schläft meistens übel ein;
Wie wird manch Kranker nicht gefoltert und geädert!
Der ärgste Bösewicht, den man mit Zangen zwickt,
Und auf das allerlängste rädert,
Wird oft erträglicher von Schmerz und Pein erstickt.
Den Einwurf muß ich mir belachen,
Erwiderte der Tod; denn muß ich ihnen nicht,
Wenn ihre Lust zur Welt der Abfahrt widerspricht,
Durch tausend Schmerz und Angst erst Lust zum Sterben machen?
Mit guten Worten schläft so leicht niemand ein,
Die Schläge müssen stets der Narren Schlaftrunk sein;
Ich habe Mühe gnug, oft einen zu bewegen,
Damit er willig schlafen geht;
Gut! daß er mir so bald nicht wieder aufersteht,
Sonst wollt ich heute noch mein Handwerk niederlegen.

Indessen, sprach der Schlaf, wollt ich die ganze Welt
Mit leichter Müh zu Grabe schicken.
Du mußt politisch sein; wer hinterm Berge hält,
Kann bei Gelegenheit den klügsten Kopf berücken.
Gesetzt, daß dich der Mensch durchaus nicht leiden kann,
Das hat ja gar nichts zu bedeuten,
Wenn du mir nur willst nacharbeiten;
Eh du zu jemand gehst, so schick mich nur voran!
Wer schläft, ist schon halb tot, halb taub, halb stumm und blind,
Im Schlafe kannst du sie leicht vollends gar erschlagen.
Du weist ja, wie die Menschen sind,
Wer Widerspruch besorgt, der muß nicht lange fragen.

Der Tod verwilligte in den gegebnen Rat,
Er lief und nahm auf frischer Tat
Den stärksten Schlagfluß in die Hand,
Und schlug die Schlafenden, die ohne Widerstand
Gleich Knall und Fall davon erstarren mußten,
Und ohne daß sie was von ihrem Ende wußten.
Gott, der es so geschehen ließ,
War ohnedem ergrimmt der Menschen Bosheit wegen,
Und hoffte, wenigstens ein merkliches Gebiß
Durch dieses Trauerspiel der Frechheit anzulegen.

Der Tod schlich, wie gesagt, dem Schlafe ganz gemach
Auf seinen dürren Zehen nach,
Gab jedem seinen Rest, insonderheit den Reichen.
Früh war die halbe Stadt voll unverhoffter Leichen.
Der Tod hatt auch sogar die Ärzte hingerafft,
Zu desto größrer Angst für unsre Bürgerschaft.
Man scheute sich nunmehr die Augen zuzumachen,
Aus Furcht, nicht wieder zu erwachen;
Man überging den Schlaf, man hatte keine Ruh,
Und brachte seine Zeit mit Beten und mit Singen,
Mit lauter: Gotterbarms! auf seinen Knien zu.
Du wirst mich, rief der Schlaf, um meine Kundschaft bringen.
Das Lärmen wird zu groß, die Menschen scheuen mich,
Aus Furcht vor dir, o Tod! nun fast so sehr, als dich;
Wo das Verhängnis sich nicht in das Mittel schlägt,
So werd ich auf der Welt bald Abschied nehmen müssen.

Indessen ließ der Herr der Erd und Himmel trägt,
Die scheugemachten Menschen wissen:
Sie könnten, wie vorher, doch ohne Sicherheit,
In Gottes Namen schlafen gehen;
Es würde zwar in einer langen Zeit
Kein solches Mordspiel mehr entstehen.
Jedoch, zu beßrer Furcht und Scheu,
Befand es Gott für gut, dem Tode zu erlauben,
Zum wenigsten des Jahres ihrer zwei
Des Lebens unverhofft im Schlafe zu berauben.

Durch diese Nachricht ward das Volk zur Ruh gebracht,
Es zitterte zwar noch, und schlief die erste Nacht
Noch immer unter Furcht und Kränken;
Doch als den Morgen drauf nichts zu begraben war!
So glaubte sich der Mensch schon außer der Gefahr,
Und machte sich nun weiter kein Bedenken.
Man lebte, wie zuvor, ohn alle Zucht und Scheu.
Es fiel nur etlichen, wenn sie sich legen wollten,
Die eingerückte Clausul bei,
Daß jährlich ihrer zwei im Schlafe sterben sollten.
Die mehrsten dachten nicht mehr dran;
Statt, daß die Todesfurcht etwas gefruchtet hätte.
So fing man allemal den Tag mit Sünden an,
Und sündigte oft noch des Abends in dem Bette.

*  *  *

Wer diesem Volke flucht, der seh auf sich zurücke!
Denn treten wir nicht stets auf eben diese Brücke?
Wir sollten billig furchtsam sein,
Die Augen nächtlich zuzumachen,
Und schlafen doch so sanft in unsern Sünden ein;
Wer steht uns denn dafür, daß wir auch früh erwachen?

Der Hottentotte

Ein Freund von Tadeln und von Spotten,
Auf deutsch, ein Deutscher, kam zu einem Hottentotten,
Um dessen Lebensart, die mehr als sauisch schien,
Mit eignen Augen selbst zu sehn und durchzuziehn.

Freund! sprach er, zeigt mir doch, was ihr für Knaster rauchet,
Weil, wie die Rede geht, die Mode bei euch ist,
Daß ihr den Elephantenmist
Mit größtem Appetit, anstatt des Tabaks, schmauchet.
Ich zweifle noch daran mit Recht und Billigkeit,
Denn, wenn ihr, wie es scheint, doch wirklich Menschen seid,
So würdet ihr euch auch, als Menschen, billig schämen,
Dergleichen garstig Zeug auch nur ins Maul zu nehmen.
Ihr müßtet denn nun gar leibhaftig Säue sein.

O! sprach der Hottentott, ich muß nur euer lachen;
Denn, daß wir Menschen sind, das räumt ihr selber ein.
Und gleichwohl wollt ihr uns dadurch zu Säuen machen,
Weil unsrer Nation der Tabak hier zu Lande
So gut, als euch der Knaster, schmeckt.
Ist das denn eben eine Schande,
Daß unser Appetit sich nach der Decke streckt?
Ein jedes Land bedient sich seiner Gaben.
Sind wir denn Schuld daran, daß wir nichts Beßres haben?

Indessen, fuhr der Deutsche fort,
Bleibt dieses doch ein wahres Wort:
Wem Mist und Unflat schmackhaft scheinen,
Den zählt man billig zu den Schweinen.
Wo rechnet ihr euch hin? ihr Herren Hottentotten!
Hört, sprach der Wilde drauf, ihr dürft uns gar nicht spotten,
Wischt euch nur selbst den Schneppendreck
Erst von dem eignen Maule weg;
Wenn ihr uns Schweine nennt: Wie soll man euch denn heißen?

*  *  *

Wer, wie dort unser Günther spricht,
Ein Dach von Glase hat, muß andern Leuten nicht
Mit Steinen auf die Häuser schmeißen.

Das Echo

Ein Mann, der die Natur in mehr als einem Stücke
Beinah noch übertraf, baut einen Widerhall.
Dies Wunderwerk der Kunst gab den empfangnen Schall
Ganz deutlich, rein und stark, elfmal vermehrt zurücke.
Der Ruf davon durchflog manch Dorf und manche Stadt,
Daher ward dieser Bau ein Sammelplatz der Leute;
Man kam so gar auch aus der Weite,
Und sang und schrie sich hier nach Wunsche müd und satt.

Insonderheit an Fest und Feiertagen
Lief alles Volk hierher; die Jugend sonderlich
Trieb ihre Kurzweil hier; denn die bemühte sich,
Ihr Glück im Lieben stets dem Echo abzufragen,
Laß hören, sagte man, was mein Verhängnis spricht!
Liebt Phillis redlich oder nicht?
Nicht! rief der Widerhall zurücke.
Das wär der Tod, doch siehe da!
Spricht Amaryllis bald zu meinem Wünschen: Ja?
Ja! schrie das Echo drauf elfmal in einem Stücke.

Der Ort war, wie gesagt, nie ganz von Menschen leer,
Lief ja ein Haufen fort, so kam ein andrer her,
Beständig ging man auf und nieder,
Bald ab, bald zu, bald hin, bald wieder,
So gar auch manche liebe Nacht
Ward hier, bei tausend Lustbarkeiten,
Insonderheit von jungen Leuten,
Mit Frag und Antwort zugebracht.

Drauf kam der Krieg hierher, der Stadt und Land verheerte,
Der Kirchen, Rathaus, Turm und Wall,
Und leider! auch zugleich den schönen Widerhall
In eine Wüstenei verkehrte.
Kein Stein blieb auf dem andern liegen.
Das ist wohl insgemein des Krieges beste Frucht!
Das Echo, weil es stumm, ward weiter nicht besucht!
Es wollte sich kein Mensch nun mehr hierher verfügen,
So sehr der Vorwitz sonst die liebe Jugend trieb,
Dem Redner ohne Mund ihr Liebesweh zu klagen.
Denn weil die Antwort außen blieb,
So wollte niemand weiter fragen.

*  *  *

So ist es auch mit unsern Gaben!
Man gibt nur denen gern, die viel dagegen haben;
Da man im Gegenteil des Armen stets vergißt,
Bloß weil kein Echo nicht in seinem Beutel ist.

Die zwo Seelen

Die Keuschheit hatte einst ihr eignes Himmelreich,
Ein neues Paradies für alle reine Herzen;
Wiewohl, daneben war zugleich
Auch eine Hölle voller Schmerzen
Für die, die auf der Welt der Geilheit nachgegangen.
Sie sollten beiderseits hier ihren Lohn empfangen.
Die Göttin der Bescheidenheit
Stund Tag und Nacht gewaffnet bei der Türe.
Sie sorgte stets mit größter Wachsamkeit,
Daß jeglichem sein Recht nach Würden widerführe,
Die Untersuchung fiel oft schwer.

Es kamen manchmal Seelen her,
Die sich auf falschen Paß bezogen.
Dem Übel sollte nun dadurch gesteuert sein,
Man las die Kundschaft zwar, ließ aber keinen ein,
Man hatt ihn denn zuvor gewogen;
Wer nicht recht wichtig war, den wies man linker Hand,
Wo Schmach und Pein und Glut die Seelen ewig rühren,
Bei wem die Wage nur zur Not noch innen stand,
Der mochte noch so mit ins Himmelreich passieren.

Es stellten sich hierauf zwo Jungfernseelen ein,
Und wollten eingelassen sein.
Die eine war ein Kind von dreiundachzig Jahren,
Triefäugicht, bucklicht, lahm, und ohne Gut und Geld;
Deswegen ward ihr auch von niemand nachgestellt.
Sie war sogar auch noch im Küssen unerfahren.
Zu einer Hecuba von solcher Häßlichkeit
Geht selten jemand auf die Freit.
Sie lief zwar vielen nach, und hätte sonder Scham,
Wer weis? was mit sich machen lassen;
Allein man war ihr viel zu gram,
Und folglich mußte sie mit ihrer Sehnsucht passen.
Mit einem Wort, ihr Junfernkranz,
Den sie der Sterblichkeit gar gern geopfert hätte,
Blieb wider ihren Willen ganz.

Die andre Seele war bemittelt, jung und schön.
Sie kam erst aus dem Wochenbette,
Und hatt ein Jungfernkind in ihrem Passe stehn.
Sie hatte sich zwar gnug geweigert und gewehrt,
Doch die Versuchung war zu häufig und zu heftig,
Ihr Widerstand zu schwach, die Reizung gar zu kräftig,
Kurz, ihr verführtes Herz ward durch den Fall betört.
Sie hatte sich auch dieses Fehlers wegen,
Den Abscheu nach der Tat dadurch an Tag zu legen,
Die Augen fast halb ausgeweint,
Und war, voll Reu und Scham, sich selber gram und feind.
Die Alte, welche sich auf ihren Kranz verließ,
Und ihre Nachbarin mit losen Reden schraubte,
Indem sie viel vor ihr voraus zu haben glaubte,
Lief trotzig gnug voran, und wollt ins Paradies.

Halt! rief der Wächter gleich. Ihr seid noch nicht gewogen;
Kommt her und laßt erst sehn, ob ihr auch wichtig seid!
Sie machten beide sich auch gleich dazu bereit.
Die junge Seele ward zum ersten aufgezogen.
Die Reue, die sie noch in ihrer Brust empfand,
Hat eben, weil sie ihr das Herze schwer gemacht,
Den Abgang des Gewichts notdürftig eingebracht,
So daß die Waage knapp, doch richtig innen stand.
Die alte Seele trat mit recht vermeßnem Blicke
Drauf in die Waageschal, und bildete sich ein,
Sie müßte schwerer noch und überwichtig sein.
Allein die Waage schlug bis dreißig Pfund zurücke.
Sie murrte überlaut, als ihre Nachbarin
Die Freiheit überkam, ins Paradies zu gehen.
O Himmel! sagte sie, wie soll ich das verstehen?
Mir? die ich doch beinah die Keuschheit selber bin,
Mir? der doch niemand weis was übles nachzusagen,
Mir, rief sie rasend, zieht man hier,
O schöne Billigkeit! so eine Hure für?

Die Keuschheit sprach: Du hast dich gar nicht zu beklagen,
Denn ich bestrafe dich hier deinem Willen nach,
Was diese einfach ist, das wärst du hundertfach;
Denn nicht dein keusches Herz, nein! deine Häßlichkeit
Hat dich von Schand und Fall zurücke halten müssen,
Dir fehlte weiter nichts, als die Gelegenheit,
Das Ehrenkränzgen einzubüßen.

Der Bauer und der Acker

Ein Bauer, der manchmal, bei kühlen Abendzeiten,
Längst seinen Saaten hin, aufs Feld spazieren ging,
Und hier oft ohne Not erbärmlich Grillen fing,
Ließ den verzagten Geiz sich einst so weit verleiten,
So daß er fast verzweifelt wär.
Er schien verdrießlich drauf, daß Gott nicht weiter mehr,
Wie ehedem geschehn, so sichtbar Wunder täte.
Denn, sprach er überlaut, was hilft mirs, daß ich bete?
Wenn ich mir selbst, mit Arbeit und Verdruß,
Mein Brot so schwer erzeugen muß;
Zu der Zeit brachte noch die Gottesfurcht was ein,
Zu der Zeit lohnte sichs der Mühe, fromm zu sein,
Als Gott der Herr noch selbst persönlich umher reiste,
Und durch ein Wunderwerk vier tausend Menschen speiste;
Itzt ist man ungleich schlimmer dran,
Itzt mag man selber sehn, wie man sich raten kann,
Damit man sich des Hungers nur erwehret.

Der Acker, der die längste Zeit
Der frechen Ungeduld des Bauers zugehört,
Bestrafte seinen Geiz und Unbedachtsamkeit.
Du klagest, rief er aus, Gott sei nicht mehr so gut,
Warum denn? weil er nicht mehr Wunderzeichen tut.
Dies zeigt mir, daß dein Herz auf die Natur nicht merke,
Durch diese tut ja Gott noch immer Wunderwerke.
Du bringst dein Samenkorn zu mir an diesen Ort
In einem Sacke hergetragen,
Und führst es in den Erntetagen
Stets Fuderweise wieder fort.
Du hättest es vordem in einer kurzen Zeit,
Eh du es gleichsam hier auf Wucher ausgestreut,
In einem Monat aufgegessen.
Itzt kannst du und dein Volk ein ganzes Jahr dran essen,
So daß noch stets was übrig bleibet,
Was deine Wirtlichkeit zu Gelde machen kann.

Ist das kein Wunderwerk? so sage mir doch an,
Woher sich die Vermehrung schreibet.
In Wahrheit, daß ein Land von Segen triefend ist.
Dazu gehört gewiß mehr als ein Fuder Mist;
Denn stürze, rühre, pflüge, dünge
Mein Erdreich, wie du willst, und nach der besten Art.
Gesetzt auch, daß die Saat beglückt von statten ginge:
Wo Gott die Blüte nicht vor Frost und Gift bewahrt,
Vor Näß und Brand und Mehltau schützet,
Und wenn es schlosset, hagelt, blitzet,
Nicht immer seine Hand beständig ob mir hält.
Was, sag ich, nützte dir dein wohlgebautes Feld?
Noch weniger als nichts. Gerät die Ernte gut:
So glaub auch ganz gewiß dabei,
Daß jeder Halmen Stroh ein Wunderzeichen sei,
Das Gott durch die Natur, die ohne Gott nichts tut,
Zwar mittelbar, doch wundernswert, vollzogen.

Der Bauer stutzte anfangs zwar,
Allein er ward dadurch noch endlich so bewogen,
Daß er, wie Thomas dort, von Herzen gläubig war.
Er sprach: Verzeih mirs Gott, daß ich so blind gewesen!
Ich seh itzt überall der Allmacht tiefe Spur;
Ein jedes Blatt im Buche der Natur
Gibt mir von Gottes Hand ein Wunderwerk zu lesen.

Der Jagdhund

Ein kleiner Mops, der fast den ganzen Tag
Louisen, seiner Frau, in Schoß und Armen lag,
Bekam bei Tische stets die besten Leckerbissen.
Weil nun bei dieser Lebensart
Das wohlversorgte Tier glatt, feist und fleischicht ward,
Schien dies den Jagdhund zu verdrießen.
Des kleinen Nachbars Fettigkeit
Erregte bei ihm die Mißgunst und den Neid.

Pfui! sprach er zu sich selbst. Ist das nicht eine Schande?
Der Müßiggänger hier lebt als ein reicher Mann,
Da ich mir manchmal kaum den Hunger stillen kann;
Kein Bauerhund, der auf dem Lande
Die Kühe hüten hilft, ist so verdorrt, als ich,
Weil mein Gerippe bloß aus Haut und Bein bestehet.
Wer einen Hühnerkorb, der auf vier Füßen gehet,
Noch nicht gesehen hat: Der sehe nur auf mich.

Sein Herr, der alle diese Klagen
Von weitem angehört, kam ungefähr dazu.
Schweig, sprach er, dummes Vieh! Ein Jagdhund, so wie du,
Muß nicht viel Luder auf sich tragen,
Je hagerer du bleibst, je schneller ist dein Lauf.
Dies Vorurteil ist falsch, versetzte Philax drauf,
Zum Jagen brauch ich Kraft und Stärke;
Wo aber kommt denn diese her?
Vom Hungerleiden nimmermehr.
Mein lieber Herr! So viel ich an euch merke,
So gebt ihr mir deswegen kaum halb satt,
Weil euch der Geiz besessen hat.
Mops hat bei eurer Frau wohl zehnmal beßre Tage;
Verdient ers etwan mehr? Was hat er denn zu tun?
Er ißt und trinkt und schläft; er kann zu Hause ruhn,
Wenn ich durch Berg und Tal reviere, treibe, jage.
Erlöst mich doch einmal von meiner Hungersnot!
Versuchte ein Vierteljahr, und gebt mir mehr zu essen!
Ihr habt ja Vorrat gnug an Fleisch und auch an Brot,
Ich werd euch darum nicht so gleich zum Bettler fressen;
Ihr dienet mir und euch hierin,
Denn, wenn ich fetter worden bin,
So werd ich noch einmal so stark und hitzig rennen,
So soll mir, auch so gar Bergauf,
Kein Hase nimmermehr, durch seinen schnellen Lauf,
Entwischen und entwerten können.

Der Hund erhielt darauf den tröstlichen Bescheid:
Man willige in sein Begehren.
Nun hatte Philax gute Zeit,
Man gab ihm so viel Fleisch, er konnt es kaum verzehren.
Die Mastung schlug auch glücklich an,
So gut sichs jemand wünschen kann.
Er faßte Luder gnug, und sah von Kreuz und Lenden
Recht völlig und gedrungen aus.
Herr, Frau, Kind, Knecht und Magd, und kurz, das ganze Haus
Liebkoste den Hunde mit den Händen.
Wer ihn nur sah, der war ihm gut.
Bei so viel Glücke wuchs sein Mut,
Er schwur nunmehro, allen Hasen
Das Lebenslicht auf einmal auszublasen.
Doch als es zu der Tat und zum Beweise kam,
So schien ihm gleich im ersten Jagen,
Bei seines Leibes Last der Atem, fehl zu schlagen;
Er setzte, weil das Wild die Flucht erschrocken nahm,
Zwar anfangs hitzig nach; blieb aber jählings stehen.
Die Lunge war erschöpft, drum konnt er nicht mehr gehen,
Es schien, als würd er gar im eignen Schweiß ersaufen,
Er schnappte nach der Luft, und ließ den Hasen laufen.

*  *  *

So geht es denen auch, die nach der Tugend jagen.
Das Sprichwort bleibt ein wahres Wort;
Wer mager ist, kommt leichter fort;
Man wird sich selbst zur Last bei gar zu guten Tagen.

Der Europäer

Ein Mann, dem die Begier zu reisen angeboren,
Durchkroch die halbe Welt und kam nach Afrika,
Nach Abessinien, ins Vaterland der Mohren.
Er war noch nicht zween Monat da,
So war ihm schon die Landesmundart eigen.
Er ging und sah sich um und ließ sich alles zeigen,
Was etwan hier und da besehenswürdig war.
Man wies ihm endlich auch im Tempel den Altar,
Auf dem ein schwarzer Abgott stand,
Der bei der Nation den größten Glauben fand,
Daß er, und zwar allein, die ganze Welt ernähre.

Dem Fremden brachte dies den falschen Argwohn bei,
Daß dieses schwarze Bild vielleicht ein Teufel sei,
Den hier das blinde Volk, an Gottes statt, verehre;
Der Eifer nahm ihn endlich ein,
So daß er Lust bekam, den Götzen zu zertreten.
Pfui! sprach er, ihr wollt Menschen sein,
Und untersteht euch hier den Teufel anzubeten?
Was Teufel? sagte man, dies Bild ist Gottes Bild,
Trotz! daß dein Lästermaul es einen Teufel schilt;
Die schwarze Farbe gibts ja deutlich zu erkennen,
Als welche wir hier göttlich nennen.

Ihr raset! schrie der fremde Mann;
Und wollte mit Gewalt behaupten,
Daß diese Leute hier an einen Teufel glaubten,
Und flucht auf ihren Gott, und tat ihn in den Bann.
Das wollten die empörten Heiden,
Als eine Lästerung, nicht leiden;
Sie murrten, und blieben drauf beruhn,
Der Fremde müßte gleich, bei des Altares Stufen,
Die Gotteslästerung vernehmlich widerrufen.
Dies wollt er nun durchaus nicht tun,
Darüber kam es gar von Worten zu den Schlägen;
Kurz, dieser Teufelshändel wegen
Geriet das Heidentum in eine solche Wut,
Die anders nicht, als durch des Fremden Blut,
Zu hemmen und zu löschen schien;
Wenn nicht ein guter Freund sich seiner angenommen.

Der sucht ihn der Gefahr, in die er hier gekommen,
Mit großer Klugheit zu entziehn.
Ihr Herren, rief er, hört! laßt Zorn und Hitze fahren!
Mein Landsmann ist ein Narr seit vierundzwanzig Jahren,
Er weis manchmal nicht, was er tut;
Was wäre Gott gedient mit eines Narren Blut?
Die Heiden ließen nun den Missetäter gehen.
Er hatte Beulen gnug. Noch war er nicht gescheit,
Und ging und schwur noch stets bei seiner Seligkeit,
Der Teufel sei doch schwarz, und wenn sie ihn erschlügen,
Die Maler müßten denn in ganz Europa lügen.

Der alte Mann und die Kinder

Ein Graukopf, welcher stets, nach Art betagter Leute,
Die Brille bei sich trug, war auf ein Auge blind.
Er sah insonderheit fast gar nichts in die Weite.
Wie nun die Alten meist ein Spott der Kinder sind:
So war es dieser auch. Die Jungen, die ihn kannten,
Die pflegten ihm zum Spott beständig nachzuschrein:
Seht! seht! da geht Herr Edelstein!
Sie hießen ihn auch oft den menschlichen Brillanten,
Und suchten ihm, der Brille wegen,
Viel andre Namen mehr recht närrisch beizulegen.
Das war nun in der Tat ein ärgerliches Ding.
Doch weil der alte Mann die Torheit noch beging,
Daß er es merken ließ, er gräme sich darüber:
So höhnten sie ihn auch, zum Possen, desto mehr,
Beständig war ein Schwarm von Jungen um ihn her.

Die Galle lief ihm einst vor Zorn und Eifer über:
Ihr Teufelskinder! sprach er, geht
Dort auf den Galgenberg, wo euer Kirchhof steht,
Und laßt mich alten Mann hier immer ungeschoren!
Was sind wir? rief der Schwarm. Das muß gerochen sein!
Sie stürmten insgesamt einmütig auf ihn ein.
Im ersten Angriff gleich ging Hut und Stab verloren;
Sie huschten, kratzten, zwickten ihn,
Und hingen sich ihm an, weit ärger als die Kletten,
Er fiel, sie fielen mit, so daß sie, wie es schien,
Den Alten unter sich wohl gar erwürget hätten;
Wenn ihn die Nachbarschaft, die das Geschrei bewog,
Nicht noch zu rechter Zeit aus dem Gedränge zog.
Der Krieg war zwar gestillt, doch nur auf kurze Zeit.
Die durch den Widerstand noch mehr erhitzten Jungen
Verfolgten ihren Feind mit größter Heftigkeit,
Und kamen ihm hierauf weit stärker nachgesprungen.

Er überlegte sich die Sache Tag und Nacht,
Ein tauglich Mittel auszusinnen,
Die Gunst der Kinder zu gewinnen,
Weil ihm ihr spröder Haß so viel Verdruß gemacht.
Er sprach: Sie spotten mich der blöden Augen wegen;
Ist Kranksein denn ein Schimpf? das muß ich widerlegen.
Mit einem Wort, ich will der rohen Jugend zeigen,
Daß Einsicht und Verstand stets mit den Jahren steigen,
Und daß bei mir der Witz, den doch ein jeder schätzt,
Den Abgang des Gesichts ersetzt.
Er nahm ein dickes Brett und trat mit vor die Türe.
Ihr Jungen! rief er, kommt herbei!
Gleich kam ein ganzer Schwarm. Seht! sprach er, ich pariere,
Daß keiner unter euch, wie ich, im Stande sei,
So gut, als wie ein Luchs, durch dieses Brett zu sehen.

Die Kinder sagten gleich: Das wird wohl nicht geschehen,
Wir setzen unser Leben dran.
Gut! fing der Graukopf drauf mit großem Hochmut an,
Seht! Seid ihr insgesamt nicht rechte Bärenhäuter,
Indem ihr das unmöglich nennt,
Was ihr nicht möglich machen könnt;
Wir alten Leute sehen weiter,
Als ihr, drum werft mir ja die Brille nicht mehr vor.
Drauf nahm er einen großen Bohr,
Und bohrte durch das Brett ein Loch.
Schaut! rief er aus, wer zweifelt noch,
Obs Menschen möglich sei, durch dieses Holz zu sehen?
Was die Natur verbeut, muß durch die Kunst geschehen.

O! fing der ganze Schwarm verächtlich an zu schrein.
So künstlich kann ein jeder sein.
Statt daß sie seinen Witz hierin bewundern sollten.
So lachten sie ihn aus, weit ärger als vorher,
Indem sie gegenteils daraus behaupten wollten,
Daß dieser alte Mann zum Narren worden wär.
Er blieb der Kinder Spott, und durft auf freier Gassen
Sich fast nicht weiter sehen lassen.

Ein guter Freund, der in der Tat
Weit klüger war, als er, gab ihm zuletzt den Rat:
Sei taub, und stelle dich gleich einem, der nichts höret,
So oft das junge Volk sich wider dich empöret.
Wenn das nichts helfen will: So nimm die Hand voll Geld,
Und teil es unter deine Feinde;
Die Kinder sind ein Teil der Welt,
Und diese macht man sich durch Gaben leicht zum Freunde.
Dies tat der wohlgeplagte Mann.
Er schwieg, und durfte kaum zu zwei verschiednen Malen
Den Kindern ihre Schmach bezahlen.
So ließen sie schon nach, so fingen sie schon an,
Von selbst ihr loses Maul zu zähmen,
Und endlich gar, von Zeit zu Zeit
Mit immer größrer Höflichkeit,
Den Hut vor ihm herab zu nehmen.

*  *  *

Mit Gassenjungen muß kein kluger Mann sich zanken;
Sie sind der Widerschall, der, einem zum Verdruß,
Das letzte Wort behalten muß;
Man bringt sie nimmermehr zu friedlichen Gedanken,
Wo man den Anfang nicht zum Schweigen selber macht.
Durch Widerschimpfen wird ihr Grimm nur aufgebracht.

Die Tadler

Die Tadler wurden einst auf dem Parnaß gemein.
Man sprach, sie suchten nur durch dies ihr Splitterrichten
Das Lob der besten Schrift mutwillig zu vernichten.
Kein Lied, so gut es sei, schien ihnen recht zu sein.
Apollo spielte selbst mit Furcht auf seiner Leier.
Dies ärgerliche Volk versetzt ihm manchen Streich;
Denn klänge etwan sein Lied hoch, stark und feuerreich:
So nennten sie ihn einen Schreier;
Und fiel er gegenteils auf schwach und tiefe Griffe:
So sprächen sie von ihm, er schliefe.
Sie tadelten auch oft, was nicht zu tadeln sei,
Und schimpften, was sie loben sollten.
Sie tadelten nur, wen sie wollten;
Wer reicher sei, als sie, sei von der Sorge frei,
Daß sie ihm öffentlich die Fehler höhnisch wiesen;
Wer nur vermögend sei, der werde stets gepriesen.
Daher entspann sich mancher Streit.

Well an den Tadlern selbst, und ihren Meisterstücken,
Viel mangelhaftes zu erblicken.
So sprach man: Da ihr selbst nicht frei von Fehlern seid,
Weswegen wollt ihr uns so unbarmherzig richten;
Weswegen wollt ihr jedermann
Zu der Vollkommenheit verpflichten,
Die euch doch selber fehlt, wie niemand leugnen kann?
Man schrie zum Jupiter, die Tadler auszurotten,
Die durch ihr hämisches Verspotten
Schon manchen abgeschreckt, sich öffentlich zu zeigen.
Zeus wollte lange nicht, doch weil man sehr drum bat,
Verdammte sein Befehl die Tadler, die nicht schweigen,
Teils auf Ixions Schlangenrad;
Teils zu der ewigschweren Müh
Der Töchter jenes Danai
Mit ihrem leergefüllten Fasse.

Durch diese Strafen ward die Ruh auf dem Parnasse,
Wie zu Augusti Zeit der Fried in aller Welt,
Vollkommen wieder hergestellt.
Man konnte schreiben, was man wollte.
Und ohne Furcht und Scheu, daß einen, wie vorher,
Ein Tadler öffentlich zur Rede setzen sollte.
Deswegen brauchte man auch keine Vorsicht mehr.
Kein Autor hielt sich itzt in den bestimmten Schranken;
Die Eigenliebe wuchs, ihr Stolz berühmte sich,
Ihr mangelhaftes Blatt sei unverbesserlich.
Man lachte die nur aus, die regelmäßig schrieben,
Und in dem alten Gleise blieben.
Die Bücher wimmelten von schwülstigen Gedanken,
Der richtige Geschmack verlor sich drüber gar,
Der mit dem Bonneval in Flucht und Elend war,
Fast ohne Hoffnung umzudrehen;
Bis endlich Jupiter, der dies vorher gesehen,
Den Tadlern, die er sonst verdammt,
Ihr eingezognes Richteramt
Von neuem wiederum erlaubte.
Er gab den Kritikus ihr Handwerk wieder frei,
Von dem er, aus Erfahrung, glaubte,
Daß es der Wissenschaft wie unentbehrlich sei.

*  *  *

Der Jupiter hat Recht hierin.
Weil Eigenlieb und Eigensinn
Aus blindem Hochmut oft die eignen Fehler adeln:
Ists besser, eh zu viel, als gar zu wenig tadeln.