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Palästinalied
 

Der Leich

Der Erklärung der Gattung "Leich" findet sich im Mittelalter in den Begriffen. nachschlagen

Walther war möglicherweise keine religiöse Natur, aber er war ein frommer Christ, der eben wegen dieser Frömmigkeit zutiefst
unter dem Missbrauch und der Missachtung des Christentums litt.
Den zu verantworten der Papst und die Kurie hatte, schlimmer noch, sie hängten über ihr Tun den Mantel der christlichen Autorität.

Walthers Leich bezeugt durch die Hinwendung zu Maria als Mutter und Mittlerin, sein gläubiges Gemüt als Christenmensch.

 

Got, dîner trinitâte
(Leich)

 
A Einleitung
 

Got, dîner trinitâte,
die beslozzen hâte
dîn fürgedank mit râte,
der jehen wir: mit drîunge
diu driu ist ein einunge,
ein got der hôhe hêre.

Sîn ie selb wesende êre
verendet niemer mêre.
der sende uns sîn lêre.
die sinne ûf menge sünde
der fürste ûz helle abgründe
uns hât verleitet sêre.

 

Gott, Deiner Trinität,
die beschlossen hatte
mit Bedacht Deine Voraussicht,
der bekennen wir: In der Dreiheit
ist die Drei eine Einheit,
e i n Gott, der hohe Heilige.

Seine in sich selbst gegründete Ehre
endet niemals.
Er sende uns seine Lehre.
Die Sinne zu mancher Sünde
hat uns der Fürst aus der Hölle Abgrund
schmerzlich verleitet.

 

B Hauptteil I. 1.Hälfte
 

Sîn rât und bœses fleisches gir,
die hânt geverret, hêr, uns dir.
sît disiu zwei dir sint ze balt,
und dû der beider hâst gewalt,
Sô tuo daz dînem namen ze lobe
und hilf uns, daz wir mit dir obe
geligen und daz dîn kraft uns gebe
sô starke stæte widerstrebe,

Dâ von dîn name wirt geêret
und ouch dîn lop gemêret.
Dâ von wirt er geunêret,
der uns dâ sünde lêret.

Und der uns ûf unkiusche jaget.
sîn kraft von dîner kraft verzaget,
des sî dir iemer lob gesaget,
Und ouch der reinen süezen maget,
von der uns ist der sun betaget,
der ir ze kinde wol behaget.

 

Sein Rat und die Gier des schwachen Fleisches,
die haben uns, Herr, Dir ferngerückt.
Da diese beiden Dir gegenüber kühn sind,
Du aber über beide Gewalt hast,
So handle Deinem Namen zum Ruhme
und hilf uns, daß wir mit Dir
obsiegen und daß Deine Kraft uns gebe
so dauerhaften Widerstand,

Wodurch Dein Name geehrt wird
und Dein Ruhm vermehrt.
Dadurch wird der entehrt,
der uns hier Sünde lehrt.

Und der uns zur Unkeuschheit treibt.
Seine Macht verzagt vor Deiner Macht,
dafür sei Dir stets Lob gesagt,
Und auch der reinen süßen Jungfrau,
durch die uns der Sohn zur Welt gebracht wurde,
der ihr als Kind wohl gefällt.

 

B Hauptteil I. 2.Hälfte
 

Maget und muoter, schouwe
der kristenheite nôt,
dû blüende gert Aarônes,
ûf gênder morgenrôt!
Ezechiêles porte,
diu nie wart ûf getân,
dur die der künig hêrlîche
wart ûz und in gelân!
Als diu sunne schînet
durch ganz gewürhtez glas,
alsô gebar diu reine Krist,
diu magt und muoter was.

Ein bosch der bran, dâ nie niht an
besenget noch verbrennet wart:
Breit unde ganz dâ beleib sîn glanz
vor fiures flamme unverschart.
Daz was diu reine magt aleine
diu mit megetlîcher art

Kindes muoter worden ist
ân aller manne mitewist,
wider menschlîchen list
den wâren Krist
gebar, der uns bedâhte.
Wol ir, daz si den ie getruog,
der unsern tôt ze tôde sluog!
mit sînem bluote er ab uns twuog
den unfuog,
den Even schulde uns brâhte.

Salomônes hôhen thrônes
bist dû, frouwe,
ein selde hêre und ouch gebieterinne!
balsamite, margarîte,
ob allen magden bist dû,
maget, ein magt, ein küniginne!
Gotes lambe was dîn wambe
ein palas reine,
da er eine lag beslozzen inne.


Daz lambe ist Krist,
der wârer got ist,
dâ von dû bist
gehôhet und geêret.
Dem lambe ist gar
gelîch gevar
der megde schar.
nû nemt sîn war
und kêret, swâr ez kêret!
des bist dû, frouwe, geêret.
nû bitte in, daz er uns gewer
durch dich, des unser dürfte ger.
dû sende uns trôst von himel her,
des wirt dîn lob gemêret.

 

Jungfrau und Mutter,
blicke auf die Not der Christenheit,
Du blühender Stab Aarons,
aufgehende Morgenröte
Ezechiels Pforte,
die nie aufgetan ward,
durch die der König herrlich
aus-und eingelassen wurde!
So, wie die Sonne durch ein vollkommen
aus einem Stück gefertigtes Glas scheint,
so gebar die Reine Christus,
die Jungfrau und Mutter war.

Ein Busch, der brannte wo nie etwas
angesengt noch angezündet wurde:
Voll und ganz blieb dort sein Glanz
von der Flamme des Feuers unversehrt.
Das war die keusche Jungfrau allein,
die in jungfräulicher Natur

Die Mutter des Kindes geworden ist
ohne Beiwohnung irgend eines Mannes,
die gegen menschlichen Verstand
den wahren Christus
gebar, der sich unser annahm.
Wohl ihr, daß sie den einstens ausgetragen hat,
der unseren Tod tödlich niederschlug!
Mit seinem Blut wusch er von uns ab
den Makel,
den Evas Schuld über uns brachte.

Für Salomons hohen Thron,
bist Du, Herrin,
eine heilige Stätte und auch Gebieterin!
Balsam, edle Perle,
über allen Jungfrauen bist Du,
Jungfrau, eine Jungfrau, eine Königin!
Dem Lamm Gottes war Dein Leib
eine keusche Wohnung,
wo er allein eingeschlossen lag.

Das Lamm ist Christus,
der wahrer Gott ist,
wodurch Du bist
erhöht und geehrt.
Dem Lamm ist gänzlich
gleich an Farbe
die Gefolgschaft der Jungfrau.
Nun schaut auf es
und wendet Euch dorthin, wohin es sich wendet!
Durch es bist Du, Herrin, geheiligt.
Nun bitte ihn, daß er uns gewähre
durch Dich, was unsere Armseligkeit erheischt.
Du sende uns Trost vom Himmel her,
dafür wird Dein Lob vermehrt.

 

C Mittelteil
 

Dû maget vil unbewollen,
der Gedêônes wollen
gelîchest dû bevollen,
die got selbe begôz mit sîme touwe.

Ein wort ob allen worten
entslôz dîner ôren porten:
des süeze ob allen orten
dich hât gesüezet, süeze himelfrouwe.

Daz ûz dem worte erwahsen sî,
daz ist von kindes sinnen frî:
ez wuohs ze worte und wart ein man.
dâ merket alle ein wunder an:
ein got, der ie gewesende, wart
ein man nâch menschlîcher art.

Swaz er noch wunders ie begie,
daz hât er überwundert hie.
des selben wunderæres hûs
was einer reinen megde klûs
wol vierzig wochen und niht mê,
âne alle sünde und âne wê.

Nû bitten wir die muoter
und ouch der muoter barn,
si reine und er vil guoter,
daz si uns tuon bewarn,

Wan ân si kann nieman
hie noch dort genesen.
widerred daz ieman,
der muoz ein tôre wesen.

 

Du Jungfrau, ganz unbefleckt,
dem Wollvlies des Gideon
gleichst Du vollkommen,
das Gott selbst mit seinem Tau begossen hat.

Ein Wort über allen Worten
eröffnete Deiner Ohren Pforte:
das Süßeste über allem
hat Dich mit Süße erfüllt, süße Himmelsherrin.

Was aus dem Wort erwachsen ist,
das geht über die Einsicht eines Kindes:
Es wuchs aus dem Wort und wurde ein Mensch.
Hieran erkennet alle ein Wunder:
Ein Gott, der immer schon war,
wurde ein Mensch nach menschlicher Art.

Was er auch jemals an Wundern vollbrachte,
das hat er hier übertroffen.
Eben dieses Wundertäters Behausung
war einer reinen Jungfrau Klause
wohl vierzig Wochen und nicht mehr,
ohne alle Sünde und ohne Weh.

Nun bitten wir die Mutter
und auch der Mutter Kind,
sie, die Reine und ihn, den so Guten,
daß sie uns beschützen

Denn ohne sie kann niemand
hier noch dort gerettet werden.
Widerspricht dem jemand,
der muß ein Tor sein.

 

B Hauptteil II. 1.Hälfte
 
Wie kunde des iemer werden rât,
der umbe sîne missetât
niht herzelîcher riuwe hât,
sît got enheine sünde lât,
Die niht geriuwent zaller stunt
hin abe unz ûf des herzen grunt?
dem wîsen ist daz allez kunt,
daz niemer sêle wirt gesunt,
diu mit der sünde swert ist wunt,
sin habe von grunde heiles funt.

Nu ist uns riuwe tiure:
si sende uns got ze stiure
Bî sînem minnefiure!
sîn geist, der vil gehiure

Der kann wol herten herzen geben
wâre riuwe und reinez leben,
swâ er die riuwe gerne weiz.
Dem machet er die riuwe heiz.
ein wildez herze er alsô zamt,
daz ez sich aller sünden schamt.
 
Wie könnte dem jemals geholfen werden,
der wegen seinem Vergehen
im Herzen nicht Reue empfindet,
da Gott keine Sünden erläßt
Die nicht zu jeder Stunde bereut werden
bis hinab auf dem Grund des Herzens?
Dem Weisen ist dies alles bewußt,
daß niemals eine Seele gesundet,
die durch das Schwert der Sünde verwundet ist,
es sei denn, sie sei von Grund auf das Heils teilhaftig.

Nun ist bei uns Reue selten:
möge sie uns Gott als Hilfe senden
Durch seine Liebesflammen!
Sein Geist, der so heilige.

Der kann wohl harten Herzen geben
wahre Reue und reines Leben,
wo er die Reue willkommen weiß.
Einem solchen macht er die Reue inbrünstig.
Ein widerspenstiges Herz zähmt er so,
daß es sich aller Sünden schämt.

 
B Hauptteil II. 2.Hälfte
 
Nû sende uns, vater unde sun,
den rehten geist her aben,
daz wir mit dîner süezen fiuhte
ein dürrez herze erlaben!
Unkristenlîcher dinge
ist al diu kristenheit sô vol!
swâ kristentuom ze siechhûs lît,
dâ tuot man im niht wol.

In dürstet sêre nâch der lêre,
als er von Rôme was gewon:
Der im dâ schancte und in dâ trancte
als ê, dâ wurd er varnde von.

Swaz im dâ leides ie gewar,
daz kam von symonie gar.
und ist er dâ sô friunde bar,
daz er engetar
niht sîn schaden gerüegen.
Kristentuom und kristenheit,
gelîch lanc, gelîch breit,
der disiu zwei zesamne sneit,
liep unde leit
der wolte ouch, daz wir trüegen

In Kriste kristenlîchez leben.
sît er uns hât ûf ein gegeben,
sô suln wir uns niht scheiden.
Swelch kristen kristentuomes phliht
an worten -  und an werken niht,
der ist wol halb ein heiden.
Daz ist unser meiste nôt:
daz eine ist ân daz ander tôt.
nû stiure uns got an beiden,

Und gebe uns rât,
sît er uns hât sîn hantgetât
geheizen offenbâre.
Nû senfte uns, frouwe, sînen zorn,
barmherzig muoter ûz erkorn,
dû frîer rôse sunder dorn,
dû sunnevarwiu klâre!

 
Nun sende uns, Vater und Sohn,
den rechten Geist herab,
damit wir mit Deiner süßen
Feuchtigkeit ein dürres Herz erquicken!
Mit unchristlichen Dingen
ist die Christenheit so voll!
Wo das Christentum im Siechenhaus liegt,
da handelt man an ihm nicht gut.

Es dürstet sehr nach der Lehre,
wie es von Rom gewohnt war:
Wer ihm dort einschenkte und ihn dort tränkte
wie früher, - es würde davon wieder gesund.

Was ihm dort stets an Leid zugefügt wurde,
das kam gänzlich durch die *Simonie.
Auch ist es dort so ohne Freunde,
daß es nicht wagt,
seinen Schaden einzuklagen.
Christentum und Christenheit -
wer diese zwei zusammenfügte,
gleich lang, gleich breit,
als Freude und Leid,
der wollte auch, daß wir führten

In Christus ein christliches Leben.
Da er uns zusammengegeben hat,
so sollen wir uns nicht scheiden.
Wer als Christ sich zum Christentum bekennt
mit Worten – und mit Werken nicht,
der ist wohl ein halber Heide.
Das ist unsere größte Not:
das eine ist ohne das andere tot.
Nun helfe uns Gott zu beiden.

Und leiste uns Hilfe,
da er uns hat als sein Geschöpf
offen bezeichnet.
Nun besänftige für uns, Jungfrau, seinen Zorn,
barmherzige Mutter, auserkoren,
Du edle Rose ohne Dorn,
Du sonnenhafte Reine!

 

*Simonie: nach Simon dem Magier benannter Handel mit geistlichen Sachen und Kirchenämtern,
Sakramenten usw. Vergleiche das Neue Testament: Apostelgeschichte 8:17-21

 

D Schluß
 
Dich lobet der hôhen engel schar,
doch brâhten si dîn lob nie dar,
daz ez volendet wurde gar,
daz ez ie wurde gesungen
in stimmen oder von zungen
ûz allen ordenungen
ze himel und ûf der erde,-
des mane dich, gotes werde:
Wir bitten umb unser schulde dich,
daz dû uns sîst genædiclîch,
sô daz dîn bete erklinge
vor der barmunge urspringe.
sô hân wir den gedinge,
diu schulde werde ringe,
dâ mit wir sêre sîn beladen.
hilf uns, daz wir si abe gebaden
Mit stæte wernder riuwe
umbe unser missetât,
die nieman âne got
und âne dich ze gebenne hât!

 
Dich lobt der hohen Engel Schar,
doch brachten sie Dein Lob nie dahin,
daß es gänzlich vollendet worden wäre.
damit es stets gesungen werde in (Engels-)
Stimmen oder in (menschlichen) Sprachen
in allen Ordnungen
im Himmel und auf der Erde, -
ich erinnere Dich daran, Gotteswürdige:
Wir bitten Dich um unserer Schuld willen,
daß Du uns gnädig seiest,
so daß Deine Fürbitte laut werde
vor dem Quell der Barmherzigkeit.
Dann haben wir die Hoffnung,
daß die Schuld gering werde,
womit wir schwer beladen sind.
Hilf uns, damit wir sie abwaschen.
Mit ewig währender Reue
wegen unserer Sündenlast,
die niemand außer Gott
und außer Dir zu gewähren fähig ist!