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 | Ir werlte minnære, vernement disiu mære,
 wie einem ritter gelanc
 der nâch der werlte lône ranc
 beidiu spâte unde fruo.
 er dâhte in manige wîs dar zuo
 wâ mite er daz begienge
 daz er den lôn enphienge
 werltlicher êren.
 er kunde wol gemêren
 sîn lob an allen orten
 mit werken und mit worten.
 sîn leben was sô vollebrâht
 daz sîn zem besten wart gedâht
 in allen tiutschen landen.
 er hæte sich vor schanden
 alliu sîniu jâr behuot;
 er was hübisch unde fruot
 schœne und aller tugende vol.
 swâ mite ein man zer werlte sol
 bejagen hôher wirde prîs,
 daz kunde wol der herre wîs
 bedenken und betrahten.
 man sach den vil geslahten
 ûzerweltiu cleider tragen.
 birsen, beizen unde jagen
 kunde er wol und treip sîn vil,
 schâchzabel unde seitenspil
 daz was sîn kurzewîle.
 wær über hundert mîle
 gezeiget im ein ritterschaft,
 dâ wær der herre tugenthaft
 mit guotem willen hin geriten
 und hæte gerne dâ gestriten
 nâch lobe ûf hoher minne solt.
 er was den frouwen alsô holt
 die wol bescheiden wâren,
 daz er in sînen jâren
 mit lange wernder stæte
 in sô gedienet hæte,
 daz alliu sældenhaften wîp
 sînen wünneclichen lîp
 lobten unde prîsten.
 als uns diu buoch bewîsten
 und ich von im geschriben vant,
 sô was der herre genant
 her Wirent dâ von Grâvenberc.
 er hæte werltlîchiu werc
 gewirket alliu sîniu jâr.
 
 sîn herze stille und offenbâr
 nâch der minne tobte.
 Sus saz der hôchgelobte
 in einer kemenâten,
 mit fröuden wol berâten,
 und hæte ein buoch in sîner hant,
 dar an er âventiure vant
 von der minne geschriben.
 dar obe hæte er dô vertriben
 den tag unz ûf die vesperzit;
 sîn fröude was vil harte wît
 von süezer rede die er las.
 dô er alsus gesezzen was,
 dô quam geslichen dort her
 ein wîp nâch sînes herzen ger
 ze wunsche wol geprüevet gar
 und alsô minneclich gevar
 daz man nie schœner wîp gesach.
 ir schœne volleclichen brach
 für alle frouwen die nu sint.
 sô rehte minneclichez kint
 von wîbes brüsten nie geslouf.
 ich spriche daz ûf mînen touf,
 daz si noch verre schœner was
 dan Vênus oder Pallas
 und alle die gotinne
 die wîlen phlâgen minne.
 ir antlütz unde ir varwe
 diu wâren beidiu garwe
 durliuhtec als ein spiegellîn.
 ir schœne gap sô liehten schîn
 und alsô wünneclichen glast
 daz der selbe palast
 von ir lîbe erliuhtet wart.
 der wunsch enhæte niht gespart
 an ir die sînen meisterschaft,
 er hæte sîne grœsten kraft
 mit ganzem flîze an si geleit.
 swaz man von schœnen wîben seit,
 der übergulde was ir lîp.
 ez wart nie minneclicher wîp
 beschouwet ûf der erde.
 ouch was nâch vollem werde
 ir lîp gecleidet schône.
 diu cleider und diu crône
 diu diu selbe frouwe cluoc
 ûf und an ir lîbe truoc,
 diu wâren alsô rîche
 daz si sicherlîche
 nie man vergelten kunde,
 ob man si veile funde.
 
 Von Grâvenberc her Wirent
 erschrac von ir wol zwirent,
 dô si quam geslichen.
 sîn varwe wart erblichen
 vil harte von ir künfte dâ.
 in nam des michel wunder sâ
 waz frouwen alsô quæme.
 ûf spranc der vil genæme
 erschrocken unde missevar
 und enphie die minneclichen gar
 vil schône als er wol kunde.
 er sprach ûz süezem munde:
 »sint, frouwe, gote willekomen!
 swaz ich von frouwen hân vernomen,
 der übergulde sint ir gar.«
 diu frouwe sprach mit zühten dar:
 »vil lieber friunt, got lône dir!
 erschric sô sêre niht von mir:
 ich binz diu selbe frouwe doch
 der dû mit willen dienest noch
 und aldâher gedienet hâst.
 swie dû vor mir erschrocken stâst,
 sô bin ich doch daz selbe wîp
 durch die du sêle unde lîp
 vil dicke hâst gewâget.
 dîn herze niht betrâget,
 ez trage durch mich hôhen muot.
 dû bist hübisch unde fruot
 gewesen alliu dîniu jâr,
 dîn werder lîp süez unde clâr
 hât nâch mir gerungen,
 gesprochen und gesungen
 von mir swaz er guotes kan;
 du wære et ie mîn dienestman
 den âbent und den morgen,
 du kundest wol besorgen
 hôhez lob und werden prîs;
 du blüejest als ein meienrîs
 in manicvalter tugende,
 du hâst von kindes jugende
 getragen ie der êren kranz,
 dîn sin ist lûter unde ganz
 an triuwen ie gein mir gewesen.
 vil werder ritter ûzerlesen,
 dar umbe bin ich komen her,
 daz dû nach dînes herzen ger
 mînen lîp von hôher kür
 beschouwest wider unde für,
 wie schœne ich sî, wie vollekomen.
 den hôhen lôn, den rîchen fromen,
 den dû von mir enphâhen maht
 umb dînen dienest vil geslaht,
 den solt du schouwen unde spehen.
 ich wil dich gerne lâzen sehen
 waz lônes dir geziehen sol.
 du hâst gedienet mir sô wol.«
 
 Den edeln herren tugentrîch
 dûhte harte wunderlîch
 dirre frouwen tegedinc
 wan si der selbe jungelinc
 mit sînen ougen nie gesach,
 und doch diu selbe frouwe sprach,
 er wære ir dienestman gesîn.
 er sprach: »genâde, frouwe mîn,
 habe ich iu gedienet iht,
 entriuwen des enweiz ich niht.
 mich dunket âne lougen
 daz ich mit mînen ougen
 iuch vil selten habe gesehen.
 sît aber ir geruochent jehen
 mîn ze knehte, sælic wîp,
 sô sol mîn herze und mîn lîp
 iu ze dienste sîn bereit
 mit willeclicher arebeit
 unz ûf mînes tôdes zil.
 ir hânt sô hôher sælden vil
 und alsô manicvalte tugent,
 daz iuwer fröudeberndiu jugent
 mir vil wol gelônen mac.
 wol mich daz ich disen tac
 gelebet hân! des fröuwe ich mich,
 sît daz ir, frouwe minneclich,
 mînen dienst enphâhen welt.
 frouwe an tugenden ûzgezelt,
 geruochent künden mir ein teil
 durch daz wünnebernde heil
 daz an iu, schœniu frouwe, lît:
 von wannen ir geheizen sît
 oder wie ir sît genant,
 iuwer name und iuwer lant
 werde mir hie kunt getân,
 durch daz ich wizze sunder wân
 ob ich in allen mînen tagen
 ie von iu gehôrte sagen.«
 Des antwurt im diu frouwe dô,
 si sprach gezogenlîche alsô:
 »vil lieber friunt, daz sol geschehen.
 ich wil dir gerne hie verjehen
 mînes hôchgelobten namen.
 dun darft dich niemer des geschamen
 daz dû mir undertænic bist.
 mir dienet swaz ûf erden ist
 hordes unde guotes,
 ich bin sô hôhes muotes
 daz keiser unde küneges kint
 under mîner crône sint,
 grâven, frîen, herzogen
 habent mir ir knie gebogen
 und leistent alle mîn gebot.
 ich fürhte niemen âne got,
 der ist gewaltic über mich.
 diu Werlt bin geheizen ich,
 der dû nu lange hâst gegert.
 lônes solt du sîn gewert
 von mir als ich dir zeige nû.
 hie kum ich dir, daz schouwe dû.«
 
 Sus kêrtes im den rucke dar:
 der was in allen enden gar
 bestecket und behangen
 mit unken und mit slangen,
 mit kroten und mit nâtern;
 ir lîp was voller blâtern
 nd ungefüeger eizen,
 fliegen unde âmeizen
 ein wunder drinne sâzen,
 ir fleisch die maden âzen
 unz ûf daz gebeine.
 si was sô gar unreine
 daz von ir blœden lîbe wac
 ein alsô egeslicher smac
 den niemen kunde erlîden.
 ir rîchez cleit von sîden
 vil übel wart gehandelt:
 ez wart aldâ verwandelt
 in ein vil swachez tüechelîn;
 ir liehter wünneclicher schîn
 wart vil jæmerlich gevar
 bleich alsam ein asche gar.
 Hie mit schiet si von dannen.
 daz si von mir verbannen
 und aller cristenheite sî!
 der ritter edel unde frî,
 dô er diz wunder ane sach,
 zehant sîn herze im des verjach,
 er wære gar verwâzen,
 swer sich wolte lâzen
 an ir dienste vinden.
 von wîbe und von kinden
 schiet er sich aldâ zehant;
 er nam das criuze an sîn gewant
 und huop sich über daz wilde mer
 und half dem edeln gotes her
 strîten an die heidenschaft.
 dâ wart der ritter tugenthaft
 an stæter buoze funden.
 er schuof daz zallen stunden,
 dô im der lîb erstorben was,
 daz im diu sêle dort genas.
 
 Nu merkent alle die nu sint
 dirre wilden werlte kint
 diz endehafte mære:
 daz ist alsô gewære
 daz man ez gerne hœren sol.
 der werlte lôn ist jâmers vol,
 daz hânt ir alle wol vernomen.
 ich bin sîn an ein ende komen:
 swer an ir dienste funden wirt,
 daz in diu fröude gar verbirt
 die got mit ganzer stætekeit
 den ûzerwelten hât bereit.
 
 Von Wirzeburc ich Cuonrât
 gibe iu allen disen rât,
 daz ir die werlt lâzet varn,
 welt ir die sêle bewarn.
 
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 | Ihr Liebhaber dieser Welt, hört folgende Geschichte an,
 wie es einem Ritter erging,
 der von morgens bis abends
 nach irdischem Lohn strebte.
 Er dachte immer wieder darüber nach,
 wie er es erreichen könnte,
 daß er mit weltlichem Ansehen
 belohnt würde.
 Er war durchaus in der Lage, seinen Ruhm
 überall zu vermehren;
 in Taten und Reden
 war sein Leben so vollkommen,
 daß man von ihm in ganz Deutschland
 nur das beste dachte.
 Vor jeglichem Makel
 hatte er sich sein Leben lang bewahrt.
 Er war höfisch gebildet und verständig,
 von schöner Erscheinung und in allem tugendhaft.
 Alles, womit ein Mann auf Erden
 hohes Ansehen erwerben soll,
 das konnte der gebildete Herr sich gut
 vorstellen und ausdenken.
 Man sah den Edlen
 auserwählte Kleidung tragen;
 mit Hunden und Falken verstand er gut
 zu jagen und tat es häufig;
 Schach- und Saitenspiel
 waren sein Zeitvertreib.
 Hätte man ihm im Umkreis von hundert Meilen
 ein Turnier genannt,
 so wäre der edle Herr
 bereitwillig dorthin geritten
 und hätte da begierig um Ruhm
 und den Preis hoher Minne gekämpft.
 Er war vornehm und
 verständigen Damen so gewogen
 und hatte ihnen sein Leben lang
 mit unermüdlicher Beständigkeit
 so sehr den Hof gemacht,
 daß alle begünstigten Frauen
 sein gutes Aussehen
 lobten und rühmten.
 Wie wir aus Büchern erfuhren
 und ich es von ihm selbst aufgeschrieben fand,
 war sein Name:
 Herr Wirnt von Grafenberg.
 Während seines ganzen bisherigen Lebens hatte er
 sich nur mit weltlichen Dingen befaßt.
 
 Er verlangte insgeheim und auch vor aller Augen
 leidenschaftlich nach der Minne.
 Einst saß der vielgepriesene Herr
 in seinem Gemach
 und war mit Unterhaltung gut versorgt.
 Er hielt ein Buch in der Hand,
 in dem Liebesgeschichten
 erzählt wurden.
 Darüber hatte er den ganzen
 Tag bis zum Abend verbracht:
 Er hatte große Freude an den köstlichen
 Erzählungen, die er las.
 Als er so dasaß,
 da kam eine Frau zu ihm,
 ganz nach seinem Verlangen geschaffen.
 Sie war in Vollkommenheit geschmückt
 und sah so lieblich aus:
 niemals hat es eine schönere Frau gegeben.
 Ihre Schönheit übertraf bei weitem
 die aller Frauen, die heute leben.
 Nie ist ein so liebenswertes Geschöpf
 von einer Frau großgezogen worden.
 Ich verbürge mich dafür, so wahr ich getauft bin,
 daß sie noch weit schöner war
 als Venus oder Pallas Athene
 und alle die Göttinnen überhaupt,
 die sich vormals der Liebe geweiht hatten.
 Ihr Antlitz und ihre Gestalt
 waren durchaus vollkommen
 und glänzten so hell wie ein zierlicher Spiegel.
 Ihre Schönheit strahlte einen so hellen Schein
 und herrlichen 
				Glanz aus,
 daß der Saal
 durch sie erleuchtet wurde.
 Die Vollkommenheit selbst hatte bei ihr
 ihre ganze Kunst aufgeboten;
 ihre besten Kräfte hatte sie
 mit größter Sorgfalt an diese Frau gewandt.
 Was man schönen Frauen sonst nachrühmen mag-
 ihre Schönheit übertraf alles.
 Eine liebenswertere Frau
 hat man auf dieser Welt nie gesehen.
 Dazu war sie – ihrer Schönheit entsprechend -
 vornehm gekleidet.
 Kleider und Krone,
 die diese schöne Frau
 trug,
 waren so kostbar,
 daß sie bestimmt niemand
 hätte bezahlen können,
 gesetzt, sie wären verkäuflich gewesen.
 
 Herr Wirt von Grafenberg
 erschrak sehr heftig vor ihr,
 als sie auf ihn zuschwebte.
 Er wurde totenbleich,
 als sie ihm erschien.
 Doch zugleich quälte ihn die Frage,
 wer die Frau wohl wäre, die ihn besuchte.
 Der edle Mann sprang
 verwirrt und bleich auf
 und empfing die liebenswerte Dame
 so zuvorkommend, wie er nur vermochte.
 Freundlich sagte er:
 »Seid hoch willkommen, Herrin!
 Ihr übertrefft alles weit,
 was ich je über vornehme Frauen erfahren habe.«
 Darauf erwiderte die Dame mit höfischem Anstand:
 »Liebster Freund, Gott lohne dir deine Worte!
 Doch erschrick nicht so heftig vor mir:
 Ich bin doch eben die Dame,
 der du noch jetzt bereitwillig dienst
 und der du immer schon gedient hast.
 Auch wenn du jetzt erschrocken vor mir stehst,
 so bin ich doch dieselbe Dame,
 für die du immer wieder
 Leib und Leben aufs Spiel gesetzt hast.
 Wenn du dich je betrüben solltest,
 so sei stets um meinetwillen hochgestimmt.
 Du bist dein ganzes Leben lang
 höfisch gebildet und verständig gewesen;
 als ein vornehmer und gut aussehender Mann
 hast du dich um mich bemüht;
 in Sprüchen und Liedern
 hast du alle meine Vorzüge gefeiert;
 seit jeher warst du mein Verehrer
 so früh wie spät.
 Du hast es verstanden,
 dir reiches Lob und Anerkennung zu verdienen;
 wie ein Maienzweig
 erblühen deine zahllose Vorzüge.
 Von frühester Jugend an hast du
 den Ehrenkranz getragen;
 du bist mir immer aufrichtig und völlig
 treu ergeben gewesen.
 Edler, auserwählter Ritter:
 ich bin hierher gekommen,
 damit du nach Herzensbegier
 meine erlesene Gestalt
 von allen Seiten betrachten kannst,
 Meine Schönheit und Vollkommenheit.
 Den überaus reichen Lohn und Nutzen,
 den du von mir
 für deinen edlen Dienst empfangen kannst,
 den sollst du jetzt mit eignen Augen erblicken.
 Es drängt mich, dich sehen zu lassen,
 welcher Lohn dir zukommen wird.
 Denn du hast mir überaus gute Dienste geleistet.«
 
 Der 
				vornehme und 
				tugendhafte Herr
 wunderte sich sehr
 über die Worte dieser Dame;
 denn obwohl der jugendliche Mann
 sie noch nie gesehen hatte,
 behauptete die Dame dennoch,
 er sei ihr Diener gewesen.
 Er sagte: »Ich bitte um Verzeihung, Herrin:
 Wenn ich Euch je gedient haben sollte,
 so weiß ich jedenfalls nichts mehr davon.
 Ich glaube ganz bestimmt,
 daß ich Euch noch nie
 in meinem Leben gesehen habe.
 Da es Euch aber beliebt, beglückende Herrin,
 mich in Euren Dienst zu nehmen,
 so will ich Euch mit Leib und Seele
 bereitwillig dienen.
 Gern will ich diese Mühe
 bis an mein Lebensende auf mich nehmen.
 Ihr vermögt so hohes Glück zu schenken
 und seid dazu in jeder Hinsicht so vollkommen,
 daß Eure Freudebringende Jugend
 es mir gewiß lohnen wird.
 Ich preise mich glücklich, daß ich diesen Tag
 erleben darf; ich freue mich überaus,
 daß Ihr, liebenswerte Herrin,
 meinen Dienst annehmen wollt.
 An auserwählten Vorzügen reiche Gebieterin,
 habt die Gnade, mir etwas davon kundzutun
 - um des herrlichen Glückes willen,
 das in Euch, hohe Frau, beschlossen liegt-:
 Welcher Ort gibt Euch den Namen
 oder wie nennt man Euch?
 Euren Namen und Euer Heimatland
 nennt mir bitte jetzt,
 damit ich ganz sicher weiß,
 ob ich je in meinem Leben
 von Euch gehört habe.«
 Darauf gab ihm die Herrin
 mit wohlgesetzten Worten Bescheid:
 »Liebster Freund, das soll geschehen.
 Mit Freuden will ich dir nun
 meinen vielgerühmten Namen nennen.
 Nie brauchst du dich zu schämen,
 daß du mir zu Diensten bist.
 Mir dient ja alles, was es auf Erden
 an Schätzen und Gütern gibt;
 ich bin so erhaben,
 daß selbst Kaiser und Prinzen
 unter meiner Herrschaft stehen;
 Grafen, Freiherren und Herzöge
 haben ihr Knie vor mir gebeugt
 und befolgen alle mein Gebot.
 Ich fürchte niemanden außer Gott,
 der allein Macht über mich hat.
 Die W e l t werde ich genannt,
 die du nun so lange schon begehrt hast.
 Du sollst von mir belohnt werden,
 wie ich dir jetzt sogleich erweisen werde.
 Sieh, wie ich mich dir nun zeige.«
 
 Damit kehrte sie ihm den Rücken zu;
 der war über und über
 behängt und bedeckt
 mit Gewürm und Schlangen,
 mit Kröten und Nattern;
 voller Blattern war ihr Körper
 und mit häßlichen Geschwüren übersät.
 Fliegen und Ameisen
 saßen in Unmengen darin;
 die Maden zerfraßen ihr Fleisch
 bis auf die Knochen.
 Sie war dermaßen voll Unrat,
 daß von ihrem gebrechlichen Körper
 ein derart abscheulicher Gestank ausging,
 daß niemand ihn ertragen konnte.
 Ihr kostbares Seidenkleid
 wurde übel zugerichtet:
 Es wurde
 in einen armseligen Tuchfetzen verwandelt;
 ihr Antlitz, sonst von hellem Glanz,
 wurde so sehr entstellt,
 daß es aschfahl wurde.
 Hiermit schritt sie davon.
 Verflucht sei sie von mir und
 allen Christen!
 Als der vornehme und adlige Ritter
 diese wundersame Verwandlung sah,
 gestand er sich auf der Stelle ein,
 daß ein jeder ganz und gar verflucht sein müsse,
 der sich dazu hergeben wollte,
 dieser Frau zu dienen.
 Von seiner Frau und seinen Kindern
 nahm er sofort Abschied.
 Er heftetete das Kreuz sich ans Gewand,
 fuhr über das gefahrvolle Meer
 und half dem edlen Heer der Christen
 im Kampf gegen die Heiden.
 Dort tat der rechtschaffene Ritter
 unablässig Buße.
 Und so arbeitete er stets darauf hin,
 daß ihm, als er starb,
 seine Seele im Jenseits gerettet wurde.
 
 Nun mögen alle Kinder
 dieses unheimlichen Jammertals
 meine wahrhaftige Lehre beherzigen;
 sie ist so wahr,
 daß man sie begierig aufnehmen sollte:
 Der Lohn dieser Welt ist endloser Jammer,
 daß solltet ihr jetzt alle eingesehen haben.
 Ich jedenfalls habe dies klar erkannt:
 Keiner, der im Dienst der Welt steht,
 erlangt je die Seligkeit,
 die Gott zuverlässig und treu
 seinen Auserwählten bereitet hat.
 
 Ich, Konrad von Würzburg
 gebe euch allen diesen Rat:
 Wendet euch von der W e l t ab,
 wenn ihr eure Seele retten wollt.
 
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