Das Buch und die Presse 
					 
					                   Das Buch 
					 
					Was seufzest du — und drückest mich? 
					Ich liege still, gedrückt durch dich! 
					 
					                   Die Presse 
					 
					Nicht mein Geschicke jammert mich — 
					Für dich, für dich nur seufze ich, 
					Daß du so unbesonnen bist. 
					Und große Wehen dir zuziehst. 
					 
					Denn mir ist der betrübte Stand 
					Der meisten Bücher längst bekannt: 
					Drum wähn' ich, daß ein solch Geschicke 
					Vielleicht auch dich in Zukunft drücke. 
					 
					Witzlinge werden dich zu kaufen 
					Aus Vorwitz anfangs häufig laufen; 
					Vielleicht, daß viele der Gelehrten 
					Nach dir mit Hitze greifen werden. 
					 
					Bald aber fällt der Kritiker 
					Ganz unbarmherzig auf dich her; 
					Gebrandmarkt wirst du aller Welt 
					Als schlecht zum Spotte dargestellt. 
					 
					Erst wenn du aufhörst neu zu sein, 
					Und nimmst die Leser nicht mehr ein; 
					Dann kommt der trauervollste Stand, 
					Es nimmt der Eckel überhand, 
					Und in Vergessung ganz begraben 
					Wirst du die träge Motte laben: 
					Zuletzt kann dies dein Schicksal sein — 
					Man wickelt Pfeffer in dir ein. 
					 
					* * * 
					 
					Die Presse sprach's, und ruhte dann: 
					Drauf fing das Buch zu seufzen an: 
					"O halte so ein bös Geschicke 
					Geneigter Leser! doch zurücke." 
					 
					Die Tierseuche 
					 
					Die Erde zu verwüsten, steigt 
					Kein Unheil aus der Hölle, 
					Das seine Macht so schreckbar zeigt — 
					Die Wut in solcher Völle: 
					Als, kurz gesagt, die Seuche ist, 
					Die Plutus Reich in kurzer Frist 
					Zwar füllt — jedoch nicht sättigt. 
					 
					Sie fraß im Tierreich einst umher, 
					Stürzt Körper nicht zum zählen; 
					Und was noch lebte, schnaubte schwer, 
					Aus Angst vor gleichen Fällen. 
					Die Angst macht Lust und Freude flieh'n. 
					Trüb, schläfrig war der Tiere Sinn — 
					Nur Trauer und Schrecken herrschten. 
					 
					Durch dieses Elend war der Mut 
					Dem Löwen selbst benommen; 
					Er ließ (so hielt er es für gut) 
					Die Tiere zahlreich kommen. 
					Gleich war was gehen konnte da, 
					Und als er diese Menge sah, 
					Hielt er an sie die Rede: 
					 
					"Die Götter haben oft sich schwer 
					An Tausenden gerochen, 
					Und doch hat nur ein einziger 
					Aus allen was verbrochen. 
					Drum richte streng ein jeder sich, 
					Und denke still: vielleicht bin ich 
					Schuld an des Himmels Rache. 
					 
					Und findet er auf diese Weis' 
					Sich schuldig, o! so gebe 
					Er sich fürs Volk als Opfer preis, 
					Daß doch die Unschuld lebe; 
					Was mich betrifft, ich sieh' es ein: 
					Ich selbst, als König, bin nicht rein, 
					Und frei von allen Sünden. 
					 
					Denn manches Schaf und Lamm war mir 
					Ein allerliebster Bissen; 
					Auch wurden nicht nur Ochs und Stier — 
					Die Hirten selbst zerrissen. 
					Ich armer Sünder klag mich an, 
					Dies und noch mehr hab' ich getan — 
					Und wider alle Rechte." 
					 
					Da sprach der Fuchs (er schmeichelt gern) 
					"Das nenn' ich kein Verbrechen; 
					Wer wird so einen großen Herrn 
					Hierin nicht schuldlos sprechen? 
					Es hatte manches Schaf und Rind 
					Zum Hungerstillen dir gedient — 
					Je nun, du bist ja König. 
					 
					Die Dummen füllten deinen Bauch — 
					Soll das nicht Ehre heißen? 
					Die Majestät beliebte auch, 
					Die Hirten zu zerreißen. 
					Bei meiner Treu' ist dieses schlecht, 
					Wenn sich ein Feind am Feinde rächt? 
					Das geht nach Kriegesrechten." 
					 
					Es hatte, was Reinecke sprach, 
					Den übrigen gefallen: 
					Viel schlaue Redner folgten nach, 
					Ihr Schwarzes weiß zu malen. 
					Es beichteten der Tiger, Bär, 
					Der Wolf, und andre Schinder mehr 
					All' ihre Missetaten. 
					 
					Nun war der Esel noch allein, 
					Um sich auch anzuklagen: 
					Er drang ins Innre tief hinein, 
					Und wußte nichts zu sagen. 
					Er forschte recht betschwesterlich, 
					Und prüfte hin und wieder sich — 
					Zuletzt kam diese Sünde. 
					 
					"Ich ging (so neblicht fällt's mir bei) 
					Vor vielen Jahren und Tagen, 
					An eines Priesters Feld vorbei, 
					Wo — kann ich nimmer sagen. 
					Es war ein kleiner, kleiner Strich — 
					Doch gutes, zartes Gras sah ich, 
					Ich werde mich nicht irren. 
					 
					Ich wußte das Verbot vorher, 
					Am Priestergut zu nagen; 
					Ich wollt' es missen — doch zu sehr 
					Schrie der erzürnte Magen. 
					Das edle Gut war mir zu lieb, 
					Gelegenheit macht mich zum Dieb — 
					Ich glaube gar — der Teufel. 
					 
					Der Teufel, ja, hat mich verführt, 
					Ich hätte so vermessen 
					Das süße Gras sonst nicht berührt, 
					Nicht einen Halm gefressen." — 
					Kaum sprachs der Esel, so ertönt 
					Ein Lärmen in dem Tier - Konvent — 
					Des Armen Todes Urteil: 
					 
					"Es soll für seine Missetat 
					Der Lasterhafte sterben! 
					Er ist es, der gesündigt hat, 
					Die Quelle vom Verderben. 
					Er fraß von eines Priesters Gut! 
					Ein Bösewicht, der dieses tut, 
					Heißt der nicht Gottesräuber? 
					 
					Von diesem Schurken kam die Not, 
					Von ihm, des Himmels Rache; 
					Nun ist es nötig, daß sein Tod 
					Die Götter sanfter mache." 
					Der König, welcher ohne Scham, 
					Den Todesspruch für billig nahm. 
					Sprach, Wolf! du mußt ihn schlachten. 
					 
					* * * 
					 
					Trifft es der Großen Wohlstand an, 
					So stürzen sie den schlechten Mann. 
					Was kaum des Fehlers Nam' verdiente, 
					Verwandelt man in schwere Sünde. 
					 
					Die Ameise und das 
					Heupferd 
					 
					Es sammelte mit großem Fleiße 
					Die Ameise in der Ernte Speise, 
					Und füllt' ihr selbst erbautes Haus 
					Mir Körnchen für den Winter aus. 
					 
					Indes bei bösem Müßiggang 
					Das Heupferd heischre Lieder sang, 
					Und in der Trägheit niemals wähnte, 
					Daß etwas schlimmes kommen könnte. 
					Der Winter kam — und ach! da war 
					Das arme Tier vor Kälte starr. 
					Es sah's nun leider freilich ein, 
					Sein Ende würde Hunger sein, 
					Wofern es ihm nicht soll gelingen, 
					Wo immer Nahrung aufzubringen. 
					 
					Die Ameise hatte ungestört 
					Im Loch an ihrem Gut gezehrt. 
					Nun kam das Heupferd flehentlich, 
					Und sprach! "o Beste! labe mich 
					Mit einem Körnchen in der Not — 
					Ich sterbe sonst den Hungertod." 
					 
					Was hast du, fing die Ameise an, 
					Als ich mir sammelte, getan? 
					"Dort unterhielt ich mich mit singen." 
					Du sangst — sehr gut! — jetzt kannst du springen. 
					 
					* * * 
					 
					Wer nicht im Lenze seines Lebens 
					Um Nahrung tätig sich bewirbt, 
					Bedauert als schwacher Greis vergebens, 
					Wenn er beinahe Hungers stirbt. 
					 
					Der Adler, der 
					Rabe und der Hirt 
					 
					Einst hatte seine krummen Klauen 
					Der Adler in ein Schaf gehauen. 
					Er flog, und macht den Raben glauben, 
					Er könne gleichfalls eines rauben; 
					Und dieser sah so einen Schmaus 
					Sich bei der ganzen Herde aus. 
					Er stürzt herab mit raschem Flug; 
					Allein er war nicht stark genug 
					Er bringt das Schaf nicht von der Stelle, 
					Verwickelt sich im krausen Felle, 
					Und ach! kein Mittel war zu finden, 
					Aus dem Gewirr sich loszuwinden. 
					 
					Eilfertig springt der Hirt dahin, 
					Und packt mit diesen Worten ihn: 
					"Wie toll! bei nicht geprüfter Stärke 
					Schrittst du zu einem solchen Werke. 
					Du wolltest fangen, schwaches Tier! 
					Nun als Gefangner komm mit mir, 
					Und diene meinem kleinen Sohne 
					Zukünftig zum Spott und Hohne." 
					 
					* * * 
					 
					Des Stärkern Taten nachzumachen, 
					Ist oft Verderben für den Schwachen. 
					 
					Die Eidechse 
					und die Schildkröte 
					 
					               Die Eidechse 
					 
					Ach! ach! du mußt dich schrecklich plagen, 
					Dein Haus beständig mitzutragen. 
					 
					               Die Schildkröte 
					 
					Dank für dein Mitleid, das du hast: 
					Was Nutzen bringt, ist keine Last. 
					 
					Der Igel und der 
					Maulwurf 
					 
					"O lieber Maulwurf hab' die Güte," 
					Sprach einst der Igel, "gib, ich bitte, 
					Mir Platz in deiner Höhle da — 
					Ich fühl's, der Winter ist schon nah — 
					Ach! schütz mich vor der Kälte Grimm;" 
					Und jener, seht! gewährt es ihm. 
					Doch bald fiel ihm der böse Gast 
					Mit seinen Stacheln sehr zur Last: 
					Er wälzte nach Belieben sich, 
					Versetzt dem Hauswirt manchen Stich. 
					Der gute Maulwurf sah es ein, 
					Er nahm den Gast sich nur zur Pein; 
					Ihn zu gedulden fiel ihm schwer, 
					Er bat ihn, und beschwur ihn sehr, 
					Er möchte doch sein Haus verlassen, 
					Unmöglich könnt' es beide fassen. 
					Der Igel aber freudenvoll, 
					Denn in der Höhle war's ihm wohl, 
					Versetzt dem Maulwurf: kurz gered't — 
					Wer hier nicht bleiben kann, der geht. 
					 
					* * * 
					 
					Dumm ist es, Gästen Herberg gönnen, 
					Die wir nicht einst vertreiben können. 
					 
					Der Löwe, der 
					Wolf und der Fuchs 
					 
					Der Löwe erkrankte, eilends kamen, 
					Bis auf den Fuchs, auf diese Post 
					Die Tiere haufenweis zusammen, 
					Zu ihres kranken Königs Trost. 
					 
					Gelegenheit zu einer Klage 
					Nahm Isegrim, Reinenkens Feind, 
					Daß bei des Königs schlimmen Lage 
					Er fühllos bleibt, und nicht erscheint. 
					 
					Dies, und noch mehr dergleichen Sachen 
					Schwätzt wider ihn der Plauderer, 
					Beim Löwen ihn verhaßt zu machen — 
					Und endlich kam der Fuchs daher. 
					 
					Er hörte vom Beschluß ein wenig, 
					Trat kaum hinzu, und sprach geschwind: 
					"Vielleicht hältst du, o großer König! 
					Mich für ein gar zu träges Kind. 
					 
					Vergib! sehr gut war mein Verweilen; 
					Ich forschte fleißig weit umher, 
					Was für ein Mittel dich zu heilen 
					Das kräftigste, und beste wär. 
					 
					Mit vieler Mühe konnt' ich's finden;" 
					Der Löwe rief: was soll's denn sein? — 
					"Den Wolf laß gleich lebendig schinden, 
					Hüll' in die warme Haut dich ein." — 
					 
					Es hatte das Rezept gefallen, 
					Wie es Herr Doktor Fuchs verschrieb, 
					Gleich mußte mit der Haut bezahlen 
					Der Wolf die Falschheit, die er trieb. 
					 
					Der Tropf erkennt bei seinem Sterben, 
					Daß Falschheit und Betrügerei 
					Oft dem Urheber zum Verderben, 
					Und nie dem Fürsten nützlich sei. 
					 
					Zween Knaben, 
					zugleich Brüder 
					 
					Gemeinschaft, angeborne Triebe 
					Verknüpften mit dem Band der Liebe 
					(So wie es geht in diesen Jahren) 
					Zween Knaben, welche Brüder waren. 
					Hievon lag einer krank danieder. 
					Leicht war es zum genesen wieder; 
					Jedoch fand nach des Arztes Rat 
					Noch eine Aderlässe statt, 
					Und Mitleidstränen weinte da 
					Des Kranken Bruder, der es sah. 
					 
					Der Kranke dachte nun bei sich: 
					"O! das sind fromme Mitleidstriebe, 
					Und Zeugen wahrer Bruderliebe — 
					Mehr, als ich glaubte, liebt er mich!" 
					 
					Als bald nachher die Krankheit wich, 
					Erblickte er sein Brüderchen 
					Mit Leckerbissen wohl verseh'n. 
					Er bat: "O laß von deinem Süßen 
					Mir doch nur einen Teil gemessen!" — 
					Wer glaubte dies? — er schlug ihm's ab. 
					 
					"Du schenktest, seufzt der arme Knab' 
					Mir gestern deine frommen Tränen; 
					Jetzt willst du mir nichts süßes gönnen?" 
					Nichts, sprach er: Tränen kommen nur — 
					Nicht Leckerbissen von Natur. 
					 
					* * * 
					 
					Oft zeigen sich die schönsten Triebe 
					Der feurig, besten Bruderliebe; 
					Doch, daß man wahre Liebe hat, 
					Beweiset selten eine Tat. 
					 
					Die Rose und der 
					Schmetterling 
					 
					Es blühte eine Rose schön; 
					Doch mußte sie fast ungeseh'n 
					In einem Gartenwinkel steh'n. 
					 
					Die Unbekannte sah nun eine 
					Im Gartenbeet voll Feuer und Pracht, 
					Wie sie im holden Widerscheine 
					Dem Sonnen-Licht entgegenlacht. 
					 
					Sie seufzte gebläht vom Neid', 
					Daß sie, doch vom Geschlecht wie diese, 
					Ein härteres Schicksal dulden müsse. 
					 
					Es merkte diese Traurigkeit 
					Ein Schmetterling (von ungefähr 
					Trug ihn sein leichter Flug hierher), 
					Und rief der Rose also zu: 
					"Was seufzest, dummes Blümchen du? 
					Zwar glänzet deine Schwester mehr — 
					Auf sie strahlt Phöbus stärker her; 
					Doch ist sie nicht, wie du, so zart, 
					Im blühen nicht von deiner Art: 
					Und was noch mehr ist — schneller flieh'n 
					Bei ihr die Lebenstage hin."— 
					 
					* * * 
					 
					Es ist fast eine halbe Welt 
					Mit dieser Qual beladen: 
					Der zu gemeine Stand mißfallt — 
					Der hohe bringet Schaden. 
					 
					Die Steintaube 
					und der Federfuß 
					 
					                Der Federfuß 
					 
					"Die Pflaumenstiefel rühm' ich mir! — 
					Pfui! schäme dich, du garst'ges Tier! 
					Mit diesen häßlich nackten Beinen 
					An meiner Seite zu erscheinen." 
					 
					                Die Steintaube 
					 
					Dies, daß ich nackte Beine habe, 
					Erkenn' ich als des Schicksals Gabe — 
					Dein Vorwurf ist höchst ungerecht. 
					Mich freuts, daß ich in dem Geschlecht 
					Zur Welt geboren worden bin — 
					Ich wandle noch so leicht dahin. 
					Ich laß, was dir das Glück gegeben, 
					Die Federstiefel dich erheben — 
					Du magst für Zierde sie erkennen — 
					Ich glaub, man soll sie Fesseln nennen: 
					Ja die Erfahrung soll dich lehren, 
					Daß sie nicht nützen — nur beschweren." 
					 
					Die Stolze, ganz entflammt, vergaß, 
					Daß sie auf ihren Eiern saß. 
					Sprang husch vom Nest, ließ gerne sehen, 
					Sie könne recht bequemlich gehen. 
					 
					Die Hoffnung — künftiger Kinder Leben 
					Blieb an den Pflaumenstiefeln kleben. 
					Die Hitze war der Brut Verderben — 
					Am Boden lag der Trost in Scherben. 
					 
					* * * 
					 
					Hier lernt, daß Stolz auf Kleiderpracht 
					Nicht selten großen Schaden macht. 
					 
					Der Kapaun 
					 
					Es sah ein Mann im Hühnerhaus 
					Sich den Kapaun zum Liebling aus; 
					Er hielt den Vogel ganz für schön, 
					War gleich an ihm kein Federchen 
					Von Reize oder Glanz zu sehn. 
					Sogar wand um den Hals der Blinde 
					Ihm eine hübsche rote Binde, 
					Und zeiget uns, wie toll und blind 
					Wir Menschen in der Liebe sind. 
					 
					Der Vogel in der neuen Zier 
					Wähnt stolz, es gäb kein schöners Tier, 
					Und eilet zu den Seinigen. 
					 
					Doch ganz verächtlich angeseh'n 
					Ward hier der Tor — wohl gar von allen 
					Mit einem Male überfallen. 
					Und mußte aller Arten Plagen, 
					Schmach, Schimpf, und Mutwille übertragen. 
					 
					* * * 
					 
					Unwürd'gen eine Ehre gönnen, 
					Das heißt so viel, als sie verhöhnen. 
					 
					Der Affe und das 
					Hirschkalb 
					 
					Kurze Weile sich zu schaffen 
					Scherzt' ein Hirschkalb mit dem Affen; 
					Und sein ganzes Spiel war nur 
					Unschuld, Einfalt, und Natur. 
					 
					Doch die angeborne Tücke 
					Hielt der Affe nicht zurücke, 
					Fing mit seinem bösen Zahn' 
					An dem Kalb zu stupfen an: 
					Endlich kriegt durch die Bisse 
					Sein empfindlich Häutchen Risse. 
					 
					So gekränkt nimmt es die Flucht, 
					Springt zum Hirschen hin, und sucht 
					Weinend, heulend seine Wehen 
					Mit den Worten zu erhöhen: 
					 
					"Vater! sieh dein armes Kind — 
					Wie das Blut vom Leibe rinnt! 
					Dieses hat der Aff getan — 
					Der verfluchte Scharlatan! 
					Räche diese große Sünde, 
					Wie es billig ist, geschwinde; 
					Sicher bringt er mich ums Leben — 
					Wirst du diesmal ihm vergeben; 
					Er bekommt, bist du zu gut, 
					Bald zu größern Lastern Mut." 
					 
					Anfangs stimmt der Hirsch ihm bei, 
					Daß die Klage billig sei. 
					Fängt für seines Sohnes Leben 
					Wirklich selbst schon an zu beben; 
					Wutvoll schlägt die heiße Brust — 
					Er bekommt zur Rache Lust. 
					 
					Als er aber mit Bedacht 
					Untersuchungen gemacht, 
					Hatte er nur leichte Wunden 
					An des Sohnes Fell gefunden, 
					Sagte, daß sein Klaggeschrei 
					Lügenhaft gewesen sei. 
					 
					* * * 
					 
					Für ein zu empfindsam Herz 
					Wird die kleinste Schmach zum Schmerz. 
					 
					Der Storch und der Pfau 
					 
					Ein hitziges Gezänke gab 
					Es einst beim Storch und Pfau ab, 
					Und kurz — der Stoff zu diesem Streit 
					War heimliche Gehässigkeit. 
					 
					Gleich stellt sein Federrad der Pfau, 
					Den edelsteinernen Schmuck zur Schau, 
					Und spricht: "Blick auf die Federn her! — 
					Sag, glänzet Phöbus feuriger? 
					Lob, wenn du kannst, so was an dir — 
					Wirf mir die Aschenfarbe für!" — 
					 
					Am Federglanz besiegst mich du, 
					Versetzt der Storch, das geb' ich zu, 
					Und gönne dir den eitlen Ruhm — 
					Dich zu beneiden wäre dumm; 
					Dein Schmuck beugt dich zur Erde nieder — 
					Schimpf immer stolz auf mein Gefieder, 
					Mit dem ich weite Reisen wage, 
					Mich über Wald und Berge trage, 
					Sogar die Wolken selbst durchdringe, 
					Und mich nächst an die Götter schwinge. 
					 
					* * * 
					 
					Besitzest du besondre Gaben, 
					Sei nicht von eitlem Stolze blind; 
					Denn wer zum Teile Lob verdient, 
					Kann auch zum Teile Tadler haben. 
					 
					Die Pomeranzen 
					 
					Es hatte einst in Portugal 
					Ein Mann nur einen Knaben, 
					Der durch die Schönheit sich empfahl, 
					Wie durch der Seele Gaben — 
					Er nahm den Vater nicht allein, 
					Auch alle, die ihn sahen, ein — 
					Gut war er, sanft, und artig. 
					 
					Dem Söhnchen war der Vater sehr, 
					Doch nicht zu blind gewogen; 
					Sein sorgsam Auge hatte er 
					Niemals von ihm gezogen. 
					Und weil sein Herz so einfach war, 
					So sah er um so mehr Gefahr, 
					Durch List verführt zu werden. 
					 
					"Flieh die Gesellschaft, lieber Sohn!" 
					War öfter seine Lehre; 
					(Der kluge Vater wußte schon, 
					Daß sie zu zahlreich wäre) 
					"Bekanntlich Fritz, und Hänschen flieh! 
					Dir gleich an Alter ja sind sie — 
					Doch nicht an Herzensgüte." 
					 
					Voll Ehrfurcht hatte jener zwar 
					Die Warnung angenommen; 
					Doch sprach er: "Vater! wie? Gefahr — 
					Woher soll diese kommen? 
					Es ist dir der Gesellschaftsstand, 
					Wie's scheint, noch nicht genug bekannt — 
					Glaub mir! sie kann nicht schaden. 
					 
					Ich hoff sogar, ich will allein 
					Durch meine guten Sitten, 
					Schlich auch ein Fünkchen Bosheit ein, 
					Den großen Brand verhüten." 
					Dies war dem Vater nicht genug; 
					Doch hielt er es für weise und klug, 
					Dem Sohne nicht zu zürnen. 
					 
					Weil es, dacht' er, nicht möglich ist, 
					Ihn mündlich zu bezwingen, 
					So wird durch eine fromme List 
					Es mir vielleicht gelingen. 
					Ein Kästchen füllte er sodann 
					Mit hübschen Pomeranzen an, 
					Die Gaum, und Auge reizten. 
					 
					Doch mischt' er sie mit schlechteren, 
					Woran so mancher Flecke 
					Verriet, daß schon im Inneren 
					Der Grund zur Faulung stecke. 
					Hierauf rief er den Sohn zu sich. 
					Und sprach: "hier ist so was für dich — 
					Ein Unterpfand der Liebe." 
					 
					Mit Dankbarkeit empfängt der Sohn, 
					Und freudenvoll die Gabe. 
					Wißbegierig forscht, und zählt er schon, 
					Was er für Schätze habe. 
					Auf einmal fängt er klagend an: 
					"O, Vater! was hast du getan? 
					Du mischtest gut mit bösen." 
					 
					"Klag nicht, mein Sohn! bald wirst du seh'n, 
					Wie gut und bös sich paaren." — 
					"In Faulung werden übergeh'n, 
					Die ohne Flecken waren," 
					Versetzt der Sohn. Der Vater spricht: 
					"Ich sag dir, fürchte dieses nicht — 
					Der Ausgang wird dich lehren." 
					 
					Dem Sohne war es viel zu schwer, 
					Das Rätsel zu enthüllen; 
					Gleichwohl gab er das Jawort her — 
					Auch wider seinem Willen. 
					Der Vater steckt den Schlüssel ein, 
					Verschlossen muß das Kästchen sein. 
					Bis er es öffnen heiße. 
					 
					Die Ungeduld wuchs immer mehr 
					Beim Sohn, sein Gut zu sehen; 
					Er drang in seinen Vater sehr 
					Mit Schmeicheln, und mit Flehen. 
					"Geduld," fiel ihm der Vater ein, 
					"Bald wird dein Wunsch erfüllet sein — 
					Itzt härmst du dich vergebens." 
					 
					Nun schien ihm selbst die Sache schon 
					Genug hinaus gedehnt. 
					Er sprach: "der Tag ist da, mein Sohn! 
					Nach dem du dich gesehnt. 
					Er reichet ihm den Schlüssel dar — 
					Das unvorsicht'ge Söhnchen war 
					Zu schnell zu seinem Schaden. 
					 
					Er öffnete das Kästchen kaum, 
					Und sah mit Graus, und Schrecken 
					Die nicht mehr goldne Frucht in Schaum, 
					Und faulem Schlamme stecken. 
					"Weh mir! das Elend," seufzet er, 
					"Sah ich mit gutem Grund vorher — 
					"Dir, Vater! war's nicht also." 
					 
					Der Vater küßt den Sohn, und spricht: 
					"Mein Kind! höre auf zu klagen; 
					Es lohnet sich der Mühe nicht, 
					So großes Leid zu tragen. 
					Du klagst, daß ich dir widersprach, 
					Und kamst dem Rate selbst nicht nach, 
					Und meinen guten Lehren. 
					 
					Ich hieß dich die Gesellschaft flieh'n, 
					Und bat, vor bösen Sitten, 
					Die leichtlich ins Verderben zieh'n, 
					Sorgfältigst dich zu hüten. 
					Daß mein Geschenk, die Kleinigkeit 
					Verdarb, dies macht dir Traurigkeit! — 
					So was läßt sich ersetzen. 
					 
					Weh aber mir! sollt' es gescheh'n, 
					Daß deiner Unschuld Zierde, 
					Die mich entzückt, zu Grunde geh'n, 
					Und Bosheit herrschen würde; 
					Wie bitter wäre dieser Schmerz 
					Für ein empfindsam Vaterherz? — 
					Er wäre nicht zu heilen." 
					 
					Hierdurch ward (so erzählet man) 
					Das Söhnchen eingenommen, 
					Und ließ das Beispiel sich fortan 
					Nicht aus dem Sinne kommen: 
					Wie gute Früchte so geschwind 
					Durch die Gemeinschaft böser sind 
					Zu Grund gerichtet worden. 
					 
					* * * 
					 
					Es soll euch, Knaben! das Gedicht 
					Ermahnen, und belehren: 
					Gar selten läßt der Bösewicht 
					Durch Fromme sich bekehren; 
					Allein der Tugendhafte wird 
					Unzählig oft, und schnell verführt — 
					Durch Umgang mit den Bösen. 
					 
					Der 
					Kürbis, die Eichel und der Bauer 
					 
					"Ei!" sprach ein Bauer, das faß ich nicht, 
					"Mit aufgeblähtem Wanste kriecht 
					Der Kürbis auf dem Boden hin — 
					Das ist nicht recht, so wahr ich bin! 
					Er würde noch so gut und schön 
					Auf dieser hohen Eiche steh'n. 
					 
					Mein Sir! so eine Frucht gebührte 
					So einem Baum zum Schmuck und Zierde! 
					Fürwahr da hat der Herr geschlafen, 
					Als er die Dinge so geschaffen. 
					 
					Hm! hm! warum kriecht nicht vielmehr 
					Die Eichel auf dem Boden her? 
					Ei! hätt' er mich zu Rat gezogen — 
					Ich hätte alles recht erwogen." 
					 
					Als er in dem verwirrten Wesen, 
					Den schweren Knoten aufzulösen, 
					Den Kopf sich lang umsonst zerbrach, 
					Fing er zu klagen an, und sprach: 
					"Wenn die Natur den Sterblichen 
					Mir Scharfsinn, und mit Witz verseh'n, 
					So ist es meiner Seel nicht gut; 
					Kaum', kaum gelingt es, daß man ruht." 
					 
					Er wirft sich bei der Eiche nieder — 
					Der Schlaf befällt die matten Glieder. 
					 
					Und als er hier so schlummerte, 
					Fiel eine Eichel von der Höh', 
					Und ritzte an der Nase ihn. 
					Husch fährt er mit der Hand dahin, 
					Und fängt gewaltig an zu schrei'n: 
					"O weh! die Wunde ist nicht klein — 
					Es fließet ja das Blut daher! 
					Wenn das die kleine Eichel kann, 
					Was hätt' der Kürbis erst getan, 
					Wenn er auf mich gefallen wär'? 
					Die Sache lasse ich beim alten — 
					Will nicht mit Grübeln mich verhalten, 
					Der weise Schöpfer dieser Welt, 
					Hat alle Dinge wohl bestellt." 
					 
					* * * 
					 
					Schimpft Gottes weise Vorsicht nicht, 
					Sonst trifft euch, Toren! das Gedicht. 
					 
					Der reumütige Wolf 
					 
					Der Wolf klagt einst mit bittrer Reu, 
					Daß er ein großer Sünder sei; 
					Verflucht sein lasterhaftes Leben, 
					Und schwört mit Ernst, es aufzugeben. 
					Auf Räubereien wutvoll rennen, 
					Und stets vor böser Mordlust brennen — 
					 
					"Das Leben", sprach er, "ist nicht fein, 
					Hübsch regelmäßig muß es sein! 
					Ich will nur Fried' und Sanftmut schätzen, 
					Den bösen Lüsten Grenzen setzen, 
					Will meine Seele nach den milden, 
					Und tückelosen Schafen bilden; 
					Ihr Umgang soll (die Zeit wird's lehren) 
					Mich Übeltäter ganz bekehren." — 
					 
					Hierauf begab zur wollnen Herde 
					Der Wolf geraden Wegs sich hin, 
					Recht gut bereitet (wies ihm schien) 
					Daß er nichts Übles stiften werde; 
					Vielmehr mit neubekehrtem Herzen 
					Recht freundlich unter Schafen scherzen. 
					 
					(Doch der Gewohnheitssünder, ach! 
					Ist für die Gegenwehr zu schwach) 
					Denn kaum fiel diesem Bösewicht 
					Das sanfte Völkchen ins Gesicht, 
					So loderte der alte Grimm, 
					Und Mordbegierde schon in ihm. 
					Weil seine Wut ihn morden hieß, 
					Folgt' er, wohin ihn selbe riß, 
					Und raubt zur Beute aus der Schar 
					Ein Schaf, das ihm das nächste war. 
					 
					* * * 
					 
					So machet viele Menschenkinder 
					Gelegenheit aufs neu zum Sünder, 
					Wenn nur des Lasters Häßlichkeit 
					Vom Laster ihn zurücke scheut. 
					 
					Der Fuchs, und der Hund 
					 
					Der Fuchs verschlang einst einen Hahn. 
					Noch troff sein Mund vom warmen Blute; 
					Da packt Melamp mit frischem Mute 
					Ihn unversehns am Wege an. 
					Husch lag der Mörder stückeweis, 
					Und diente dem Melamp zur Speis. 
					 
					* * * 
					 
					Denk, daß dir widerfahren kann, 
					Was du dem andern angetan. 
					 
					Zwo Mäuse 
					 
					Ein Speck, der an der Falle hing, 
					Ein sehr verführerisches Ding, 
					Erregte Lust zu einem Schmaus 
					Bei einer hungrigen Maus. 
					Sich zu bezwingen viel zu schwach, 
					Nagt sie, und hängt, und seufzet ach! 
					Wehmütig klagt sie ihre Nöte, 
					Und sah kein Mittel sich zu retten. 
					 
					Da kam mit eingeschrumpftem Felle, 
					Mit einem Herzen wie von Stein 
					Ein Mausekopf an diese Stelle, 
					Und sprach: "vergebens ist dein schrei'n — 
					Du selbst bist schuld an deiner Qual: 
					Ich sah wohl mehr als hundertmal 
					Ein solch betrügerisches Gericht — 
					Und dennoch unterlag ich nicht. 
					Es graute mir, ich schlug den Schmaus, 
					So sehr er mich auch lockte, aus. 
					 
					Mein Kopf (das laßt sich leicht verstehen) 
					Ist also gut mit Witz versehen. 
					Du aber, das ist mir bekannt, 
					Hast nicht ein Quentchen vom Verstand, 
					Und folgst, wohin dich Flattersinn, 
					Und angeborne Dummheit zieh'n." — 
					 
					"Du tötest mich Unglückliche", 
					(Erwidert die Gefangene) 
					"Dein Vorwurf kränkte nicht mein Herz, 
					Gäbst du mir Lindrung für den Schmerz. 
					Doch weil du mir, Hartherzige, 
					Nicht helfen kannst, so viel ich seh'; 
					Warum vermehrst du meine Wehen, 
					Noch obendrein mit Schimpf und Schmähen? 
					 
					* * * 
					 
					Freund! wenn du jemand elend siehst, 
					Komm nicht mit bittern Schmähungen, 
					Und mit unnützen Warnungen — 
					Hab Mitleid, weil er elend ist. 
					 
					Der Widder und der 
					Stier 
					 
					Ein Widder ward mit Schild und Waffen, 
					Mir festem Kopf und Horn geschaffen. 
					Als König unter allen Herden 
					Konnt' ihm nicht einer Meister werden. 
					 
					Stolz auf die Siege, rief der Tor 
					Nun einen Stier zum Kampf hervor. 
					 
					Er rennet an — der Gegner schnellt 
					Ihn witsch zurück — da liegt der Held. 
					 
					Vor seinem Ende fing er dann 
					Den Hochmut zu verfluchen an, 
					Und sprach: "Ich ließ durch Glück im Siegen 
					Mich lange blenden, und betrügen; 
					Doch der verdiente Unglücksstand 
					Macht meine Schwäche mir bekannt." 
					 
					Der Krebs und sein Sohn 
					 
					Zum Sohne, welcher rückwärts ging, 
					Sprach Vater Krebs: "Du närrisch Ding! 
					Schreit vorwärts!"— "geh du her vor mir," 
					Versetzt der Sohn, "ich folge dir." 
					 
					* * * 
					 
					Als Fehler rechne keinem an, 
					Was er dir selbst vorwerfen kann. 
					 
					Merkur und die Bauern 
					 
					Nächst an Gott Merkurs heil'ger Quelle 
					Hieb einst ein Bauer Bäume nieder: 
					Da ward die Art ein Raub der Welle — 
					Erhalten konnt' er sie nicht wieder — 
					Hierüber weint er bitterlich. 
					 
					Sogleich kommt mit gerührtem Herzen 
					Merkur, und fragt: "was kränket dich?" 
					Er hört die Ursach seiner Schmerzen, 
					Und geht davon. Doch bald kommt er 
					Mit einer goldnen Art daher, 
					Und sagt: "ist diese Art hier dein?" 
					Der arme Mann erwidert: nein! 
					Er zeiget ihm von Silber eine. — 
					Auch die; sprach er, ist nicht die meine. 
					Zuletzt gefiel es Merkur, von Eisen 
					Dem Manne eine Axt zu weisen. 
					 
					"Die, rief er, fiel mir in die Quelle." — 
					Der Gott lobt seinen Biedersinn, 
					Und seine unverfälschte Seele, 
					Und reicht ihm alle Arte hin. 
					Der Bauer macht mir frohem Mund 
					Die Sache seinen Nachbarn kund; 
					Und einer, der den Hergang hörte, 
					Wünscht, daß er auch so glücklich werde. 
					Er eilt an eben diese Stelle, 
					Wirft seine Axt in Merkurs Quelle, 
					Und sitzt am Ufer weinend nieder. 
					Von diesem nimmt die Gottheit wieder 
					Die Ursach seiner Tränen wahr. 
					Reicht eine goldne Art ihm dar, 
					Und spricht: "fiel diese in die Flut?" 
					"O ja! die ist's, mein liebstes Gut," 
					Schreit jener unverschämt und kühn. 
					Doch der ergrimmte Gott läßt ihn 
					Mit leeren Händen weiter zieh'n. 
					 
					* * * 
					 
					Mit Recht wird jenem nichts gewährt, 
					Der mehr, als billig ist, begehrt. 
					Doch der Bescheidne trägt zum Lohn 
					Weit mehr, als er verlangt, davon. 
					 
					Der Adler und die Maus 
					 
					In eine schlau verborgne Schlinge 
					Ging unversehens der Adler ein. 
					Sich eigenmächtig zu befrein, 
					War alle Stärke zu geringe; 
					Was er in Grimm und Wut versucht, 
					War leider! gänzlich ohne Frucht. 
					 
					Ein Mäuschen sah, wie er sich mühte, 
					Und sprang herbei mit schnellem Schritte: 
					Das mitleidsvolle Tierchen biß, 
					Bis es das feste Band zerriß, 
					Und machte von der Sklaverei 
					Des Blitzgottes Waffenträger frei. 
					 
					"Beim Zeus!" rief der Befreite aus, 
					"Ich soll von dem Verächtlichsten 
					Der Tiere mich gerettet seh'n!" — 
					Und tötete zum Dank die Maus. 
					 
					Der Schwan und die Gans 
					 
					Es fütterte ein Bauersmann 
					Einst eine Gans, und einen Schwan; 
					Und jene wollte er bald sehen 
					Gebraten auf dem Tische stehen: 
					Allein der Schwan, sein Lieblingstier, 
					Der sollte leben für und für, 
					Damit er durch die holden Töne 
					Ihm einst Vergnügen machen könne. 
					 
					Als er einmal die späte Nacht 
					Am Herd mit Plaudern zugebracht, 
					Rief er: "He! Töffel, Velten, Hans! 
					Was haltet ihr von unsrer Gans?" — 
					Der letzte spricht: "was Hans versteht, 
					So ist sie stattlich gut und fett: 
					Sie gäbe für dein ganzes Haus 
					Den allerbesten Abendschmaus." 
					 
					Nun dieses Urteil hatte allen, 
					Und auch dem Bauer selbst gefallen. 
					Flugs eilte unser Bauersmann 
					Hinab zum Stall, wo Gans und Schwan 
					Nächst beieinander ruhig saß; 
					So zwar, daß er das Licht vergaß. 
					 
					Herum im Finstern tappt er dann, 
					Verfehlt die Gans, und packt den Schwan, 
					Und drosselt dieses arme Tier 
					In seinem blinden Eifer schier. 
					 
					Doch seht! itzt stimmt der kluge Schwan 
					Sein süß und kläglich Sterblied an, 
					Daß er vor seinem letzten Ende 
					Noch einen Trost im Leiden fände. 
					 
					Da lernte an den süßen Tönen 
					Sein Lieblingstier der Bauer kennen, 
					Und sprach: "wie blind war ich und dumm! 
					O welche Sünd' hätt' ich getan!" — 
					Er schenkt das Leben seinem Schwan, 
					Und dreht der Gans den Kragen um. 
					 
					* * * 
					 
					Aus dieser Fabel lerne man, 
					Was eine süße Rede kann. 
					 
					Das Pferd und der Esel 
					 
					Das Pferd, entflammt von Haß und Rach', 
					Schlug mit dem Huf dem Esel nach, 
					Daß auf des Feindes harten Stoß, 
					Das Blut vom Langohr häufig floß. 
					 
					Doch größer war des Pferdes Plage 
					Bei diesem frevelhaften Schlage; 
					Denn es verrenkte plötzlich sich 
					Ein anders Bein — der Knorpel wich. 
					Die übergroße Wut der Wehen 
					Vermochte es nicht auszustehen. 
					 
					Es warf betrübt die schwachen Glieder 
					Gezwungen auf den Boden nieder. 
					Der Esel merkte dies, und sprach: 
					"Ich war ehedem erbärmlich schwach; 
					Itzt ist es mir nicht halb so wehe; 
					Weil ich den Feind so liegen sehe." 
					 
					* * * 
					 
					Durch Schmerzen, die der Gegner fühlt, 
					Wird des Gekränkten Qual gekühlt. 
					 
					Der Wolf im 
					Schafpelz und der Hirt 
					 
					Der Bösewicht Isegrim ersann 
					Die List — zog einen Schafpelz an; 
					Und also travestiert mengt er 
					Sich in der Schafe großes Heer. 
					 
					Lang war es heimlich ihm gelungen, 
					Und Tag für Tag ein Schaf verschlungen; 
					Bis auf handgreiflichem Betrug 
					Der Hirt ihn unversehens erschlug. 
					 
					Sein Knabe, unwissend was geschah, 
					Schreit: "wie! ein Schaf erschlägst du da?" 
					Ich selbst" rief ihm der Schäfer zu, 
					"Hielt diesen für ein Schaf, wie du; 
					So lange, bis er durch die Tat 
					Sich als ein Wolf gezeiget hat." 
					 
					* * * 
					 
					Den Bösewicht werden seine Taten, 
					So sehr er sich vermummt, verraten. 
					 
					 
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