Fabelverzeichnis

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Fabeln 2
 
Zween Hasen und der Hund
Der Löwe, der Affe und der Fuchs
Der Adler und die Sonne
Der geplünderte Apfelbaum
Der Hirsch und sein Sohn
Der Fuchs und die Henne
Der Adler und die Schildkröte
Der Knabe und die Bauern
Der Ochsenhirt und der Löwe
Das Maultier
Der Tod und der Bauer
Der Bauer und seine Söhne
Vier Stiere und der Löwe
Der Wolf und das Schaf
Die Henne, welche goldne Eier legte
Der Wolf und das alte Mütterchen
Das Schaf und die Krähe

 
Das Pferd und der Esel
Der Löwe und die Ziege
Der Fink
Zween Frösche
Der Hirsch, der Jäger und der Löwe
Die Ameise und die Taube
Die Bienen und ihr Herr
Der wilde und der zahme Esel

 

Zween Hasen und der Hund

Philax, als er auf dem Feld
Einem Hasen nachgestellt,
Sah noch einen von der Seite,
Und verfolgt auch diese Beute:
Beide haschen war sein Sinn —
Aber beide floh'n dahin.

* * *

Nimmersatt! auf dich allein
Fällt der Schaden insgemein.

Der Löwe, der Affe und der Fuchs

Von seiner Majestät dem Löwen
Ward einstens der Befehl gegeben:
Die kurzgeschwänzten Tiere sollten,
Wenn sie ihr Leben retten wollten,
Sein Reich in wenig Tagen räumen,
Und ja nicht frevelnd sich versäumen.
Der Affe eilt mit schnellen Schritten,
Vor dieser Strafe sich zu hüten.

Er sah den Fuchs, und rief ihm zu:
Auch du entfliehst — was fürchtest du?
Wie? glaubest du, daß dies Mandat
Bezug auf Füchseschwänze hat?

Der Fuchs versetzt: "wenn eine List
In dem Befehl vergraben ist;
So werden sich bald Redner finden,
Die unter tausend Schelmengründen
Der Läng' und Breite nach probieren,
Daß wir zu kurze Schwänze führen.

Der Adler und die Sonne

Es heftete der Adler starr
An Titans Glut sein Augenpaar,
Und duldete den feur'gen Schein.
"Wie scharf, o Vater von dem Licht!"
Rief er, "muß doch dein Auge sein?
Denn fehltest du —so seh' ich nicht." —
Die Sonne sprach: "du irrest dich —
Ich sag die Wahrheit, höre mich!
Ich unermeßlich reich an Schein,
So reich, daß nur durch mich allein
Erd', Himmel, Meer beleuchtet sind —
Bin leider! für mich selbst doch blind."

* * *

Wer selbst nicht sieht, und alle Welt
Erleuchtet, dem sei dies erzählt.

Der geplünderte Apfelbaum

Es trug ein Apfelbaum einmal
Die schönste Frucht in großer Zahl.
Tagtäglich las vom ganzen Haus
Sich jeder reife Äpfel aus;
Nun wurde dieses dumme Holz
Durch häufige Besuche stolz,
Und wähnte so im blöden Sinn
Hierdurch sich Freunde zuzuziehen.
Bald stund, bis an die Blätter leer,
Der Baum — verlassen seufzet er:
"Im Reichtum hatt' ich keinen Freund,
Weil keiner in der Not erscheint."

Der Hirsch und sein Sohn

                 Der Sohn

"Du bist des Leibes und Stärke wegen
Weit allen Hunden überlegen,
Und trägst am Kopfe noch dabei
Ein großes zackiges Geweih;
Wirst mit den fürchterlichen Spitzen
Dich leicht vor jedem Angriff schützen:
Wie kannst du denn die Hunde scheu'n?
Du sollst vielmehr ihr Schrecken sein."

                 Der Vater

"Warum beschämst du mich, mein Sohn!
Mit dem, daß ich so furchtbar bin?
Gern wollt' ich nicht — doch muß ich flieh'n;
Kaum bellt ein Hund — so beb' ich schon."

* * *

Feuert Schüchterne zum Mut nicht an
Die Arbeit ist umsonst getan.
Bekehrt, so sehr man ihm zuspricht,
Wird der geborne Zage nicht.

Der Fuchs und die Henne

Der Fuchs schlich in ein Hühnerhaus:
Nur eine Henne war darin,
Verlassen, und mit trüben Sinn.
"Wie lebst du?" rief der Schlaukopf aus:
"Recht gut? mein liebes Schwesterchen!"
Die Henne seufzet: "krank bin ich!
Doch, Bruder Fuchs! verlaß du mich —
Bald wird's ein bißchen besser steh'n."

* * *
Dem Frommen wird's geholfen sein,
Läßt ihn der Bösewicht allein.

Der Adler und die Schildkröte

Einst flöge die Schildkröte gerne:
Das dumme Tierchen sprach sodann,
Damit es diese Kunst erlerne,
Um Unterricht den Adler an.
Der Adler sagt, daß diese Gabe
Ihr die Natur entzogen habe.
Sie aber bat, und ließ nicht ab,
Bis er ihr die Verheißung gab.
Er nahm dann die Hartnäckige
Mit seinen Klauen in die Höh';
Doch unversehens läßt er sie aus —
Ein Fels zerstückt sie samt dem Haus.

* * *

Suchst du dein Glück, so folge nur
Der besten Führerin Natur:
Nie werden die Hartnäckigen
Der wohlverdienten Straf' entgeh'n.

Der Knabe und die Bauern

"Helft, helft! der Wolf ist eingefallen."
So schrie zu wiederholten malen,
Nur bloß, daß er ein Späßchen habe,
Ein tückevoller Hirtenknabe,
Und sprengte durch sein Scherzgeschrei
Die gläubigen Bauern oft herbei.
Einst mußte er im Ernste flehen;
Allein kein Bauer ließ sich sehen:
Sie fürchteten Betrug von ihm
Und also raubte Isegrim. —

* * *

Wer öfter lügt, dem glaubt man nicht,
Und wenn er auch die Wahrheit spricht.

Der Ochsenhirt und der Löwe

Ein Hirt, als er die Ochsen zählte,
Bemerkte, daß ihm einer fehlte.
Er sucht die Wüste auf und nieder —
Umsonst; er sah das Tier nicht wieder;
Nun war, den Ochsen zu bekommen,
Ihm alle Hoffnung ganz benommen.
Der Mann gelobt sich in der Not,
Daß er, wofern der Götter Gott
Den Ochsendieb ihm kündbar machte,
Ihm einen Bock zum Danke schlachte.
Auf das Gelübde ward der Hirt
In einen Eichenwald geführt.
Hier traf er seinen Ochsen dann
Vom Löwen halb verschlungen an.
Er fing die Hände voller Schrecken
Gen Himmel an empor zu strecken.
"Dir guter Gott, sankt Jupiter!
Versprach ich einen Bock, rief er,
Würd' ich den Ochsendieb entdecken,
Nun wag' ich einen Stier daran,
Wenn ich dem Dieb entrinnen kann.

* * *

Nicht selten ist den Sterblichen
Zum Untergang, um was sie fleh'n.

Das Maultier

Dem Maultier ward einst reichlicher
Sein Gerstenfutter aufgeschüttet:
Es scherzt erquickt, und springt und wütet —
So frisch sah man es nie vorher.

"Ein Pferd," sprach es, "ganz sicherlich
Von hoher Abkunft, zeugte mich;
Und nie war eines so geschwind,
Wie der Papa, und ich, sein Kind."

Nun kam's zum laufen — es blieb stehen —
Kaum war's ihm möglich, nur zu gehen.
Es seufzt: "vor kurzem wähnte ich,
Ein edles Pferd erzeugte mich:
Jetzt aber kommt es mir in Sinn,
Daß ich des Esels Tochter bin.

* * *

Der Tor denkt erst im Mißgeschicke
An seinen schlechten Stand zurücke.

Der Tod und der Bauer

Ein armer alter Bauer kehrt
Vom Wald zurück, mit Holz beschwert.
Für seinen Leib kaum stark genug,
Und für die Bürde, die er trug.

Als ihm nun endlich seine Glieder
Das Alter und die Arbeit brach,
Warf er die Unglücksbürde nieder,
Und dachte traurig allem nach,
Was übles er in diesen Stunden,
Und von Geburt an schon empfunden —
Nie fand er, wie er nachgedacht,
Daß ihm einmal das Glück gelacht.

Das Leben fing sich bei dem Mann
In einer armen Hütte an.
Er kroch an seinem Vaterort
Als Kind in lauter Jammer fort,
Und von der Zeit an wurde immer
Sein Zustand mit den Jahren schlimmer.

Der Nachbar, und sein böses Weib,
Macht sich den Zank zum Zeitvertreib;
Und überdies muß er sehen,
Daß seine Kinder müßig gehen.

Der Junker von dem Dorfe hat
An saurem Frondienst niemals satt:

Jetzt sind Soldaten zu verpflegen —

Der grobe Amtknecht kommt daher,
Befiehlt die Steuern zu erlegen —

Auf Zinsen dringt der Gläubiger;
Das Schlimmste ist bei magern Bissen
Kein Ende seiner Arbeit wissen.
Und unter tausend Unglücksfällen
Kaum ein Paar frohe Stunden zählen.

Als nun der arme Greis so zählte,
Und wie gemalt in einem Bilde,
Die Leiden, die er wirklich fühlte,
Sich deutlich vor die Augen stellte:
Glaubt er, es müsse seine Pein
Zum höchsten Grad gestiegen sein.
Er ruft den Tod um Hilfe an —

Der Tod erscheint, und fragt den Mann:
"Nun Graukopf! was ist deine Bitte?" —

Der Greis versetzt: "hab doch die Güte,
Hilf mir (du siehst mein Unvermögen)
Dies Holz auf meine Schultern legen."

* * *

Oft kommt ein kleines Weh zu stillen
Der Tod, und läßt ein stärkers fühlen.

Der Bauer und seine Söhne

Ein Bauer sah mit Mißvergnügen
Tagtäglich seine Söhne kriegen.
Er brach den Kopf mir sinnen, denken,
Zu Fried und Eintracht sie zu lenken.
Die Strudelköpfe zu bezwingen
Ließ er sich viele Ruten bringen,
Die er in einen Büschel band.
Den Büschel abzubrechen gab
Er jedem Sohne in die Hand —
Doch keiner, keiner brach ihn ab.

Er trennte dann die Ruten wieder;
Und einzeln brach sie leicht ein jeder.
Dann sprach der Vater zu den Söhnen:
"Kein Feind wird euch bezwingen können,
Wenn mit dem Band der Einigkeit
Ihr alle fest verknüpfet seid:
Leicht werdet ihr besieget sein,
Wenn Haß und Herrschsucht euch entzwein.

* * *

Für wahr sieht glaublich jedermann
Des klugen Vaters Warnung an.
Doch daß die Sache klärer sei,
Füg' ich noch eine Fabel bei.

Vier Stiere und der Löwe

Vier Stiere grasten auf der Flur,
Und taten insgesamt den Schwur,
Falls einem soll ein Unglück dräun',
Wollt' jeder dessen Retter sein.

Ein Löw' erblickte diese Tiere.
Sein Magen war so ziemlich leer;
Doch sie zu packen alle viere,
Schien ihm trotz seinem Mut zu schwer.
Er gab sich also viele Müh',
Sie mit gezwungnen Freundschaftstränen,
Und süßen Worten zu zertrennen:
Sie wichen, und er würgte sie.

* * *

Unmöglich schadet dort ein Feind,
Wo Mut und Eintracht sich vereint.
Die aber unter sich schon kriegen,
Wird man, so stark sie sind, besiegen.

Der Wolf und das Schaf

Von vieler Hunde scharfen Bissen
Auf die grausamste Art zerrissen,
Lag einstens Räuber Isegrim —
Und Trank und Speise fehlten ihm.

Er bat ein Schaf: "Ach, bringe mir
Ein Wasser aus dem Quellchen hier.
Denn wirst du mich im Durste laben,
So werde ich bald Speise haben."

Das Schaf erkannte den Betrug,
Und sprach: "wär' ich so wenig klug,
Und gäb' im Durste Wasser dir —
Die Speise fändest du an mir."

* * *

Gefährlich ist es, in den Nöten
Den schon bekannten Bösewicht retten.

Die Henne, welche goldne Eier legte

Oft schwindet wirklicher Gewinn
Bei gar zu großer Habsucht hin.

Bei einer Henne traf ein Mann
(O Wunder!) goldne Eier an;
Da war der Geck so blind und toll,
Und glaubt, sie sei vom Golde voll.
Er tötet sie durch einen Streich,
Und fand sie andern Hennen gleich.

Der Wolf und das alte Mütterchen

Ein Wolf, der durch die Felder irrte,
Und lang umsonst nach Speise spürte;
Wagt es, und ging mit kühnem Tritte
Zur nächstgelegnen Bauernhütte.
Er hörte hier ein Knäblein schrein:
Ein altes Weibchen pflegte sein.
Und schalt das Knäblein: "schweige mir!
Wo nicht — werfe ich dem Wolf dich für."
Der Räuber glaubt des Weibchens Wort,
Und lauert bis zum Abend fort.
Die Sonne sink — die Nacht bricht ein;
Jetzt hört der Wolf nur Schmeichelein:

"Schlaf, Engel, Schätzchen, Herzenskind!
Komm Wolf! wir töten dich geschwind."

Als er die Falschheit eingesehen,
Ging er bestürzt, und flucht im gehen:
"Ei! daß den Hals die Hexe bricht,
Die anders denkt, und anders spricht."

Das Schaf und die Krähe

In eines Schafes Rücken stach
Mit ihren Schnabel eine Krähe.
Da sprach das Schaf: "wenn diese Schmach,
Die ich ertrag, dem Hund geschähe —
Es würde dein Verderben sein."

Die schlaue Krähe fiel ihm ein:
"Sei unbesorget, denn ich kenne
Nur gar zu gut, wen ich verhöhne.
Ich necke ungescheut die Milden,
Und bin in Todesangst vor Wilden." —

* * *

Man wird den Fall nicht selten finden,
Daß Witz und Bosheit sich verbinden.

Das Pferd und der Esel

Zu sehr gedrücket, und beschwert
Ersuchte Langohr einst ein Pferd,
Es soll zur Hilfe sich bequemen,
Und ihm die Last in etwas hemmen,
Im Fall, daß es nicht haben wollte,
Daß sein Gefährte sterben sollte.
Doch weil das Pferd es nicht erhörte,
Sank bald das matte Tier zur Erde.
Mit aller Last ward nun das Pferd,
Auch mit des Toten Haut beschwert.
Und fiel beinahe selbst geschwächt.
"Mich drückt," sprach es, "die Last mit Recht;
Ich sah den armen Esels Plagen —
Doch half ich hartes Tier nicht tragen."

* * *

Hilf in den Nöten dem Gefährten,
Es kann dein eigner Nutzen werden.

Der Löwe und die Ziege

Bei guten Räten haben viele
Den eignen Nutzen nur zum Ziele.

Es sah auf steilen Felsenhöhen
Der Löwe eine Ziege stehen,
Und sprach, "was steigst du nicht vielmehr,
He Närrchen! auf die Flur hierher?
Da reizt das fette Gras den Gaum —
Dort lockt der zarte Weidenbaum."
"Mit Freude (rief ihm jene zu)
Wird es gescheh'n — nur weiche du!
Dies rätst du nicht, daß ich mich labe —
Nur daß dein Magen Futter habe."

Der Fink

In eines Voglers Hände fiel
Ein Fink, und diesem band der Mann
Am Füßchen einen Faden an,
Und schenkt ihn seinem Sohn zum Spiel.

Bei Menschen in Gesellschaft sein
War dieses Tierchens größte Pein.
Sich zu befrei'n war stets sein Sinn —
Zuletzt gelang's ihm zu entflieh'n.
Es flog dem Orte seiner Ruh',
Dem angewohnten Walde zu;
Verwickelte unwissentlich
An Ästchen mit dem Faden sich;
Vermochte nicht sich loszuwinden,
Und mußte Tod statt Freiheit finden.

* * *

Ertrage willig kleine Wehen,
Um größere nicht auszustehen.

Zween Frösche

Ein Quackerpaar verließ die Pfütze,
Die trocken ward durch schwüle Hitze.

Es trieb die beiden Wanderer
Der Wassermangel weit umher;
Sie suchten lang, und trafen dann
Voll Wasser einen Brunnen an.
Die Lust zu trinken riß sie hin —
Ihn ganz zu leeren war ihr Sinn.
He! fing der erste an zu schrei'n,
"Komm Bruder! springen wir hinein."

"Im Fall (erwidert der Gefährte),
Daß auch der Brunnen trocken werde;
Sag mir, wie wird es möglich sein,
Uns aus der Tiefe zu befrein?"

* * *

Ist dir der Rückweg nicht bekannt,
So gehst du aus mit Unverstand.

Der Hirsch, der Jäger und der Löwe

In die Höhle eines Löwen
Hatte so im blöden Sinn
Sich einmal ein Hirsch begeben,
Um dem Jäger zu entflieh'n:
Doch er ward mit vielen Bissen
Von dem Wüterich zerrissen.
Vor dem Ende seufzt er dann:
"Schnell floh ich den wilden Mann;
Aber ach! was nützt es mir?
Es würgt mich ein wildes Tier."

Die Ameise und die Taube

Die Ameise trank aus einer Quelle,
Und ward ein Raub der raschen Welle.
Sie wollte wirklich untergehen,
Als eine Taube sie gesehen.
Sie hatte Mitleid mit der Armen,
Und warf ein Ästchen aus Erbarmen
Der Schiffbruchleidenden hinein —
So glückt' es ihr, sich zu befrein.

Ein Bauer kam von ungefähr
Mit einem Bogen bald hierher.
Kaum als er diese Taube sah,
Stund er zum Schusse fertig da.
Die Ameise merkte die Gefahr,
In der das fromme Täubchen war;
Sie bebt für ihre Retterin,
Schmiegt an des Mannes Fuß sich hin,
Und fängt nach Kraft zu beißen an,
Daß er den Schmerz nicht dulden kann;
Er sieht sich um — die Taube flieht,
Weil sich der Gegner selbst verriet.

* * *

Hilf, daß man dir auch Hilfe reicht —
Der Wohltat Lohn entgeht nicht leicht.

Die Bienen und ihr Herr

Ein Dieb schlich in ein Bienenhaus,
Und plünderte die Zellen aus;
Indes die arbeitsame Schar
Um Honig ausgeflogen war.
Als nun der Herr zurück gekommen,
Der eine Reise vorgenommen,
Sah er zu seinem größten Schrecken
Die Plünderung in den Bienenstöcken.
Er seufzet anfangs; forschet dann,
Wie er dem Übel steuern kann.

Das Volk kehrt von der Weide wieder,
Fällt mit den Stacheln auf ihn nieder.
Und alle stechen in die Wette,
Als ob er selbst geplündert hätte.

"Ihr bösen Tiere!" sprach der Mann,
"Was treibt euch für eine Wut,
Mir, eurem Herrn, zu schaden an —
Ist euch nicht meine Arbeit gut?"

* * *

Wer bei gelegner Zeit nicht sucht
Dem andern Hilf zu leisten,
Tut seine Arbeit ohne Frucht,
Und schadet sich am meisten.

Der wilde und der zahme Esel

Ein wilder Esel, der geseh'n,
Wie zügellos, und voller Freude,
Im weichen Gras auf grüner Weide
Ein zahmer, glänzend fett und schön,
Sich wälzte, sprach: "von diesem Glücke
Hält ja mich Armen nichts zurücke?
Wer weis, ob ich nicht sein Gefährte,
Wenn ich darum ihn bitte, werde?"

Allein bald legt (er sprach es kaum)
Auf diesen scheinbar glücklichen
Ein Bauernknopf den harten Saum,
Und zwingt ihn an den Ort zu geh'n,
Wo er gewöhnlich Holz geschlagen.
Dies muß der Esel munter tragen,
Sonst läßt, geschieht es nicht mit Willen,
Der Treiber ihn den Knittel fühlen.

Das Waldtier kehrt vergnügt zurück,
Und spricht: "ich gönne dir das Glück!
Die Wollust soll für dich allein,
O zu geduld'ges Lasttier! sein.
Es nenne keiner sich beglückt,
Wenn ihn die Sklavenkette drückt.
Ich will vielmehr mich freu'n,
In Armut frei zu sein."