Die beiden Weiber
Ein Mann von Mittelalter hatte zwei Mätressen, eine Alte und
eine Junge. Beide waren
eifersüchtig auf einander, jede wollte am meisten geliebt
sein; beide waren mit seinem
Alter unzufrieden. Die Alte, der er zu jung aussah, rupfte
ihm daher alle schwarze Haare
aus; die Junge, der er zu alt vorkam, ließ kein einziges
weißes Härchen stehen.
Was geschah? In kurzem war unser Mann ein Kahlkopf.
+ + +
Sehet da zwei entgegengesetzte politische Systeme; und den
Ruin der Nation, an der sie
versucht werden.
Der Löwe und die Mücke
"Ohnmächtiges verächtliches Geschöpf!" — ruft der Löwe einer
Mücke nach, die bei ihm
vorüberflog. — "Ohnmächtig verächtlich nennst du mich?" —
indem sie sich umkehrte. —
"Währst du auch zehnmal der König der Tiere, ich wollte doch
mit dir fertig werden." —
"Zum Spaß!" — sagte der Löwe: —"Wir wollen sehen!" — indem
er nach ihr schnappte.
Aber die Mücke war schneller als er; im Nu saß sie ihm auf
den Rücken, und verwundete
ihn bald hier bald da. Er wollte sie abschütteln, er wollte
sich auf den Boden wälzen, um
sie zu zerdrücken; wie der Blitz saß sie ihm im Ohre. Der
Schmerz machte ihn zornig;
unter seinen Schlägen tönte die Erde, sein Gebrüll erfüllte
die Lüfte; er schäumte, er
raste.— Vergebens! sie hatte sich zu fest eingesaugt.
"Du hast mich überwunden!" — sagte er halb ohnmächtig, und
bat um Frieden.
+ + +
So hat halb Europa der sogenannten Sanscülotten gespottet,
um zuletzt vor ihnen zu
zittern; und manche Macht, die die Earmagnolen verachtete,
bittet sie jetzt demütig um
Frieden.
Die beiden Drachen
Ein Drache mit hundert Schwänzen und einem Kopfe, und ein
anderer mit hundert
Köpfen und einem Schwanze, hatten sich den Krieg erklärt.
Sie waren durch einen Zaun
von einander getrennt, und jeder wollte zuerst angreifen.
Der hundertköpfige brach
zuerst ein, aber mit den vielen Köpfen durchzukommen, war
unmöglich. Der Einköpfige
brauchte nur eine Öffnung, und seine hundert Schwänze
folgten von selbst. Er stürzte
über seinen Feind her, der sich ins Gesträuch verwickelt
hatte, und besiegte ihn.
+ + +
Kombinierte Armeen — Französisches Waffenglück —
Vergleichung projektierter und
ausgeführter Einfälle!
Die Räuber und das
Pferd
Zwei Räuber hatten sich eines Pferdes bemächtigt; jeder
wollte es allein haben; es kam
zum Streit, endlich sogar zum Handgemenge. Aber indessen sie
sich die Köpfe blutig
schlugen, schlich sich ein Dritter hinzu, schwang sich auf
das Pferd, und ritt davon.
+ + +
Geschichte des türkisch- österreichischen Krieges.
Der Löwe und der Fuchs
Der Löwe hatte dem Elephanten den Krieg erklärt.— "Auf!" —
ließ er den übrigen Tieren
entbieten: — "Der Tag der Rache ist gekommen! Unser Erbfeind
muß auf ewig vertilgt
werden! Es gilt die Freiheit und die Ruhe der ganzen
Nation!"
"So?" — sagte der Fuchs zu seinem Nachbar. Uns hat
der Elephant nicht beleidigt!
Soll sich die ganze Nation für einen Löwen aufopfern?
Was kümmern uns seine
Privatabsichten?
+ + +
Verfluchter Demokrat! — brüllte der Löwe; und zerriß ihn.
Die Mücke und das Licht
Eine Mücke flatterte um ein Licht herum, und verbrannte sich
endlich. — "Fluch dem
Verräter!" — rief sie sterbend — "Fluch und ewige Rache!" —
"Aber warum bist du
hineingeflogen?" — sagte ein Philosoph.
+ + +
Flucht nicht der Aufklärung, flucht dem unrechten Gebrauch,
ihr Fürsten!
Der Löwe und das
Gemälde
Ein Maler hatte einen Löwen abgebildet, den ein Mensch mit
der Faust tot schlug.
Ein lebendiger Löwe, der vorbeigeführt wurde, sah das
Gemälde. "Ach!" — sagte er mit
einem mitleidigen Lächeln:— "Wenn wir malen könnten!"
+ + +
Offizialberichte von gewonnenen Schlachten, Hofzeitungen
voll glänzender
Siegesnachrichten, sind immer nur das Echo einer
Partei.
Der Wolf und das Lamm
Der Wolf hatte ein Lamm gepackt. — "Ach! schone meiner," —
schrie das wehrlose Tier:
— "ich habe dir in meinem Leben nichts getan." — "Das muß
ich wissen!" — gab er zur
Antwort, und zerriß es.
+ + +
Manifeste!
Der Mensch und sein
Bild
Ein sehr häßlicher Mensch, ein zweiter Thersites, hielt
seine Figur gleichwohl für eine der
schönsten. Seine Nachbarn, seine Spiegel sagten ihm zwar
alle Tage das Gegenteil; aber
er schalt jene neidisch, diese falsch, zerschlug die einen,
brach mit den andern, und zog
in eine fremde Stadt. Fand er es besser? Mitnichten! Die
Menschen und die Spiegel
sagten dasselbe; aber er blieb dennoch bei seiner
Einbildung. Er ging in eine dritte Stadt;
es war eben so: in eine vierte und fünfte; nicht besser. Er
war zuletzt in einigen hundert
Städten gewesen, und starb der häßliche Thersites, wie
vorher.
+ + +
Nicht immer ist der und jener Schriftsteller ein Verleumder;
tausend andere würden wie
er geschrieben haben. Die Mängel der Regierungen, die Fehler
der Fürsten sind es für
jeden unbefangenen, uneigennützigen Beobachter. Ein Fleck
ist ein Fleck, der jedem
gesunden Auge auffällt.
Der kranke Löwe
und der Fuchs
Der Löwe hatte die Gicht, und litt die heftigsten Schmerzen.
— "Du mußt Diät halten!" —
sagte der Fuchs. Der Löwe ließ sogleich seinen Hofmarschall,
den Esel, rufen, und befahl
ihm, eine völlige Reform mit seiner Tafel vorzunehmen. "Von
nun an nichts als
Vegetabilien!" — sagte der Fuchs.
Es geschah. Der Löwe befand sich vortrefflich bei dieser
frugalen Tafel; aber dem Bär,
dem Wolf und seinen übrigen Hofleuten behagte sie gar nicht.
Sie beschlossen dem
Dinge ein Ende zu machen, es möchte kosten was es wolle.
Im Anfang richteten sie wenig aus, aber allmählig hörte der
Löwe doch auf sie. Endlich
gab er völlig nach; der Fuchs wurde mit einer Pension
entfernt, die vorige Tafel wieder
eingerichtet, und alles ging seinen alten Gang.
+ + +
Finanzgeschichte von Frankreich! Patriotische Minister!
Heilsame Reformen!
Der Frosch und der
Ochse
Ein Frosch saß im Grase, wo ein Ochs weidete. — "Wie groß,
wie majestätisch!" —
sagte eine Grille, die sich auf einer Blume wiegte. —
"Meinst du?" — rief der Frosch,
und fing an sich aufzublasen — "Was fehlt denn mir?" Die
Grille lacht. "Wie?" —sagte
er — indem er sich noch stärker aufblies: — Bin ich nicht
eben so groß?" — "Bei weitem
nicht" — "Aber jetzt?" — — indem er noch einen Versuch
machte. — Er ersparte ihr die
Antwort, denn er platzte.
+ + +
Fürsten von einigen Morgen Landes, ihr seid keine Könige!
Ihr wollet es ihnen an Pracht
und Aufwand gleich tun, um im ersten Monat bankrott zu
werden.
Der Künstler und die
Lampe
Ein Künstler, der viel die Nacht arbeitete, goß eines Abends
Öl in seine Lampe. — "Sieh'!
wie ich für dich sorge!" — sagte er. — "Damit ich dir
leuchten soll!" — gab sie bitter zur
Antwort.
+ + +
Fürsten, wenn ihr der Nation Gutes tut, es ist keine
Wohltat, es ist euer eigener
Vorteil.
Der Knabe und der
Eremit
Ein Eremit saß vor seiner Hütte auf einem Berge, dessen Fuß
ein breiter Strom benetzte.
Ein Knabe, der sich am jenseitigen Ufer badete, geriet auf
einmal in einen Wirbel, und
wurde vom Strome fortgerissen. — "He!" — schrie der Eremit:—
"Welche
Unvorsichtigkeit! Was für ein Unglück! So halte dich doch
rechts! Sieh' doch zu, daß du
die Weide fassen kannst! Und warum schwimmst du denn nicht?"
—
Der Knabe antwortete nichts, denn er war betäubt; aber ein
ehrlicher Fischer, der in
einiger Entfernung seine Netze warf, fing ihn auf, nahm ihn
in seinen Kahn, und rief dem
Eremiten zu:
Wozu das Predigen? Wozu die Ratschläge, wenn du nicht helfen
willst, oder nicht helfen
kannst?
+ + +
Elende Pamphletisten! Armselige Scribbler! die ihr seit acht
Jahren über Revolution und
Staatsverbesserung schreibt! Lächerliche Pedanten! die ihr
aus eurem kleinen
Residenzstädtchen ganze Staaten meistert! Abgeschmackte
Kritikaster, die ihr als kleine
Subalterne eines unbedeutenden Fürsten, euch zu Ratgebern
einer großen Nation
aufwerft! — Die Fabel ist für euch gemacht!
Die Stiere und die
Frösche
Zwei Stiere kämpften um eine Kuh: der eine rettete sich in
einen Sumpf. — "Gebt mir
einen Zufluchtsort" — sagte er: — "damit ich mich erholen,
und meinen Feind zu
gelegener Zeit überfallen kann." — Die Frösche waren
einfältig genug, ihm das zu
erlauben. Was geschah? Der andere Stier versammelte alle
seine Kühe, und stürzte
wütend in den Sumpf, seinem Feinde das Garaus zu machen. Der
Feige floh, sobald er
ihn kommen hörte; aber die Frösche wurden alle zertreten.
+ + +
Wer gab den Emigrierten das erste Asyl? und wer leidet am
meisten darunter? Wer hat
den Krieg über Deutschland gebracht? und wer wird vielleicht
seine Torheit mit seinen
Staaten bezahlen?
Die Fledermaus
und die Wiesel
Eine Fledermaus geriet durch Zufall in ein Wieselnest. —
"Verdammte Maus!" — schrie
alles und fiel über sie her. — "Ich eine Maus?" — erwiderte
sie: — "Nein, meine
Freunde! ihr tut mir Unrecht. Ich bin ein Vogel, wie die
Schwalbe! Sehet doch meine
Flügel an!" — Das Wiesel waren billig, und ließen sie frei.
Den andern Tag geriet sie in ein anderes Wieselnest, — "Halt
Unglücksvogel!" — riefen
ihr alle entgegen, und sperrten die Schnauzen auf, sie zu
verschlingen. — "Ich ein
Vogel?" — sagte sie kläglich: — "Nein, meine Freunde, ihr
tut mir Unrecht! Ich habe ja
keine Federn; ich bin eine Maus." — Die Wiesel waren billig,
und ließen sie gehen.
Den dritten Tag geriet sie in ein drittes Wieselnest, wo man
weder Vögel noch Mäuse
leiden konnte. Sie gab sich bald für dieses bald für jenes
aus.— "Gleichviel!" — war die
Antwort:— "Du bist immer ein schädliches Tier!" — Und so
wurde sie ohne Gnade
verschlungen.
+ + +
Elende, verächtliche, politische Achselträger! Heute
Aristokraten und morgen Jakobiner!
Heute Speichellecker der Fürsten, und morgen Panegyristen
der Marats! — Ihr seid
beiden Parteien verhaßt, und früh oder spät das Opfer einer
dritten.
Der Adler und der Käfer
Der Adler begegnete einem Käfer in der Luft, und schlug ihn
mit den Flügeln zu Boden.
Der Käfer sagte kein Wort; aber er war tief gekränkt, und
sann auf Rache.
Wenig Wochen darauf hatte der Adler Eier gelegt. Der Käfer,
der in der Nachbarschaft
war, benutzte eines Tages seine Abwesenheit, flog in das
Nest, und zerbrach sie.
Der Adler kam zurück; er sah seine Hoffnungen vernichtet. Er
baute sein Nest höher,
und legte andere Eier. Aber der Käfer ersah auch jetzt seine
Zeit, und zerbrach sie zum
zweitenmale.
"O, Jupiter, mein Schutzgott!" — rief der Adler: — "Ein
unglückliches Schicksal verfolgt
mich überall. Erlaube, daß ich meine Eier in deinen Schoß
niederlege." — Der Vater der
Götter erlaubte es.
Doch der Käfer war noch nicht versöhnt; seine Rache
verfolgte seinen Feind auch dahin.
Er machte eine kleine Kugel von Kot, und warf sie Jupiter in
den Schoß. Was geschah?
Da der Vater der Götter sie abschütteln wollte, vergaß er
die Eier; sie fielen herunter,
und zerbrachen.
+ + +
So verachtete der Hof die Girondisten, und sie rächten sich
durch seinen Untergang.
Der Geier und der Rabe
Der Geier war auf ein Lamm gestoßen, und flog damit davon.
Der Rabe, der das sah,
wollte ihm nachahmen, ohne an seine Schwäche zu denken. Aber
er blieb mit seinen
Krallen in der Wolle hängen, und wurde von dem Schäfer
totgeschlagen.
+ + +
Mächtige Kaiser und Könige! Nehmet Provinzen weg; ihr habet
die Macht dazu.
Allein wenn kleine Fürsten ihren Nachbarn in das Land
fallen, so geht es ihnen wie dem
Raben.
Der Löwe und der Esel
Der Löwe ging auf die Jagd; er nahm den Esel mit, stellte
ihn hinter ein Gebüsch, und
befahl ihm, aus Leibeskräften sein Ia zu schreien. Der Esel
schonte seine Lunge nicht;
die Tiere liefen neugierig herbei, und der Löwe erlegte eine
große Menge.
"Bin ich nicht recht tapfer gewesen?" sagte der Esel. — "Ja!
geschrieen hast du
wacker;" — antwortete der Löwe:— "aber davon fällt niemand,"
—
+ + +
Elende Pamphletisten, die ihr die Fürsten zum Blutvergießen
erhitzet, ihr prahlet nicht
besser, als der Esel. Marktschreierische Pfaffen! alle eure
Verwünschungen, alle eure
politischen Kontroverspredigten haben kein andres Verdienst
als das Schreien des Esels.
Die Revolution im
Tierreiche
oder Magen und die Glieder
Die Tiere waren der königlichen Regierung überdrüssig; sie
hatten den Löwen abgesetzt;
es war niemand auf seiner Seite als der Fuchs.
"Aber laßt mich ein einziges Wort sagen!" — sprach er:— "Die
Glieder empörten sich
einmal gegen den Magen. Der unnütze Müßiggänger — sagten
sie:— tut nichts als
Wohlleben und verdauen, indes wir uns zu Tode für ihn
arbeiten. — Sie beschlossen, ihm
nichts mehr zu reichen.
Was geschah? Der Magen litt freilich; aber sie fühlten bald,
daß sie mitlitten. Sie wurden
alle Tage matter und kraftloser; sie sahen endlich ein, daß
sie den meisten Vorteil vom
Magen hatten.
Eben so ist es mit der königlichen Gewalt, — fuhr der Fuchs
fort: — Auf ihr beruht das
allgemeine Beste; alle anderen Stände, mit einem Worte, die
ganze Nation bestehet nur
durch sie!" —
"Du vergißt einen kleinen Umstand;" — fiel die Schlange ein:
— "der Magen ißt und
nützt zugleich; die meisten Könige essen nur."
Die Frösche
"Einen König! Einen König!" — schrien die Frösche zu Jupiter
empor. Sie schrien so lange,
daß er sich endlich erbitten ließ, und ihnen ein Stück Holz
herunterwarf. Aber in wenig
Stunden war der neue König zum Gespött geworden; und sie
forderten einen andern.
Jupiter, den ihr Ungestüm verdroß, beschloß sie zu strafen,
und schickte den Kranich.
Dieser fing seine Regierung mit einem Gastmahl an, wobei er
und seine Freunde einige
Schock verzehrten.
"Ach!" — seufzte ein alter Frosch, der sich in der Tiefe des
Sumpfes verkrochen hatte: —
"lieber einen albernen König, als einen Tyrannen!"
|