Fabelverzeichnis

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Les fables ne sont pas cequ'elles semblent étre: Le plus simple animal nous y tient lieu de maìtre. Une morale nue apporte de l'ennui: Le conte fait passer le précepte avec lui.                                                 La Fontaine
Fabeln 2/1
Die Königswahl Die Bärenhaut Der Esel in der Löwenhaut Der Tiger und der Hase Die Sonne und die Frösche Der Bauer und sein Esel Der Hund und sein Schatten	Der Esel und seine Herren Der Gerichtstag der Tiere Die Maus und der Käse Das Pferd und der Esel Der Hof des Löwen Die Geier und die Tauben Die Hähne	Die beiden Bären Das Wiesel, die Katze und das Kaninchen Der Schlangenschwanz Die Astronomen Der Adler und der Zaunkönig Der Pudel und die anderen Hunde

Die Königswahl Der Löwe war gestorben; und die Tiere versammelten sich, einen Nachfolger zu wählen. Die Reichskrone wurde gebracht; die Stimmen wurden gesammelt; jeder schlug einen von seiner Familie vor: es war nichts als Verwirrung. — "Ein Wort!" — sagte der Fuchs: — "Laßt uns sehen, wem die Krone am besten paßt, und er soll König sein!" — Der Vorschlag gefiel; man schritt zum Werke. Der Tiger, der Bär, der Wolf, die Hyäne — alle probierten sie auf, und alle Stimmen waren wider sie. Die übrigen Tiere folgten; keines gefiel. Endlich trat auch der Esel auf. Die Krone saß malerisch zwischen seinen beiden langen Ohren, die wie Schildträger aussahen. "Vortrefflich! Vortrefflich!" rief die ganze Versammlung: — "Es lebe der König! — "Und nach sicheren Nachrichten soll die Krone von der Zeit an, bei seiner Familie geblieben sein. Die Bärenhaut Zwei Bauern, die in Geldnot waren, gingen zu einem Kürschner. — — "Wir wollen dir eine Bärenhaut liefern!" — sagten sie: — "Aber du mußt uns vorausbezahlen!" — Der Kürschner ging den Handel ein, und sie versprachen sie morgen zu bringen. Jetzt eilten sie in den Wald, — "Wir wollen ihn schon kriegen!" — sagte der Eine, — "Das ist Kleinigkeit!" — sprach der Andere: und so standen sie auf der Lauer. Aber jetzt kam der Bär mit blitzenden Augen und gräßlichem Rachen. — "O, heilige Jungfrau!" — schrieen sie beide: und wollten fliehen. Aber der Bär faßte den letzten beim Kragen, und erwürgte ihn. Halb tot vor Schrecken kam sein Gefährte zum Kürschner. — "Hier ist mein Anteil wieder!" — sprach er weinend: — "Mein Gefährte ist zerrissen; ich kann dir keine Haut liefern." — "Aber warum verkauftet ihr sie denn, ihr Schurken?" — indem er ihn zur Türe hinausschob:— "Das kommt mir vor, wie die Teilung von —ch!" — setzte er leis hinzu. Der Esel in der Löwenhaut Der Esel hatte eine Löwenhaut gefunden. Er zog sie an, und alles floh vor ihm; als durch Zufall das linke Ohr sichtbar wurde. Ein Hund, der das bemerkte, erkannte den Esel, und fiel ihm wütend in die Beine. "Ei! seht doch den tapfern Hund an, der einen Löwen verjagt!" — schrieen die Leute in der Ferne. +   +   + Geheime Geschichte siegender und besiegter Generäle! Der Tiger und der Hase Wenn ich ihn finde, den Räuber, er soll es mit seinem Blute bezahlen!" — so schwur ein Hase, dem man seine Jungen genommen hatte. In dem Augenblicke ging ein Tiger vorbei, der noch eines davon im Rachen trug. — "O, Jupiter!" — schrie der Hase: und lief davon. +   +   + Wie mancher General, der im französischen Kriege von "Hasenjagden" sprach! Die Sonne und die Frösche Die Sonne, hatte einmal den Vorsatz, sich zu verheiraten. Kaum erfuhren das die Frösche, so entstand ein allgemeines Wehklagen. "Was wird aus uns werden?" — sagten sie: — "Eine einzige Sonne trocknet schon alle unsere Sümpfe aus! Wenn sie nun vollends Kinder bekommt? Ach, es ist um unser Geschlecht geschehen!" +   +   + Mich dünkt, ich höre die stillen Seufzer der Nationen, die außer ihrem Sultan noch seine Frau und seine Odalisken, seine echten und unechten Kinder, seine Herren Brüder und Frauen Schwestern, Herren Vettern und Frauen Muhmen ernähren müssen. Der Bauer und sein Esel "Geschwind! Zu den Waffen!" — ruft ein Bauer seinem Esel zu — als die Feinde im Anrücken waren. — "Zu den Waffen?" — antwortete dieser: — "Ich sehe nicht ein, warum? Mir kann es gleichgültig sein, wem ich gehöre. Ich muß einmal Lasten tragen; gleichviel wer sie mir auflegt." — So sprach er, und erwartete die Ankunft der Feinde, ohne sich von der Stelle zu rühren. +   +   Aufruf zur Verteidigung des Vaterlandes! das heißt: des fürstlichen Interesse! Der Hund und sein Schatten Ein Hund, der ein Stück Fleisch im Munde trug, ging über einen Steg, und sah seinen Schatten im Wasser. Da er glaubte, es wäre ein andrer Hund, der ein größeres Stück hätte; so wollte er es ihm abjagen, ließ das seinige fallen, und sprang hinein. Zum Unglück geriet er in einen Wirbel, und ertrank. +   +   + So hat mancher Fürst sich und seine Nation aufgeopfert, um eine vergebliche Eroberung zu machen! Der Esel und seine Herren Ein Esel war bei einem Gärtner, der ihn täglich mit Körben nach der Stadt trieb.— "O Jupiter!" — flehte er: — "Was für ein elendes Leben! Gib mir einen andern Herrn!" — Jupiter erhörte ihn. Es mußte sich fügen, daß ihn ein Gerber kaufte. "O, Vater der Götter!" — seufzte der Esel schon am andern Tage: — "Wie unglücklich hast du mich gemacht! Sonst trug ich nicht halb so schwer; sonst hatte ich noch manches Kohlblatt für mich; jetzt erlieg' ich unter der Last der stinkenden Häute, und habe nichts als Disteln!"  — Jupiter war gnädig; er tat ihn zu einem Köhler. — "O, Vater der Götter!" — flehte er nach wenig Stunden: — "Laß mich lieber zu meinem vorigen Herrn zurückkehren. Er war doch der beste!" — "Wie?" — sagte Jupiter zornig: — "Bist du auch wie die Menschen, die unaufhörlich ihre Regierungsformen ändern, und am Ende nicht wissen, was sie wollen?" Der Gerichtstag der Tiere Unter den Tieren wütete eine fürchterliche Pest; der Löwe schrieb einen großen Gerichtstag aus. — "Laßt uns sehen, wer der Sünder ist, der den Zorn des Himmels über uns bringt!" — Der Tiger, der Bär, die Hyäne, der Leopard, der Wolf und alle die übrigen Raubtiere wurden vorgefordert. Man fand viele Klagen wider sie; doch sie rechtfertigten sich, und wurden losgesprochen. Endlich kam auch die Reihe an den Esel. "Das ist der Verruchte!" — schrie alles: — "Hat er nicht neulich einen Kohlkopf gestohlen?" — Der Esel konnte es nicht leugnen, und wurde zum Tode verdammt. "Ach?" — seufzte er sterbend: — "Und von dem Löwen selbst spricht niemand? Und die Räubereien der übrigen sind alle vergessen?" — +   +   + Moral und Politik! Die Maus und der Käse Eine Maus war des Weltlebens überdrüssig; sie fand einen holländischen Käse, grub sich hinein, und hatte so Wohnung und Nahrung zugleich. Bald darauf entstand ein Krieg zwischen den Mäusen und Ratten. Die ersten schickten an alle ihre auswärtige Brüder herum, um eine Kriegssteuer einzusammeln. Endlich kamen die Gesandten auch zu unsrer Maus. "Wie?" — sagte sie: — "Ich, Steuern geben? Was könnet ihr von einer armen Einsiedlerin verlangen? Ist's nicht genug, daß ich für euch bete?" — So sprach sie: und kehrte ihnen den Rücken. +   +   + Klostergeist! Mönchsegoismus! der nichts zu den Lasten des Staats beitragen will! — Wann wird die katholische Welt aufgeklärt genug werden, um das überall einzusehen? Das Pferd und der Esel "Lieber! Nimm mir etwas von meiner Last ab!" — sagte der Esel zum Pferde: — "Sie ist zu schwer für mich; ich erliege!" — Das Pferd schlug es ihm höhnisch ab; der Esel blieb liegen, und starb. Darauf bekam das Pferd die ganze Last desselben, und seine Haut obendrein zu tragen. +   +   + Nationen! Provinzen! Die Bedrückung einer Stadt, die Mißhandlung eines Bürgers geht euch alle an! Der Hof des Löwen Der Löwe hatte einen Landtag ausgeschrieben; alle übrigen Tiere kamen in seine Höhle. "Was für ein abscheulicher Geruch!" — sagte der Bär: und in der Tat, die Höhle sah einem Anger ähnlich. Den Löwen verdroß diese Bemerkung; er zerbrach ihm das Genicke. "Vortrefflich!" — grinste der Affe, und sprach von Ambraduft und Gnade! Seine alberne Schmeichelei mißfiel nicht weniger: mit genauer Not konnte er sich vor den Klauen des Löwen retten. "Aber was riechst denn Du?" — fragte er jetzt den Fuchs, — "Deine Majestät verzeihe! Ich habe den Schnupfen!" — war die Antwort. +   +   + Seht! So muß man mit den Fürsten sprechen! Die Geier und die Tauben Die Geier lagen im Kriege, er wurde von beiden Seiten mit blutiger Erbitterung geführt. Die friedfertigen Tauben, die das Metzeln nicht mehr mit ansehen konnten, beschlossen die Vermittlerinnen zu werden, und schickten auch wirklich Gesandten ab. Ihre Bemühungen waren nicht vergebens; ihre Vorschläge wurden gehört, und die kämpfenden Parteien machten Frieden. Aber was war die Folge? Zur Dankbarkeit vereinigten sich beide, die Tauben auszurotten. +   +   + Mächte der dritten Klasse! mengt euch nicht in die Streitigkeiten der großen Nationen! Nehmet ein Beispiel an den Tauben! Die Hähne Zwei Hähne stritten um die Oberherrschaft. Endlich siegte der eine, und sein Gegner blieb auf dem Platze. Welcher Triumph! Welche Siegesgesänge! Alle Hühner wetteiferten, ihm zu gefallen. Aber sein glücklicher Erfolg machte ihn übermütig. Er nahm sich vor, alle Hähne der Nachbarschaft auszurotten, und sich zum Herrn aller ihrer Hühner zu machen. So beschlossen: und er trat seinen Ritterzug an. Aber die andern Hähne hatten indessen Nachricht davon bekommen. Sie vergaßen ihr einseitiges Interesse über der allgemeinen Gefahr; sie verbanden sich, fielen alle auf einmal über ihn her, und hackten ihn tot. +   +   + Pläne von Universalmonarchien! Eroberungsprojekte nach einigen glücklichen Schlachten! Riesenentwürfe von Unterjochung des Erdbodens! — Sie haben nicht besser geendigt. Die Geschichte ist voll von solchen Beispielen! Die beiden Bären Zwei Bären begegneten einander. — "Laß uns zusammen jagen!" sagte der eine: und es wurde angenommen. Sie gingen lange, ohne etwas zu finden. Endlich wurde beschlossen, der eine sollte auf einen Baum steigen, um ein Wildbret zu entdecken, — der andere indessen Schildwache stehen. "Was sehe ich?" — schrie jener, als er auf dem Gipfel des Baumes war: — "Mein Gefährte hat sich in eine Ratte verwandelt!" — "Was ist dir?" — rief dieser am Fuße des Baumes: — "Du bist ja zu einem Vogel geworden!" — Indem brach ein Ast; jener stürzte vom Baume herunter, und sie erkannten mit Erstaunen ihren gegenseitigen Irrtum. Du stehst auf dem Gipfel der Größe; du siehst auf mich an der untersten Stufe mit Verachtung herab. Ich bin ein Zwerg in deinen Augen, und du erscheinst mir wie eine Motte. Das Wiesel, die Katze und das Kaninchen Ein junges Kaninchen war aus seiner Höhle gegangen. Bei seiner Zurückkunft fand es ein Wiesel darin, das sich derselben bemächtigt hatte. "Heraus mit dir!" — war die Anrede: — "Die Höhle ist mein! Du hast sie usurpiert! Du hast sie widerrechtlich eingenommen! Heraus mit dir!" — Das Wiesel antwortete; und es erhob sich ein heftiger Streit über die beiderseitigen Rechte. — "Ich habe sie entdeckt, ich habe sie unbewohnt gefunden; also gehört sie mir!" — Nach langen Zanken beschlossen sie endlich, eine alte Katze, die in der Nähe wohnte, zur Schiedsrichterin zu nehmen. Sie kommen an, sie trägen ihre Sache vor. — "Tretet doch ein wenig näher!" — hieß es: "Ich bin zu alt, ich höre nicht gut!" — Die Parteien vermuteten nichts arges, als die Katze auf sie sprang, und mit beider Tode die Streitigkeit beendigte. +   +   + Geschichte gewisser Kolonien, und gewisser kleinen Republiken! Der Schlangenschwanz 1. "Wie?" — sagte der Schwanz einer Schlange zum Kopfe: — "Bin ich nicht eben so gut als du? Wer zwingt mich, dir überall nachzufolgen? dir immer den Vorrang zu lassen? Geh', wenn du kannst, und wohin du willst; ich werde sehen was ich tue." Der Kopf setzte sich in Bewegung, der Schwanz ebenfalls; jener dorthin, dieser hierher. Beide strengten sich an; keiner kam von der Stelle. Sie machten so lange, daß die Schlange platzte. +   +   + Vergleicht die Mittelgeschichte der italienischen Staaten! Verfolgt das Spiel der Parteien in so manchen andern; und seht, wohin die Nation gekommen ist! 2. "Du hast lange genug regiert!" — sagte der Schwanz zum Kopfe: — "Und ich habe dir lange genug gefolgt. Jetzt ist an mir die Reihe. Jetzt muß ich vorangehen!" Der Kopf willigte ein: sie traten die Reise an; und der Schwanz eilte gerade ins Feuer. +   +   + Wie viel solche Blinde bei dem Wechsel der Regierungen! Wie viel solche hirnlose Schwänze! Die Astronomen "Himmel! was sehe ich?" — schrie ein Astronom: — "Ein fürchterliches Ungeheuer droht den Mond zu verschlingen! Ein scheußlicher geflügelter Drache mit tausend Füßen!" Vor Entsetzen warf er das Teleskop weg. Sein Gefährte nahm es auf, ohne ein Wort zu sagen, schraubte das Objektglas ab; und es flog eine Mücke heraus. — "Das ist der Drache!" — sagte er: — und von nun an erschien der Mond wieder rein. +   +   + Wem fallen hier nicht Seh —chs Prophezeiungen ein! Der Adler und der Zaunkönig Ein Zaunkönig ließ von ungefähr etwas von seinem Kote auf einen Adler fallen. Entrüstet flog der königliche Vogel zum Jupiter. — "Räche mich, Vater der Götter" — rief er: — "Räche mich an diesem Elenden! Vertilge sein ganzes Geschlecht von der Erde!" — "Aber", sagte Jupiter gelassen zu dem Günstling: — "Ist er nicht auch mein Geschöpf?" +   +   + Geschichte gewisser Verordnungen! — Favoriten! Ihr seid nicht die Nation! Der Pudel und die anderen Hunde Ein Pudel war abgerichtet worden, für seinen Herrn täglich zum Speisewirt zu gehen. Er hing sich die Schüsseln mit einem Riemen an den Hals, und überlieferte sie mit der größten Treue, ohne sie anzurühren. Eine Zeitlang ging das vortrefflich. Einmal aber begegneten ihm einige andere Hunde, fielen ihn an, und wollten seine Schüsseln plündern. Um sich besser zu verteidigen, setzte unser Pudel seine Last ab; der Kampf begann, aber es kamen mehrere Hunde, dazu, und er wurde überwältigt. Als er nun sah, daß alles verloren war, fiel er zuerst über den Braten her, und verschlang zwei der besten Stücke. "Da!" — sprach er: — "Nehmt das übrige nach Belieben, und laßt uns Freunde sein." — +   +   + Verwaltung der Republiken! — Finanzminister! —