Fabelverzeichnis
zurück


weiter
zu Buch 17
 

Der Geiz sitzt durstig an dem Strome
Und waget nicht, sich satt zu trinken;
Er sorgt und darbet, kümmert sich,
Wo tausend reine Freuden winken;
Wenn Sonnenstrahl durch grüne Zweige bricht,
Kargt er bei düsterm Kerkerlicht.
 
XVI.
Geiz, Sparsamkeit

 
Der Geizige
Der Rabe
Der Hund mit dem Fleische
Der Hamster und die Ameisen

 
Der Hamster
Die Dohle und die Nüsse
Der Geizige und der Haushund
Der Wolf, der Schöps und das Reh

 
Der Hund
Der Affe und der Geizige
Hamster und Mäuschen
Der Hund und die Maus

 

Der Geizige

Ich Unglücklicher! klagte ein Geizhals seinem Nachbar. Man hat mir den Schatz, den ich
in meinem Garten vergraben hatte, diese Nacht entwendet, und einen verdammten Stein
an dessen Stelle gelegt. Du würdest, antwortete ihm der Nachbar, deinen Schatz doch
nicht genützt haben. Bilde dir also ein, der Stein sei dein Schatz, und du bist um nichts
ärmer. Wäre ich auch schon um nichts ärmer, erwiderte der Geizhals; ist ein Anderer
nicht um so viel reicher? — Ein Anderer um so viel reicher! Ich möchte rasend werden.
                                                                                                          Lessing


Der Rabe

Ein Rab' entwandte hier und da
So viel er konnte: gold'ne Ringe,
Band, Uhrgehäng' und hundert andre Dinge.
Als dies der klüg're Haushahn sah,
So fragt er ihn: ich bitte, sage mir,
Wozu nützt denn dies Alles dir?
Das weiß ich selbst nicht, sprach der Rabe;
Ich nehm' es nur, damit ich's habe.

Ein Geizhals und dies Tier tun einerlei.
Der Geizhals sammelt, gleich dem Raben,
Nicht, daß es ihm und Andern nützlich sei,
Nein, bloß um viel zu haben.

Der Hund mit dem Fleische

Mit einen, Stückchen Fleisch, das er dem Koch genommen,
Springt Spitz, Verfolgern zu entkommen,
In einen Fluß. Er schwimmt und sieht hinein,
Sieht sich und auch das Fleisch. Ihm dünket dieser Schein
Ein andrer Hund mit Fleisch zu sein.
Sogleich, nimmt ihn die Lust, auch dies zu haben, ein.
Besiegt von der Gewalt des Neides.
Schnappt er nach jenem; weg war Beides!

Ein Geiziger ist nimmer satt,
Und so verliert er oft auch das noch, was er hat!
                                                             Nach Aesop

Der Hamster und die Ameisen

Ameisen! arme Tierchen! rief
Ein Hamster: lohnt's der Mühe wohl,
Daß ihr den ganzen Sommer euch
Mit Arbeit quält, und wenig doch
Einsammelt? Meinen Vorrat seht! —
Sobald dein Vorrat großer ist,
Als du ihn brauchst, versetzten sie,
So ist's nicht unrecht, daß der Mensch
Dir nachgräbt, deine Scheunen leert,
Und deinen räuberischen Geiz
Dich mit dem Tode büßen läßt.
                                        Lessing


Der Hamster

Es zog der schnöde Geiz bei einem Hamster ein,
Nie mag ein Tier so karg, wie er, gewesen sein.
Er schwatzte stets von Korn, und träumte nur von Garben,
Sein Abgott war Gewinst, sein Zweck, sich reich zu darben.
Der Bissen tat ihm weh, den er des Tages aß,
Die Früchte schmeckten ihm, die er nicht selbst besaß,
Und endlich ließ der Filz sein Weib vor Hunger sterben,
Er tat es, o des Schimpfs! um mehr von ihr zu erben.
Er ward im Hamsterrat auch peinlich angeklagt,
Die Mordtat im Verhör von Zeugen ausgesagt,
Und von dem Täter selbst in den verjährten Banden,
Vielleicht aus Überdruß, freiwillig eingestanden;
Man ließ, was fehlte mehr? den Rechten ihren Lauf,
Und viele knüpften ihn schon in Gedanken auf,
So sicher schien sein Tod. Allein das Urteil wollte,
Daß er sofort der Haft entlassen werden sollte,
Und weil, so schloß es sich, Beklagter selbst bekannt,
Daß seine Frau den Tod durch seine Kargheit fand,
So werden ihm von uns, sich besser zu verpflegen,
Zwei Scheffel Korn geschenkt, und das von Rechteswegen.
Die ganze Hamsterwelt ward auf die Richter toll,
Wer ist des Todes wert, wenn dieser leben soll?
Macht man den Frauenmord zu einem Mitteldinge,
Beschenkt man einen Schelm, der noch zu gnädig hinge?
So sagte Jedermann, der Geizhals läßt sie schrein,
Er scharret das Geschenk in seine Speicher ein,
Er ißt vor Geiz nicht mehr, die Furcht wehrt seinem Schlafe,
Er starb bei seinem Schatz, und das war seine Strafe.
                                                                         Lichtwer

Die Dohle und die Nüsse

Eine karge Dohle stahl
Emsig eine Menge Nüsse,
Pflückte Strauch und Bäume kahl
Und verbarg die Beut' im Tal.

Und nun flog sie Tag und Nacht
Um den eingescharrten Haufen;
Aber Mißgunst und Verdacht
Quälten sie bei Tag und Nacht.

Und was sie mit Müh' erwarb,
Wagte sie nicht zu genießen;
Und die Sorg' und Angst verdarb
Ihres Lebens Keim — sie starb.

Und die Nüsse fingen an
Jetzt zum Baum emporzuwachsen.
Dieser bot dem Wandersmann
Kühlung, Frucht und Obdach an.

*   *   *

Mancher sammelt durstiglich,
Ohne selber zu genießen! —
Laß dich dieses nicht verdrießen!
Sieh', er sammelt nicht für sich.
                                 Krummacher

Der Geizige und der Haushund

Ein karger Mann hielt einen Hund,
Groß, stark, beherzt, auch schön und bunt;
Allein das arme Tier ward hager,
Und krümmt aus Hunger sich im Lager;
Einst kommt ein Dieb um Mitternacht,
Der hatte Kuchen mitgebracht
Und lockt den Wächter: du sollst wissen,
Für dich ist dieser Leckerbissen!
Schnapp! nahm ihn Sultan weg und schwieg;
Worauf der Dieb durch's Fenster stieg,
Und alles raubte, was an Schätzen
Zu rauben war, es blieb kein Fetzen. —
Der Hausherr, als er Morgens fand,
Ihm sei der letzte Rock entwandt,
Wollt aus Verzweiflung sich erhenken,
Bald sich erschießen, bald ertränken.
Verdammter Hund! so rief er aus,
Bewahrst du so mir Hof und Haus?
Der sprach: soll ich dich treu bewachen,
So mußt du wie der Dieb es machen,
Der lohnt dem, der ihm dienen soll;
Zu diesem geh' ich: lebe wohl!
                                 Ramler's Fabellese

Der Wolf, der Schöps und das Reh


Ein Wolf sah einen Schöps im Klee.
"Gut," spricht er, "der hat ausgenaschet;"
Er springet auf ihn los und haschet
Ihn schon beim Ohr, als er ein Reh
Im fernen Busch erblickt. "Der Bissen
Ist fetter," denkt er; "überdies
Bleibt mir der Hammel ja gewiß."
Er jagt das Reh. Mit schnellen Füßen
Entwischet ihm der leck're Schmaus,
Nun will er sich am Schöps erholen;
Doch dieser hatte sich empfohlen,
Und Isegrim schlich leer nach Haus.

*   *   *

Es sagten schon die lieben Alten:
Wer Alles will, wird nichts erhalten.
                                            Pfeffel

Der Hund


Phylax, der so manche Nacht
Haus und Hof getreu bewacht,
Und oft ganzen Diebesbanden
Durch sein Bellen widerstanden:
Phylax, dem Lips Tullian,
Der doch gut zu stehlen wußte,
Selber zweimal weichen mußte, —
Fiel ein böses Fieber an.

Alle Nachbarn gaben Rat.
Krummholzöl und Mithridat
Mußte sich der Hund bequemen,
Wider Willen einzunehmen;
Selbst des Nachbar Gastwirts Müh',
Der vordem in fremden Landen
Als ein Doktor ausgestanden,
War vergebens bei dem Vieh.

Kaum erscholl die schlimme Post,
Als von ihrer Mittagskost
Alle Brüder und Bekannten
Phylax zu besuchen, rannten.
Pantalon, sein bester Freund,
Leckt ihm an dem heißen Munde,
O! erseufzt er, bittre Stunde!
O! wer hätte das gemeint?

"Ach." rief Phylax, "Pantalon?
Ist's nicht wahr, ich sterbe schon?
Hätt' ich nur nicht eingenommen,
„Wär' ich wohl davon gekommen;
Sterb' ich Ärmster so geschwind,
O! so kannst du sicher schreien,
Daß die vielen Arzeneien
Meines Todes Quelle sind.

Wie zufrieden schlief ich ein,
Könnt' ich nur so manches Bein,
Das ich mir verscharren müssen,
Vor dem Tode noch genießen!
Ach es macht mich kummervoll,
Daß ich diesen Schatz vergessen,
Nicht vor meinem End' ihn fressen,
Auch nicht mit mir nehmen soll.

Liebst du mich, und bist du treu,
O! so hole sie herbei;
Eines wirst du bei den Linden
An dem Gartentore finden;
Eines, lieber Pantalon,
Hab' ich nur noch gestern Morgen
In dem Winterreis verborgen;
Aber friß mir nichts davon."

Pantalon war fortgerannt,
Brachte treulich, was er fand;
Phylax roch bei schwachem Mute
Noch den Dunst von seinem Gute.
Endlich, da sein Auge bricht,
Spricht er: "laß mir Alles liegen!
Sterb' ich, so sollst du es kriegen,
Aber Bruder! eher nicht.

Sollt' ich nur so glücklich sein,
Und das schöne Schinkenbein,
Das ich doch ich mag's nicht sagen,
Wo ich dieses hingetragen.
Werd' ich wiederum gesund,
Will ich dir, bei meinem Leben!
Auch die beste Hälfte geben;
Ja du sollst" — — Hier starb der Hund.

*   *   *

Der Geizhals bleibt im Tode karg.
Zwei Blicke wirft er auf den Sarg,
Und tausend wirft er mit Entsetzen
Nach den mit Angst verwahrten Schätzen.
O schwere Last der Eitelkeit!
Um schlecht zu leben, schwer zu sterben,
Sucht man sich Schätze zu erwerben:
Verdient ein solches Glück wohl Neid?
                                                 Gellert

Der Affe und der Geizige

Einst hielt ein Geiziger sich einen Affen.
Ein Geizhals sein und den sich anzuschaffen,
Das scheint dir sonderbar; allein bedenke doch:
Gesellschaft kostet Geld, und Menschen können stehlen.
Auch hat ein Affe diese Tugend noch:
Sein Herr darf nichts vor ihm verhehlen,
Er darf vor seinen Augen rechnen, zählen,
Kein Mensch erfährt's, er stört ihn nie darin.
Kurz die Gesellschaft war nach unsers Harpax Sinn.

Der Glockenschlag rief einst den Mann zur Kirche hin;
Denn durch sein Fasten, Beten, Singen,
Dacht' er dem Himmel noch mehr Gaben abzuzwingen;
Da ließ er in der Eil' das Schreibpult offen steh'n,
Wo ihn sein Petz im Gold oft hatte wühlen seh'n.
Der Affe, der den Haufen Gold erblicket,
Und den die Langeweile drücket,
Sinnt sich gar bald ein Spielchen aus.
Er fängt ein Goldstück an hervorzulangen,
Und zielt und wirft es durch die Fensterstangen.
Er wiederholt sein Spiel. Man sammelt sich um's Haus,
Man ruft: "Mir auch ein Stück, mein Petzchen!" fängt und springet;
Und wem mit Hut und Hand ein Fang gelinget,
Dem jagt's ein Andrer wieder ab.

Indem der Affe noch dies Schauspiel gab,
Kam unser Harpax an: "Was ist denn hier zu sehen?
Worüber lacht man denn? — O wehe mir!
Mein schönes Gold! Verwünschter Räuber! dir
Will ich den Kopf vom Rumpfe drehen,
Das Eingeweide will ich dir
Aus deinem Leibe reißen." — "Mäßigt eure Hitze."
Sprach hier ein Greis; "das Geld ist euch so wenig nütze,
Als ihm. Er wirft es weg; ihr sperrt es ein,
Wer mag von euch der Klügste sein?"
                                                                      Hagedorn

Hamster und Mäuschen

Das Mäuschen ist gar lustig im Feld,
Es denkt wohl, sein gehöre die Welt;
Es putzt sich sein Kleidchen den ganzen Tag,
Die Mutter zankt, es fragt nichts danach;
Will immer nur spazieren gehn,
Der gold'ne Weizen ist reif — und schmeckt schön.

Der Hamster sieht's eine Weile mit an,
Beginnt mit ernster Stimme dann:
Du kleine, muntere Nachbarin,
Bedenke doch in deinem Sinn,
Der Sommer wird bald vorüber sein
Und sammelst du nichts in dein Häuschen ein,
So kommt dir im Winter große Not
Und deinem Leichtsinn folgt der Tod

Das Mäuschen denkt: ei, sprich nur, Lieber!
Und hüpfet leicht und froh vorüber.

Die Schnitter kommen, eh' man's gedacht,
Der Weizen wird in die Scheunen gebracht.

Der Herbststurm über die Stoppel weht,
Kein Blümchen mehr im Felde steht;
Nun braust gar der böse Winter herauf,
Bringt Reif und Schnee und Eis zuhauf;
Wie ist's so kalt! das Mäuschen friert
Und hungert dazu, wie sich's gebührt.

Ja hätt' es der Hamster nicht aufgenommen,
Es wäre wahrlich! zu Tode gekommen!
                                                Hoffmann

Der Hund und die Maus

Ein wohlbeleibter, großer Hund,
Der von des Herren Tafel aß,
Und täglich sich bis an den Schlund
Harpyenmäßig überfraß,
Sucht auch die kleinsten Brosamlein
Die hie und da zerstreuet lagen,
Und ließ die Mäuse Mäuse sein
Und sie die Stuhl' und Bänke nagen.

Des straft ihn eine magre Maus,
Wie sauber räumst du doch das Haus!
Was taugen dir so kleine Bissen?
Du machst, o Hund, auf diese Weise,
Daß wir bedrängten, armen Mäuse
Vor Mangel noch verderben müssen.

Ei! sprach der Hund, was hast du dich
Der Hunde Speisen anzumaßen?
Ein jedes lebt allein für sich.
Iß du, was sonst die Käfer aßen,
Und was den Fliegen zugehört
Und laß uns Hunde ungestört!

Ach, sprach die Maus, das muß ich wohl!
Du sackst dich übermäßig voll
Und zwingst mich noch, den kleinsten Tieren
Ihr bißchen Naschwerk zu entführen.
Mit Vorsatz übertret' ich nicht
Die mir bekannte Mäusepflicht;
Doch ach! man kennt in größter Not
Nicht Pflicht, nicht Ordnung, nicht Gebot.
Und dieses Unheil, wie ich spüre,
Rührt her vom Geiz der reichen Tiere.
                                                Knonau