Fabelverzeichnis
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Freien Geist und freien Blick,
Freies Herz und freie Tat,
Freies Wort und freien Pfad —
Wahre dir zu deinem Glück!
 
XVII.
Bewahre dir deine Freiheit

 
Der junge Hahn, welcher frei sein will
Der Esel will einen Herrn haben
Murmeltier tanzt
Eichhörnchen und Knabe
Die Nachtigall im Käfig
Der Knabe und der Stieglitz
Der Stieglitz und Nanette
Der afrikanische und der...
Die beiden Nachtigallen
Die zwei Bäche
Der Löwe mit dem Esel
Der Kettenhund und der...
Der Eppich und der Thymian
Der Wolf und der Hund
Das Pferd
Die Beratschlagung der Pferde
Der Fuchs und der Hund
Die Affen auf dem Schiffe

Der junge Hahn, welcher frei sein will

Kaum war ein junger Hahn ein wenig herangewachsen, kaum war das Federkleid ein wenig
schön geworden, kaum konnte er zur Not schon krähen, obwohl lange noch nicht so gut wie der
Papa, so gab er nichts mehr auf Lehren und gute Worte der Eltern, und nichts auf das
Zurückscheuchen der Hofmagd, und wollte auf dem Hofe nicht bleiben, sondern flog über die
Planken, und lief im Feld und in den Wiesen umher, oder richtete Unfug in den Gärten der
Nachbarn an, obwohl ihn die Kinder oftmals mit Steinwürfen in Furcht setzen wollten.
Wenn er dann zur Futterzeit wieder zurückkehrte, und auf die Planke geflogen war, krähete er,
so gut er's vermochte, sein Kikeriki, als hätt' er groß Ding getan, und dacht' in seinem Herzen,
er sei ein freies Wesen, und brauche Niemand zu folgen — er könne tun, was ihm beliebe;
denn er sei ja nun schon etwas.
Drei oder viermal hatte ihn die Magd wieder zurückgescheucht, und ihm heilsame Warnung
gegeben, fein auf dem Hofe zu bleiben. — Aber er gab nichts darauf, und sagte: "Ich bin frei;
ich tue, was ich will."
Da erwischte ihn die Magd einmal beim Flügel, und steckte ihn in einen geräumigen Hühnerkorb.
"Kecker Bursche," sagte die Magd, "da sitze!" Niemand in der Welt darf tun, was er will,
sondern muß erst darauf sehen, was er tun soll.
Da saß der kühne Patron, der frei sein, und nach seinem Belieben, und nicht nach Ordnung und
Regel tun wollte, was sich gebührt; da saß er, und sah trübselig zu, wie alles Geflügel auf dem
Hofe so lustig und vergnüglich dahin und dorthin ging, oder stand und saß. —
Er aber war eingesperrt.

Der Esel will einen Herrn haben

Viele andre Tiere hatten ihren Herrn, das Pferd und der Hund, das Rind und das Schaf;
aber der Esel lief noch frei umher, zu Berg und Tal, zu Feld und Wald. Er wollte nun auch
einen Herrn; — das macht, er war ein Esel, und bat den Himmel täglich darum, und wurde erhört.
Er wurde einer alten guten Gärtnerin befohlen, mit der er täglich in den Garten ging, wo
er lustig weidete, bis sie ihre Blumen, Wurzeln und Kräuter beisammen hatte, die er sich
willig aufpacken ließ. Die Last war nicht schwer und der Weg nicht weit bis zu dem
Markte der nächsten Stadt. Dort liefen die Kinder zu ihm hin, brachten ihm Hafer und
Brot, streichelten und führten ihn, neckten und spielten mit ihm, setzten sich und ritten
auf ihm, und er warf sie lustig ab, sprang mit hochgehobenem Schwanze und
schallendem Iah-hahha auf dem Markte der Kreuz und Quere umher, und schlug vor Lust
hinten aus, und trieb solches Zeug, daß Alle über ihn lachten. Bei leichter Mühe und
gutem Futter ward er wohlbeleibt und wohlgemut, und die Gärtnerin pflegte ihn, als sei
es ihr Leibsohn. Da dachte er: "Wie bin ich so glücklich, seit ich im Herrendienste bin!"

Aber, wie es denn geht! Die Gedanken bleiben nicht immer dieselben, und das Glück zu
ertragen wird Vielen gar schwer. Nach einigen Wochen dachte er anders, und klagte, daß
er eine so geringe Herrschaft habe, bei der man sich schämen müsse, zu dienen, — ein
altes häßliches Weib, mit struppigem Haare und Wackelkopf. Da war ihm denn nun Alles
nicht mehr recht, selbst sein gutes Futter nicht, und er fing an so widerspenstig und böse
zu werden, daß ihn die alte Frau nicht mehr bändigen konnte, sondern ihn an einen
Ziegelbrenner verkaufte, der ihn mit Tragen von Lehm, Sand und Stein, und mit bloßen
Disteln und Strohfutter, und mit aller Art Arbeit vom Morgen bis in die späte Nacht, und
mit sattsamen Prügeln so weit brachte, daß er kaum mehr gehen konnte.

Da wünschte er sich wieder einen andern Herrn, und erhielt ihn auch; denn der Ziegelbrenner
konnte ihn nicht mehr gebrauchen. Er bekam einen Gerber zum Herrn, wo seine letzte Kraft in
der Arbeit daraufging. Er sehnte sich kläglich nach seiner Freiheit oder doch zu seiner Alten
zurück. Das aber war Alles nun zu spät. Er konnte bald nicht mehr fort; da schlug man ihn tot,
und seine Haut wurde gegerbt.


Murmeltier tanzt

Ihr guten Leute, wer schenkt mir was?
Geht gar zu betrübt mir, wißt ihr das!
Meine Brüder, die spielen den Sommer im Feld,
Ich muß hier tanzen und hüpfen für Geld;
Die schlafen den Winter lang ohne Not,
Ich muß hier wachen und betteln um Brot.

Du armes Tierchen, du dauerst mich sehr.
Ich tanze wohl auch und spring' umher;
Doch darf mich niemand im Käfig führen,
Da würd' ich gleich alle Lust verlieren.
Du armes, wie schlimm ist dir's ergangen,
Daß du dich hast draußen lassen fangen.
                                                      Hey
Eichhörnchen und Knabe

Eichhörnchen, Eichhörnchen, niedliches Tier,
Gar zu sehr gefällst du mir,
Bist so schlank, bist so behende,
Springst und fliegst ja um die Wette!
O daß ich dich in der Stube hätte!
Komm! sollst von Allem das Schönste haben,
Sollst dich mit Nüßchen und Kuchen laben;
Das kühlste Wasser, wie Silber so rein,
Gieß' ich dir in dein Schälchen hinein.
Du bekommst dein eigenes, kleines Haus,
Springst hinein und springst hinaus,
Kannst ganz nach deinem Gefallen leben.
Ich will dir ein goldenes Kettchen geben,
Das schlingen wir um den feinen Leib, —
S'ist Alles nur zum Zeitvertreib.

Eichhörnchen springt geschwind
Auf den höchsten, schwankenden Ast,
Sagt: liebes Kind,
Was du versprochen hast,
Ist freundlich und lieb.
Wenn es bei dem Kuchen blieb,
Beim Nüßchen und beim Wasser so rein,
Wär' ich dein!
Aber mit dem Kettchen, das kann nicht sein!
Ist's auch von Gold, ich fürcht' es zu sehr.
Der freie, frische Wald behagt mir mehr.
Leb' wohl! lebe wohl!
Husch! springt's dahin.
Der Knabe kehrt heim mit betrübtem Sinn.
                                                 Hoffmann

Die Nachtigall im Käfig

Es hängt eine Nachtigall ganz allein
In einem düstern Kämmerlein,
Im Käfig, von Stäben umschlossen dicht;
Sie sieht die liebe Sonne nicht,

Sie sieht nicht die Bäume, das Waldesgrün,
Sie sieht kein einziges Blümchen blühn,
Sie sieht auch nicht Bruder, noch Schwesterlein,
Sie stirbet fast vor Sehnsuchtspein.

Sie singt: "o laßt mich bald hinaus
In's große, freie Gotteshaus!
Hinaus in des Waldes geweiheten Dom,
Da rauschet der Lieder heiliger Strom."

Die Menschen erhören die Bitte nicht.
Der Herbst ist da; der Winter bricht
Mit Reif und Eise keck in das Land,
Hüllt Alles in sein Schneegewand.

Die Nachtigall schweigt. Sie trägt ihr Leid
Still in der stillen Einsamkeit.
Doch als nun der liebliche Lenz sich naht
Und Blumen streut auf jeden Pfad,

Da trägt sie nicht länger den tiefen Schmerz.
Sie seufzet schwer, es bricht ihr Herz,
Sie blicket in's rosige Morgenrot
Und spricht: für Knechtschaft lieber Tod!
                                                 Hoffmann

Der Knabe und der Stieglitz

Ein bunter Stieglitz ward gefangen
Und einem Knaben, auf Verlangen,
Zu seinem Eigentum geschenkt,
Der, ganz entzückt, auf nichts mehr denkt,
Als seines Vogels recht zu pflegen,
Er sucht daher ihm allerwegen
Sein liebstes Futter, füllt sein Glas
Des Tages oft mit frischem Naß;
Vergoldet ihm sein kleines Haus,
Und bringt ihm manchen Distelschmaus.

Der Stieglitz aber findet doch
Zuletzt ein unbemerktes Loch,
Aus welchem er gar bald entkam,
Und fröhlich seinen Abschied nahm.
Der Knabe rief ihm freundlich zu:
"Wohin, du armer Vogel, du?
Was hat dir denn bei mir gefehlt,
Daß sich dein Flug das Weite wählt?
Hab' ich nicht Alles dir gegeben,
Wovon die Herr'n Stieglitze leben?
War nicht dein Käfig ein Palast,
Mit gold'nem Draht schön eingefaßt?
Und ward dir nicht aus meiner Hand
Manch' Stückchen Zucker zugewandt?
Komm wieder, bitt' ich dich, herein!"
Der Stieglitz gab zur Antwort: "Nein!
Weg mit der gold'nen Sklaverei!
Hier hab' ich mehr; denn ich bin frei."
                                            Zachariä


Der Stieglitz und Nanette

Ein Stieglitz, der im Käfig saß,
Und aus Nanettens Händen täglich
Das beste Futter reichlich aß,
Ließ, als er seine Zeit ersehen,
Einst Haus und Speis' und Wirtin stehen,
Und flog in seinen Busch zurück.
Das Mädchen lief im Augenblick
Ihm nach, und fragt ihn ganz beweglich:
Warum hast du dich losgerissen,
Mein Matz? du hast ja Futter satt.
Mir, sprach der Vogel, schmeckt kein Bissen,
Den Freiheit nicht gewürzet hat.
                                       Ramler's Fabellese

Der afrikanische und der indianische Löwe

                   Der afrikanische Löwe

Wie? Niederträchtiger, du schimpfest dein Geschlecht?
Und Hunden gleich bist du der Menschen Knecht?
Ein Löw' ein Sklave? welche Schande!

                   Der indianische Löwe

Wie aber, wenn man muß?

                   Der afrikanische Löwe

Zerreiße kühn die Bande!

                   Der indianische Löwe

Doch, wenn Gewohnheit sie erträglicher gemacht?

                   Der afrikanische Löwe

So stirb mit Schimpf besiegt als Sklave auf der Jagd.
                                                               Willamov

Die beiden Nachtigallen

Kein Wunder, wenn man dich beneidet!"
Sprach eine Nachtigall zur andern; "Überfluß
In Allem seh' ich hier. Dein Haus ist prächtig, rein,
Mit grünen Teppichen bekleidet;
Und Ameiseier trägt man dir in Meng' hinein,
Wenn ich sie mühsam suchen muß.
Du darfst nur essen, trinken, singen!"
"Wohlan! wenn dir mein Schicksal wohlgefällt,"
Erwidert jene; "soll dir bald dein Wunsch gelingen;
Eröffne nur dies Haus, das mich gefangen hält,
Und tritt an meinen Platz. Ich fliege gern von hier,
Und du kannst essen, trinken, singen!"
"An deinen Platz? Nein, nein! ich danke dir!"

*   *   *

Oft mögen wir mit Neid die Hoheit Andrer sehen,
Doch irren wir, es ist ein täuschend Glück!
Und um die schön're Freiheit wär' es dann geschehen!
Drum klüger ist's, du bleibst zurück!
                                                                 Willamov

Die zwei Bäche

Zwei Bäche, Kinder Einer Quelle,
Nachdem sie lange brüderlich
Vereint geflossen, teilten sich,
Und wählten jeder seine Stelle.

Der Ält're sprach: Das Tal dort unten reizet mich.
Mit vieler Mühe drängt er sich
Hindurch. Bald muß er Wurzeln unterwühlen,
Bald Kiesel aus dem Wege spülen.
Beharrlichkeit siegt endlich, und er fließt
In seinem rauhen zwar, doch ganz bequemen Bette,
Vom frohen Ackersmann begrüßt.
Der Äcker und der Wiesen lange Kette
Beschleimet er, der Bäume Zucht
Treibt er empor, verdoppelt ihre Frucht,
Stößt hier der Mühle Rad, wird dort zum Karpfenteiche,
Schafft Überfluß umher im ganzen kleinen Reiche.

Ein stolzer Garten nimmt den jüngern Bruder auf.
Der Herr begegnet ihm mit fröhlichem Empfange:
"Solch' einen Gast wünscht' ich mir lange." —
Kanäle nach der Schnur und in gemeß'nem Hange
Gräbt man für ihn. Zwar kurze Zeit
Muß er in engen Röhren fließen;
Allein um nur mit größrer Herrlichkeit
Aus einem Marmorberg empor zu schießen.
Von seiner Höhe blickt er einst voll Übermut
Hinab in's Tal: "O sieh doch, was aus mir geworden,
Mein Bruder! Höre doch das Rauschen meiner Flut!
Nur Höflinge mit Schlüsseln und mit Orden
Und Kreuzen läßt man zu mir; diese bleiben stehn,
Mich mit Bewundrung anzusehn."

Mein Lieber, glaube nicht, daß ich dir dies beneide,
Spricht jener: Zwang und Pracht ergötzen dich;
Natur und Freiheit macht mir größre Freude.
Dich staunt der Höfling an, der Landmann segnet mich.

Der Löwe mit dem Esel


Als einst der Löwe mit dem grauen Tier,
Das ihm mit rauher Stimme seinen Raub
Zusammenjagte, nach dem Walde ging,
Rief eine Krähe von dem nächsten Baum:
Ein herrlicher Gefährte! Schämst du dich
Denn nicht, mit einem Esel umzugehn?
Der Löw' erwiderte: Den duld' ich gern
An meiner Seite, wen ich brauchen kann.

So denken manche Große, wenn sie Niedrige
Der Ehre ihres Umgangs würdigen.

Der Kettenhund und der Pudel


                       Der Kettenhund

Verwegner! wagst du dich an meine Knochen?
Kennst du den tapfern Phylax nicht,
Der manchem schon ein Bein zerbrochen,
Der Stier und Wolf besiegt, durch Räuberbanden bricht?
Willst du den Augenblick mir alles liegen lassen!
Fort! gehe deiner Straßen!
Entflieh', ich rate dir's!

                       Der Pudel

So komm und räche dich!
Dein Toben ist mir gar nicht fürchterlich.

                       Der Kettenhund

Wenn diese Kette nur nicht wäre,
Nichtswürdiger! — —

                       Der Pudel

Ja! wenn die Kette nur nicht wäre.
                                                  Willamov

Der Eppich und der Thymian

An einer Eiche Wurzel stand
Ein Stäudchen Thymian.
Ein Eppich, der den Baum umwand,
Sah es voll Mitleid an.

"Du armes Ding, man sieht dich kaum,"
Sprach er zu ihm, "und ich
Erhebe mit Chronion's Baum
Bis an die Wolken mich."

"Ich trage," rief das Kraut ihm zu,
"Mich selbst, so klein ich bin;
Doch ohne Stütze kröchest du
Ja gar am Boden hin."

Wer sich auf fremden Schultern hebt,
Ist Sklave, wer er sei;
Nur wer selbstständig für sich lebt,
Kann sagen: "Ich bin frei!"
                                          Pfeffel

Der Wolf und der Hund

Ein armer magrer Wolf, der wenig Lämmer stahl,
Begegnete bergab, in einem engen Tal
Einst eines reichen Mannes Hund,
Mit Namen Sigismund.
Ei, denkt der Wolf, wär' ich entkräftet nicht,
An diesem Herrn wollt' ich mich rächen
Für manchen bösen Biß. O du, du Bösewicht! —
Er denkt es — wagt's nicht auszusprechen.
So freundlich, als wenn er
Sein Freund, sein treuer Bruder wär',
Spricht er zum Hunde: — Schöner Hund,
Gott grüß' Euch! sehr gesund
Seht Ihr mir aus, Ihr wohlgepflegter,
Ihr schöner, lieber Hund!
Was Euch so schön macht und so rund,
Ach! das kommt nicht in armer Wölfe Mund! —

Und wer ist Schuld daran, fragt Bruder Sigismund,
Daß ihr so fett nicht seid, als wir?
Warum behaltet ihr zu eurem Aufenthalt
Den öden Wald,
In dem ihr euch so kümmerlich müßt nähren,
Den eine ganze Nacht ihr oft durchtraben müßt,
Euch einen halben Tag des Hungers zu erwehren;
Und oft auch kommt es wohl, daß es nicht möglich ist.
Ein besser Los erwählten wir,
Als wir den öden Wald verließen!
Der Mensch, man glaubt es nicht, ist ein gesellig Tier,
Was er genießt, läßt er uns mit genießen;
Und wenn an seinem Tisch er etwa Gäste hat,
Dann macht er uns und sie mit Leckerbissen satt! —

Ei Lieber, sagt, ich bitte, mir,
Was tut ihr ihm dafür?

Nichts, sagt der Hund, wir bellen nur ein wenig
Und haben unser Fest,
Wenn Bettler, Bauer oder König
Vor seiner Tür sich sehen läßt.
Auch schmeicheln wir dem Herrn im Hause,
Wir schmausen hoch bei seinem Schmause,
Kurz, armer Freund, wir sind des Menschen treue Diener!
Dagegen nehmen wir mit Knochen junger Hühner
Und zarter Tauben gern fürlieb.

Das tät ich auch, versetzt der arme Lämmerdieb
Und geht sogleich den Weg zum Herrn des Hundes mit.
Gesellig gehen sie, wie Brüder, einen Schritt.
Nicht lange. Denn der Wolf, der so gesellig trabt,
Betrachtet seinen Freund, sieht seinen Hals geschabt,
Fragt: was? was ist denn das
Am Halse da? — Nur eine Kleinigkeit,
Mein altes Halsband war zu enge!
Mein neues, das ist weit. —
Ein Halsband? ist dein Herr so strenge?
Legt er dich an? — Nicht allezeit,
Nur dann und wann der Kinder wegen;
Daran ist nichts gelegen. —

Nichts? Bruder, nichts? die Sklaverei macht Räude!
Geh' du, bei deinem Herrn zu schmausen: ich beneide
Dich nicht um deines Schmauses Freude.
Geh'! Freiheit ist ein edles Gut,
Sie gibt Vernunft und Lebenslust und Mut.
Der wäre wohl recht dumm, der dich beneiden könnte.

So sprach der Wolf und lief, als wenn der Kopf ihm brennte,
Den Weg in's Freie. Warte doch!
Rief Sigismund. Der Wolf, in seinem Elemente,
Sah sich nicht um, lief fort und läuft wohl noch.
                                                               Lafontaine

Das Pferd

Ein aufgezäumtes Roß stund länger als zwei Stunden
Vor einer Haustür angebunden,
Die Fliegen stachen es, ihm fiel bei dieser Pein
Die Härte seines Schicksals ein.

Hat wohl ein andres Tier mehr Plagen?
Bald muß es seinen Herrn und sein Gepäcke tragen,
Bald den beladnen Wagen ziehn,
Und mehr als möglich tun, der Peitsche zu entfliehn.
Nie tat es einen Schritt, als mit des Reiters Willen,
Oft läßt sein Meister ihm nicht Zeit,
Mit einem Trunk den Durst zu stillen.
Der Jugend Kraft verfliegt in steter Dienstbarkeit.
Was ist sein Lohn dafür? die kurze Zeit im Stalle,
Ein wenig Haber, Heu und Stroh,
Des Lebens wird es nimmer froh.
Hier regte sich des Pferdes Galle.
Es riß im Grimm den Zaum entzwei,
Setzt über Fels und Fluß, und sprang mit schnellen Füßen
Dem dicken Walde zu. Nun war es endlich frei.
Doch eine Stunde drauf ward es vom Wolf zerrissen.

Der Knechtschaftstand ist hart, doch besser jederzeit,
Als Freiheit ohne Sicherheit.
                                                                     Lichtwer


Die Beratschlagung der Pferde

Ha! sprach ein junger Hengst, wir Sklaven sind es wert,
Daß wir im Joche sind. Wo lebt ein edles Pferd,
Das frei sein will? wie glücklich war
In jener goldnen Zeit der Väter Schar!
Die waren Helden; edel, frei
Und tapfer. In die Sklaverei
Bog keiner seinen Nacken,
Engländer nicht, auch nicht Polacken.
Der weite Wald
War ihr geraumer Aufenthalt.
Auch scheuten sie kein offnes Feld:
Sie gras'ten in der ganzen Welt
Nach freiem Willen. Ach! und wir
Sind Sklaven, geh'n am Joch, arbeiten, wie der Stier.
Dem schwachen Menschen sind wir Starken untertan;
Dem Menschen! — Brüder, seht es an
Das unvollkommne Tier!
Was ist es? was sind wir?
Solch' ein Geschöpf bestimmte die Natur
Uns prächtigen Geschöpfen nicht zum Herrn.
Pfui! auf zwei Beinen nur! —
Riecht er den Streit von fern?
Sieht man, daß seine Nase dampft?
Bebt unter ihm die Erde, wenn er stampft?
Ist er großmütiger, als wir?
Ist er ein schöner Tier?
Hat er die Mähne, die uns ziert?
Und doch ist er, o Schmach! der Herr, der uns regiert;
Wir tragen ihn, wir fürchten seine Macht,
Wir führen seinen Krieg, wir liefern seine Schlacht.
Er siegt, und höret Lobgesang;
Die Schlacht indes, die er gewann,
War unser Werk, wir hatten es getan.
Was aber ist der Dank?
Wir dienen ihm zur Pracht vor seinem Siegeswagen;
Und ach! vielleicht nach drei vier Tagen
Spannt er den Rappen, der ihn trug,
Vor einen Pflug.
Entreißet euch der niedern Sklaverei!
Entreißet euch dem Joch, ihr Brüder! werdet frei!
Leicht ist die Sache, halten wir
Nur fein zusammen. Sagt, was meinet ihr?

Er schwieg. Ein wieherndes Geschrei,
Ein wilder Lärm entstand, und jeder fiel ihm bei.
Ein witziger erfahrner Schimmel nur,
Ein zweiter Nestor, sprach: Wahr ist es, die Natur
Gab uns die prächtige Gestalt,
Die Keiner hat, als wir; auch gab sie uns Gewalt
In unsern Huf. Jedoch aus mildrer Hand
Bekam der Mensch weit mehr Verstand.
Wer baute den Stall, worin wir sicher sind
Vor Bär und Wolf, vor Regen, Frost und Wind?
Wer macht, daß wir auch dann der Hungersnot entgehen,
Wann wir das Grün der Auen sterben sehen?
Wann Eis vom Himmel fällt, und alles wüst und tot
Auf allen Fluren ist? Wer wendet alle Not
Alsdann von unsern Krippen ab?
Der Mensch, der gute Mensch, den uns der Himmel gab.
Er streuet Hafer aus und erntet siebenfach;
Er trocknet süßes Gras und bringt es unter Dach.
Zwar helfen wir dabei, doch tun wir keinen Schritt
Und keinen Zug umsonst. Er macht uns täglich satt
Mit Speis' und Trank; und wann er Sonntag hat,
So haben wir ihn mit.
Wir dienen ihm, er uns; wir leben miteinander,
Sind miteinander frei. Der Rappe Bucephal,
Ein Grieche, welcher einst den Menschen Alexander
Auf seinem Rücken trug, war König in dem Stall,
Wie jener auf dem Thron; und, kam er in ein Feld,
Wo Ruhm zu ernten war, so war auch er ein Held;
Und Beide, Pferd und Mensch, eroberten die Welt,
Und teilten den Ruhm des Sieges. Würden wir
Vom Bucephal sonst Nachricht haben?
Und läge nicht das edle Tier
Schon längst in tiefer Nacht begraben?

Menenius Agrippa mag so gut
Die Römer kaum besänftigt haben.
Da sie voll Übermut
Sich aus der Vaterstadt begaben.
Als dieser Nestor seiner Brüder Wut:
Denn er voran, und nach ihm alle
Die mutigen Rebellen. Paar bei Paar,
Nebst dem, der ihr Worthalter war,
Begaben alsobald sich wieder nach dem Stalle.
                                                    Nach Gay

Der Fuchs und der Hund


"Herr Vetter," sagt' ein Fuchs, der an der Kette
Nicht weit entfernt von einem Hunde lag.
"Was seh' ich, Sie hier angebunden? O ich wette,
Sie denken selber jetzt der Ursach' nach,
Und sind so gütig, sie auch mir zu sagen.
Ich nehm' an Ihrem Schicksal Teil.
Vor Kurzem konnten Sie noch trefflich jagen;
Ich suchte damals in der Flucht mein Heil —
Jetzt trifft ein gleiches Los uns Beide.
Aus Unmut würgten Sie vielleicht ein Schaf;
Wie ich denn keine Hühner leide,
Bei deren Mahlzeit man mich traf.
Indes, was hilft's; die Freiheit ist verscherzet;
Und unsrer wartet bald Freund Hein.
Zwar, jung schon zu verblüh'n, das schmerzet,
Dagegen wendet sich nichts ein;
Doch Klugheit legt in allen Fällen
Zum frohen Mut den besten Grund."

"Du bleibst doch wahrlich im Verstellen
Ein Meister!" sprach zum Fuchs der Hund.
"Nur wiss', ich bin kein Dieb, kein Räuber;
Doch, wo sich einer wittern läßt,
Da bin ich mutig sein Vertreiber,
Und hasch' ich ihn, dann halt' ich ihn auch fest.
Man hat mich freilich angebunden,
Vielleicht aus altem Brauch, vielleicht aus Eigensinn,
Vielleicht weil ich zu rasch und hitzig bin;
Doch nur bei Tag' auf wenig Stunden.
Mich liebet Alt und Jung im Hause;
Man bringt mir Speis' und Leckerei'n,
Und freut sich, wenn ich wacker schmause.
Dich drücket des Gewissens Pein;
Drum fürchtest du, zur Strafe reif zu sein.
Des Waldes Reichtum war dir nicht genug;
Schlau raubtest du verbot'ne fremde Nahrung.
Allein der Schlauste selbst ist doch nicht immer klug,
Dies lehrt dich nun die traurige Erfahrung.
Die Freiheit, die nicht in den Schranken blieb,
Sie stürzet dich als Hühnerdieb.
Ich bin noch frei, bin noch kein Sklave,
Ich hüte Haus und Hof, wie sonst die Schafe.
Mein eingeschränkter Freiheitstrieb
Ist nur ein Opfer, das ich ungezwungen bringe
Zum Wohl des Ganzen." — Schöner Kauf!
So opfert auch im Staat der Hoh' und der Geringe
Gern einen Teil von seiner Freiheit auf.
                                                           Seidel

Die Affen auf dem Schiffe


Ein Schiff mit Affen kam in einem Hafen an.
Der Schiffsherr konnte sich auf guten Abgang freuen;
Der König liebte sie, und also Jedermann.
Man geht an's Land: der Herr, die Zeitung auszustreuen,
Und das Matrosenvolk nach Wein;
Die Affen blieben ganz allein.

"Nun," spricht der Eine, "Mut, ihr Brüder!
Die edle Freiheit winkt uns wieder.
Ich habe fleißig zugeseh'n,
Und glaube gründlich zu versteh'n,
Wie man die Taue zieht, wie man das Ruder führet,
Wie der Magnet den Lauf regieret.
Auf, kappt die Anker! Spannt geschwind
Die Segel! Günstig ist der Wind."

Gesagt, getan. Man fliegt in Eile
Davon, durchrauscht die Flut, ist schon vom Hafen weit.
Mit törichter Geschäftigkeit
Hüpft unser Volk umher, durchklettert alle Seile,
Und sieht, was das Glück getan,
Als Folgen seines Fleißes an.

Doch plötzlich stürmt der Nord. Mit donnerndem Getümmel
Wogt rings umher der Ozean zum Himmel.
Bald steigt, bald sinkt der leichte Kiel,
Des Sturmes und der Wogen Spiel.
Das Affenvolk, in Angst und Schweiße,
Sieht nirgends Hilfe, nirgends Rat.
Man wiederholt mit blindem Fleiße,
Was jüngst das Menschenvolk im gleichen Falle tat;
Doch Alles aller Kunst zuwider.
Man zerrt die Segel auf und nieder;
Der heult und schaudert, wund und naß,
Der gaffet dumm auf den Kompaß,
Der donnert Flüche, der singt Lieder.
Gebet, Gewinsel und Geplärr
Tönt im Sturm aus vollen Hälsen;
Doch eine Welle rollt daher
Und schmettert sie an einen Felsen.
                                                    v. Nicolai