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zu Buch 20-1
 

Eignest du fremdes Gut dir an:
Wirst du gemieden von Jedermann;
Wirst du schwer dein Gewissen verletzen,
Bleibest du arm bei all' deinen Schätzen!
 
XIX.
Achte fremdes Eigentum

 
Möpschen und Spitzchen
Wiesel
Dieb und Hund
Hund und Rabe
Der Haushahn und der Gänserich
Miezekätzchen

Möpschen und Spitzchen
 
M.



Sp.










 
Hör', Spitzchen, ich will dich was fragen,
Du sollst mir ganz heimlich sagen,
Wo hast du den schönen Knochen versteckt,
Daß ihn kein böser Dieb entdeckt?
Nein, Möpschen, ich schweige lieber still;
Der Dieb ist's eben, der's wissen will.

Das Möpschen hat gesucht und gerochen,
Bis hinter dem Stall es fand den Knochen.
In seiner Schnauze hat es ihn schon,
Da bekam es gar einen schlimmen Lohn;
Herr Spitz, der faßt es so derb am Kragen,
Da lief es davon mit Schreien und Klagen.
                                                         Hey
 
Wiesel
 
K.
W.
K.












 
Ei, Wiesel, wo läufst du hin so geschwind?
Will schnell nach Hause zu meinem Kind.
Sag' was du in deinem Schnäuzchen hast;
Das gleicht ja einem Ei wohl fast.
Nun merk' ich's: dir ist dein Leben lieb;
Drum läufst du so, schlimmer Eierdieb!

Jetzt wär' es dem Wiesel schlimm ergangen,
Der Knabe hätt' es beinah' gefangen;
So gewaltig war er hinterdrein.
Da huscht es noch schnell durch's Loch hinein.
Er stand davor; ihm war es zu schmal;
So ließ er es laufen für dieses Mal.
                                                            Hey

 
Dieb und Hund
 
D.


H.











 
Still, Hündchen, still und sei gescheit,
Bell' nicht! ich tu' dir ja kein Leid,
Will dir eine schöne Bratwurst geben.
Mitnichten; darum bell' ich eben.
Ich seh's, du willst nur stehlen hier,
Darum tust du so schön mit mir.

Der Hund, der treue, bellte mit Macht,
Das hörte man weithin durch die Nacht;
Es erwachten die Leute im Hause drinnen.
Da schlich sich der böse Dieb von hinnen
Und fürchtete sich und kam nicht wieder;
Still legte der gute Hund sich nieder.
                                                      Hey

 
Hund und Rabe
 
H.

R.












 
Rabe, du Schelm, du Spitzbube dort,
Schleppst mir das schöne Stück Fleisch da fort!
Hündchen, nur nicht so böse sei!
Weißt du? ich bin bei der Polizei,
Muß nach den bösen Dieben spüren
Und das Gestohlene konfiszieren.

Der Rabe hatte gewiß gelogen,
Den Hund um seinen Braten betrogen;
Doch der hat ihn nicht darüber verklagt.
Ich denke, er hat es nicht gewagt;
Es sollte wohl nicht zu Tage kommen,
Woher er ihn selbst erst hatte genommen.
                                                       Hey
 
Der Haushahn und der Gänserich

Auf einem Hofe stritten sich
Ein Haushahn und ein Gänserich,
Wem, nach Natur- und Völkerrechte,
Die Herrschaft hier gebühren möchte.
Oft kam es auch bei ihrem Streit
Von Worten selbst zur Tätlichkeit.

Einst, da der Gänserich durch seines Körpers Drang
Und seines Schnabels Keil den Hahn zum Weichen zwang,
Flog der auf die Bastei von seinem Mist, und stimmte
Ein höhnisch Kikriki auf seinem Rückzug an.
Der kühne Gänserich, darob erbittert, klimmte
Zum Sturmlauf rasch den Berg hinan.
Doch hier verflicht er sich die breiten Gänsepfoten
In die von Stroh vielfach geschlungnen Knoten,
Und kollert in den Grund hinab.

Der Hahn, der ihm nicht Zeit, sich zu ermannen, gab,
Sprang nach und griff ihn an mit allen seinen Waffen.
Herr Anser suchte zwar, sich wieder aufzuraffen,
Doch Meister Gallus war ihm auf der Fers', und trieb
Ihn schreiend über'n Hof mit manchem Sporenhieb.
Die Flügel ausgespreizt, floh er in vollem Traben
Zum Wall und stürzte sich dort in den Wassergraben.
Hier zischt er nun den aufgebrachten Hahn,
Dem er entflohen ist, mit höhn'schem Gikgak an.

Ein alter Puterhahn, der auf dem Hof regierte,
Dem Kampfe zugeseh'n, und gern moralisierte,
Strotzt feierlich daher in seinem Truthahnsstaat,
Und kauderte für sie den wohlgemeinten Rat:
"Tät' Jeder nur von euch, was die Natur ihn lehrte,
So blieb er, wo er hingehörte:
Du, Hahn, auf deinem Mist, da ist dein Herd und Reich;
Du, Meister Gänserich, auf Graben, Pfütz' und Teich.
Wollt ihr auf fremd Gebiet euch wagen,
So müßt ihr euch mit dem, der es beherrscht, vertragen.
In seinem Eigentum ist Jeder Herr und Mann;
Des fremden maßt man sich zu seinem Schaden an."
                                                                Ch. F. Weiße


Miezekätzchen

Mietzekätzchen ging spazieren
Auf dem Dach am hellen Tag,
Macht sich an den Taubenschlag,
Eine Taube zu probieren.
Schlüpft wohl in das Loch hinein,
Aber kaum ist sie darein,
Ist der Appetit vergangen:
Eine Falle, siehst du, fällt,
Für den Marder aufgestellt,
Und das Kätzchen muß nun hangen;
Und im Sterben schreit sie: trau
Nicht auf Diebstahl je. Miau!
                                       L. Tieck