Fabelverzeichnis
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zu Buch 26
Eintracht das Kleine mehrt,
Zwietracht das Große verheert.
Deutsches Sprichwort
XXV.
Eintracht und Verträglichkeit
Der Greis und seine Söhne
Der Löwe, die Versammlung der Tiere und der Fuchs
Die zwei Büffel
Die Nelke und die LilieDer Löwe und die beiden Stiere
Hund und Biene
Bello
Schwein, Hund und Kuh
Der Greis und seine Söhne
Zwei Fabeln
1.
Die Stiere und der Löwe
Ein redlicher Greis hatte mehrere Söhne! aber leider war immer Zank und Streit unter
ihnen. Er ermahnte sie oft, aber stets vergebens, zum Frieden; und, um ihnen recht
anschaulich zu machen, wie schädlich Uneinigkeit sei, erzählte er ihnen folgende Fabel:
Vier Stiere verbanden sich, stets mit einander zu weiden und jede Gefahr, die sich ihnen
nahen würde, mit vereinten Kräften zu bestehen. Alle übrigen einzelnen Tiere, selbst der
Löwe mit eingeschlossen, wagten es eine geraume Zeit nicht, sie anzutasten. Aber eben
diesen Löwen quälte einst der Hunger allzu heftig; da versuchte er, sie heimlich
mißtrauisch und uneinig unter sich selbst zu machen. Es gelang ihm; sie trennten sich
von einander; und bald ersah er dann seinen Vorteil; bald, ehe noch acht Tage hingingen,
war einer nach dem andern von ihm einzeln angegriffen und zerrissen worden.
So wird es auch euch gehen! Verbindet eure Kräfte in brüderlicher Freundschaft, und ihr
werdet geachtet und sicher sein. Entzweit euch unter einander, und ihr seid die Beute
des ersten besten Feindes.
2.
Das Rutenbündel
Die Söhne versprachen Besserung, aber sie hielten ihr Versprechen nicht. Der Greis kam endlich
auf's Sterbelager, und diese Bekümmernis erschwerte ihm auch seine letzten Augenblicke noch
mehr. Als er jetzt seine Kinder um sich her stehen sah, da versuchte er noch ein Mittel.
Er ließ ein Bündel dünner Stäbe herbeibringen, und befahl den Jünglingen, zu versuchen,
ob sie mit aller ihrer Stärke dies Bündel zerbrechen könnten. Sie versuchten es alle, aber
vergebens. — "Löset nun die Stäbe," sprach er, "und zerbrecht sie einzeln!" — Auch dem
Schwächsten von ihnen war dies ein Spielwerk.
"Ihr habt meine Fabel vergessen," fuhr der Greis fort, "laßt dieses Sinnbild wirksamer
sein. Nehmt als mein letztes Vermächtnis die Lehre an: daß Eintracht Sicherheit und
Stärke gibt; Trennung aber Schwäche und Untergang verursacht.
Da umarmten sich gerührt die Brüder, und schwuren dem sterbenden Vater eines Wunsches.
nach Aesop
Der Löwe, die Versammlung der Tiere und der Fuchs
Der Löwe
Ihr Stützen meines Reichs, Genossen meiner Macht,
Ihr Elephanten, Parder, Tiger,
Ihr weisen Räte, tapfre Krieger!
Ihr alle, die ihr drauf bedacht,
Mein Ansehn, so wie euern Ruhm, zu mehren!
Jetzt sollt ihr meinen Rat zum Wohl des Staates hören!
Oft hab' ich königlich die Sachen überlegt,
Die unsre Sicherheit betreffen:
Wie lange soll der Mensch, das schwache Tier, uns äffen,
Der nur durch List die Macht zu Boden schlägt?
Denn seine List allein ist unser Schrecken.
Drum müssen wir durch Macht uns decken.
Wir müssen fest vereint
Zusammen uns zur Hilfe leben.
Das wird uns über ihn erheben.
Sprecht, was ihr hiezu meint!
Die Versammlung der Tiere
Ja, Herr! das schützet uns allein!
Wenn wir nur alle einig wären,
Wir würden leicht das Volk der Menschen ganz verheeren.
Der Fuchs
O freilich, wenn wir einig wären!
Doch wann wird dieses möglich sein?
Willamov
Die zwei Büffel
In Afrikas heißen Ländern litten zwei Büffel großen Durst; denn die Flüsse waren vertrocknet
und die Quellen versiegt, wie es hier in vielen Gegenden oft zu geschehen pflegt.
Vom großen Durst gequält, entdeckten sie endlich einen dünnen kleinen Wasserstrahl,
der am Fuße eines Felsens hervorrieselte. So viel Wasser gab er noch her, daß beide sich
hätten satt trinken können, wären sie einträchtig und brüderlich gewesen.
Aber ihre Ehrsucht, ihr Hochmut gaben ihnen schlechte Ratschläge. Jeder wollte zuerst
trinken, und es konnte nicht fehlen, daß sie nicht bald an einander gerieten.
Von ihrem Brüllen, von dem Krachen ihrer Hörner und Stirnen ertönte die zitternde Gegend umher.
Nachdem sie sich eine geraume Zeit gestoßen hatten, ganz abgemattet waren, und fast
nicht mehr atmen konnten, schleppten sie sich mühselig und langsam zur Quelle hin, und
hätten nun gern zusammen getrunken; aber die Quelle war nun versiegt, und die Büffel
verschmachteten vor Durst.
Wie oft vergeht das Leben in elenden Streitigkeiten, ohne daß einer einen Genuß davon
gehabt hat!
Die Nelke und die Lilie
Die Nelk' und weiße Lilie blühten
Auf einem Blumenbeet.— Die Nelke sprach:
"Du solltest zu den deinen dich gesellen!
Wir haben nichts gemein. Was will dein blasser Kelch
Zu meinem Farbenglanz? Dein Duft betäubet;
Gewürzig steigt mein Wohlgeruch empor,
Und doch erhebst du dich stolzierend neben mir!" —
Die Lilie sprach darauf: "Des Gartens Herr
Hat hier uns Beid' auf einem Beet vereinet.
Mein weißer Kelch soll deinen Glanz erheben,
Dein dunkler Kelch mein einfach weißes Licht.
Ich soll von fern das Aug' erfreu'n; drum wurde
Mir zu dem hohen Wuchs der starke Duft verlieh'n.
Gewürzig lockt dein Wohlgeruch zum nahen
Beschau'n den Blick. Dann labet und ergötzt
Auch ihn dein Kleid und seiner Farben Schmelz
So steh'n wir streitend doch im Wechselbunde.
O, laß gemeinsam uns in Frieden blüh'n!"
— — —
Der Löwe und die beiden Stiere
Eines Tages griff ein Löwe zwei Stiere an; aber diese vereinigten sich, und verhinderten
ihn, indem sie ihn mit ihren Hörnern stießen, zwischen ihnen durchzudringen; darauf ging
er mit einem derselben zur Seite und täuschte ihn mit dem Versprechen, er wolle sie nicht
mehr angreifen, wenn auch Einer von beiden sich von seinem Gefährten trennen würde.
Auf dieses Versprechen entfernte sich einer der Stiere, und der Löwe zerriß beide in Stücken.
Diese Fabel lehrt, daß die Feinde vergeblich die Einwohner zweier Städte angreifen,
welche einig sind; daß sie aber Beide umkommen, wenn Zwietracht sie trennt.
Lôkman
Hund und Biene
"Liebe Bien', ich beiße dich!"
""Lieber Hund, ich steche dich!""
Die Biene sticht den Hund
Schnell in den Mund;
Der Hund schnappt zu, —
O Bienchen, tot bist du!
Der Hund hat viele Schmerzen erlitten.
Hätten sie nicht gezankt und gestritten,
Wäre Bienchen bei seinen Lieben,
Hündchen ohne Schmerzen geblieben.
Hoffmann
Bello
Es gibt kein Hündchen, wie Bello so niedlich.
Er hat ein Pelzchen, wie Seide so weich,
An Farb' ist's dem Schnee, dem glänzendsten, gleich,
Aus lauter Löckchen besteht sein Haar,
Sein Köpfchen ist fein, sein Auge klar,
Er ist der schönste Hund fürwahr,
Es fehlt ihm nur Eines, er ist nicht friedlich!
Ein Kätzchen kommt ganz ängstlich gegangen;
"O bester Bello, erlaube mir,
Zu nehmen von diesem Knöchelchen hier;
Das Kind hat sie hingelegt für mich,
Doch sei das Schönste, du Hündchen, für dich,
Laß nur ein kleines Stückchen mir über,
Ich dank' es dir von Herzen, du Lieber!" — —
Wie wäre mit Bello was anzufangen?
Er rennt das Kätzchen im Sprunge fast nieder,
Er tobet und wütet, er beißt es wohl gar!
Das Kätzchen war froh, als es draußen war.
Nun kommt das Täubchen, sucht Speise sich,
Da zanket Bello so fürchterlich,
Daß bang das Täubchen von dannen eilt
Und nie mehr auf dem Hofe verweilt. —
Kommt die Henn' aus ihrem Häuschen hernieder
Mit den Kindern, den zarten, lieben Kleinen.
Begleitet selber vom stattlichen Hahn,
Um goldene Gerst' oder Brot zu empfahn;
Fliegt ein Stieglitz, ein Fink aus dem Garten herzu, —
Der Bello lässet Niemanden Ruh;
Er lebet mit Allen in Hader und Streit
Und wird gefürchtet weit und breit,
Gefürchtet — ja! doch geliebet von Keinen.
Sie sprachen: der Bello würd' uns Allen,
Im Garten und Hofe, viel besser gefallen,
Wär' er auch weniger schön und niedlich,
Wär' er nur freundlich, — wär' er nur friedlich!
Hoffmann
Schwein, Hund und Kuh |
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K. d. A. |
Pfui, was ist das für ein Geschrei? Schämt euch, Schwein und Hund, ihr zwei! Kuh, du naseweise, sprich: Wenn wir uns zanken, was kümmert's dich? Geh' du nur deiner Wege fort; Sonst sprechen wir gleich mit dir ein Wort. Die Kuh, die sagte nichts weiter drauf, Ging ruhig ihres Weges Lauf; Sie hatte am Zanken keine Freude. Nun lärmten noch eine Zeit die beide, Bis endlich der Knecht mit Peitschenhieben Auf einmal sie ans einander getrieben. Hey |