Die zwei Freunde und der Bär
Zwei Freunde reisten zusammen und hatten sich fest
verbunden: einander in allen Fällen
getreulich Beistand zu leisten. Unversehens stieß ihnen
unterwegs ein Bär auf; ihm zu
entlaufen war unmöglich; doch beide Reisende, wenn sie ihre
Kräfte vereint hätten,
wären vielleicht seiner Meister geworden.
Aber kaum erblickte ihn der Eine, so kletterte er, so
schnell er konnte, auf einen nahen
hohen Baum. Der zweite hingegen, der sich im Stich gelassen
sah, warf sich mit dem
Gesicht platt auf den Erdboden hin, und hielt den Odem an
sich, weil er oft gehört hatte,
daß der Bär keine schon tote Körper verzehre.
Auf ihn kam jetzt auch wirklich das fürchterliche Tier
geradewegs zu, beroch und
beleckte ihn lange Zeit, hielt ihm die Nase an Mund und
Ohren, und ließ ihn doch endlich
unverletzt liegen, weil es kein Leben in ihm verspürte.
Kaum war der Bär wieder in Wald hinein und die Gefahr
vorüber, als jener von seinem
Baum herunter stieg und mit höhnischem Lächeln seinen
Gefährten fragte: "Was das
Tier ihm Gutes in's Ohr gewispert habe?"
"Wahrlich, eine sehr gute Lehre," antwortete dieser, "die
ich wohl früher wünschte
gewußt zu haben; denn er riet mir: Laß dich nie mit Leuten
ein, die ihre Freunde zur Zeit
der Not verlassen."
Aesop
Der Knabe und das Hündchen
Der Knab' und das Hündchen lieben sich;
Die zwei betrüben sich
Auch nicht ein einziges Mal;
Gehen spazieren
Im Wald und im Tal,
Jetzt langsam, dann galoppieren
Sie Beide mit heiterm Sinn
Über die blumigen Wiesen hin.
Der Knabe wird müd', immer müder;
Wie schwer sind ihm die Augenlider!
Er ruft sein Hündchen, setzt sich nieder,
Legt um des Hündchens Hals den Arm,
Das Köpfchen auf seinen Rücken, —
Da sitzen sie nun wie zwei Brüder.
Der Knabe schläft. Das Hündchen wacht,
Blickt mit klugen Augen umher und hat Acht,
Ob nicht irgend etwas sich regt;
Es merkt's, wenn ein Blättlein sich bewegt.
Und wie das Kind nun so lieblich ruht,
Spricht das Hündchen: ich bin dir gut;
Du gibst mir Brot und klaren Trank,
Mein ganzes Herz ist voller Dank;
Aber du liebst mich auch herzlich und sehr,
Drum lieb' ich dich auch, wohl noch viel mehr
Und will lieber das Leben
Mit Freuden geben,
Als daß dir Jemand was Leides tut.
Der Knabe hat lang und süß geruht.
Er erwacht, mit fröhlichem Sinn
Springt er neben dem Hündchen dahin.
Sie blieben gute Freunde lebenslang,
Er voll Liebe, das Hündchen voll Dank!
Hoffmann
Drossel und Ammer
Es saß ein Ammer, wie im Traum,
Auf einem düstern Tannenbaum;
Er war nicht froh, man sah's ihm an,
Recht traurig war der kleine Mann.
Bist noch so jung und hast schon Leid?
Ist's Schwermut oder Furchtsamkeit?
Du sollst es alsogleich erfahren.
Die Drossel, klug und alt an Jahren,
Setzt nah sich zu dem Ammer hin
Und spricht mit liebevollem Sinn:
Was fehlet, guter Ammer, dir?
Ermanne dich und sag' es mir!
Sind deine Eltern weggezogen?
Ist dir das Bräutchen fortgeflogen?
Ach, leidest du wohl Körperschmerzen?
O sag', was hast du auf dem Herzen?
Der Ammer spricht: ich will dir's klagen,
Was mich betraf in diesen Tagen.
Dort in den Zweigen, still und traut,
Hatt' ich mein Nestchen mir gebaut,
Es war so warm, es war so weich,
Ich war so froh, ich war so reich,
Ich hoffte still in meinem Sinn:
Bald liegen nun auch Eier drin;
Bald blicken dann auch aus dem Haus
Viel muntre Äugelchen heraus,
Heut fuhr' ich schon die Braut hinein, —
O das wird eine Wonne sein!
Da ist ein böser Feind gekommen
Und hat das Nest hinweggenommen
Und hat, — ach! daß ich das geschaut! —
Getötet meine liebe Braut!
Der Ammer schwieg, konnt' nichts mehr sprechen,
Vor Weh das Herz ihm wollte brechen.
Der Drossel auch, der guten, bebt
Im Aug' des Mitleids helle Zähre:
Doch hat sie Vieles schon erlebt,
Kennt Manches, was noch übler wäre,
Drum faßt sie schneller sich und spricht:
Sei nur getrost, verzage nicht:
Mein Nest ist groß und auch wohl weich,
Da wohnst du nun mit mir zugleich;
Was mein ist, Ammer, ist auch dein,
Ich will dein Freund und Bruder sein.
Komm, laß uns jetzt zusammen fliegen,
In klarer Luft die Brust uns wiegen;
Verzweifle nicht, hab' guten Mut,
Zuletzt ergeht dir's doch noch gut!
Sie schwebten zusammen den Wolken zu,
Erfreuten im Nest dann sich süßer Ruh;
Flogen am Tag' in den Wald und zum Bach,
Hingen Abends stillen Gedanken nach;
Die Drossel tröstete sanft und gut,
Der Ammer bekam wieder frohen Mut;
So konnt' es denn Beiden nur wohl ergehn;
O Freude, solche Freunde zu sehn!
Hoffmann
Der Schwan und das
Kaninchen
Ein Schwan und ein Kaninchen waren
Erst Nachbarn — ihre Heimat lag
An einem Bach — und dann, seit zweien Jahren,
Getreue Freunde. Jeder Tag
Beschlich das traute Paar vereinigt an dem Rande
Der stillen Flut, die ihrem Leben glich.
Hier hielten sie ihr Mahl, vertrauten sich
Ihr Leid und ihre Lust, und knüpften ihre Bande
Beim Abschied stets noch fester zu.
So hatten sie in ungestörter Ruh
Den zweiten Lenz verlebt, als sich aus seiner Höhle
Der Erdhas einst erhob, um sich im Sonnenschein
Mit dem Vertrauten seiner Seele
Des schönen Daseins zu erfreun.
Er suchte rechts und links auf dem gewohnten Pfade
Und fand ihn nicht; er lief an dem Gestade
Voll Angst bald auf, bald ab, sah in den Fluß hinein,
Durchspähte das Geröhr, in dem der Zephyr spielte,
Rief ihm voll banger Angst und fand ihn nicht.
Gespornet von dem Schmerz, der seine Brust durchwühlte,
Verfolgt er seinen Weg und heftet sein Gesicht
Umsonst auf Anger, Busch und Saaten.
Nach einem langen Zug erreicht er des Magnaten,
Der Herr des Gaues war, befahntes Sommerschloß;
Ein großes Gitterhaus mit einem Marmorbecken,
In dessen weiten Schoß ein Brunnquell sich ergoß,
Erhob im Garten sich, umwölbt mit grünen Hecken.
Die Freundschaft macht ihm Herz; der Waller nahte sich
Und sah im Drahtkastell mit raschem Lärmen
Ein buntes Heer von Vögeln schwärmen
Und auch den Schwan, der an den Wänden schlich
Und still um seinen Freund und um die Freiheit klagte,
Die ihm die List des Burgherrn stahl,
Der mit dem Morgenrot am Rand des Baches jagte.
Welch' ein Entzücken, welche Qual
Für das Kaninchen! doch es harrte
Nicht müßig vor dem Turm: mit seinen Pfoten scharrte
Es in den Grund sich ein und drang,
Noch eh' der Abend kam, durch einen hohlen Gang,
Gleich dem Minierer, der die Wälle
Des sichern Feindes untergräbt,
In die geflochtne Zitadelle.
Der Vögel feige Schar erbebt
Beim Anblick dieses Gast's, der froh zum Schwane springet,
Mit neuer Hoffnung ihn belebt
Und durch den finstern Pfad ihn aus dem Kerker bringet.
Wer malt die Szene nach, wenn durch Gefahr getrennt
Sich wieder ein paar Wesen herzen,
In deren Brust der Freundschaft Flamme brennt.
Sie fliehn der Heimat zu, vergessen ihre Schmerzen
Und glauben nun von Sorgen frei zu sein.
Doch sie betrogen sich. Kaum sah der edle Ritter
Sein Vogelhaus durchwühlt, so schlug das Ungewitter
Der Rache wie ein Blitz bei dem Kaninchen ein.
He! meine Büchsen, meine Fretten!*
So rief der Hannibal in voller Wut,
Bot seinen Heerbann auf und schwur: die Höllenbrut
Muß ausgerottet sein; nicht eines soll sich retten!
Nun hebt der Feldzug an; man kreuzt durch Busch und Feld;
Hund, Weidknecht und der Schwarm der wühlenden Spionen
Trieb die Kaninchen auf; sie wurden ohne Schonen
Den bleichen Schatten beigesellt,
Die des Kocytus Rand bewohnen,
Mehr Trojer würgte kaum Achill, der tolle Held,
Mit allen seinen Myrmidonen.
Die Nacht bricht ein, schon deckt ihr Flor die halbe Welt,
Das Blutbad ward, doch nur bis an den andern Morgen,
Vom wilden Burgherrn eingestellt.
*Eine Art Wiesel, die beim Kaninchenfang gebraucht werden.
Indessen schmiegt, im dichten Schilf verborgen,
An seines Freundes Brust sich das Kaninchen an.
Entflieh, sprach es, entflieh dem drohenden Verderben,
Mein Bruder, laß allein mich sterben.
Ich, fliehen? nein, versetzt der Schwan,
Doch ja, mit dir, wir brauchen keine Brücken,
Um uns der Wut der Mörder zu entziehn.
Die Freundschaft macht erfindsam, stark und kühn.
Er nimmt den Freund auf seinen weichen Rücken
Und dehnt die Flügel aus: so kann die teure Last,
Denkt er, mich nicht zu Grunde drücken.
Sein Herz ist ihm Kompaß und Mast,
Und so erreichet er in wenig Augenblicken
Ein sicheres Gebüsch am andern Strand.
Der kleine Künstler grub für alle beide
Ein Zellchen in den lockern Sand.
Verborgen lebten sie, den Sorgen und dem Neide
Gleich unbekannt, ihr Leben hin,
Das ihnen in den hehren Schatten
Der Dunkelheit nur desto teurer schien,
Weil sie der Freundschaft es zu danken hatten.
Pfeffel
Der
Wandersmann und die Sonnenuhr
Bei einer Sonnenuhr blieb einst ein Wandrer stehn.
Die Morgensonne schien, die Uhr wies auf halb achte.
Der Mann sprach: Es ist früh, ich will bis Mittag gehn.
Indem er sich darauf bedachte,
So kam ein dickes Wolkenheer;
Die Sonne ward verhüllt, der Wandersmann sah wieder
Nach seiner Sonnenuhr, und rieb die Augenlider:
Die Uhr wies keine Stunde mehr.
O, sprach er, falsches Ding, das an das Glück sich bindet!
Hinweg mit einem solchen Freund,
Der mich so lange kennt, als mir die Sonne scheint,
Und, wenn sie nicht scheint, mir verschwindet! —
Alte Bekanntschaft
In einem Blumenkranze hatt' ein Kraut
Den Rosenbusch umschlungen. "Wie denn," sprach ich,
"Kommst du hierher?" — "O laß mich," sprach das Kraut,
"Ich bin der Rose Miterzogne
Vom Garten her, und alte Freundschaft pflegt
Nach Treue man zu schätzen, nicht nach Wert."
Saadi
Der geplünderte
Apfelbaum
Ein Apfelbaum hing voll der schönsten Früchte,
Des Herren lieblichstes Gerichte.
Auf seinen Reichtum tat der Baum sich viel zu gut;
Denn meistens zeugt der Reichtum Übermut.
"Ha!" sprach er, "mir wird's nie an Freunden fehlen,
Und welcher Baum verdient sie mehr als ich?
Laßt uns der Reihe nach sie hererzählen!
Fast jeden Tag besucht der Herr des Hauses mich;
Die Dame kann mich nicht zwei Tage missen.
Wie oft hat meine Frucht die Tafel schmücken müssen!
Mich liebt auch Junker Fritz, der älteste Sohn,
Und meine Frucht ist seines Fleißes Lohn.
Auch Junker Hänschen steh' ich zu Gebote,
Stets dient ihm meine Frucht zum Abendbrote.
Die Tochter Minchen kommt zweimal des Tags zu mir,
Rot, ihren Wangen gleich, geb' ich zwei Äpfel ihr.
Die Kammerfrau, die Küchenmagd, die Trine,
Kaum seh'n sie mich, so lächelt ihre Miene,
Der Kammerdiener, Kutscher und Lakai
Gesteh'n, daß ich der Bäume schönster sei."
Großmütig läßt er sich von seinen Freunden plündern,
Merkt nicht, daß Tag für Tag sich seine Früchte mindern;
Entlaubt steht er im Herbst und nackend da.
Verwundert war der Baum, der nun verwaist sich sah.
"Wie plötzlich," rief er, "ist mein kurzes Glück verblühet!
Woher kommt's, daß mich nun der Herr und sein Gesinde
fliehet?
Ha! nun erwach' ich erst aus meinem langen Traum. —
Man liebte nur die Frucht — gleichgültig war der Baum."
O Reicher, zähle nie auf einen Herzensfreund,
Der bei der Tafel oft als Hausfreund dir erscheint!
Nur der ist Freund, kehrt dir das Glück den Rücken,
Der feuriger dich wird an seinen Busen drücken.
Nach Desbillons
Belisar und sein Hund
Zum Hunde, der sein Führer war,
Sprach einst der blinde Belisar:
Was hast du, das dich ärgern mag?
Du murrst ja heut den ganzen Tag.
Und das mit Recht, versetzt das Tier;
Ich sah — noch steigt die Galle mir —
Zehn deiner Freunde fürbaß geh'n,
Als hätten sie dich nie geseh'n.
Ei nun! das ist der Lauf der Welt;
Mir muß, rief der gerührte Held,
Ein Freund, wie du, der mir allein
Getreu blieb, desto teurer sein.
Pfeffel
Die Henne und das
Wiesel
Kein Tier, so viel ich ihrer kenne,
Denkt sich wohl klüger als die Henne;
Denn kaum legt sie ein Ei,
So macht sie auf dem Hof ein schallendes Geschrei.
Doch, wer so klug sich dünkt, wird meist zuerst betrogen.
Nun hört! Solch' eine kluge Henne
Sah einst auf einer Scheuertenne
Ein Wieselchen spazieren geh'n.
"Ein allerliebstes Tier!" rief sie; "wie schön
Und artig! bis zum Küssen!
Wie schlank der Wuchs! Sein braunes Fell
Wie glatt! sein Hals, so weiß wie Schnee, und auf den Fußen
Wie rüstig und wie schnell!
Vermutlich tat's, bei solcher Schnelligkeit,
Schon oftmals Reisen, und die soll es mir erzählen.
Durch Freundschaft und Vertraulichkeit
Versüßt man seine Lebenszeit.
Zum Danke will ich ihm von mir auch nichts verhehlen."
Der Antrag ward gemacht. Mit viel Gefälligkeit
Rief ihr das Wiesel zu: "Vom Grunde meiner Seelen!"
Und jedes Wiesel hätt' ich wirklich ausgelacht,
Wenn es das Bündnis nicht gemacht;
Auch ward es feierlich beschworen.
Mit seinen süßen Schmeichelei'n
Schlich es sich durch des Hühnchens Ohren
Auch bald in's zarte Herz mit gleicher List so ein,
Daß es gleich Alles wissen mußte.
Ihr größt' Geheimnis war: ein großer Eierschatz,
Von dem kein Mensch auf Erden wußte;
Doch ihrem Wiesel zeigte sie den unbekannten Platz.
Sie ging dahin den nächsten Morgen,
(Denn dies war stets die erste ihrer Sorgen,
Ihn zu besuchen); doch wie sehr
Erschrak sie! — Zwar die Eier alle, aber leer! —
Mit lautem Schluchzen, heißen Zähren
Lief sie nach ihrem kleinen Freund umher,
Und fand ihn willig, sie zu hören.
"Ach," rief sie, "Freund! wie weh' ist mir gescheh'n!
Mein Schatz ist fort! und nicht geraubt von Menschenhänden,
Die Alles sonst uns räuberisch entwenden;
Ein böses Tier, bei meiner Ehre!
Trank sie mir aus; ha! daß es Gift gewesen wäre!
Nicht wahr, dein Herz nimmt Teil an meinem Schmerz?"
Der Heuchler nahm auch Teil, ließ reichlich Tränen fließen,
Und schwur: solch' einen Bösewicht,
Wie diesen, trüg' die Erde nicht.
"Schon gut!" sprach Puttchen, "meine Sachen
Will ich in Zukunft klüger machen.
Von nun an leg' ich jedes Ei
An einen eignen Ort, und — ja, bei meiner Treu!
Niemand soll was davon erfahren,
Als du, mein trauter Freund, nur du!
Denn du wirst das Geheimnis wohl bewahren."
Sie tat's, und gackert stets dem lieben Freund es zu;
Und ach! der liebe Freund war schnell befließen,
Sobald ein Ei gelegt, es hurtig zu genießen.
Kein Wunder, daß zuletzt das Huhn in einem Loch,
Zum Teil aus Neugier, teils aus Argwohn sich verkroch
Und lauerte. — Kaum war ein Augenblick verstrichen,
So kam der treue Freund geschlichen
Und stieß an dem ihm angewies'nen Ort ein Ei,
Das sie erst frisch gelegt, mit spitz'ger Schnauz' entzwei,
Um seinen trocknen Hals zu letzen.
Die Henne stürzte mit Entsetzen
Auf den treulosen Freund. — "Ha," rief sie, "Bösewicht!
Solch' eine falsche, schwarze Seele,
Als du bist, trägt die Erde nicht!
Du, den ich zum Vertrauten wähle,
Brichst deinen Eid, brichst Freundes-Pflicht,
Und raubst...." Hier konnte sie vor Unmut nicht mehr
sprechen,
Und wollte sich an seinen Augen rächen;
Doch ein benachbart Loch und seine Schnelligkeit
Verschafften ihm bald Sicherheit.
"Was helfen," rief es hier, "die grimmigen Gebärden?
Geduld, mein Puttchen! o Geduld!
Sehr weise ist's, durch Schaden klüger werden.
Sprich, war mein Freundschaftsstück nicht deine eigne
Schuld?
Wer Kohlen fassen will, versuch' erst, ob sie brennen;
Wenn man sich Freunde wählt, lernt man vorher sie kennen.
Schlichst du mir eher nach, gewiß, du trugest mir
Nicht deine Freundschaft an. Für jetzt, was kostet's dir?
Ein halb Schock Eier! — Ei, wie würde dir's bekommen,
Wenn Marder oder Fuchs zu Freunden du genommen?"
— — —
Der Freund in der Not
In einer Nacht verlor Aret
Sein Gut durch einen Brand,
Und Vetter, Freund und Tischpoet,
Ja selbst sein Hund verschwand.
Nur noch ein Kater blieb ihm treu;
Der teilte seinen Schmerz,
Und rührte durch sein Angstgeschrei
Des armen Mannes Herz.
"Wie!" sprach Aret. "bist du allein
Mein Freund noch in der Not?
Nichts blieb mir übrig. Aber nein!
Mir blieb ein Bissen Brot.
Komm, Bester, teile den mit mir,
Er ist von Tränen feucht!"
"Den roch ich eben," ruft das Tier,
Verschlingt ihn, und — entfleucht.
Pfeffel
Die zwei Freunde
und der Bär
Zwei Freunde reisten zusammen und hatten sich fest
verbunden: einander in allen Fällen
getreulich Beistand zu leisten. Unversehens stieß ihnen
unterwegs ein Bär auf; ihm zu
entlaufen war unmöglich; doch beide Reisende, wenn sie ihre
Kräfte vereint hätten,
wären vielleicht seiner Meister geworden.
Aber kaum erblickte ihn der Eine, so kletterte er, so
schnell er konnte, auf einen nahen
hohen Baum. Der zweite hingegen, der sich im Stich gelassen
sah, warf sich mit dem
Gesicht platt auf den Erdboden hin, und hielt den Odem an
sich, weil er oft gehört hatte,
daß der Bär keine schon tote Körper verzehre.
Auf ihn kam jetzt auch wirklich das fürchterliche Tier
geradewegs zu, beroch und
beleckte ihn lange Zeit, hielt ihm die Nase an Mund und
Ohren, und ließ ihn doch endlich
unverletzt liegen, weil es kein Leben in ihm verspürte.
Kaum war der Bär wieder in Wald hinein und die Gefahr
vorüber, als jener von seinem
Baum herunter stieg und mit höhnischem Lächeln seinen
Gefährten fragte: "Was das
Tier ihm Gutes in's Ohr gewispert habe?"
"Wahrlich, eine sehr gute Lehre," antwortete dieser, "die
ich wohl früher wünschte
gewußt zu haben; denn er riet mir: Laß dich nie mit Leuten
ein, die ihre Freunde zur Zeit
der Not verlassen."
Aesop
Die Nachtigall und
der Pfau
Die Nachtigall, gesellig von Natur,
Fand bei den Singevögeln keinen Freund.
Nur Neider fand sie. Will mich mein Geschlecht
Nicht lieben, dachte sie, so such' ich mir
Bei Fremden einen Freund, und flog zum Pfau
Und sagte, nach der Wahrheit: Schöner Pfau!
Dich hab' ich stets bewundert. — Und ich dich,
Du anmutsvolle Sängerin! — So laß
Uns Freundschaft halten; trennen darf uns nichts;
Wir sind gleich angenehm, dem Auge du,
Und ich dem Ohr. — Sie schlossen einen Bund
Und blieben ihm bis an ihr Ende treu.
Verschiedenheit der Künste schadet nie
Der Freundschaft; ihre Gleichheit schadet oft.
Lessing
Der Jäger, der
Hund und der Fuchs
Es lebte einmal ein Jäger, begabt mit einem außerordentlich
scharfen Gesicht, der
durchwanderte die einsamen Gegenden und besuchte gar häufig
die Landstraßen.
Er hatte einen löwenartigen Hund, der, sobald er Witterung
bekommen hatte, den Hirsch
im schnellsten Laufe einholte. Vor seinem starken Halse
bebte das Rhinozeros und vor
seinem mordenden Zahne der wilde Esel. Er war dem Jäger auf
seinen Wegen Begleiter
und Freund, und half ihm jagen Tage und Nächte hindurch. Die
gute Behandlung, die er
von seinem Herrn genoß, erweckte seine Liebe zu demselben,
und er war ihm Wächter
bei Nacht und Ernährer am Tage.
Dieser löwenartige Hund verirrte sich einst von seinem
Herrn. Jener geriet darüber in
große Betrübnis und sagte: "Dort auf jenem verhängnisvollen
Wege sehe ich die
Fußtapfen meines Hundes; aber er selbst ist nicht mehr bei
mir. vielleicht sehe ich ihn nie
wieder." Obgleich ihn bei diesem Unglück der Schmerz so ganz
ergriffen hatte, so suchte
er sich dennoch zu fassen und das ihm widerfahrene Geschick
mit Geduld zu ertragen.
Siehe! da kam ein Fuchs mit verstellter Miene von weitem
herangeschlichen und sagte:
"Leide mit Geduld, du Ungeduldiger! Ich kann mich fest auf
den Wind verlassen; jener
sehr Schnelle wird nicht wieder zurückkehren. Als er gestern
von dir wegging, um Beute
zu machen, sah ich ihn viel hin und her laufen, aber er fing
nichts. Allein die Beute,
welche dir der Hund vor Kurzem gebracht hat, kann dir ja auf
Monate genug sein,
du starker und stolzer Mann. Stehe auf, suche bei dem Braten
deinen Schmerz zu stillen,
nimm die besten Bissen, und das Fell teile den Armen mit.
Vorher labtest du dich an
unserm Fette, in der Folge wirst du keinen fetten Fuchs mehr
essen. Kümmere dich nun
nicht mehr um unsere fetten Glieder. Dein Hund ist weit von
dir entfernt, was nützt dir
nun deine Treue und Anhänglichkeit?" Der Jäger sagte zu ihm:
"Dies ist das Unglück
eines einzigen Tages, schon in der Nacht kann es sich
wenden. Ich tröste mich damit,
daß in der Welt weder die Freude noch der Schmerz
immerdauernd ist. Bald herrscht
dieser, bald jene, und nichts erfreut sich einer
vollkommenen Glückseligkeit. Ich trage
meinen Schmerz mit Geduld, weil er sicher die Mutter der
Freude ist. Obwohl sich mein
Hund von mir entfernt hat, so wird er doch wieder zu mir
zurückkehren, du Betrüger,
belastet mit einer solchen Beute, wie du bist."
Indem er dies sagte, erhob sich eine Staubwolke, und aus
derselben sah man deutlich
den Hund hervorschreiten. Er kam und trug unter andern
kleineren wilden Tieren auch
ein Stück Fleisch von einem Fuchse zwischen seinen Zähnen.
"Erst spät, sagte er,
"wurden die Unglücklichen meine Beute, aber der Fuchs möge
es wissen, daß ich,
gleich einem Löwen mit Beute belastet, zurückgekommen bin.
Die Rede des Fuchses
suchte deinen Glauben an meine Treue wankend zu machen, aber
deine gute Behandlung
kettet mich auf immer an dich."
Wer auf Gottes Willen sein Zutrauen setzt, wird sein Werk
glücklich zu Ende bringen
(und wer sich in seinem Glauben die Treue bewährter Freunde
nicht wankend machen
läßt, derjenige verdient auch nur treue Freunde zu haben).
Frei
nach dem Persischen des Nisami
Der Wolf, der Fuchs und
das wilde Schwein
Um eine Hürde schlich bei sternenloser Nacht
Ein abgezehrter Wolf, und fiel in einen Schacht.
Sein gräßliches Geheul durchhallte Feld und Haide;
Die Schafe hörten es, und hörten es mit Freude.
Kein Sprung, kein Klettern half, die Grube war zu tief;
Welch' Glück, daß jetzt sein Freund, der Fuchs, vorüber
lief.
Dem ruft er: "Hilf mir, Freund! denk', ich erhielt dein
Leben,
Als dich ein grausam Heer von Hunden schon umgeben!"
"Ach, könnt' ich's," sprach der Fuchs, "wie willig tät'
ich's doch;
Allein, nah' ich mich dir, so stürz' ich selbst in's Loch.
Gehab dich wohl!" Er flieht. Nun kommt ein tapfrer Hauer.
Den schon halbtoten Wolf befällt ein kalter Schauer.
Denn dieser war ihm gram. Jedoch das wilde Schwein
Schämt sich, des Gegners Feind in dessen Not zu sein,
Der lange Rüssel wühlt: die Grube wird voll Erde;
Der Wolf entflieht, erschreckt auf's neu' die Wollenherde,
Und denkt bei sich selbst: ein edelmüt'ger Feind
Nützt mehr in der Gefahr, als ein verzagter Freund.
Schlegel
Der Hase und seine
Freunde, und die zwei Rehböcke
Viel Freunde wollte ein gutmütiger Hase haben, und das war
freilich viel verlangt; denn
man ist schon glücklich, wenn man nur einen oder zwei
Freunde hat. Indessen unser
Hase wollte es einmal so.
Allen suchte unser Hase zu gefallen, und wo er nur immer
Gelegenheit hatte, einem Tier
irgend einen Dienst oder eine Gefälligkeit zu erzeigen, da
war unser Hase bereit. —
Sah er ein Kaninchen, so lief er zu ihm hin, und sagte zu
ihm mit der gutmütigsten,
gefälligsten Art: "Komm, Vetterchen, komm, und frühstücke
mit mir; ich habe herrliche
Kohlblätter dicht neben meinem Lager." — Weidete ein Pferd
im Felde, so erbot er sich,
dem gnädigen Herrn zu dienen, und ihm den Weg zu einer
frischen Wiese oder zu einem
frischen und klaren Quell zu zeigen.
So war unser Hase gegen alle Tiere — Pferde, Hirsche,
Hammel, Stiere — höchst gefällig
und voll Eifer, ihnen angenehme Dienste zu erzeigen; und der
gutmütige kleine Narr
bildete sich auch ein, sie hätten ihn alle lieb, weil er sie
liebte.
Er bildete es sich ein!
Ruhig schlummerte er, müde von seinen nächtlichen
Wanderungen, eines Tages noch
süß und sanft in seinem Lager; da schreckt ihn Jagdgetöse,
Hörnerschall und
Hundegebell auf. Hurtig springt er auf, und vier Hunde
setzen ihm nach, von einem
wohlberittenen Jäger abgehetzt. Mit größter Schnelligkeit
eilt er über das Brachfeld hin,
läuft kreuz und quer, im Sprung und Widersprung, dahin,
dorthin, vorwärts, rückwärts,
legt eine große Strecke zurück, und sucht die Hunde auf
falsche Fährte zu leiten. —
Jetzt setzt er sich auf seine Hinterpfoten, und richtet sich
in die Höhe, spitzt die Ohren
und sieht sich um, ob er keinen von seinen Freunden
erblicke, der ihm in so großer
Gefahr nützlich sein könne.
O glückliches kleines Tier! Jetzt entdeckt er in einem
Buschgehölz ein Kaninchen, das er
immer wie einen Bruder behandelt hatte. Er läuft hin.
"Rette mich, teuerster Freund!" bittet er flehentlich. "Aus
Barmherzigkeit rette mich!
Der Jäger, die Hunde sind mir auf den Fersen; du siehst
meine Gefahr. — O laß mich mit
in deine Höhle schlüpfen!"
"O mein Himmel! Wie tut mir's leid, daß ich dich gerade
jetzt nicht aufnehmen kann;
nun, du hast ja viel Freunde. Leb' wohl!"
Damit setzt er davon — und schon sind die bellenden Hunde in
der Nähe.
Der arme Hase! Er flieht weiter. — Nach ein paar hundert
Schritten sieht er einen Stier,
dem er hundertmal gedient hatte. Ach, wie demütig bittet er
ihn, diese Meute aufzuhalten,
die sich vor seinen Hörnern fürchten würde! So hätte er denn
doch einen Vorsprung.
"Ach! von ganzem Herzen wollt' ich es tun," sagt der Stier;
"aber sieh' da, dort in dem
Holze weidet eine junge Färse, die mutterseelen allein ist;
ich muß hin und sie schützen."
— Und mit diesen Worten geht er davon.
Unser Verfolgter trifft einen Damhirsch, dann einen
Zehnender, dann ein Pferd — ach!
seine sichersten Freunde hören seine Klagen kaum an, und
viele nehmen sich nicht
einmal die Mühe, sich zu entschuldigen; viele aber fürchten
sich selbst so sehr vor
Hundegebell und Jagdhornschall, daß sie zitternd
davonfliehen.
O armer unglücklicher Hase! Ohne Mut und ohne Stärke, ohne
Rat und Hilfe, will er sich
schon verzweifelnd den Hunden hingeben, als er mitten im
Gehölz zwei Rehe sieht,
die freundschaftlich beisammen unter einem Baume ruhten.
Die Rehe hörten das Getöse der Jagd. Eins davon springt auf
und setzt fort.
Die blutgierige Meute der Hunde läßt den Hasen, und setzt
dem Reh nach, und es half
nichts, daß der Jäger auf seine Hunde lärmt und flucht und
zürnt. — Das Reh zieht das
ganze Jagdgetümmel quer durch den Wald hindurch, und macht
einen langen Umweg,
und kommt auf die erste Stelle zurück, wo nun plötzlich das
andere Reh aufspringt, und
die Hunde auf's Neue durch Schnelligkeit, Wendungen und
Umwege ermattet, und, wenn
es müde geworden ist, ebenfalls zum Lager zurückkommt,
worauf das erst gejagte, das
sich ausgeruht hat, an die Stelle des kommenden tritt, und
den Lauf fortsetzt.
So geht es so lange, bis die Hunde ganz fertig und müde, und
die Jäger ganz beschämt
sind, den lieben langen Tag sich abgemattet zu haben, und
kein Wildbret mit nach Hause
zu bringen, wohin sie verdrießlich zurückkehrten.
Das Jagdgetümmel ist lange schon fort, und unsre Rehe liegen
schon wieder friedlich beisammen.
Da nähert sich das Häslein mit klopfendem Herzen, wünscht
ihnen Glück, und erzählt,
wie es ihm mit seinen zahlreichen Freunden ergangen ist, und
wie sie ihn alle verlassen haben.
"O!" sagt ein Rehbock, "das wundert mich nicht. Wozu sollen
so viel Freunde? —
Einer ist genug, wenn es nur ein Freund ist, der uns liebt."
Nach Pfeffel
Hornisse und Igel
H: Igel, Igel, schnell weg von hier,
Dein Anblick macht Entsetzen mir!
Hu, welch' ein Stachelwald sieht mich an!
Dich haßt gewißlich Jedermann.
I:. Weit weniger, als man dich haßt und flieht,
Weil meine Stacheln ein Jeder sieht.
Die Hornisse summt, es entlaufen Alle;
Sie sticht! sie sticht! tönt's mit ängstlichem Schalle.
Beim Igel am Wege bleibt Jeder stehn,
Ihn möchten gern Alle recht gründlich sehn!
Denn weniger scheut man den off'nen Feind.
Als den verstellten und falschen Freund.
Erdmann
Stiller
Der Bär und der Greis
Ein ungeschlachter Bär, voll finstrer Traurigkeit,
Im ödesten Gebirg aus Eigensinn verstecket,
Vertrieb unausgeforscht, durch Klipp' und Wald gedecket,
Einsiedlermäßig sich die Zeit.
Er wählt sich eine Gruft, die fast sein Körper füllt;
Schläft hier und dehnet sich, und wälzt sich auf und nieder,
Und meidet stets die Spur der Bären, seiner Brüder,
In eigne Dummheit eingehüllt.
Einst, als er saugend sinnt, wird ihm sein Lebenslauf —
Wenn dies ein Leben heißt — auf einmal sehr verdrießlich,
Er will gesellig sein; das hält er für ersprießlich,
Und macht sich bald im Taumel auf.
Wohin? das weiß er nicht. Das Glück mag Führer sein!
Das Glück, der Toren Witz! Nicht weit von seiner Höhle
Lebt ein bejahrter Mann von einer trägen Seele,
Fast wie der Petz, stumm und allein.
Auch der liebt keinen Scherz, der Andern artig scheint;
Was Herbst und Sommer zollt, des grünen Frühlings Gaben
Vergnügen seinen Fleiß. — Ich müßte mehr noch haben!
Was aber? — einen klugen Freund! —
Der Flora bunter Schmelz entzücket das Gesicht,
Pomonens Überfluß kann tausend Freuden machen;
Man darf mit Blum' und Frucht vertraulich reden, lachen:
Doch nur in Fabeln, weiter nicht.
Nicht wahr? kein Paradies bleibt einsam immer schön;
Unmitgeteilte Lust muß Überdruß erwecken.
Auch unser Greis geht aus, um Menschen zu entdecken,
Und sieht den Bären vor sich steh'n.
Er stutzt. Was soll er tun? Zur Flucht ist nicht mehr Zeit.
Er faßt sich und hält Stand. Das wird gut aufgenommen.
Petz red't ihn gnädig an: "Freund, willst du mit mir kommen?
Der Weg zu mir ist gar nicht weit."
Der Greis versetzt gebückt: "Die Gunst verpflichtet mich;
Doch würde mir's erlaubt, in meinem nahen Garten
Mit einem schlechten Mahl gehorsamst aufzuwarten?
Der Vorzug wäre königlich!
Ich habe reifes Obst und Milch. Zwar weiß ich wohl,
Die Kost ist ziemlich schmal für euch, ihr Herren Bären!
Ihr Großen dieser Welt, ihr könnet besser zehren!
Doch auch mein Honigtopf ist voll."
Der Vorschlag wird beliebet. Noch zeigt sich nicht das Haus,
Als die Bekanntschaft schon recht preislich angegangen;
Es will sogar der Bär den neuen Freund umfangen,
Doch der bedankt sich und weicht aus.
Bald haben diese Zwei den schönsten Bund gemacht;
Sie bleiben ungetrennt, und werden Hausgenossen.
Der Eine pflanzet, impft und wartet seiner Sprossen,
Der Andre legt sich auf die Jagd.
Unwissenheit und Ernst schließt beider Freunde Mund;
Ihr Umgang nähret sich die meiste Zeit durch Blicke.
Nur sparsam macht man sich von diesem Eintrachtsglücke
Die Seligkeit, einsilbig, kund.
Einst kehrt Petz heim, und sieht den zärtlichen Orest,
Zur schwülen Mittagszeit, in sanftem Schlummer liegen.
Er legt sich neben ihn, zerstreut den Schwarm der Fliegen,
Der seinen Wirt nicht ruhen läßt.
Er lauschet, scheuchet, schnappt, sieht nach dem Alten hin,
Und sieht auf dessen Stirn sich eine Raupe regen,
"Ha!" brummt er, "dir will ich das Handwerk zeitig legen:
Geschmeiß, erfahre, wer ich bin!"
Er holt den größten Stein, und, weil er's treulich meint,
Wirft er mit solcher Macht, daß Raup' und Greis erkalten.
Fürwahr! den klugen Feind muß man für schädlich halten,
Allein noch mehr den dummen Freund.
Hagedorn
Der Hahn und der Fuchs
Ein alter Haushahn hielt auf einer Scheune Wache;
Da kommt ein Fuchs mit schnellem Schritt,
Und ruft: "O krähe, Freund, nun ich dich fröhlich mache.
Ich bringe gute Zeitung mit:
Der Tiere Krieg hört auf, man ist der Zwietracht müde,
In unserm Reich ist Ruh' und Friede;
Ich selber trag' ihn dir von allen Füchsen an.
O Freund, komm bald herab, daß ich dich herzen kann.
Wie siehst du so dich um?"
"Greif, Halt und Bellard kommen,
Die Hunde, die du kennst," versetzt der alte Hahn.
Und als der Fuchs entläuft, "was," fragt er, "ficht dich
an?"
"Nichts, Bruder!" spricht der Fuchs; "der Streit ist
abgethan,
Allein ich zweifle noch, ob die es schon vernommen."
Hagedorn
Das
Feigenbäumchen und die Eiche
Der Frühling sank in's Tal hernieder,
Und liebelächelnd war sein Blick,
Sein warmer Atem wehte wieder,
Und neues Leben kam zurück.
Und sanft erweckt sein leiser Flügel
Ein Bäumchen am besonnten Hügel,
In einer Eiche Nachbarschaft,
Ein Feigenbäumchen voller Saft.
Das Bäumchen fühlt ein süßes Beben,
Und kann der Lust nicht widerstehn,
Entfaltet schnell sein schönes Leben
Dem ersten warmen Frühlingswehn,
Und spricht zur nackten Schwester Eiche:
"Fühlst in der weiten Schöpfung Reiche,
Fühlst du allein dich nicht beglückt,
Daß du dich nicht gleich mir geschmückt?"
Die Eiche spricht: "Dem ersten Lächeln
Des Frühlings, Nachbar, trau' ich nicht;
Zu Sturm wird oft sein leises Fächeln,
Der Blätter, Blüten, Zweige bricht."
Und sieh', — es wandelt sich das Wetter,
Und ach! des Bäumchens zarte Blätter,
Die schnell der erste Schein betört,
Hat schneller noch der Frost zerstört.
Und du, leichtgläubiger Jüngling, traue
Dem ersten Liebesgruße nicht;
Naht sich ein neuer Freund, so baue,
Wenn er von warmer Freundschaft spricht,
Nicht blindlings auf der Freundschaft Treue!
Der schnellen Wahl folgt späte Reue.
Nur der es lange treu gemeint,
Nur der Geprüfte sei dein Freund.
Prömmel
Der Wolf und der Bär
Wer schleicht so leise dort über die Haide
Gesenkten Ohrs, in fahlem Kleide?
Aus dem Auge blitzt ihm stille Wut,
Die Zung' ist rot von frischem Blut, — —
Es ist der Wolf, noch heiß von Mord,
Der schleicht sich durch die Haide dort,
Er wählt den Pfad, von Gestrüpp besä't,
Wo ihn kein Jägeraug' erspäht.
Jetzt steht er still, sich umzuschauen.
Sieht da die Höhle! Angst und Grauen
Erfaßt den einsamen Wandersmann,
Trägt ihn sein Fuß zu diesem Ort heran;
Da bleichen rings gehäufte Gebeine
Im Sonnenlicht', im Sternenscheine:
Des wildesten Bären Wohnung ist hier,
Der dichte Forst ist sein Jagdrevier.
Der Wolf tritt in die Höhle hinein,
Du starker Held, ich grüße dich fein,
So spricht er, habe dir viel zu sagen,
Und hörst du mich, wirst du es nicht beklagen.
Der Bär erhebt sich und grüßet wieder,
Dann streckt er sich auf das Lager nieder,
Sagt: wack'rer Gast, du wirst dich nicht schämen,
An meiner Seite Platz zu nehmen.
Gesagt, getan. Nun spitzt der Bär das Ohr,
Der Gast trägt seine Sache vor.
Durch Eintracht, spricht er, wachsen die Kräfte
Und leichter werden des Lebens Geschäfte,
Ist man vereint mit treuen Genossen;
Drum sei ein ew'ges Bündnis geschlossen,
Du edler Bär, zwischen dir und mir,
Hier biet' ich meine Rechte dir.
Vereint laß uns kämpfen, laß uns genießen, —
Wie werden dann des Blutes Ströme fließen!
Wer wär' im Wald', wer im Felde zu finden,
Der uns vermögte zu überwinden?
Der Bär bedenkt's; dann schlägt er ein:
"Wir wollen treue Verbündete sein!"
Der Abend ist da, — hinaus auf den Raub!
Sie wandeln leise, kaum raschelt das Laub;
Die Herd' im Tal soll sie heute bewirten,
Sie rauben das beste Schaf dem Hirten.
Im Walde wird der Raub zerlegt.
Der Bär, der Verständige, nun erwägt,
Wem wohl das feisteste Stück gebühre,
Nicht denkbar sei's, daß Er's verliere;
Er teilt das Schaf. "Dies Fleisch ist mein,
Freund Wolf, die Knochen da sind dein!"
Was, ruft der Wolf und seine Augen brennen,
Ist das Gerechtigkeit zu nennen?
Das beste Teil gebühret mir,
Ich brach die Bahn zur Herde dir!
Der Bär wird dem Wolfe nach nicht geben,
Ein Kampf erglüht auf Tod und Leben,
Das Blut entströmet vielen Wunden;
Bald hätten Beide den Tod gefunden;
Da hört man nahe Schüsse krachen
Und Beid' entfliehn mit leerem Rachen.
Ein Eichhörnchen hat's mit angesehn.
"Zwischen Bösen kann kein Bündnis bestehn
Und keine Lieb' unter argen Sündern!"
So spricht es leise zu seinen Kindern.
Hoffmann
Kluge Freundschaft
Zum Jagdhund sprach der Schäferhund:
"Du eiltest nicht zur Hilf ' herbei,
Als ich dem Wolfe widerstund,
Und ich war dir doch immer treu!
Allem ich weiß, mein tapfrer Freund,
Es ist der Grundsatz eurer List:
Euch dann zu machen hintern Feind,
Wann er bereits im Fliehen ist."
Fröhlich
Freunde-Pack
"Fuchs, bewährter Freund im Glücke,
Das sind wieder Vetternstücke",
Sagt der Wolf, dann wegzuspringen,
Wenn die Rüden auf uns dringen."
Und der Fuchs sagt: "Aber treulich
Half ich mit Gebet und Bitten;
Hätt' ich offen mitgestritten,
Schien es ja: ich wär' parteilich."
Fröhlich
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