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zu Buch 28-1
 

Die ihr im Staub und in Blumen euch reget,
Euch, die der Wald und die Tiefe heget,
Euch, die ihr auf zu den Wolken euch schwinget,
Lieblich dem Herrn euer Loblied bringet, —
Euch Alle erschuf der Höchste zum Leben,
Euch auch soll Freude der Erdkreis geben!
Wehe dem, weh! der das Auge kann weiden
Grausam an euren Martern und Leiden!
 
XXVII.
Verhalten gegen Tiere

 
Die Knaben und die Frösche 1
Maikäfer
Knabe und Schmetterling
Die Knaben und die Frösche 2
Der Bauer und der Esel
Das Kamel und der Mohr

Die Knaben und die Frösche 1

Eine Gesellschaft mutwilliger Knaben spielte am Rande eines Teiches, und machte sich
unter andern eine Freude daraus, so oft ein Frosch aus dem Wasser hervorguckte,
mit Steinen nach seinem Kopfe zu werfen.
Schon hatte mancher Frosch mit zerschelltem Kopfe wieder untertauchen müssen,
und immer lauter lachten die Knaben; als endlich einer von den Froschen ihnen zurief:
Kinder, ihr überlegt wohl nicht, daß dies für euch zwar ein Spiel, doch für uns
unschuldige Tiere der Tod ist?
                                                                                                        Aesop


Maikäfer

Maikäfer setzt sich auf einen Ast,
Die Knaben ergreifen ihn mit Hast;
Maikäfer bittet mit Zittern nnd Beben:
Laßt wieder mich fliegen, verschont mein Leben!
O könnt' ich erweichen euer Herz!
Erbarmt euch mein, quält kein Tier zum Scherz!
                                                    Erdmann Stiller

Knabe und Schmetterling

Kn.     Schmetterling,
          Kleines Ding,
          Sage, wovon du lebst,
          Daß du nur stets in Lüften schwebst?
Schm. Blumenduft, Sonnenschein,
          Das ist die Nahrung mein.

Der Knabe, der wollt' ihn fangen.
Da bat er mit Zittern und Bangen:
Lieber Knabe, tu' es nicht,
Laß mich spielen im Sonnenlicht.
Eh' vergeht das Abendrot,
Lieg' ich doch schon kalt und tot.
                                            Hey


Die Knaben und die Frösche 2

Die Frösche lebten einst in ihrer trüben Pfütze
Vergnügt, Baronen gleich auf ihrem Rittersitze.
Sie schlürften freie Luft in vollen Zügen ein,
Ihr Bad erwärmte sanft der hellste Sonnenschein.
Sie tauchten sich, sie glütscherten und sprangen,
Sie krächzten, quäkerten und sangen.
Ein Schwarm von Knaben fand bei ihrem Sitz sich ein.
Der Jugend Feuer kann nicht lang untätig bleiben;
Die Langeweile sich durch Spiele zu vertreiben,
Berieten sie sich lang' in ihrem muntern Reih'n.
"Laßt seh'n," sprach einer jetzt, "wir wollen Steine rühren;
Es ist ein gar zu drollig Spiel.
Ein Froschkopf sei des Wurfes Ziel!
Was schadet es, wenn zehn dabei den Kopf verlieren?"

Gesagt, getan;
Die Knaben fingen hitzig an.
"Der, der am meisten trifft, soll unser König werden!"
"Topp!" schrieen All' mit Worten und Gebärden.
Mit Kieselsteinen wird die Pfütze bald bedeckt,
Der Frösche wehrlos Volk in Löcher hingeschreckt.
Voll Furcht und Angst erreichet jeder doch,
Vor diesem Hagel sich zu schützen, nicht sein Loch.
Schon zwanzig liegen auf den Rücken.
Der Eine fühlt den Stein sein Schulterblatt zerstücken,
Der Andre fühlt die Rippen schon entzwei;
Gequetscht wird einer, wo die Brust am Hals sich füget;
Hier stürzt ein Rückgrath ei — der arme Frosch erlieget.

Der Frösche tapferster guckt aus dem Sumpf hervor
Und hebt sein grüngelb Haupt empor:
"Geht weiter, liebe Herr'n, um euer Spiel zu treiben!"
Sagt er. "Laßt ruhig uns in unserm Sumpfe bleiben!
Für euch ist unser Tod ein Puppenspiel;
Doch kostet jeder Wurf fast immer eines Frosches Leben,
So teuer uns, als euch. Ihr könnt's nicht wieder geben;
Wählt lieber Kegel euch zu eures Wurfes Ziel."

*   *   *

Laßt diese Fabel euch die Lehr', ihr Kinder, geben:
Ein Frosch, ein Schmetterling liebt, so wie ihr, sein Leben.
Gewöhnt ihr euch als Kinder schon zur Grausamkeit,
Im Alter führt sie euch zur Unempfindlichkeit.
                                                             Nach la Motte

Der Bauer und der Esel


Mit seinem schwer beladnen Esel kam
Ein Bauer aus der Stadt, und nahm
Den Weg zurück nach seiner Hütte.
Bei langer Weile, sachtem Schritte,
Sann er der kleinen Wirtschaft nach,
Was er nunmehr gekauft und was ihm noch gebrach.
"Mein alter Schornstein stehet schräge.
Ich brauche Ziegel, ihn zu bau'n;
Auch Holz muß ich mir morgen hau'n." —
Von ungefähr erblickt er hart am Wege,
Wo sonst ein kleines Höfchen stand,
Nun einen leeren Raum. Das Haus war abgebrannt.
Im Schutte sieht er noch berauchte Ziegel liegen.
"Ha! Niemand will sie mehr? Noch taugen sie für mich.
Ein Dutzend Ziegel lassen sich
Noch wohl zur Last des Esels fügen."
Nach beiden Seiten gleich verteilt er sie.
Der Zuwachs biegt des Esels Knie:
Doch seine Kräfte rafft das gute Vieh
Zusammen, stemmt sich fest, versucht's und trippelt weiter.
Verschiedne hingestreute Scheiter
Erblickt nun Hans im Geh'n, die kurz zuvor
Von seinem Wagen Holz ein andrer Hans verlor.
"Ha! noch ein guter Fund! So weniger zu hauen." —
Auch diese wirft er auf den Grauen,
Der jedes Mal, wenn er ein neues Scheit empfängt,
Erzittert, knickt, den Kopf noch tiefer senkt.
Kaum kriecht er, kaum genügen Bein und Rücken
Der Überlast. Jetzt stand die Sonne hoch.
Hans zieht den Kittel aus: "Auch diesen trage noch!
"Der wird dich nicht danieder drücken." —
Gefehlt! der Esel kann nicht mehr,
Er fällt. Der Bauer faßt den Knittel, ihn zu schlagen:
"Wie? Fauler! Holz und Steine kannst du tragen,
Und findest nun den Rock zu schwer?" —
Wie ungerecht! versetzt das Tier. Bedenke, Lieber!
Ein volles Faß läuft auch von Einem Tropfen über.

Das Kamel und der Mohr

An grüner Meeresküste
Steht ein Kamel, das Schiff der Wüste.
Die Wogen weh'n ihm Kühlung zu,
Dran labt es sich in süßer Ruh;
Hat große Lasten erst getragen,
"Jetzt ist mir's leicht," hört man es sagen.

Da tritt der Herr, ein wilder Mohr,
Aus Warenballen schnell hervor.
"Du träges Tier, knie eilends nieder,
Es geht nun in die Wüste wieder!"
Kamel hört's nicht mit Wohlbehagen;
Doch wird es Widerspruch nicht wagen.

Es kniet; sein bittend Auge spricht:
"O Herr, zu schwere Lasten nicht!
Ich bin zu Allem gern bereit
Und folge dir mit Willigkeit,
Nur hüte dich vor Grausamkeit!"

Der Mohr häuft lächelnd Last auf Last,
Das arme Tier erlieget fast;
"Und diesen Ballen noch hinzu!
Erheb' dich nun aus deiner Ruh!"

Kamel bleibt knieend, kann sich nicht
Erheben; was der Mohr auch spricht.
Da wird er zornig, schlägt das Tier;
"Ha, Unvernunft! du trotzest mir?"
Kamel seufzt tief; er schlägt es wieder, —
Da sinkt es tot zur Erde nieder.

Der Unvernünftige, — man darf wohl fragen,
War's das Kamel, war's, der es hat erschlagen?
                                                     Hoffmann