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zu Buch 6-2
 

Es bauen ihre Nester die Vöglein,
Es sammelt die Biene den Honig ein;
Die Blume webt sich ihr buntes Kleid, —
Es ist Alles voll reger Tätigkeit;
Der Wurm selbst im Grase, so zierlich und klein,
Will frühe schon in Bewegung sein.

Und du, dem Gott den Geist gegeben,
Die Kraft zu fröhlichem Schaffen und Streben: —
Du könntest in träger Muse ruhn,
Wolltest nicht auch das Deine tun? —
 
VI.
Fleiß und wohlgeordnete Tätigkeit 1

 
Die zwei Pflugscharen
Knabe und Hündchen
Die Schwalbe
Knabe und Apfelbaum
Hamster und Lerche
Hamster und Mäuschen
Die Spinne und die Biene
Die Biene und die Drohne
Zwei Hunde
Die beiden Hunde
Die Fliege und die Biene
Der Schoßhund und der Kettenhund
Der Dachs und das Eichhorn
Der Schmetterling und die Biene
Die Biene und die Hummel
Die Stunden des Tages
Der Esel
Das junge Roß
Die Lerche und die Eule
Der Eichhase und der Hühnerhund
Der Knabe und die Datteln

Die zwei Pflugscharen

Zwei Pflugscharen waren von einerlei Eisen, in einerlei Werkstatt und zu gleicher Zeit verfertigt
worden. — Die eine kam zu einem Landmanne, der sein Feld mit derselben ackerte, indessen die
andere ein ganzes Jahr in einem Winkel liegen blieb. Die erstere war immer hell und glänzend,
und die andere wurde täglich mehr mit dickem Rost überzogen. Einst kamen beide zusammen.—
Ei, ist's möglich? rief die verrostete. Sonst waren wir einander gleich, und nun bin ich so
verunstaltet, da ich doch beständig in der schönsten Ruhe geblieben bin.
   Ja, eben die Ruhe, antwortete die andere, eben die hat dir geschadet. —
                                                                                                               Nach Aesop


Knabe und Hündchen

Kn.   Komm nun, mein Hündchen, zu deinem Herrn,
       Ordentlich grade sitzen lern'.
H.    Ach soll ich schon lernen und bin so klein;
       O laß es doch noch ein Weilchen sein!
Kn.   Nein, Hündchen, es geht am besten früh;
       Denn später macht es dir große Müh'.

Das Hündchen lernte; bald war's geschehn,
Da konnt es schon sitzen und aufrecht gehn,
Getrost in das tiefste Wasser springen,
Und schnell das Verlorne wieder bringen.
Der Knabe sah seine Lust daran,
Lernt' auch und wurd' ein kluger Mann.
                                                        Hey

Die Schwalbe

Lothar, ein Edelmann von achtzig Jahren,
Beschaut sein neugebautes Schloß mit Lust,
Und spricht zur Schwalbe, die sich am Portale
Mit Emsigkeit ein Nest bereitet: "Törin!
Dein steter Feind, der Winter, ist nicht fern;
Dann zeuchst du über's Meer. Warum noch bauen?" —
"Du scheinst mir klüger nicht," versetzte sie,
"Als ich. Das Alter ist des Menschen Winter,
Dein Haupthaar dünn und schneeweiß. Dennoch baust du!" —

Der Frühling kam zurück, mit ihm die Schwalbe
Von weiten Reisen zum gewohnten Neste.
Im Grabe schlief Lothar. Sein Enkel spielte,
Ein lebensfroher Knab', am Tor des Schlosses.
"Warum dich abmüh'n, liebes Schwälbchen," rief er,
"Das Nest für deine Jungen auszubessern?
Sei klug, wie ich, genieß der Frühlingswonne!
Im Sommer ist's noch lange Zeit zur Arbeit." —

"Erwach' aus deiner Täuschung!" sprach die Schwalbe.
"Ich darf so wenig mein Geschäft verschieben,
Als du das Lernen. Frühling ist für mich,
Was Jugend für den Menschen: nur die Zeit
Der Vorbereitung. O, wer ungenützt
Sie fliehen läßt, wird später es bereu'n,
Und niemals fertig, nie zufrieden sein."
                                                         Haug

Knabe und Apfelbaum

                         Knabe
Wie prangst du, lieber Baum, so schön
Mit deinen Früchten rot und weiß!
Wer säh' in deinem Schmuck dich stehn
Und brächte dir nicht Lob und Preis?
Mein ganzes Herz beweget sich
Vor Freude, Bäumchen, seh' ich dich!
                     Baum
Du guter, lieber Knabe du,
Jetzt höre mir recht artig zu:
Ich war gar klein, als aus der Erde
Mich rief des großen Schöpfers Werde,
Kaum sah man mich; zwei Blättchen quollen
Hervor aus dieses Bodens Schollen;
Doch wuchs ich schnell und froh empor;
Wenn früh die Sonn' aus goldnem Tor
Hervortrat, fiel ihr warmer Strahl
Auf mich; zog Regen über's Tal,
Empfing ich stets mein gutes Teil,
Mir brachten Tau und Wolken Heil.
So ward ich größer; treue Hand
Mein Stämmchen an ein Stäbchen band,
Bis ich nach manchem lieben Jahr
Viel stärker als das Stäbchen war;
Da blickt' ich denn, durch Gottes Segen
An Knospen reich, dem Lenz entgegen;
Sie brachen auf, ihr süßer Duft
Durchwogte weit die Frühlingsluft
Und Früchte reiften aus den Blüten, —
Die werd' ich euch zur Labung bieten.
Doch liebes Kind, nun höre mich!
Der gute Schöpfer schuf auch dich,
Daß unter treuer Menschen Hut
Du wachsest, werdest fromm und gut,
Mit Gott wird dir es wohl gelingen,
Die schönsten Früchte darzubringen;
Du wirst gesegnet, glücklich sein
Und vieler Menschen Herz erfreun!

Der Knabe sprach: ich danke dir,
Du guter Baum, ich merk' es mir!

*   *   *

Er hat des Baumes stets gedacht,
Und reiche Blüt' und Frucht gebracht.
                                           Hoffmann

Hamster und Lerche

"Hamster, ich bewund're dich!
Hamsterchen, du dauerst mich!
Bist so emsig spät und früh,
Machst dir gar zu große Müh',
Trägst viel tausend Körner ein,
Mußt auch nicht zu fleißig sein!
Sieh, ich singe spät und früh
Und die Speise fehlt mir nie!"

Hamster spricht: "den frohen Gesang
Hat der Schöpfer dir gegeben
Und du dankst und singst nun eben.
Mir gab er Kraft zur Tätigkeit,
Die übt' ich gestern, üb' ich heut,
Bin immer emsig, bin immer froh,
Danke meinem Schöpfer so.
Muß Jedes tun nach seiner Weise,
Daß Alles den Allmächtigen preise;
Muß Jeder wirken mit seiner Kraft,
Nur so wird Alles wohl beschafft."

Lerche steigt auf und singet Lieder,
Hamster geht zur Arbeit wieder.
                                       Hoffmann

Hamster und Mäuschen

Das Mäuschen ist gar lustig im Feld,
Es denkt wohl, sein gehöre die Welt;
Es putzt sich sein Kleidchen den ganzen Tag,
Die Mutter zankt, es fragt nichts danach;
Will immer nur spazieren gehn,
Der gold'ne Weizen ist reif — und schmeckt schön.
Der Hamster sieht's eine Weile mit an,
Beginnt mit ernster Stimme dann:
Du kleine, muntere Nachbarin,
Bedenke doch in deinem Sinn,
Der Sommer wird bald vorüber sein
Und sammelst du nichts in dein Häuschen ein,
So kommt dir im Winter große Not
Und deinem Leichtsinn folgt der Tod.

Das Mäuschen denkt: ei, sprich nur, Lieber!
Und hüpfet leicht und froh vorüber.

Die Schnitter kommen, eh' man's gedacht,
Der Weizen wird in die Scheunen gebracht.

Der Herbststurm über die Stoppel weht,
Kein Blümchen mehr im Felde steht;
Nun braust gar der böse Winter herauf,
Bringt Reif und Schnee und Eis zuhauf;
Wie ist's so kalt! das Mäuschen friert
Und hungert dazu, wie sich's gebührt.

Ja hätt' es der Hamster nicht aufgenommen,
Es wäre wahrlich! zu Tode gekommen!
                                                Hoffmann

Die Spinne und die Biene

      Die Spinn' ist klein,
      Doch spinnt sie fein;
Hat sich in leichtem luftigem Bogen
Ein niedliches Netz gezogen
Von einem Rosenbäumchen zum andern;
Da hängt es gleich einer kühnen Brücke,
Man kann hinauf und hinüber wandern.
Die Flieg' und die Mücke
Müssen Zoll ihr geben,
Leider mit ihrem eigenen Leben.

Die Biene besieht sich den Wunderbau
Nach oben und unten ganz genau,
Schaut sich die dünnen Fädchen an,
Die Niemand feiner spinnen kann;
Und wie sie so regelmäßig und schön,
Einer neben dem andern stehn,
Wie Alles so rund und so niedlich ist,
Daß man Blumen und Bäume vergißt.

Endlich sagt sie mit Höflichkeit:
O Spinne, wie bist du so klug und gescheit!
Wer hat dich das gelehrt? sag' an,
Daß ich es auch erlernen kann.

Die Spinne ganz verwundert spricht:
Wie fragst du so seltsam, das weiß ich nicht;
Der Augen mir gab und Odem und Leben,
Der hat mir Alles in's Herz gegeben.

Hast recht, sagt die Biene, der gab es dir;
Der gab ja auch mir,
Daß ich mein Zellchen mir bauen mag
Und Süßes bereite den ganzen Tag.
Es ist uns Alles von Oben gegeben,
Müssen's nur fleißig gebrauchen im Leben!
                                                 Hoffmann

Die Biene und die Drohne

Ein Bienchen schlummert in der Zelle
Gar sanft und süß, sie scheint fast nicht zu leben;
Und eine Drohne sitzt daneben,
Ihr ist die ganze Nacht das Auge helle;
Der Schlaf will nimmer zu ihr kommen, —
"Hat's Bienchen mir ihn weggenommen?" —

Im Osten glüht's; es weicht die Nacht,
Beim ersten Strahl die Bien' erwacht;
Sie schaut umher, sie schaut hinaus
Aus ihrem kleinen, süßen Haus;
Sie will recht frühe schon von hinnen,
Die Tagesarbeit zu beginnen.

Da ruft die Drohne: Nachbarin,
Verzeihe, wenn ich lästig bin!
Ich bitte dich, mir Eins zu sagen;
Ich will mich grade nicht beklagen,
Doch sprich, wie kommt's, daß jede Nacht
Dein Auge schlummert, meines wacht?
Der süße Schlaf ist stets bei dir,
Ich glaube fast, du nimmst ihn mir!

Die Biene lächelt, saget dann:
Du bist im Irrtum, guter Mann;
Willst du mit mir zur Arbeit fliegen
Und nicht so träg im Bettlein liegen
Den ganzen Tag, so kommt am Abend
Der Schlaf zu dir auch, hold und labend;
Nie werden die Nachts lieblich ruhn,
Die nicht des Tags das Ihre tun!

Die Drohne dreht das Köpfchen fort.
Die Biene fliegt zur Blume dort.
                                       Hoffmann

Zwei Hunde

D. Kl.    Sag' mir einmal, was du verstehst?
            Ob du auch auf zwei Beinen gehst,
            Kannst hübsch aufwarten, tanzen, springen,
            Dem Herrn seine Pantoffeln bringen?
D. Gr.   Nein, nichts von dem allen; doch geb' ich Acht,
            Daß Niemand hier einbricht in der Nacht.

Ich denke, sie sind wohl beide gut,
Wenn jeder nur recht das Seine tut.
Der Kleine kann euch viel Freude machen
Mit seinen Künsten, daß ihr müßt lachen;
Doch sollt' ich wählen von den beiden,
So möcht' ich doch lieber den Großen leiden.
                                                               Hey

Die beiden Hunde

Ein Junker hielt sich ein Paar Hunde;
Es war ein Pudel und sein Sohn.
Der junge, Namens Pantalon,
Vertrieb dem Herrchen manche Stunde.
Er konnte tanzen, Wache steh'n,
Den Schubkarr'n ziehn, in's Wasser geh'n,
Und alles dieses aus dem Grunde.

Der schlaue Fritz, des Jägers Kind,
War Lehrer unsers Hund's gewesen,
Und dieser lernte so geschwind,
Als mancher Knabe kaum das Lesen.
Einst fiel dem kleinen Junker ein,
Es müßte noch viel leichter sein,
Den alten Hund gelehrt zu machen.
Herr Schnurr war sonst ein gutes Vieh,
Doch seine Herrschaft zog ihn nie
Zu solchen hochstudierten Sachen;
Er konnte bloß das Haus bewachen.
Der Knabe nimmt ihn vor die Hand,
Und stellt ihn aufrecht an die Wand;
Allein der Hund fällt immer wieder
Auf seine Vorderpfoten nieder.
Man rufet den Professor Fritz,
Und er erschöpfet seinen Witz.
Umsonst! es will ihm nicht gelingen,
Den alten Schüler zu bezwingen.
"Vielleicht," sprach Fritze, "hilft der Stock."
Er holt den Stock; man prügelt Schnurren;
Noch bleibt er steifer als ein Bock,
Und endlich fängt er an zu murren.
"Was wollt ihr?" sprach der arme Tropf,
"Ihr werdet meinen grauen Kopf
Doch nimmermehr zum Doktor schlagen.
Geht, werdet durch mein Beispiel klug,
Ihr Kinder! Lernet jetzt genug,
Ihr lernt nichts mehr in alten Tagen!"
                                                 Pfeffel

Die Fliege und die Biene

Zur Biene sprach die Fliege:
"Geliebte Biene, sprich,
Was machst du, daß man dich
Auf keinem deiner Züge
Verfolgt und jagt, wie mich?
Vor jeder Hand muß ich
Mein kleines Leben hüten.
Du schwingst dich frei empor,
Holst ungestraft aus Blüten
Den Honigseim hervor.
Mir — streck' ich meinen Rüssel
Nach eines Armen Brot,
Nach eines Reichen Schüssel —
Mir droht sogleich der Tod.
Ich glaube, könnt' ich stechen,
Und mich so scharf, wie du,
An meinen Feinden rächen:
Man ließe mich in Ruh." —
"Du irrst," versetzt die Biene;
"Was noch weit sichrer mich
In Schutz nimmt, ist, daß ich
Durch Fleiß dem Menschen diene."
                                       Tiedge

Der Schoßhund und der Kettenhund



Ein liebes Hündchen war Finette,
Klein, niedlich, weißer als der Schnee,
Es schlief auf einem seidnen Bette,
Aß Zuckerbrot und trank Kaffee.
Allein, trotz aller guten Tage
Selbst bei dem schönsten Leibgericht,
Ward ihm das Leben oft zur Plage;
Warum? das wußt' es selber nicht.
Mit manchen Seufzerchen erzählet
Es einstens dies dem Kettenhund,
Und spricht: "Sag' mir es, was mich quälet,
Warum bin ich denn nie gesund?
Du bist so lustig an der Kette,
Hast doch nur Brot, und schläfst auf Stroh;
Mich nährt Konfekt, ich hab' ein Bette,
Und doch bin ich so selten froh!" —
"Hm!" spricht der Freund, "das wußt' ich lange,
Das zu ergründen, ist nicht schwer,
Das kommt, mein Freund, vom Müßiggange
Und von den guten Tagen her."
                                                  Schwabe

Der Dachs und das Eichhorn


"Wohin so eilig, kleines Tier?
Komm doch einmal herein zu mir!"
So sprach ein Dachs, als er ein Eichhorn sah;
Und dies erwidert drauf: "Was soll ich da?
Ich habe keine Zeit, und viel zu tun." —
"So höre," sprach der Träge nun,
"Ich seh' dir oft aus meiner Wohnung zu,
Und wundre mich, wie unermüdet du
Von einem Zweig zum andern hüpfest;
Und durch die Nußgesträuche schlüpfest;
Und wie du keine Ruh noch Rast
Vom Morgen bis zum Abend hast.
Wie kannst du das, in aller Welt, ertragen,
Und noch so munter sein, und so geschwind,
Wie wenig andre Tiere sind?
Und ich muß mich mit meiner Trägheit plagen!" —
"Das," spricht das Eichhorn, "ist nicht schwer zu sagen.
Wenn immer ihr in euren Löchern lauert,
Als wäret ihr lebendig eingemauert,
Und nur von eurem Fette zehrt;
Da ist es wohl nicht fragenswert,
Warum sogar das Gehen euch beschwert;
Denn bei der allzu großen Ruh
Nimmt eure Trägheit immer zu.
Wer aber Fleiß und Arbeit liebt,
Wird täglich mehr darin geübt."
                                                Campe

Der Schmetterling und die Biene

"Was fliegst du doch den ganzen Tag
So flatterhaft umher?
Schon oft dacht' ich darüber nach,
Was wohl die Ursach wär'?

Ich seh' doch nichts hervorgebracht.
Du hast, so viel ich weiß,
Nicht Honig oder Wachs gemacht,
Wie ich durch meinen Fleiß."

So sprach die Bien' auf einer Ros',
Aus der sie Honig sog,
Zum Schmetterling, der sorgenlos
In ihrer Nähe flog.

"Ich kann," so sprach der Schmetterling,
"Nicht rasten und nicht ruh'n;
Vor vieler Arbeit, kleines Ding,
Konnt' ich bis jetzt nichts tun."

*   *   *

Geschäftig ohne Absicht sein,
Und wär' es lebenslang,
Bringt nicht Gewinn, nicht Freuden ein,
Ist nichts als Müßiggang.

Einst bleibt von deinem Dasein auch
Nicht die geringste Spur.
Denn Kraft und Zeit sind zum Gebrauch;
Der Weise lebet nur.
                                                 Seidel

Die Biene und die Hummel

                 Hummel
Immer fleißig, Jungfer Biene?
Um Verzeihung, daß ich mich erkühne,
Sie zu stören. — Aber, liebes Kind,
Suchst dir ja die kleinen Äuglein blind!
Weißt du nicht: man muß sich auch vergnügen.
Komm, laß deine Arbeit liegen,
Lustig, lustig laß uns sein!
Komm mit mir, es soll dich nicht gereu'n.
                 Biene
Meine Arbeit ist für mich Vergnügen,
Weil ich so erzogen bin,
O um Alles könnt' ich nicht so müßig fliegen,
Und was spräche dann auch wohl die Königin?
                 Hummel
I, die wird's auch gleich erfahren!
                 Biene
Kann es doch
                 Hummel
So machst du ihr was weiß.
                 Biene
Ei behüte!
                 Hummel
Jungfer Fleiß,
Da hat sie nichts zu befahren.
Sie soll mit uns, kurz und gut.
Wenn sie's mir nicht zu Gefallen tut,
So will ich sie selber, daß sie's weiß,
Bei der Königin verklagen,
Und daß sie herumgeschwärmt, ihr sagen.
                 Biene
Wie es dir beliebt. Muß ich dann auch leiden,
So ist Unschuld meine Trösterin.
Gerne will ich mit ihr leiden,
Und um alle eure Freuden
Gäb' ich sie nicht hin.
                                                Willamov


Die Stunden des Tages

   Entlastet von des Tags Beschwerde
Schlief unter Zeus getreuer Wacht
Der größte Teil der müden Erde.
Da sprach Zeus zu der Mitternacht:
"Geh' aus, versammle mir die Stunden,
Die diesen Tag der Welt verschwunden!"
Gekettet an die Ewigkeit
Entrissen sich die Stunden ihren Banden;
Zeus sprach, so waren sie vorhanden.
Gebt Rechenschaft," sprach er, "ihr Töchter von der Zeit!
Der Tag wies auch der Welt, sie flüchtig zu durchstreichen:
Was habt ihr in so vielen Reichen,
Die unter meinem Zepter steh'n,
Vom Morgen bis zur Nacht geseh'n?"
   "Ich, Zeus," erwiderte die erste von den Stunden,
"Fand noch die Welt vom Schlaf und Traum gebunden.
Die Pause wurde mir zu lang,
D'rum förderte ich meinen Gang."
   "Gut," sprach der Götter Haupt, "wie steht es mit der andern?"
"Ich fand," versetzte die, "zwar Viele schon erwacht;
Man tat bereits, als würde was vollbracht;
Man fing geschäftig an, von Haus zu Haus zu wandern,
Doch eh' ich noch was tun geseh'n,
Zwang mich die Schwester, fortzugeh'n."
   "Ich," fing nunmehr die dritte an,
"Fand schon die ganze Welt geschäftig,
Man schwitzte, keuchte, ächzte heftig.
Doch ob man nach mir was getan,
Wird dir die vierte Stunde sagen."
   "Zeus," fuhr nun auch die vierte fort,
"Du mußt die fünfte Stunde fragen.
Von Anstalt weiß ich viel zu sagen,
Doch von Verrichtungen kein Wort."
   Die fünfte sprach: "Zu meinen Zeiten,
O Jupiter, da wimmelt es von Leuten,
Da sah ich richten, schlichten, streiten;
Doch ob man etwas ausgericht't,
Mein Vater, weiß ich weiter nicht."
   Ihr Nachbar sprach: "Ich sah sie speisen."
Die folgende: "Sie hielten Mittagsruh."
Die nach ihr kam: "Auf meinen Reisen
Sah ich den Lombrespielen zu."
Die Stunden, die noch übrig waren,
Die fingen mit einander an:
"Zu unsrer Zeit ward nichts getan."
   "Wohlan," sprach Jupiter, "die Erde soll erfahren,
Daß Jupiter die schärfsten Strafen wählt:
Geht mit dem Morgen aus, und werdet dem zu Jahren,
Dem zum Gebrauch der Stunden Weisheit fehlt."
                                                               Michaelis

Der Esel


Ein Esel kam auf einer Reise
An einen Strom. Am Ufer jenseits sah
Er schöne Disteln; — ei, wie ging ihm dieses nah!
Er konnte schwimmen; doch nach seiner lieben Weise
War er zu faul dazu.
Ei, dacht er, hier will ich in Ruh,
Indessen mich bloß an der Aussicht laben,
Bis dieser Strom sich wird verlaufen haben.
Er lag den ganzen Tag; der Fluß verlief sich nicht.
Was sollt' er tun? Am Abend überschwimmen
Da ihm, verhungert, Kraft gebricht?
Und wollt' er gleich, das konnt' er nicht. — —

Kind, dieser Reise gleicht dein Leben;
Der Strom dazwischen ist die Zeit.
Auf jener Seite liegt Glück und Zufriedenheit;
Durch Fleiß und Müh' mußt du hinüberstreben.
Versäumest du jetzt die Gelegenheit,
Fehlt dir der Tugend Kraft, des Lebens Tätigkeit,
So darb' in alle Ewigkeit.

Das junge Roß


Ein junges, mut'ges Roß,
Dem Arbeit nicht so wohlgefiel,
Als Freiheit, Müßiggang und Spiel,
Riß sich von seinem Joche los
Und floh davon zur grünen Weide;
O welche Freude!

Der Lenz und Sommer strich
Im frohen Müßiggange hin,
Ihm kam die Zukunft nicht in Sinn:
Es lebte jetzt und freute sich;
Allein der Winter nahm die Freude
Der grünen Weide.

Die Wiesen wurden leer;
In Lüften stürmt ein rauher Nord.
Das Pferd entfloh von Ort zu Ort,
Und fand kein Dach, kein Futter mehr,
Jetzt warf es ängstlich seine Blicke
Auf sich zurücke.

"Tor!" rief es; "weh und ach!
Hätt' ich, bestimmt zur Tätigkeit,
Das bißchen Arbeit nicht gescheut!
Jetzt hätt' ich Hafer, Heu und Dach.
Wie schändlich, für so kurze Freuden
So lang' zu leiden.
                                            Weiße

Die Lerche und die Eule

Der Lerche, die sich einst in lieblichem Gesang
Zum Himmel aus der Tiefe schwang,
Rief eine grauenvolle Eule
Aus einem alten Raubschloß zu:
"Ei, sage, kleines Ding, kommst du denn nie zur Ruh?
Ich hörte dich ja noch vor einer kleinen Weile,
Zum wenigsten war's schon nach Sonnenuntergang,
Und jetzt bist du vom nahen Morgenrote
Schon wiederum der frühe Bote —
Nein, sage mir, wann schläfest du?
Und dann, den langen Tag — wie bringest du den zu?"

"Das kann," versetzte sie, "ein fauler Kauz nur fragen,
Der, wo nicht seine ganze Lebenszeit,
Doch seinen ganzen Tag verschläft; ich will dir's sagen:
Sobald des Morgens Herrlichkeit
Mich zum Gefühl erweckt, und ich aus lichter Höhe
Die unermess'ne Schönheit sehe,
Die über Berg und Tal der Schöpfer ausgestreut,
So fühl' ich meine Brust den frommen Trieb durchdringen,
Dem Welten-Vater auch ein Lied des Danks zu singen;
(Denn singen kann ich nur, und das ist der Beruf,
Zu dem er mich bei der Geburt erschuf.)
Dann letz' ich oft bei seinem Fleiße
Den armen Landmann, der im Schweiße
Des Angesichts sein mühsam Feld
Für Menschen und für mich bestellt,
Und dank' ihm so für seine Speise,
Womit er mich gar gerne nährt,
Wenn ich nach seiner eignen Weise
Sie erst verdient. —
Der elterlichen Sorge wert
Ist mir mein Haus, sind mir die Kinder meiner Ehe,
Zu denen ich gesangvoll aus der Höhe,
Für sie besorgt, sehr oft zur Erde niedergehe,
Sie fütt're, und, sobald ihr Wachstum es vergönnt,
Sie von dem niedern Element
Erheb', und sie auch hier dem Schöpfer singen lehre.
Und so verstreicht die Tageszeit,
Mir stets mehr als die Nacht willkommen,
In einer frohen Tätigkeit,
Sowohl zu mein als Andrer Frommen.
Dann laß' ich, wenn der Stern des Abends aufwärts glüht,
Mich unter einem frohen Abendlied
Zu meinen lieben Kindern nieder,
Und stärke meine matten Glieder
Zum fröhlichen Gesang des nächsten Morgens wieder."

"Und," hub die Eul' mit Hohneslächeln an,
"Wenn du nun, wie du sagst, so deine Pflicht getan,
Und im Gebrauche deiner Kräfte
Zu manchem nützlichen und lieblichen Geschäfte
Für dich und Menschen, Tag und Nacht
Dich alt gesungen, alt gewacht,
Was ist am Ende dein Gewinn?"

"Dies, daß ich selbst im Tod den Menschen nützlich bin;
Und, wie ich lebend jetzt sein horchend Ohr ergötze,
Auch dann noch seinen Gaumen letze.
Doch du, die du mich fragst, was tust denn du?
Womit bringst du dein Leben zu."

Statt einer Antwort dehnte
Die Eule sich, und blinzelte und gähnte.

"Ha, gut, ich weiß es schon," fuhr unsre Lerche fort,
"Du schläfst den ganzen Tag, und schliefst auch gern die Nächte,
Wenn nur der Hunger dich nicht zum Erwachen brächte.
Der nötigt dich, auf Raub und Mord
Alsdann blutdürstig auszugeh'n.
Und so sehr lebend dich, so Mensch als Tiere scheuen,
Sie mögen dich seh'n oder hören, so sehr freuen
Sie sich, am Torweg dich gekreuzigt zu seh'n."

*   *   *

Ein Fauler ist der Eule gleich:
Er schläft, so viel er kann, und Schlafen macht nicht reich;
Will er nun nicht sein Brot mit Müh' erwerben,
So muß er stehlen oder — sterben.
                                                            — — —

Der Eichhase und der Hühnerhund

Aus seinem Busch verpflanzet in ein Bauer,
Ward an der schwarzen Küchenmauer
Ein Eichhas' aufgehenkt, der sein beweglich Rad
Den ganzen Tag bald vorwärts und bald rückwärts trat.
Ein müder Hühnerhund besucht die Küche,
Sich bei dem Rest der Kohlenglut
Zu betten, dehnt sich aus, und rundet sich, und ruht.

Der Tagedieb! wenn ich ihm gliche,
Wer triebe denn die Walze hier?
Rief jener. — Sieh nur her, und mache mir
Es nach. — Ei! soll ich denn der Ruhe nicht genießen?
Versetzt der Hund: auch sie hat ihre Zeit,
So wie der Fleiß; und den laß ich mich nie verdrießen,
Sobald er nützlich ist. Sechs Hühner bracht' ich heut;
Doch du mit deinen hurt'gen Füßen treibst müßige Geschäftigkeit.

Der Knabe und die Datteln

Ein Schüler aß, wie viele Knaben,
Die Datteln um sein Leben gern;
Und um des Guten viel zu haben,
So pflanzt' er einen Dattelkern
In seines Vaters Blumengarten.
Der Vater sah ihm lächelnd zu
Und sagte: "Datteln pflanzest du?
O Kind, da mußt du lange warten;
Denn wisse, dieser edle Baum
Trägt oft nach zwanzig Jahren kaum
Die ersten seiner süßen Früchte."
Karl, der sich dessen nicht versah,
Hielt ein und rümpfte das Gesichte:
"Das Warten soll mich nicht verdrießen;
Belohnt die Zeit nur meinen Fleiß,
So kann ich ja dereinst als Greis,
Was jetzt der Knabe pflanzt, genießen."
                                                  Pfeffel