Fabelverzeichnis


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Buch 2
Fabeln 2-1

 
Der Rabe und der Fuchs
Die Ameise und die Grille
Der Hahn und der Fuchs
Der Kuckuck und die Lerche
Der Hase und der Dachs
Der Zeisig
Der verteidigte Schwan
Die Gans und der Wolf
Die Eulen
Die Hoffnung und die Furcht
Der Löwe
Die beiden Wölfe
Das Reh und der Hund

 
Der Hase und das Rebhuhn
Der Esel, der Fuchs und der Löwe
Der Hirsch und der Eber
Die Natter
Der vom Hasen betrogene Löwe
Der Wolf und der Fuchs

 

Der Rabe und der Fuchs

Wurst wieder Wurst. Das ist das Spiel der Welt,
Und auch der Inhalt dieser Fabel.

Ein Rabe, welcher sich auf einen Baum gestellt,
Hielt einen Käs' in seinem Schnabel.
Den Käse roch der Fuchs. Der Hunger riet ihm bald,
Dem schwarzen Räuber sich zu nahen.
"Ha!" spricht er, "sei gegrüßt! Ist hier dein Aufenthalt?
Erblickt man hier die reizende Gestalt?
Daß du gefällst, muß, wer dich kennt, bejahen.
Erlaube mir die Lust, dich jetz recht zu sehn.
Ja, der Fasan muß dir an Farbe weichen.
Ist dein Gesang nur halb so schön,
So wird, an Seltenheit, dir auch kein Phönix gleichen."

Den Raben täuscht das Lob, das ihm der Falsche gab.
Er kann sich nicht vor stolzer Freude fassen.
Ich, denkt er, muß mich hören lassen,
Und sperrt den Schnabel auf. Sein Käse fällt herab,
Den gleich der Fuchs verschlingt. Er sagt: "Mein schönster Rabe,
Ein Schmeichler lebt von dem, der ihn zu gerne hört,
Wie ich dir jetzt bewiesen habe.
Ist diese Lehre nicht zehn solcher Käse wert?"
Des Fuchses Schüler schweigt, mit heimlichem Verlangen,
Den schlauen Fänger auch zu fangen.

Der trug einst Speck nach seinem Bau,
Und er begegnet ihm. Wie, spricht er, Hühnerfresser,
Ist jetzt Speck dein Mahl? Du lebest zu genau,
Fast wie ein Mäuschen lebt. Schalk, dein Geschmack war besser.
Sieh um, in jenen Hof. Die Hennen, die dort gehn,
Sind klügrer Füchse Kost: nichts schöners wird man sehn.
Dich sollte wohl ein solcher Anblick rühren.
Allein, du bist nicht dir, noch deinem Vater, gleich.
Sonst warst du doch an Mut und an Erfindung reich.
Da suchte dich das Glück. Der Fuchs läßt sich verführen,
Wirft seinen Fraß dahin, setzt dem Geflügel nach.
Doch jenes macht sich unter Dach,
Und krähet, ihm zum Hohn, im sichern Hühnerhause.
Kräht, ruft er, kräht! mir bleibt ein fetter Fraß zum Schmause.
Er trabt zurück, und sucht. Der frohe Rabe sitzt
Auf einem Baum, wo ihn die Höhe schützt.
Den Speck hat er verzehrt. Freund, schreit er, mit Vergnügen
Erlern' ich Füchse zu betrügen.
Gedenk' an meinen Käs', ich denk' an deine List:
Vorhin war ich ein Tor, wie du es heute bist.

Die Ameise und die Grille

Es sang die heischre Grille
Die ganze Sommerzeit,
Da sich in aller Stille
Die Ameis' auch erfreut.
Sie häuft der Zellen Fülle
Mit kluger Emsigkeit.

Die Grille singt voll Freude
Um Feld und Busch und Hain
Und sammelt kein Getreide
Zum nächsten Winter ein.
Als endlich sich die Sonne
Umwölkt dem Schützen naht,
Die Erde keine Wonne,
Und alles Mangel hat,
Da fühlt sie das Geschicke
Der darbenden Natur
Und hoffet Trost und Glücke
Von ihrer Freundin nur.
Sie sagt: "O leiht mir Weizen,
Geliebte Nachbarin.
Ihr werdet ja nicht geizen,
Ihr wißt, wie arm ich bin."

Die fragt: "Zur Zeit der Rosen,
Was hast du da gemacht?
Die hat den Virtuosen
Vielleicht nichts eingebracht."

"Ich sang, zwar ungedrungen;
Allein, was sollt' ich tun?"

"Du hast damals gesungen?
Wohlan, so tanze nun!"

Der Hahn und der Fuchs

Ein alter Haushahn hielt auf einer Scheune Wache:
Da kommt ein Fuchs mit schnellem Schritt
Und ruft: "Oh, krähe, Freund, nun ich dich fröhlich mache;
Ich bringe gute Zeitung mit.
Der Tiere Krieg hört auf: Man ist der Zwietracht müde.
In unserm Reich ist Ruh und Friede.
Ich selber trag ihn dir von allen Füchsen an.
O Freund, komm bald herab, daß ich dich herzen kann.
Was guckst du so herum?" — "Greif, Halt und Bellart kommen,
Die Hunde, die du kennst," versetzt der alte Hahn.
Und als der Fuchs entläuft: "Was," fragt er, "ficht dich an?"
"Nichts, Bruder," spricht der Fuchs; "der Streit ist abgetan.
Allein, ich zweifle noch, ob die es schon vernommen."

Der Kuckuck und die Lerche

Den Kuckuck fragt die Lerche:
"Wie kommt es, sage mir,
Daß die gereisten Störche
Nicht schlauer sind, als wir?"
"Sie sollen uns beweisen,"
Erwidert er, und lacht,
"Daß nicht das viele Reisen
Die Dummen klüger macht."


Der Hase und der Dachs

Ein Hase wird vor Furcht und wachem Kummer grau,
Und, Eremiten gleich, durch strenges Fasten hager.
Nichts, als die höchste Not, treibt ihn aus seinem Lager.
Sein fetter Freund, der Dachs, geht öfters aus dem Bau,
Und suchet Luft und Fraß bei jedem Frühlingstau.
Kaum läßt sich ein Geräusch verspüren,
Kaum kann der hohe Storch zum Froschfang ausspazieren,
Kaum können Hasen selbst im Busche haselieren;
So wird auch jener gleich die Löffel ängstlich rühren.
Im Walde, Strauch und Rohr horcht niemand so genau.

Waldbruder, spricht der Dachs, du scheinest allen Tieren
Mit Recht beklagenswert in deiner Furchtsamkeit.
Wer wollte doch den Mut verlieren?
Der Hase gibt ihm zum Bescheid:
Herr Nachbar, ohne Furcht ist keine Sicherheit,
Sieh nur umher; der Fuchs ist nicht mehr weit.


Der Zeisig

Ein Zeisig, der sein Nest nur eben angelegt,
Versang an einem heitern Morgen
Den Schlaf, die Bau-und Nahrungssorgen.
Ihm wuchs sein kleines Herz, durch West und Lust erregt,
Sein Waldgesang verehrte Licht und Sonne,
Denn ihn begeisterte des schönen Himmels Wonne;
Und wie ein Fröhlicher oft gern zu schwatzen pflegt,
So wollt' auch er sich recht beredt erweisen,
Der Lerche diesen Tag vor allen anzupreisen.

Der Mittag kommt umwölkt. Die grauen Möwen fliehn
Mit bangem Flug und schrein und nähern sich dem Lande;
Allein und unglücksvoll spaziert im trocknen Sande
Die dunkle Kräh' und scharrt; Gewitter, die verziehn,
Ruft sie mit Krächzen her. Tief um das Schilfgras streichen
Die Erdschwalb' und der Spatz; der Häher sucht die Eichen,
Der Reiher hohe Luft, sein Bette Hirsch und Tier;
Mit aufgewecktem Hals schnauft der benommne Stier;
Die Pferde treiben sich, die Ställe zu erreichen.
Schnell überwältiget ein Wirbelwind den West,
Der Hain erhebt und heult: auf Ficht' und Tanne schossen
Verwüstend der Orkan, der Regen und die Schlossen;
Und so verlor der Zeisig auch sein Nest.

Der müde Sturm hört auf zu toben.
Der nasse Sänger hüpft zu seiner Lerche hin,
Die ihm recht zugehört, der guten Nachbarin.
Zum Glück war er bei ihr ganz sicher aufgehoben.
"Wißt," sprach er, "daß ich schon durch Schaden klüger bin:
Man muß den schönsten Tag nicht vor dem Abend loben."

Der verteidigte Schwan

Man tadelt' einen Schwan, der Wasservögel König;
Da nimmt sich seines Ruhms ein schlauer Vogel an.

"Hört, singt er, wie ich euch gleich widerlegen kann:
Wahr ist es, dieser Schwan fliegt wenig;
Doch er verfliegt sich nicht. Er taumelt, wann er geht;
Allein er schwimmt mit Majestät.
Jung war er weder weiß, noch schön, noch stark zu nennen;
Jetzt muß man ihn dafür erkennen.
Sein Ernst ist gar zu stumm; allein er denket nach:
Denn eh' er stirbt, wird seine Stimme wach.
Den Gänsen mag er freilich gleichen;
Doch wird er keinen Gänsen weichen.
Zwar fischt der Fresser sich manch' niedliches Gericht;
Doch wißt ihr, uns verschlingt er nicht."

*   *   *

Ein Dienst von solcher Art beleidigt.
Horaz, ach hätte man dich jüngst nicht so verteidigt!


Die Gans und der Wolf

"Wir Gänse retteten das Kapitolium!"
Sprach eine Gans und schwimmt; "bloß dieses kann bezeugen,
Die Unerschrockenheit sei auch den Gänsen eigen."
Am Ufer prahlt ein Wolf: "Den großen Romulum
Säugt' einer Wölfin Brust. Nichts gleicht, zu allen Zeiten,
Der guten Wölfe Zärtlichkeiten."
"Ja!" schnattert jene drauf; "wenn doch die Menschheit nur
Einst unsre Tugenden erriete!
Ja! die beseelende Natur
Gab Gänsen Mut und Wölfen Güte."
Ein Habicht zeigt sich ihr, der Feind voll schneller List:
Gleich schreit die Taucherin, und Hals und Fuß wird rege.
Der Wolf entdeckt ein armes Kind am Wege,
Das er beschleicht und ohn' Erbarmen frißt.

*   *   *

Wieviele rühmen sich der Tugenden und Gaben,
Die sie doch nicht erhalten haben!

Die Eulen

Der Uhu, der Kauz und zwei Eulen
Beklagten erbärmlich ihr Leid:
"Wir singen; doch heißt es, wir heulen:
So grausam belügt uns der Neid.
Wir hören der Nachtigall Proben,
Und reichen an Stimme nicht ihr.
Wir selber, wir müßen uns loben:
Es lobt uns ja keiner, als wir."


Die Hoffnung und die Furcht

Es reisten (Wann? Vielleicht zu unsern Zeiten)
Die Hoffnung und die Furcht durchs Land.
Wie jene leidlich Freunde fand,
So wohnte diese gar bei denen, die sie scheuten.
Sogleich verändert sich der Menschen Wahn und Stand.
Bald fängt der Mangel an, sich voller Mut zu brüsten,
Der Überfluß, verzagt zu sein.
Warum? Die Hoffnung kehrt beim ärmsten Alchimisten,
Die Furcht beim reichsten Wuchrer ein.


Der Löwe

Ihr Räte, merkt in diesem Jahre,
Merkt, was die treue Fabel schreibt,
Der Clio* Schwester, die das Wahre
Auch diesem Märchen einverleibt.
Daß sie den Hochmut nicht verletze,
Nimmt sie den Schein der Einfalt an,
Obgleich die Weisheit ihrer Sätze
Orakel übertreffen kann.

Es herrschte, stolz auf Stand und Ahnen,
Der große Sultan Leopard,
Der, stark durch Reich und Untertanen,
Durch Bundsgenossen stärker ward.
Ihm huldigten die schwächern Tiere,
Vasallisch und mit banger Pflicht;
Das Wollenvieh und Hirsch und Stiere
Gehörten vor sein Halsgericht.

Dem Löwen ward ein Prinz geboren,
Der Ruf erscholl im Augenblick.
Es ward auch keine Zeit verloren;
Man schickt Gesandte, und wünscht Glück.
Das Schrecken mächtiger Regenten,
Der Vater, starb, nicht sehr betagt.
Man übte sich in Komplimenten,
Man schickt Gesandte, lobt und klagt.

Der Sultan läßt den Brandfuchs kommen,
Denn dieser Schalk war sein Vizir.
Du weißt, spricht er, was wir vernommen:
Der Löw' ist tot; was fürchten wir?
Der Waise muß sich schon bequemen,
Und ihn beklag' ich in der Tat:
Uns kann er auch kein Zicklein nehmen;
Er hüte das nur, was er hat.

Herr, sagt der Fuchs, spart eure Güte
Für andre Waisen, als für ihn.
Ihr zieht wohl nicht in sein Gebiete;
Er kann, vielleicht, in eures ziehn.
Entschmeichelt euch dem nahen Rachen,
Macht ihn zum nachbarlichen Freund;
Wollt ihr ihn nicht zum Freunde machen,
So eilt, und schwächet diesen Feind.

Zwar bin ich kein Aspektenmesser,
Allein ich wittre Zank und Krieg,
Und unsre bärtchen Menschenfresser
Verhindern nicht des Löwen Sieg.
Ihm ist das Glück der Waffen eigen,
Nie wird er, eingeschläfert, ruhn,
Und, wann sich seine Rotten zeigen,
Ach! so behalten wir kein Huhn.

Der Sultan hält die Furcht für eitel,
Und, so wie Mupf die Lehrer hört,
Vernimmt er Worte, kratzt die Scheitel,
Gähnt, und entschlummert unbekehrt.
Bald aber zeigt die schnelle Strafe
Die Folgen großer Sicherheit.
Der Löwe weckt ihn aus dem Schlafe:
Er kommt, und mit ihm Mut und Streit.

Man meldet das den Bundsgenossen,
Macht Lärm, und schreit verwirrungvoll.
Lang' ist der Divan unentschlossen,
Wie man den Einfall hemmen soll.
Man fragt den Fuchs. Wie sehr gewöhnen
Wir uns zur blinden Zuversicht!
Spricht er. Laßt uns den Feind versöhnen,
Und fremder Hilfe trauet nicht.

Tun viele Helfer Wunderwerke?
O nein. Der Löwe hat nur drei:
Den Mut, die Wachsamkeit, die Stärke,
Und siegreich stehn ihm diese bei.
Gebt ihm, daß er nicht mehr entführe,
Ein Schaf, ein Reh, ein feistes Rind:
Kurz, eines der geringern Tiere,
Die unserm Reich entbehrlich sind.

Sein Vorschlag wird verzagt befunden:
Der Reichsrat dachte nicht, wie er.
Man rüstet sich, wird überwunden,
Und macht sich Krieg und Frieden schwer.
Dies lehrt uns eine Wahrheit fassen,
Die Regel der Regierungskunst:
Wollt ihr den Löwen wachsen lassen,
So suchet zeitig seine Gunst.


*
Clio ist die Erfinderin und Muse der Geschichte.

Die beiden Wölfe

In einem dicken Wald, wo Wind und Hunger heulten,
War zweier Wölfe Sitz, die sich in mancher Nacht
Nichts im Gebiß als Raubsucht heimgebracht,
Die sie recht brüderlich und ohne Mißgunst teilten.
Allein sie hatten sich verirrt
Und zu der Beute nicht den rechten Weg genommen.
Bald aber sehen sie die schönsten Schafe kommen;
Doch kommen auch zugleich der Hylax und der Hirt.
Wo die Gewalt unbrauchbar ist,
Bedient sich auch ein Wolf der List.

Sie halten Kriegsrat. Lykaons Enkel spricht:
"Ein rechter Angriff hilft hier nicht.
Ich will mich hinter jenen Hecken
Im Graben tief genug verstecken,
Dann musst du, fern von mir, der Herde Furcht erwecken.
Trab auf sie zu und lass dich sehn;
Der Schäfer wird dich bald entdecken
Und mit dem Hunde dir gewiss entgegen gehen.
Da werd’ ich schnell den Raub vollstrecken;
Die Kunst der Flucht musst du verstehn."
Der andre Wolf bejaht's, gestand, dass sein Gefährte
Sich als ein alter Wolf erklärte,
Und hieß den Anschlag wunderschön.

Sie trennten sich, und dieser naht hinan.
Man sieht ihn; Hylax bellt. Den Erbfeind zu erwischen,
Sucht ihn der Schäfer oft im Wettlauf anzufrischen.
Ihm setzen beide nach, doch kommt ihm keiner an,
Und jener schleicht aus den Gebüschen
Und stiehlt das beste Schaf, das man nur stehlen kann.

*   *   *

So wird man oftmals der Gefahr,
Wo sie am größten ist, am wenigsten gewahr.

Das Reh und der Hund

Ein zartes Reh, das gar zu sicher ruht,
Erhascht ein Hund, der kein Dickicht scheute.
Er beißt es an, leckt das vergoß'ne Blut,
Und küßt zugleich die angenehme Beute.
Da seufzt das Wild: "Welch' Mitleid rühret dich?
Du kommst als Feind, und raubest mir das Leben,
Und mir willst du doch solche Küsse geben,
Als wäre dir kein Freund so lieb, als ich?
Ich bitte sehr, hör' auf mit deinen Bissen;
Wo nicht, verschone mich mit Küssen."


Der Hase und das Rebhuhn

Ein Has' und Rebhuhn fanden beide
Im Vorholz, Feld und Busch Fraß, Sicherheit und Freude;
Und jener saß ganz ruhig im Getreide,
Als Söllmann* und die Jagd rasch ins Gehege drang,
Hochlautend ihn zum öftern Wiedergang,
Und fürchterlich zum Absprung zwang.
Zu oft ist manche Lust benachbart mit dem Leide.
Sie rahmen ihn herum: er läuft, und ach! wie schnell!
Doch seine Fährte kennt der treue Waldgesell.
Im Lager drückt er sich: noch hofft er zu entwischen;
Allein der Weidmann weiß die Stöber anzufrischen:
Der Flüchtling wird erreicht, so sehr er sich verbirgt,
Und, weil der Retter fehlt, indem er schreit, erwürgt.

Das Rebhuhn saß, und sprach: "der Tor wagt sich zu preisen;
Wie prahlend rühmt' er mir der Läufe Vorzug an!
Nun stirbt er lächerlich, und muß auch mir beweisen,
Zehn Hasen können nicht, was ein Strick* Hunde kann."
Es höhnt': allein, wie lang'? Es schoß aus ferner Höhe
Ein Habicht auf das Huhn herab;
Und, daß man oft den Spott sogleich bestrafet sehe,
Bekräftigte der Stoß, den er dem Spötter gab.

*   *   *

Auf ein gewisses Glück kann niemand Rechnung machen,
Und nichts ist törichter, als solche zu belachen,
Die ihr Verhängnis drückt. Rührt dich nicht andrer Leid;
Feind, so verdienest du barmherz'ger Henker Neid.
Die wären glücklicher, so oft sie Menschen quälen,
Besäßen sie dein Herz, dem Lieb' und Mitleid fehlen.


*
Söllman, Gesellman und Waldgesell, sind bei uns gebräuchliche Hundenamen.
*
Zwei oder drei zusammengehetzte Hunde an der Leine,
  werden ein Strick Hunde geheißen.


Der Esel, der Fuchs und der Löwe

Zum Esel kam der Fuchs auf seine Distelweide
Und sprach: "Freund, meinen Gruß zuvor,
Du scheinst noch immer jung in deinem alten Kleide.
Wie lustig spielt noch jetzt dein hochansehnlich Ohr!
Du bist und bleibst ein Freund der Freude.
Sieh auf! der Morgen wird recht schön.
Was fangen wir nun an? Nicht wahr, wir wollen beide
In jenem Wald spazieren gehn?"

"Ei ja," versetzt der Freund, "was ist den dort zu sehen?"
"Ein Muster," sagt der Schalk, "vollkommner Eselinnen.
Es wiehert mancher Hengst, die Spröde zu gewinnen,
Doch sie wird dir nicht widerstehn.
Sieh auf! . . . Ei ja . . . und sieh der Sonne rotes Licht!"
(So wortreich ist der Fuchs, er schwatzt, wie Redner pflegen,
Die mehr betäuben als bewegen,
Doch merke man sich auch, daß er zum Esel spricht.)

Sie wandeln plaudernd fort. Bald aber zeiget sich
Der König selbst, der Löw' in seinem höchsten Grimme.
Der Anblick nimmt sogleich dem Esel Mut und Stimme.
Er zittert, läuft und fällt. Ein Löw' ist fürchterlich.
Der Fuchs hält gleichwohl stand und sagt: "Beglückt bin ich,
Herr, heute dich nicht zu verfehlen.
Ich eilte, dich zu sehn. Zum Frühstück bring ich dir
Den Kern des Eselstamms, dort jenes feiste Tier."

Der ernste Löwe spricht: "Zur Mahlzeit dien es mir,
Dich selbst will ich zum Frühstück wählen."
Schnell wird der Fuchs zerstückt. Was lehrt des Löwen Tat?
Verräter hasset man und nutzet den Verrat.

Der Hirsch und der Eber

Ein Eber fragt den Hirsch: was macht dich hundescheu?
Für mich gesteh' ich gern, daß ich es nicht begreife.
Du hörst so scharf, als sie: wie schnell sind deine Läufe?
Wie fürchterlich ist dein Geweih?
Und da du größer bist, so solltest du dich schämen,
Vor Kleinern stets die Flucht zu nehmen.
Was ist es immermehr, das so dich schrecken kann?
Das will ich, spricht der Hirsch, dir im Vertrauen sagen:
Der Abscheu hängt mir noch von meinem Vater an;
Ich kann das Heulen nicht vertragen.


Die Natter

Als einst der Löwe Hochzeit machte,
Kroch zu der neuen Königin
Auch eine kleine Natter hin,
Die zum Geschenk die schönste Rose brachte.
Doch jene weist sie ab, und spricht:
"Ich nehme Rosen an; allein von Nattern nicht."


Der vom Hasen betrogene Löwe

Wie sinnreich macht die Furcht! Nicht weit von Bagdad wohnte
Ein Löwe, dessen Grimm und Raubsucht nichts verschonte.
Der fraß ohn' Unterschied, was die Gewalt ihm gab.
Bald schickt ein banges Reich an ihn Gesandte ab,
Und die erbieten sich, um sicherer zu leben,
Ihm jeden Tag ein Tier zum Unterhalt zu geben.
Der Antrag wird erhört: er nennt die Liefrungszeit.
Die Botschaft heulet Dank für so viel Gütigkeit.
Wie nun allein das Los des Opfers Wahl bestimmte,
So traf's den Hasen auch, der zwar sich traurig krümmte,
Doch diesen Trost sich gab: Was sein soll, muß geschehn.
Euch, Freunde, zu befrein, will ich zum Würger gehn;
Doch nach der Mittagszeit: es wird, wie ich vermeine,
Der König hungrig sein, wann ich vor ihm erscheine.

Er reiset. Da der Löw' ihn nur erkennen kann;
"Wie," ruft er, "kommst denn du so spät und langsam an?"
"Ich habe meinen Weg durch jenen Wald genommen,"
Versetzt das schlaue Tier: "sonst wär' ich längst gekommen.
Nach aller Möglichkeit beschleunigt' ich den Lauf:
Mich hielt ein andrer Löw', der dir recht gleichet, auf,
Und droht', und wollte mir durchaus den Ruhm nicht lassen,
Für dich, nach meiner Pflicht, mit Ehrfurcht zu erblassen.
Mit Zittern sag' ich es: von deiner Majestät
Sprach er verkleinerlich; auf dich hat er geschmäht.
Ich widerstritt ihm zwar, doch so wie Schwächre pflegen;
O könnt' ich jetzt sein Haupt zu deinen Füßen legen!"
Der Löwe zürnt, und brüllt: "der Frevler und der Tor!
Wir Helden ziehn den Sieg dem besten Fraße vor.
Dem Afterkönige will ich den Nacken beugen.
Gleich sollst du mit mir gehn, und seinen Sitz mir zeigen."

Er geht ihm rüstig nach, und dies ungleiche Paar
Kommt bald an einen Born, der tief und heiter war,
Hier sieht der Löwe sich, und glaubt den Feind zu sehen,
Und fordert ihn heraus, den Zweikampf anzugehen.
Vergebens! da er nun sich in den Brunnen stürzt,
Wird schnell sein Regiment, und aller Not verkürzt.


Der Wolf und der Fuchs

"Was wird wohl unser Ende sein?"
Fragt Isegrimm den Fuchs: mein Vater ward gehangen."
"Und meiner starb an Gliederpein,
Ihn hatten Bauern grob empfangen,"
Versetzt der Hühnerdieb. "Aus Rache fiel mir ein,
Ein überflüßigs Huhn, zu Zeiten, abzulangen,
Untreue Hennen aufzufangen,
Und in das Taubenfleisch grausam verliebt zu sein."
"Ach!" heult der Wolf, "ich habe mehr begangen,
Ich brauche lange Zeit, mein Leben zu bereun.
Doch horch! ich höre Jäger schrein,
Und Hunde bellen dort. Nichts kann uns Rat verleihn,
Und hätten wir die List der Schlangen.
Der Rat steckt in der Flucht. Wenn die uns retten kann,
Wo treffen wir uns wieder an?"
"Wo sonst nicht, sagt der Fuchs, beim Kürschner auf der Stangen."

*   *   *

Der Krug geht, wie ein Alter spricht,
So oft zum Brunnen, bis er bricht.