Fabelverzeichnis
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Friedrich von Sonnenburg
ca. 2. Hälfte des 13. Jahrhundert

Friedrich stammt wahrscheinlich aus dem Ministerialengeschlecht der Burggrafen von Sonnenburg
in Südtirol. Er war ein fahrender Berufssänger und der Verfasser von Liedern und Sprüchen,
welche in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse) enthalten sind.

Später wurde er zu den zwölf alten Meistern gezählt.

Leider besitze ich nur Fragmente seiner Lieder, wie diese vier Strophen, wobei die ersten drei ganz offenkundig zusammen gehören, da sie alle von dem neu gewählten König Rudolf I. handeln.
Die
Strophen 28 und 29 referieren die Anerkennungsschreiben, die Papst Gregor X. zur Wahl
Rudolfs am 26. 9. 1274 in Lyon ausgefertigt und an Rudolf bzw. die Fürsten, Städte und Gemeinden
des Reiches gesandt hatte.



 
Aus »Ton IV.«
Ich horte des babes brieve lesen

 
Aus »Ton IV.«
Ich hörte, wie die Schreiben des Papstes verlesen wurden

 
28
Ich horte des babes brieve lesen, sus was diu botschaft:
»der aller liebeste unser sun gegrüezet si mit voller kraft,
mit ganzer liebe unzwivelhaft
an allen underlaz!
Künic von Rome Ruodolf, künftic keiser offenbar,
daz wir dich künic e nanten niht daz quam von hohen rate dar,
dir beide ze nutze unde ane var,
vürwar so wizze daz.
Wir laden dich zer wihe, williclich sin wir bereit,
die krone unde alle keiserliche wirdicheit
enpfa von uns, vil lieber sun, so du erste maht in kurzen tagen —
din houbet krone uf erden sol ob allen künigen tragen!«

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28
Ich hörte, wie die Schreiben des Papstes verlesen wurden; dies war die Botschaft:
»Unser allerliebster Sohn sei gegrüßt mit allen Segnungen,
mit großer und unbezweifelbarer Liebe,
ohne Unterlaß!
Rudolf, König von Rom, designierter Kaiser,
daß wir dich bisher nicht König nannten, das geschah durch hohen Ratschluß,
dir zum Nutzen und ohne böse Absicht:
das wisse führwahr!
Wir laden dich zur Krönung, gerne sind wir dazu bereit,
die Krone und alle kaiserlichen Insignien
empfange von uns, mein geliebter Sohn, sobald du es nur kannst —
dein Haupt soll auf Erden die Krone über alle Könige tragen.«

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Der babes allen kristen vürsten
 
Der Papst hat allen christlichen Fürsten
 
29
Der babes allen kristen vürsten brieve hat gesant:
Tiutschen; Walhen, Winden, pfaffen leien, swie si sint genant,
den richen künigen in ir lant,
nahen, verre und wit;
uf alliu hus, in alliu dorf unde ouch in alle stete,
allen meistern schribet er sin hoch gebot und sin gebete:
nie babes künic so liep enhete
sit künic Karles zit.
Er schribet in daz sie ze herren sulen iemer han
den künic von Rom Ruodolf unde im mit triuwen bi gestan;
er si ein künftic keiser, swer in irret oder wider stat,
daz in der babes niht vür einen rehten kristen hat.

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29
Der Papst hat allen christlichen Fürsten Schreiben gesandt:
Deutschen, Italienern, Slawen, den geistlichen(Fürsten)und weltlichen wie sie auch alle
heißen,den mächtigen Königen in ihre Länder,
in der Nähe und in der weiten Ferne;
in alle Häuser, in alle Dörfer und auch in alle Städte,
allen Gelehrten schreibt er sein hohes Gebot und seine Bitte:
Nie habe ein Papst den König so lieb gehabt
seit den Zeiten König Karls.
Er schreibt ihnen, daß sie für immer Rudolf, den König von Rom, als Herrn anerkennen
und ihm in Treue beistehen sollen;
er sei der designierte Kaiser, und wer immer ihn behindere oder bekämpfe,
den würde der Papst nicht für einen wahren Christen halten.

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Si vragent wie der künic
 
Man fragt, wie der König von Rom
 
30
Si vragent wie der künic von Rome mir behage —
er behaget mir als er sol sit daz er got behagete an dem tage
dor in ze vogete (als ich iu sage)
gap aller kristenheit;
Unde als er got behagete (also der Brunecker uns jach,
daz er und manic tusent man ansihticliche wol ansach)
ze Ache überm münster daz geschach:
hoch, lanc, wit unde breit
ein schoene kriuze swebte ob im die wile daz er saz
gekroenet und die wihe enpfienc — hie bi so weiz ich daz,
daz in got durch der vürsten munt uns zeinem hat erwelt.
nu si er dir, almehtic got, in dinen vride gezelt.

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30
Man fragt, wie der König von Rom, Rudolf mir zusage —
er sagt mir zu, wie er soll, seitdem er Gott zusagte an jenem Tag,
als (Gott) ihn zum Schirmherrn — wie ich euch sage —
der ganzen Christenheit gab.
Und als er Gott zusagte — so erzählte uns der Brunecker,
daß er und viele tausend Leute es mit eigenen Augen sahen, —
so geschah dies in Aachen über dem Münster:
hoch, lang, weit und breit
ein schönes Kreuz über ihm während der Zeit, in der er gekrönt dasaß
und die Weihe empfing: Dadurch weiß ich,
daß ihn Gott durch den Mund der Fürsten für uns zum Schirmherrn erwählt hat.
Nun sei er Dir, allmächtiger Gott, in Deinen Schutz empfohlen.

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Der beste tranc der ie gewart
 
Der beste Trank, der je entstand
 
49
Der beste tranc der ie gewart daz ist der guote win,
dar umbe enmac daz wazzer niht dem wine gelich genaeme sin —
diz bispel gap ein vriedelin
durch ein versliezen mir.
Sit ich durch ire liebe disen haft entsliezen sol,
so spriche ich daz unminne niht enzimt bi reiner minne wol:
unminne ist aller tugenden hol,
diz merke, vrouwe, dir.
Daz wazzer und der guote win diu sulen sunder sten;
daz selbe sol diu minne von der unminne, hoere ich jen.
Unminne lazt sich dicke sehen in schoener wat, in varwe glanz,
so blibet minne tugenden vol und treit der eren kranz.

 
49
Der beste Trank, der je entstand, ist guter Wein,
weshalb Wasser zum Wein nicht passen kann —
dieses Exempel gab mir eine Freundin
als ungelöstes Rätsel.
Da ich aus Neigung zu ihr die verborgene Bedeutung aufschließen muß,
so sage ich, daß Unliebe nicht zu reiner Liebe passe:
Unliebe ist leer von allen Vorzügen,
dies merke dir, edle Dame.
Wasser und guter Wein sollen für sich bleiben,
ebenso — höre ich sagen
soll die Liebe von der Unliebe wegbleiben.
Unliebe läßt sich oft in schöner Kleidung und in glänzenden Farben sehen:
Liebe (dagegen) enthält alle guten Eigenschaften und trägt den Kranz der Ehren.

 

Quelle:
©Reclam 1993 Deutsche Gedichte des Mittelalters
Ausgewählt, übersetzt und erläutert von ©UlrichMüller/©Gerlinde Weiss