Der Fuchs, der Wolf und die Affen
Ein Fuchs, der lange schon geschmachtet,
Umsonst nach manchem Huhn getrachtet,
Erfuhr, daß eines Affen Frau
Im Kindbette sei. Ha! dacht' er schlau,
Vielleicht trag' ich vom Wochenschmaus
Auch wohl ein fettes Maul nach Haus.
Man muß sich in die Zeiten schicken,
Gefällig sein und viel sich bücken,
Sonst bleibet Börs' und Magen schlapp.
So dacht' er bei sich und begab
Sich auf den Weg zum Aufenthalt
Der Affen in den nächsten Wald. —
Er fand die Wöchnerin im Lager
Aus weichem Heu, von Mann und Schwager
Und Muhm und Schwägerin umringt,
Von denen jeder etwas bringt,
So daß Herr Reineke gar klug,
Bemerkte, hier sei Schmaus genug.
Er machte sich deshalb gar zierlich
Zur Äffin, bückte sich manierlich
Bis auf die Schuh, und sprach: "Madam,
Daß ich den Weg zu Ihnen nahm,
Ist aus der Ursach' bloß geschehn,
Die schönen Kinderchen zu sehn,
Womit sie vor gar kurzer Zeit
Den werten Herrn Gemahl erfreut.
O zeigen Sie doch Ihrem Knecht
Von Ihrem adligen Geschlecht
Die beiden liebenswürd'gen Zweige,
Daß ich mich auch vor ihnen beuge!
Ihr Gnaden glauben sicherlich,
Ein rechter Kindernarr bin ich."
Als dieses die Frau Äffin hört,
Gar freundlich sie sich zu ihm kehrt,
Reicht ihm die Hand, und spricht zum Mann:
"Sieh' doch den art'gen Fremdling an!
Er kommt hierher mit müden Füßen,
Bloß unsre Kinderchen zu küssen. —
Hier Freund," sprach sie zum Fuchs, "im Heu
Ruhn sie im Schlummer alle zwei."
Sie sagt es und zog mit der Hand
Ein pelzgefüttertes Gewand
Hinweg von ihrem Zwillingspaar,
Und sprach zum Fuchs: "Mein Herr, nicht wahr,
Wenn Ihr's aufrichtig wollt gestehn,
Was Schöner's habt Ihr nie gesehn?"
Der Fuchs erschrak. In langer Zeit
Hatt' er nicht so viel Häßlichkeit
An irgend einem Tier erblickt;
Doch rief er listig, wie entzückt:
"O froher Tag! So seh' ich denn
Die beiden kleinen Engelchen
In jedem Liebreiz vor mir liegen?
O welche Freude, welch Vergnügen
Muß dies den hohen Eltern sein!
Fürwahr! trifft mein Vermuten ein,
So werden sie, das ahnet mir,
Die Lust der Welt, der Affen Zier."
Als dieses die Frau Äffin hört',
Ward sie von Freude ganz betört,
Wie ihr Herr Eh'mann ebenfalls.
Er warf dem Fuchs sich um den Hals,
Bat ihn aufs freundlichste zu Tische,
Trug auf Pasteten, Braten, Fische,
Viel Obst und Nüsse groß und klein
Und trank ihm zu vom besten Wein,
So daß der Fuchs sehr wohl gespeist
Und halb berauscht, von dannen reist.
Ein Wolf traf auf dem Weg ihn an
Und sprach zu ihm: "Mein lieber Mann,
Ich seh' an deinem vollen Bauch,
Du hast geschmaust. Könnt' ich nicht auch
Zu einem solchen Fest gelangen,
Bei dem es dir so wohl gegangen?"
"I! Freund," versetzt der Fuchs, "gar leicht
Wird dieser Wunsch von dir erreicht.
Des Affen Frau liegt in den Wochen,
Der hab' ich eben zugesprochen;
Sie hat zwei allerliebste Kinder,
Die zeigt sie gern, wo du nicht minder
Als ich sie lobst, so gibt sie dir
Mit Dank zu schmausen g'nug dafür."
"So?" sprach der Wolf, "brauch' ich nur dies?
Dann hab' ich meinen Fraß gewiß!"
Er eilte zu den Affen hin
Und traf sie an bei frohem Sinn;
Ward freundlich von dem Mann empfangen,
Nach seinem höflichen Verlangen
Zur Frau geführt, die, sehr geneigt,
Ihm alsobald die Kleinen zeigt.
Herr Eisengrimm mit starrem Blick
Fuhr ganz erstaunensvoll zurück.
"Was Kuckuck!" schrie und lacht' er laut,
"Hier schaudert einem fast die Haut!
Dies sind ja wahre Ungeheuer!
Und die Scheusäligen sind euer?"
"Ei!" schrieen die Affen allesamt
Die Mutter mit, von Wut entflammt,
"Ei! seht mir doch den Grobian,
Mit seinen Schmeicheleien an.
Was braucht er denn hierher zu gehen
Und unsre Kinderchen zu schmähn?"
Drauf griff ein jeder nach dem Knittel,
Durchklopften weidlich ihm den Kittel,
Daß er, an allen Vieren lahm,
Zum Fuchse hungrig wiederkam.
Sobald Herr Reineke vernommen,
Wie schlecht der Wolf davon gekommen,
Sprach er: "Ihr gebt mir wohl nicht recht,
Allein, Ihr kennt die Welt noch schlecht.
Gern hält das Ohr dem Schmeichler still -
Die Wahrheit niemand hören will."
* * *
Dies hab' ich, Leser, auch gedacht,
Drum kommt sie hier in Fabeltracht.
Der Hecht und der Hai
Ein Hecht regierte lange Zeit
In einem Wasser weit und breit,
Und glaubte voller Stolz, nun sei er
Der Fürst und Herr im ganzen Weiher.
"Was hindert mich denn," fing er an,
"Daß ich im weiten Ozean
Nicht eben so gewaltsam wüte,
Nicht eben so als Herr gebiete,
Wie hier?" Er sagt's und schwimmt sogleich
Hinab in's große Wasserreich.
Doch wie erschrak er, da er nah'
Des Meeres Ungeheuer sah!
Ein Hai, der nicht sobald vernommen,
Weswegen er hierher geschwommen,
Tat seinen weiten Rachen auf,
Ergriff ihn und verschlang ihn drauf.
* * *
So trifft der kleinere Tyrann
Stets einen noch gewaltgern an.
Der ihn, von Siegen schon umringt
Mit seiner größern Macht verschlingt.
Der Pfau und der
Kranich
Mit einem Kranich zankte sich
Ein stolzer Pfau. Wie? (sprach er) dich
Wirst du doch nicht mit mir vergleichen?
Du mußt mir ja in allem weichen!
Sieh nur einmal mein schönes Kleid
Ist aller andern Vögel Neid;
Mein langer spiegelvoller Schwanz,
Und meines Halses Wunderglanz,
Macht mich zu dieses Hofes Zier,
Doch du, was hast denn du an dir,
Das mir den Vorzug streitig macht?
Du gehst einher in Baurentracht,
In einem alten grauen Kittel,
Hast keinen Rang, und keinen Titel.
Der Kranich sprach: darin hast du Recht,
Mein Rang ist klein, mein Rock ist schlecht;
Doch hab ich wirklich gute Flügel,
Hoch über Land und Meer, und Hügel
Schwing ich mich auf, beseh die Welt;
Und welches Land mir denn gefällt,
Nach diesem steuert mein Gefieder
Wenn ich es will, laß ich mich nieder,
Find aller Orten meinen Herd,
Und esse, was mein Herz begehrt.
Da du hiergegen stets im Wust
Auf deinem Miste bleiben mußt,
Und, wenn du dich zum Flug ermannst,
Kaum auf die Scheuer fliegen kannst.
Drum sieh mich so gering nicht an,
Nicht immer macht das Kleid den Mann.
Der Knabe und der
Stieglitz
Ein bunter Stieglitz ward gefangen,
Und einem Knaben auf Verlangen
Zu seinem Eigentum geschenkt,
Der ganz entzückt auf nichts mehr denkt,
Als seines Vogels recht zu pflegen.
Er sucht daher ihm allerwegen
Sein liebstes Futter, füllt sein Glas
Des Tages oft mit frischem Naß;
Vergoldet ihm sein kleines Haus,
Und bringt ihm manchen Distelschmaus.
Der Stieglitz aber findet doch
Zuletzt ein unbemerktes Loch,
Aus welchem er gar bald entkam,
Und fröhlich seinen Abschied nahm.
Der Knabe rief ihm freundlich zu:
Wohin, du armer Vogel, du?
Was hat dir denn bei mir gefehlt,
Daß sich dein Flug das Weite wählt?
Hab' ich nicht alles dir gegeben,
Wovon die Herrn Stieglitze leben?
War nicht dein Käfig ein Palast,
Mit gold'nen Drähten eingefaßt?
Und ward dir nicht aus meiner Hand
Manch Stückchen Zucker zugewandt?
Komm wieder, bitt' ich dich, herein!
Der Stieglitz gab zur Antwort: Nein!
Weg mit der goldnen Sklaverei!
Hier hab ich mehr, denn ich bin frei.
Der Adler und die
Eidechse
Sehr schmeichelnd ist es, sicherlich!
Auf hoher Ehre Gipfel sich
Durch sein Verdienst erhöht zu sehen;
Doch wenn man auf den gleichen Höhen
Unwürdige neben sich erblickt:
So pflegt der Rang, der uns entzückt,
Uns etwas minder zu betören,
Wie wir in dieser Fabel hören.
Ein Adler aus sehr altem Blut,
Von viel Verstand, und Edelmut,
Saß stolz auf einer hohen Eiche,
Der höchsten in der Bäume Reiche,
Und sah, wie unter ihm das Land
Ihm fast aus dem Gesicht verschwand.
Mein Treu! (sprach er etwas vermessen)
Das heiß ich doch wohl hoch gesessen!
Solch eine Höhe wird so leicht
Von keinem andern Tier erreicht,
Denn was das sagen will, das weiß ich!
So sprach er, als ihm, wie mit Fleiß sich,
Dicht neben dem erhabnen Ast,
Den seine stolze Krall' umfaßt
Frau Eidechs zeigt, und so sich brüstet,
Als er nur immer. Ganz entrüstet
Schrie er, wo kommst du her, Insekt,
Das sonst sich nur im Schutt versteckt?
Wodurch hast du die Höh erstiegen,
Die wir Herrn Adler nur erfliegen?
Zähmt, sprach sie, eure Hitze doch!
Ihr flogt, Herr Adler, und ich kroch.
Der Bräutigam und der
Tod
Ein Mann, der eine Frau genommen,
War sehr vergnügt zurück gekommen
Vom schön geschmückten Traualtar.
Und bald drauf setzten, Paar bei Paar,
Die Braut, Er, und die lieben Gäste,
Sich hin zum frohen Hochzeitfeste.
Da ward getrunken und gelacht,
Getanzet in die Mitternacht;
Bis endlich nun der Augenblick
Sich nahte, da des Bräutigams Glück
Die höchste Stuf' ersteigen sollte,
Und ganz entzückt er eilen wollte
Zu Bette mit der schönen Braut,
Die er bisher nur angeschaut.
Auf einmal winkt man ihm heraus;
Ein Fremder, (heißt es,) will durchaus
Nicht eher von der Stelle gehn,
Bis er ihn auf ein Wort gesehn.
Der Mann eilt ungern aus der Kammer
Ins Nebenzimmer und, o Jammer!
Da er hineintritt, zeigt sich ihm
Der blasse Tod. Mit Ungestüm
Faßt der ihn bei dem Arm, und spricht:
Komm mit wir fort, und säume nicht!
Ey! sprach der Mann, nur nicht so eilig,
Herr Tod! das ist ja ganz abscheulich,
Und himmelschreiend, daß ich euch
So folgen soll ins Schattenreich;
Gerad an meinem Hochzeitfeste!
Und noch dazu, eh ich das beste
Davon genossen! denn glaubt nur,
Die süße kleine Kreatur,
Die man mir heute zugeführt,
Hab ich fürwahr! noch nicht berührt.
Macht, was ihr wollt, ich folg euch nicht,
Bis ich mein Mädchen erst nach Pflicht
Geküßt, umarmt, und in den Orden
Der Frau'n es aufgenommen worden!
Der Tod, der sonst nicht Spaß versteht,
Ward doch für diesesmal erfleht,
Und ließ den jungen Bräutigam los.
Eil, (sprach er,) in der Freude Schoß!
Doch komm ich einst zum zweiten Mal,
So mach dir nicht vergebne Qual,
Und folge wir ohn' Anstand nach!
Gern, gnäd'ger Herr Tod! (so sprach
Der Bräutigam.) Doch darf ichs wagen,
Noch eine Bitte euch vorzutragen:
So nehmt mich doch, wenns euch gefällt,
Nicht gar zu plötzlich aus der Welt!
Der Tod spricht: dies auch geh ich ein!
Du sollst zuvor gewarnet sein;
Ich werde dir drei Zeichen geben,
Doch dann nimm Abschied von dem Leben!
Der Tod verschwand; der Bräutigam lief
Zu seiner jungen Braut, und schlief
In ihren Armen bis zum Morgen.
Drauf lebt er mit ihr, ohne Sorgen,
Viel Jahre lang; und Sie und Er
Sahn lange Reihen um sich her
Von Kindern, welche sie gezeugt.
Bis, von dem Alter ganz gebeugt
Die Frau zuerst entschlief. Der Mann
Gedachte drum noch nicht daran,
Daß ihm sein Ende nahe sei.
Er lebte munter, froh, und frei,
Bei mehr als sechs und achtzig Jahren.
Denn weil er noch bei grauen Haaren
Von keiner Schwachheit was empfand;
So war der Tod kein Gegenstand
Von seinen kleinen leichten Sorgen.
An einem angenehmen Morgen
Fand er sich lahm; er blieb nunmehr
Im Stuhl, und ging nicht mehr umher.
Drauf ward er blind. Das war verdrießlich,
Doch blieb ihm noch dabei ersprießlich,
Daß seiner lieben Freunde Schar
Beständig bei und um ihn war,
Die immer was zu sprechen wußten.
Und ihm die Zeit vertreiben mußten.
Nun ward er aber auch oft taub;
Das war gewiß ein schlimmer Raub!
Jedoch auch den trug er gelassen,
Und suchte sich darin zu fassen.
Mit einemmal erschien der Tod
Zum zweiten Mal, wie er gedroht.
Pack auf! (schrie er,) dein Ziel ist aus!
Ei was, (versetzt der Greis;) mein Haus
Ist nicht bestellt! Und wo sind dann,
Wie ihr verspracht, Herr Knochenmann,
Die Zeichen die ihr geben solltet,
Eh ihr von hier mich holen wolltet?
Die Zeichen? (fiel der Tod hier ein;)
Was sollens noch für Zeichen sein?
Du wurdest lahm, halb taub, und blind,
Wenn dies nicht Zeichen von mir sind,
So weiß ichs nicht! Doch fort mit dir!
Du bliebest sonst wohl ewig hier.
Der gleichgültige
Gelehrte
Ein Polyhistor, ohne Maß
Bei seinen Büchern schrieb und las.
Der ganze Tag, die halbe Nacht,
Ward mit Studieren zugebracht;
Und seine Frau ließ er allein
Die Stütze seiner Wirtschaft sein.
Einst kam des Nachts in seinem Haus
Ein unvermutet Feuer aus;
Schnell eilet zu ihm sein Lakai,
Und ruft mit kläglichem Geschrei:
Ach Herr! in unserm Haus ist Feuer!
Je nu! du abgeschmackter Schreier,
(Versetzt er) was störst du mich drum?
Sags meiner Frau! du weißt, Hans Dumm,
Daß ich von meinem Schreibetische
Nie in die Haushaltung mich mische.
Der Bischof und
der Bettelbube
Einst ging ein Bischof durch die Stadt;
Ein Bettelbube zu ihm trat,
Zog vor ihm ab gar tief den Hut,
Und sagte: Herr, sein Sie so gut,
Bis an den Hals steck' ich in Schulden,
Und schenken Sie mir einen Gulden
Zu diesem lieben Neuen Jahr;
Das wär' ein christlich Werk, fürwahr!
Was! schrie der Bischof eifersvoll
Ich glaube Junge, du bist toll;
Ein Gulden, bei so schlechter Zeit,
Ist wahrlich keine Kleinigkeit!
Nun, Herr, fiel ihm der Bettler ein
So mögen's denn acht Groschen sein.
Nichts, nichts! versetzt der Bischof drauf,
Geh fort und halte mich nicht auf!
Ihr Gnaden! Einen Groschen dann —
Fort, fort! auch den nicht! — Nun wohlan
Sie sehn, wie ich mich handeln lasse,
Ein Hellerchen? — Geh deiner Straße,
Nichts, gar nichts! — Das ist etwas arg,
Sprach drauf der Bube. Sie sind karg!
Doch lassen Sie sich denn bewegen,
Und geben mir nur Ihren Segen!
Den sollst du haben, lieber Sohn,
Erwiderte mit süßem Ton
Der Geistliche) knie hin vor mir,
Den besten Segen geb' ich dir!
So? sprach der Bursche ganz verwegen,
Behalten Sie nur Ihren Segen!
Ich hab ihn zu geschwind begehrt;
Wär er nur einen Heller wert,
Sie gäben ihn, hochwürd'ger Herr,
Gewiß nicht so gutwillig her.
Die Quelle und die
Wiese
Traut ja der Habsucht nicht zu weit!
Denn gibt man ihr erst Fingers breit:
So wird sie, ohne sich zu schämen,
Sich bald die ganze Handbreit nehmen.
Der Widerstand ist dann zu spät,
Wie ihr aus dieser Fabel seht.
Auf eines steilen Felsen Spitze
Lag eine Quell im sichern Sitze.
Sie konnte da zufrieden sein;
Doch plötzlich fiel's der Törin ein,
Aus ihrer Heimat fortzurennen,
Und mehr noch von der Welt zu kennen.
Hart an des dürren Felsen Fuß
Lag eine Wiese. Mit Verdruß
Und nicht geringem innern Neide
Sah sie im frischen Blumenkleide
Sie vor sich prangen. Tag und Nacht
War sie allein darauf bedacht,
Bis in der Wiese Lieblichkeiten
Ihr kleines Flüßgen auszubreiten.
Allein, wie nahm sie drin Besitz?
Nachdem ihr angestrengter Witz
Die Sache lang und breit erwogen:
So nahte sie mit sanften Wogen
Sich einst zur Wies', und sprach ganz leicht,
Und freundlich flatterhaft: Was deucht,
Frau Nachbarin, euch von dem Antrag,
Mit dem ich mich wohl zu euch nah'n mag?
Ihr seht, in diesem dürren Stein
Schließt sich bisher mein Brunnen ein;
Und was noch ja heruntertropfet,
Das wird, weil alles zugestopfet,
Zum faulen Sumpf um mich herum.
Vergönnt mir doch, ich bitt euch drum!
Durch euch vergnügt hindurch zu fließen,
Und auch der Freiheit zu genießen.
Euch schadets nicht! Zwei Hände breit
Sind mir genug. Ihr sollt allzeit
Davon den ganzen Vorteil haben.
Ihr könnt an meinem Naß euch laben,
Wenn Sirius die Haut euch brennt.
Auch bleibt es jedem Tier vergönnt,
In mir zu baden, und zu spielen,
Und sich in mir den Durst zu kühlen.
Falsch schmeichelte die Quelle so.
Die gute Wiese nimmt sie froh
In ihren Schoß auf, und denkt gar nicht,
Was auf sie selbst bald für Gefahr bricht,
Denn ihre neue Freundin strotzt
Durch sie dahin, und schäumt und trotzt;
Macht jeden Tag ihr Bette größer,
Und zieht viel Bach' und viel Gewässer
Zu sich hinzu; der ist bekannt
Von Alters her; der ist verwandt;
Der heißt Herr Schwager, der Gevatter;
Es wird von Wasser und Geplatter
Die Wiese naß. Sie sieht zuletzt,
Daß jeder sich hier feste setzt:
Sie will durch einen Damm sich schützen;
Doch was kann nun der Damm ihr nützen?
Ihn reißt bald fort des Stromes Schuß,
Die Wiese wird zuletzt zum Fluß.
Der Dichter und der
Bauer
Ein Dichter suchte sich das Haus
Von einem reichen Bauern aus,
Um da mit Lesen und mit Schreiben
Vergnügt die Zeit sich zu vertreiben.
Einst trat der Wirt zu ihm herein,
Und sprach: Herr, immer so allein?
Das bin ich nur, (sprach der Poet)
Seitdem Ihr, Freund, hier vor wir steht.
Der Jagdhund
und die Stadthunde
Ein junger Jagdhund ging zur Stadt.
So bald er auf den Marktplatz trat,
Da kamen schon in großen Haufen
Die Stadthund' auf ihn zugelaufen.
Er nahm die Flucht; um desto mehr
Ward er gejaget hin und her.
Zuletzt blieb er entschlossen stehn,
Und fletschte grimmig seine Zähn.
Als dies die andern Hunde sahn,
Fand keiner Lust mehr, sich zu nahn.
Sie fürchten sich vor seinem Drohn,
Und jeder machte sich davon.
So geht es in der kritischen Welt;
Wer da sich nicht zur Wehre stellt:
Auf den haut jede Zeitung ein,
Sollt es auch die bei Gollnern sein.
Der
Krammetsvogel und die Schwalbe
Zu seiner Mutter sprach vergnügt
Ein Krammetsvogel: seht! wie fügt
Der Zufall es so wunderlich!
Ihr wißt, gar wenig reizet mich
Der Umgang unserer Verwandtschaft;
Ich lobe mir dafür Bekanntschaft
Mit Fremden, die nicht zu gering;
Traun! das ist ein ganz ander Ding!
Ich hatte, Mutter, mich jetzt eben
Mit einer Schwalb ins Wort gegeben.
Ihr glaubt nicht, wie man schwatzen kann,
Man hört sie mit Verwundrung an.
Wir haben uns auch fest verpflichtet,
Und einen Freundschaftsbund errichtet.
Ich soll zu ihrem Neste kommen;
Und sie hat auch sich vorgenommen,
Recht oft uns hier im Wald zu sehn;
Sagt Mutter, ist das nicht recht schön?
Die Mutter sprach: du bist ein Tor,
Und nimmst dir tolle Dinge vor.
Du bist in frischer Luft erzogen,
Im Walde stets herumgeflogen;
Wohnst gern auf dem Wacholderstrauch,
Und deine Schwalbe liebt den Rauch;
Du kannst nicht Rauch und Hitze leiden:
Ihr werdet bald von selbst euch scheiden.
* * *
Herr Fähndrich, und Herr Kandidat,
Ich denke, dieser gute Rat
Möcht auch auf ihren Umgang passen;
Sie werden sich doch bald verlassen?
Die Wölfe und der Rabe
Zween Wölfe, die sehr hungrig waren,
Begaben sich mit viel Gefahren,
Zu einem Schafstall. Jeder nahm
Sich nach Belieben da sein Lamm,
Und eilten drauf zum Wald hinein,
Von niemand mehr gestört zu sein.
Ein Rabe sah's von ungefähr,
Flog hurtig hinter ihnen her;
Und als sie nun, nach langem Schmachten,
Sich über ihre Beute machten,
Rief er von einem Baum herab:
Ihr Herrn, gebt mir doch auch was ab!
Ihr werdet mich doch nicht vergessen,
Und alles so allein hier fressen?
Ich habe kühn und unverzagt
Mein Leben ja mit euch gewagt;
Drum gebt mir mein gebührend Stück,
Und weist mich hungrig nicht zurück.
Ja, sprach ein Wolf, du hast geflogen,
Und bist uns treulich nachgezogen,
Doch, guter Freund, aus Eigennutz,
Und wahrlich nicht zu unserm Schutz!
Der kranke Bauer
Ein Bauer mit schneeweißem Haar
War schon weit über sechzig Jahr,
Und hatte, wie der Mensch es macht,
Noch nicht gar viel an Gott gedacht.
Sein Herz war ganz der Welt ergeben,
Und wußte nichts vom ew'gen Leben.
Da er zuletzt nun sterben sollte,
Und doch noch gerne beichten wollte;
Bat er den Prediger zu sich.
Der kam, und sprach: bereite dich!
Du mußt nun bald von hinnen scheiden,
Zu ew'ger Pein, zu ew'gen Freuden,
Nachdem du hier gehandelt hast;
Ich hoffe doch, du seist gefaßt
Zur Krone, die uns nichts kann rauben?
Allein, wie stehts mit deinem Glauben?
Glaubst du — hier fing der Pfarrer an,
Als ein gelehrter frommer Mann
Den Katechismus zu erklären,
Und nach den ersten Glaubenslehren
Ihn zu befragen. Alles dies,
(Versetzt der Baur) glaub ich gewiß
Nur will von christlichen Geboten
Die Auferstehung von den Toten
Mir nicht in meinen dummen Kopf.
Ich bin nun zwar ein schlechter Tropf;
Doch sagt, wenn wir einmal verwesen,
Wer wills zusammen wieder lesen?
Fürwahr; (verzeiht mirs armen Tor!)
Es kommt mir wie ein Märchen vor.
Ei! (sprach der Pfarrer) glaubst tu das nicht,
So muß ich auch nach meiner Pflicht
Die letzten Ehren dir versagen.
Dein Körper wird denn weggetragen
Im Stillen, ohne Sang und Klang;
Wird eingescharrt am Wege lang,
Und kann nicht zu den wahren Frommen
Auf den geweihten Kirchhof kommen.
Wie das dein gut Gerücht wird kränken,
Geb ich dir selber zu bedenken.
Drum glaub es zu gefallen mir,
Und stirb wie andre Christen hier.
Der Bauer dacht: ich muß wohl dran!
Und sprach zum Geistlichen: wohlan!
Ich seh, es will nicht anders sein,
Drum geb ich mich denn auch darein;
Und weil ich weiß, daß Ihr allzeit
Mein guter Freund gewesen seid:
So glaub ich alles, was Ihr sagt,
Denn Not und Krankheit macht verzagt.
Doch komm ich wiederum heraus,
So sag ich doch: es wird nichts draus.
Die Spinne und das
Podagra
Das Podagra und eine Spinne,
Geführt von ihrem Eigensinne,
Entschlossen sich, die Welt zu sehn,
Und Abenteuern nachzugehn.
Sie trafen unterwegs sich an
Und grüßten sich, da sie sich sahn,
So leicht, so artig und galant,
Als hätten sie sich längst gekannt.
Ich dächte, sprach das Podagra,
Wir setzten nach dem Dorfe da
Zusammen unsre Reise fort.
Es scheint ein wohlgelegner Ort,
Und sind Madam so müd' als ich,
So wird uns beiden sicherlich,
Jedwede Herberg, groß und klein,
Auf diese Nacht willkommen sein.
Der Spinne war das eben recht.
Sie kamen an das Dorf. Geschwächt,
Hinfällig, kraftlos und halb lahm
Erlag das Podagra und nahm,
Sobald als möglich, voll Begier,
Beim ersten Bauern das Quartier.
Die Spinne hielt sich für gescheiter,
Und nahm den Weg noch etwas weiter
Bis zu des Edelmannes Haus;
Hier wählt' sie einen Saal sich aus,
In welchem man mit großer Pracht,
Zu einem Gastmahl Anstalt machte.
Sogleich nahm sie nach ihrem Witz
Von einem Fensterrahm Besitz;
Hub an, mit emsigem Bestreben,
Viel ihrer Fäden anzukleben:
Doch eh' ihr Netz noch fertig war,
Nimmt eine Stubenmagd es wahr,
Die mit dem Besen drüber fährt,
Und unbarmherzig es zerstört.
Die Spinne hub von neuem an
Zu weben, wie sie erst getan;
Da ward der Saal voll Herrn und Damen,
Mit denen viel Lakaien kamen.
Ein naseweiser Bursche sah
Der Spinne Netz, und rief: sieh da!
Was machst du hier? Und stieß sogleich
Den Hut quer durch ihr Fadenreich.
Die Spinne ließ sich's nicht verdrießen
Und heftete mit muntern Füßen
Ihr hangend halbzerstörtes Nest
Zum dritten Mal am Fenster fest.
Da trat ein junges Fräulein her,
Das sah am Fenster ungefähr
Die Spinne hangen und schrie laut:
Ach, Herr Baron, mir graut, mir graut!
Und wies mit Schrecken auf die Spinne,
Kaum ward der Herr Baron sie inne,
So zog er wie ein Held den Degen,
Fing an im Netz herum zu fegen,
So daß mit Not die Spinn' entkam
Und aus dem Saal den Abschied nahm.
Dem Podagra ging's fast auch so,
Es ward der Herberg wenig froh.
Nachdem es lange gnug gesessen,
Sprach es: Ich möcht ein wenig essen!
Der Bauer brachte trocken Brot,
Zum Trunk dazu kalt Wasser bot,
Dies waren nach so langen Reisen
Fürs Podagra sehr schlechte Speisen.
Es aß nicht viel, trank kaum dazu,
Und sprach betrübt: Bringt mich zur Ruh!
Da wies der Bauer ihm zum Bette
Gar eine harte Lagerstätte,
Worauf ein wenig Stroh nur lag.
Hier lag es kläglich, bis der Tag
Im Osten an zu grauen fing,
Und seufzend es von dannen ging.
Es traf die Spinne wieder an,
Die auch kein Auge zugetan;
Und alle beide klagten sich,
Wie elend und wie jämmerlich
Sie beiderseits die vor'ge Nacht,
In Furcht und Sorgen zugebracht;
Ich seh wohl, wo der Knoten sitzt,
(Sprach drauf das Podagra) Dir nützt
Zum Aufenthalte kein Palast,
So wie ich niemals Ruh und Rast
Bei schlechten Bauern finden kann.
Drum geh du zu dem armen Mann,
Und ich will deinen Junker sehn,
So soll das Ding wohl anders gehn.
Dies waren beide wohl zufrieden,
Und beide gingen nun verschieden
Den Weg, so wie der Abend kam.
Das Podagra voll Hoffnung nahm
Zum Schloß des Junkers seinen Gang.
Und mit welch freudigem Empfang
Ward es von ihm nicht aufgenommen!
Kaum sah er es gehinket kommen,
So nahm er's höflich bei der Hand,
Führts in sein Zimmer. Drinnen stand
Ein Sofa mit viel weichen Kissen,
Davon legt er ihm drei zu Füßen,
Und sprach: Ihr Gnaden fordern dreist,
Was Ihrem Gaum willkommen heißt.
Drauf rief er seine Diener her;
Da ward der Tisch nicht einmal leer
Von Tee, und Kaffee, und Orsade,*
Von Schokolad' und Limonade,
Alsdann ward von der Schüsseln Menge
Die große Tafel fast zu enge;
Da kam französisches Ragout,
Weit umher dampfend nach Hautgout,**
Schön Roastbeef nach der Briten Art,
Und Austern mit und ohne Bart;
Da kamen Austern am Kapaun,
Dann Austern schön gebraten, braun;
Dann wieder Austern in Pasteten,
Dann Fisch mit Austern, bis zum Töten,
Und schöne Braten, vom Fasan
Bis auf den feisten Ortolan.
=Ammer od. Finkenvogel
Kurz, alles was die Schmausewelt
Für echte Leckerbissen hält,
War so im Überflusse da,
Als wär es in Hammonia.***
Die Weine? Ja, wer kann die zählen?
Gewiß! hier durfte keiner fehlen,
Und das probieren riß nicht ab,
Vom Franzwein bis zum Vin de Cap;
So daß das Podagra sogar
Satt bis zum höchsten Ekel war.
Die Spinne trat zum armen Mann
Indes auch ihre Wallfahrt an.
Sie fand bei ihm ein freies Leben,
Fing an zu haspeln und zu weben
Nach Herzenslust mit Füßen, Händen
An Türen, Fenstern, Balken, Wänden
Und machte sich manch schönes Netz
Nach ihres Eigensinns Gesetz;
Rund, mit viel Strahlen, krumm und schief,
Gleich, ungleich seltsam, flach und tief.
So herrschte sie im ganzen Haus,
Und niemand stört und trieb sie aus.
Als drauf die beiden Wanderer
Nach kurzer Zeit von ungefähr
Sich wieder sahn, da rühmten beide,
Mit welcher wahren Lust und Freude
Ihr Leben nun versüßet sei.
Jedwedes blieb der Herberg treu;
Vergnügen war auf beiden Seiten.
Und so wohnt noch zu unsern Zeiten
Die Spinne bei den Armen gern,
Das Podagra bei großen Herrn.
*oder:
Orgeade, Orgeat=Gerstentrank, Mandelmilch
Orgeade ist traditionell ein süßer, alkoholfreier und mit
Aromastoffen hergestellter Sirup aus: Gerste, Mandeln,
Zucker und eines Aromas
von Orange oder Rosenwasser.
**Fleisch
mit Wildgeschmack
***gleichzusetzen
mit den Begriff: Schlaraffenland
Der Aal und die
Schlange
Ein oft verfolgter fetter Aal
Aus einem trüben Fluß sich stahl,
Worin er aus der Räuberhand
Des Fischers sich mit Not entwand.
Er schlüpfte durch das feuchte Gras
Dahin, wo eine Schlange saß,
Und seufzte: Frau Gevatterin,
Sagt mir, wie ich so elend bin,
Daß alle Fäuste nach mir haschen,
Von meinem bißchen Fleisch zu naschen?
Und ihr hiergegen sitzt in Ruh,
Und niemand mutet euch was zu;
Da ihr an Aussicht, Farb, und Kleid,
Mir doch gewiß sehr ähnlich seid.
Die Schlange sprach: das weißt du nicht?
Mein Zahn verletzt, mein Schwanz, der sticht,
Du schmeichelst nur, tust niemand leid,
Vor meinem Gift sich jeder scheut.
Der Pfau und das
welsche Huhn
Vom Edelhof, der ihn erzogen,
War einst ein Pfau hinweggeflogen;
Er wußte nicht mehr, wo er war,
Zuletzt kam er nach viel Gefahr
Zu einer kleinen Meierei.
Hier läuft gleich Jung und Alt herbei,
Und preist mit übermäß'ger Freude
Den fremden Herrn im schönen Kleide.
Man streut ihm reichlich Futter hin.
Die andern Hühner sehen ihn
Mit heimlicher Bewund'rung an,
Und mit gar großem Neid der Hahn.
Dem Pfau gefiel es hier so ziemlich,
Nur schien es seinem Stolz nicht rühmlich,
Daß er, so artig, so galant,
Hier nichts für sich zu lieben fand.
Was kann nicht Langeweile tun?
Ein niedlich junges, welsches Huhn
Schien unserm Stutzer noch allein
Der Mühe wert, verehrt zu sein.
Zwar eine Mutter war noch da,
Die scharf auf ihre Tochter sah;
Allein der Pfau verstand sehr schön
Die Mutter selbst zu hintergehn;
Und sah noch überdies gar bald,
Daß in des Töchterchens Gestalt
Der Mutter Blick vergaffet war.
Er nimmt daher des Vorteils wahr,
Macht an die Tochter sich beherzt,
Liebäugelt, lobet, lacht und scherzt.
Sie war verliebten Temperamentes;
Der listige Herr Pfau erkennt es
Nur allzu sicher aus der Art,
Mit welcher ihm begegnet ward.
Die Mutter merkte jetzt den Handel,
Und sprach: Mein Herr, der Tugendwandel
Von meiner Tochter ist bekannt;
Sie schickt sich nicht für Ihren Stand,
Und ist nicht aus dem Pfaugeschlecht!
Wir sind nur Hühner schlecht und recht.
Madam, sprach hier der Pfau verstellt,
Ich bitte Sie, was in der Welt
Verdient es mehr, als wie sie beide,
Vom Pfaugeschlecht zu sein? O Freude!
Ich kann ein würdig Kind erhöhn,
Und es mir gleich und glücklich sehn!
Madam betrachten selber nur
Die kleine süße Kreatur.
Gleicht sie nicht völlig einem Pfau?
Und geht und trägt sie nicht genau
Sich so wie unsre Schönen tragen?
Der Augenschein wird's Ihnen sagen!
Die Tochter höret ihn entzückt;
Die Mutter preiset sich beglückt.
Dem jungen Herrn ward viel erlaubt,
Der manche Gunstbezeugung raubt,
So daß fast jeder denkt, der Pfau
Und dieses Huhn sei Mann und Frau.
In diesem angenehmen Wahn
Kam plötzlich eine Pfauin an.
Sie setzet stolz sich auf das Dach,
Schreit, und macht alles um sich wach.
Der Pfau vernimmt kaum, daß sie ruft,
So schwinget er sich in die Luft,
Eilt undankbar mit ihr davon,
Und Schande blieb des Hühnchens Lohn.
* * *
So machens noch in unsern Tagen
Die Herrn, die Federhüte tragen.
Sie wissens noch gar wohl, Madam,
Wie Herr Baron von Hochblut kam,
Vorlieb gern nahm mit Karolinchen;
Bis plötzlich Fräulein Philippinchen
Erschien und ihr den Bräutgam stahl,
Und sich der Herr Baron empfahl.
Die Schnecke und
die Frösche
Ein großer Haufen Frösche saß
An einem Teich, im grünen Gras;
Sie machten sich mit hüpfen, springen,
Mit schwimmen, quacken, schreien, singen,
Sehr lustig. Eine Schnecke sah
Dies voller Neid, und sprach: Ja ja!
Das glaub ich wohl, ihr habt gut lachen,
Und könnt euch hier wohl lustig machen!
Ihr habt vier schöne lange Beine,
Damit springt ihr von Rain zu Raine;
Doch ich, ich unglückselig Tier,
Ich krieche stets im Staube hier,
Und schleppe noch von Ort zu Ort
Mein Haus wie einen Buckel fort.
Indem ließ sich der Storch hernieder;
Den Fröschen bebten alle Glieder,
Er stach und fraß in sie hinein,
Und schluckte hinter groß und klein.
Ei (sprach die Schnecke nun voll Mut,)
Ich seh, mein Buckel ist ganz gut.
Den will ich künftig lieber tragen,
Als so mein Leben stets zu wagen.
Der wohlgezogne Hund
Ein Herr hatt' einen schönen Hund,
Den liebt' er sehr; aus seinem Mund
Gab er ihm manchen Leckerbissen,
Und ließ sich oft gar von ihm küssen.
Er war so folgsam auch, so zart,
Daß jedes Drohn ihm furchtbar ward.
Zugleich war auch ein Spitz im Haus,
Der lief gar öfters heimlich aus;
Kam voller Schmutz und Kot zurück,
Und machte sonst manch plumpes Stück.
Deshalb ward er oft eingeriegelt,
Beschimpft, gestoßen, und geprügelt.
So bald der fromme Hund dies sah,
Wars, als ob es ihm selbst geschah.
Er lief, verkroch sich, zitterte,
Als täten schon die Schläg ihm weh.
Was bebst du? (fing sein Herr einst an,)
Hab ich dir jemals was getan?
Ich habe dich ja nie geschlagen!
Nein! (sprach der Hund) das muß ich sagen!
Doch fürcht ich eben jeden Schlag,
Weil ich nie einen haben mag.
Die beiden Elstern
Gib kluger Sparsamkeit Gehör,
Und rechne lieber Jahre mehr,
Als du vielleicht zu leben hast;
Damit dich nicht des Mangels Last,
Auf den die Jugend sorglos blickt,
Im Alter doppelt schwerer drückt.
Zwo Elstern waren Nachbarinnen;
Kaum wurden sie des Herbstes innen,
So trugen sie mit regem Fleiße
Sich auf den Winter ihre Speise
An guten Eicheln, braunen Nüssen,
Und was sonst Elstern haben müssen,
Jedwed' in einen hohlen Baum,
Und gaben keiner Sorge Raum.
Der Winter kam vom hohen Brocken,
Das Haupt umringt mit Eis und Flocken;
Der freie Strom ward plötzlich hart,
Die sterbende Natur erstarrt.
Die Elstern zehrten ohne Klagen
Vom Vorrat, den sie eingetragen;
Doch flog die eine manches Mal
Beim ersten besten Sonnenstrahl
Hinaus ins Feld und suchte sich,
An Rain und Hügeln, kümmerlich,
Was noch zu essen dienlich war.
Die andre nahm dies spöttisch wahr
Und sprach: Fürwahr, Frau Nachbarin,
Wie lange denkt Ihr denn noch hin
Mit Eurem Vorrat auszukommen?
Habt Ihr die Lerche nicht vernommen,
Die munter schon im Saatfeld singt
Und uns den Frühling wieder bringt?
Der Winter kann nicht länger währen,
Und sicher könntet Ihr verzehren,
Was hier schon aufgesammelt ist,
Und sonst verdirbt und niemand frißt.
Lebt so wie ich in Freud und Scherz.
Denn neue Nahrung bringt der März.
Ja, (sprach die andere darauf)
Dem Schein nach hört der Winter auf;
Doch, uns zum größten Ungemach,
Kommt oft ein später Frost noch nach.
Bleibt mir was übrig, nun wohlan!
Was ich nicht selbst verzehren kann,
Wird unter dieses Baumes Rinden
Noch immer seinen Mann wohl finden.
Sie hatte recht. Denn plötzlich kam,
Da schon der Lenz den Anfang nahm,
Ein neuer Winter. Tiefer Schnee
Bedeckte traurig Tal und Höh,
Und lag verschied'ne Wochen lang
Zu manches Tieres Untergang.
Kein Lenz erschien, wie man gedacht.
Der Hunger kam mit ganzer Macht,
Und ihre Nachbarin erfriert,
Weil sie nicht richtig kalkuliert.
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